Samstag, 28. Juli 2007

Kicker, Sportbild und 11Freunde - die Fußball-Sonderhefte im Vergleich

Die Sommerpause geht, eine neue Saison kommt – und mit ihr eine regelrechte Flut an so genannten „Sonderheften“ renommierter Sport-Zeitschriften zum Saisonstart. Drei davon habe ich genauer unter die Lupe genommen.

Meine Mutter war mal wieder Schuld. 1996 – es ist inzwischen 11 Jahre her – brachte sie mir eine dicke Zeitung mit nach Hause. „Kicker-Sonderheft“ grüßte es vom knallroten Cover. Es war die Initialzündung einer großen Affinität für Fußball-Hefte und die Eröffnung eines Sport-Archivs in meinem Kleiderschrank.
Damals konnte ich gerade erst lesen, aber das hinderte mich keineswegs daran, die Zeitschrift stundenlang von vorne nach hinten und wieder zurück zu durchforsten. Jürgen Klinsmann spielte noch bei den Bayern und schon in jenem Jahr habe ich zuerst die Seite mit dem Mannschaftsfoto meiner Borussia aus Mönchengladbach aufgeblättert. Ich konnte den ersten Blick erhaschen auf das neue Trikot, in Zeitalter des Internetlosigkeit war das noch stets ein gut gehütetes Geheimnis gewesen. Heutzutage weiß man teilweise noch früher Bescheid, als der Verein selbst.
Seitdem beginnt jedes Jahr im Juli das Warten. Bis 1998 hatte die Ausgabe des „Kicker“ die Vorherrschaft in meinen (damals noch Kinder-)Zimmer inne, dann betrat auch die „Sport-Bild“ mit einem in hellblau gehaltenen Heft das Sonderheft-Terrain. Macht zusammen bis jetzt 22 Ausgaben. In diesem Jahr offenbart sich erstmals ein Triumvirat auf meinem Couchtisch: Das Magazin „11Freunde“ schickt ebenfalls einen Kandidaten ins Rennen. Anlass genug, um einen Vergleich anzustellen. Untersucht wurden Aufbau, Layout/Übersichtlichkeit, Informativität und das Preis-Leistungsverhältnis.

KICKER:

Aufbau:
Das Sportmagazin bleibt sich meistens selber treu. Selten gibt es Veränderungen gegenüber dem Vorjahr, ab und zu werden kleine Rubriken hinzugefügt. Traditionell werden die 18 Bundesliga-Teams auf je zwei Seiten vorgestellt – mit der voraussichtlichen Stammelf, den Neuzugängen und einer Einschätzung des Trainers. Es folgen alle 36 Profi-Teams mit großem Mannschaftsfoto und einer Übersicht des Kaders. Neu hinzugekommen ist bei den Clubs im Oberhaus eine Doppelseite mit „Visitenkarten“ der Spieler und wichtigen Vereinsstatistiken. Abgerundet wird das Heft von einem umfangreichen Statistikteil und der Regionalliga. Zu guter letzt die Abschlusstabellen aus allen europäischen Ligen und auch die Nationalmannschaft ist kurz Thema. Insgesamt gibt es 240 Seiten zu durchstöbern – auch die Schiedsrichter, das hauseigene Managerspiel und die Frauen fehlen nicht.

Layout/Übersichtlichkeit:
Auch Erstleser werden sich schnell zu Recht finden, da es kaum Ablenkungsfaktoren gibt. Vieles steht schwarz auf weiß, Grafiken und Tabellen bestechen durch Übersichtlich- und Geradlinigkeit. Traditionelle Leser werden das begrüßen, andere werden nach etwas mehr Moderne rufen – Geschmackssache.

Informativität:
Keine Frage wird offen gelassen. Wie heißt der Zeugwart vom Karlsruher SC, wer ist der jüngste Schiedsrichter und wer holte in Armenien den Meistertitel? In diesem Heft findet man alles und dazu auch noch relativ einfach. Dominiert wird das Heft von Zahlen und Fakten, nur zu Beginn bei der Vorstellung der einzelnen Vereine findet man einige Stories und ausführlichere Hintergrundinformationen.
Dadurch bleibt das „Kicker-Sonderheft“ jedoch das ganze Jahr über nützlich und mehr als nur eine Bestandaufnahme. Wer sich im März fragt, wie viel die Clubs eigentlich von ihrem Sponsoren erhalten, schaut ins Inhaltsverzeichnis, schlägt Seite 31 auf und liest nach (es sei denn Gazprom steigt bei einem weiteren Verein ein, man weiß ja nie). Die Zahlen und Aussagen sind wie in Stein gemeißelt, Fehler absolute Rariräten.

Preis-Leistungs-Verhältnis:
Mit einem Preis von 5,40€ ist die Ausgabe des „Kicker“ am teuersten im Triumvirat der Sonderhefte. Vor 12 Jahren lag der Preis bei 9 DM, genau wie das Heft selbst hat sich der Preis also auch nicht allzu sehr verändert. Als Extra erhält der Käufer die berühmte Stecktabelle mit den Emblemen aller Clubs von Liga eins bis drei. Hinzu kommt dieses Jahr eine persönliche „WinPin“, mit der man angeblich das ganze Jahr über attraktive Preise gewinnen kann.
Sicherlich wird der eine oder andere denken: ‚Mensch, das sind mehr als 10 Mark’. Aber das Geld ist gut angelegt, da man eine langlebige Lektüre für die gesamte Saison erhält, die einen großen Informationswert besitzt.

SPORT-BILD:

Aufbau:
Im Umfang steht die Ausgabe der „größten Sportzeitung Europas“ dem Konkurrenten des „Kicker“ in Nichts nach – im Gegenteil. Spieler aus 45 Jahren Bundesliga melden sich zu Wort, die Transferausgaben der Clubs werden thematisiert, Kolumnist Lothar Matthäus gibt seinen Meistertipp ab und noch vieles mehr.
Die Stories über die Bundesligavereine und ihre Kader werden hier zusammengeworfen, ein großes Mannschaftsfoto gibt es nicht – macht jeweils drei Doppelseiten pro Verein. Im Mittelteil wartet ein riesiger Statistikteil aus der offiziellen Datenbank der Bundesliga, auf den die Clubs aus Liga zwei folgen. Auch deren Fans kommen ausreichend auf ihre Kosten.
Die Regionalliga, Frauen-Bundesliga, internationaler Fußball und der DFB sind im hinteren Teil zu finden. Zum Schluss erhalten Fußball-Fans eine interessante Wochenübersicht, die offenbart, wann es ihren Lieblingssport im TV zu sehen gibt.

Layout/Übersichtlichkeit:
Wer die wöchentliche Ausgabe der „Sport-Bild“ kennt, dem wird das Layout bekannt vorkommen. Viele Farben – man merkt, dass der „Vater“ die Bild-Zeitung ist–, aber trotzdem übersichtliche Schrifttypen und eine gute Ordnung. Auf jeden Fall ist dieses Exemplar sehr abwechslungsreich und präsentiert sich äußerst modern. Alle Teams haben einen farbigen Streifen am Rand ihrer Seiten, so dass man zielgenau auf die Infos über den Lieblingsclub zusteuert.

Informativität:
Wo der „Kicker“ schon kaum noch zu übertreffen ist, setzt dieses Heft noch einen drauf. In Mittelteil findet man vom am häufigsten getunnelten Spieler bis hin zum rüdesten Fouler einfach alles. Auflistungen wie die aller Nationalspieler in der jeweiligen Vereinshistorie sind äußerst interessant. Die Homepages der Vereine werden ebenfalls bewertet. Bemerkenswert sind die Saisonprognosen der Redaktion. Habe noch einmal in alten Heft nachgeblättert und: Viele der Prognosen haben sich bewahrheitet. Auch diese Ausgabe lässt keine Fragen offen, bis die Antwort gefunden ist, dauert es jedoch einen Tick länger.

Preis-Leistungs-Verhältnis:
Vier Seiten mehr als der „Kicker“, 50 Cent weniger im Preis – dem Sonderheft der „Sport-Bild“ kann man also ein leicht besseres Preis-Leistungsverhältnis bescheinigen. Aber: die erste Ausgabe im Jahr 1998 hat nur 6,90 DM gekostet (3,50€), der Preis ist auf 4,90€ gestiegen. Das Format hat sich jedoch in Inhalt und Umfang kaum verändert. Als Zubrot gibt’s eine kleine DVD mit Szenen der letzten Saison und Clips über die kommende Saison.

11FREUNDE:

Aufbau:
„11Freunde“ beweist einmal mehr, dass es das Heft für den lesenden Fußball-Fanatiker ist. Konkrete Tipps für die neue Saison, Berichte über Neuzugänge – all das hat die Sonderausgabe der „Magazins für Fußballkultur“ anscheinend nicht nötig. Denn wem „Fußballkultur“ versprochen wird, der will sie auch erhalten. Bei „11Freunde“ sieht das so aus: Übergroße, teils beeindruckende Bilder, die besten Bundesliga-Clips bei YouTube, amüsante „Fehldrucke“ aus der Panini-Fabrik oder ein Interview mit Ex-Rüpel Thorsten Legat.
Selbst der Fan oder auch nur Fußball-Interessierte, der den „Kicker“ nicht abonniert hat, müsste an den unterhaltsamen Rubriken und dem stets ironisch angehauchten Ton seinen Spaß haben. Wo normalerweise eine Flut an Statistiken zu finden ist, findet der Leser hier Berichte über den Einfluss der Bild-Zeitung auf den Fußball oder ein Interview mit Kult-Kicker „Zecke“ Neuendorf.
Jedem der 36 Profi-Vereine gebührt eine Doppelseite und auch die Fortuna hat eine eigene Spalte in der Regionalliga-Story mit dem Titel „Das große Wettrüsten“.

Layout/Übersichtlichkeit:
„Kurzpass“, „Reportage“, die zwei Bundesligen und die Regionalliga, abgerundet mit der Kategorie „Standardsituation“ – Übersichtlichkeit regiert auf ihre ganz eigene Art. Farbliche Akzente setzen – so wie es sich doch eigentlich gehört – fast ausschließlich die Bilder. Verloren kann hier niemand gehen. Anders als bei den Kollegen des „Kicker“ und der „Sport-Bild“ trüben riesige Werbeseiten nur selten das übersichtliche Bild.
Man könnte den Gesamtstil des Layouts, selbst wenn es widersprüchlich klingt, als „retro-modern“ bezeichnen.

Informativität:
Ich denke, man muss die Frage folgendermaßen angehen: Die Mehrheit der 11-Freunde-Leser wird mit Sicherheit eines der zuvor bewerteten Hefte zuhause haben. Deshalb erübrigt sich der Vorwurf, es könnten doch bitte ein paar mehr Fakten und Zahlen sein. Wer noch nicht wusste, dass Timo Konietzka der erste Torschütze der Bundesliga war, wird sich trotzdem an seiner Erzählung erfreuen können. Und vermutlich auch darüber schmunzeln, dass kein Fotograf ein Bild schießen konnte, weil sich alle hinter dem falschen Tor postiert hatten.
Sei es der „Peinlichste Moment der Vereinsgeschichte“ oder der „Lustigste Fanartikel, hier gibt es einiges zu lachen. Wer einen handlichen Guide für die kommende Saison sucht, in dem er alle Spieler, alle Trainer und alle Termine findet, ist bei „11Freunde“ wahrscheinlich falsch. Wer sich an Geschichten von abseits des Fußballplatzes erfreut und sagt, Statistiken seien Schall und Rauch, der ist hier an der richtigen Adresse.

Preis-Leistungs-Verhältnis:
Ok, 160 Seiten für 4€ sind gegenüber der Konkurrenz natürlich teurer. Aber wer will da trotz allem meckern. Extras gibt es keine, nur ein Quiz mit fünf Fragen, die es echt in sich haben. Da rauft sich der studierte Diplom-Archivar selbst die Haare.

Fazit:
Zahlen-Fetischisten (ich gehöre zugebenermaßen auch dazu) und Leute, die kompakte Infos suchen, sind bei „Kicker“ und „Sport-Bild“ in jeder Hinsicht gut aufgehoben. Auf jeweils 240 Seiten und mehr findet man alles, was auch nur ein wenig wichtig ist für die Saison 2007/08.
Die beiden Exemplare begegnen sich durchaus auf Augenhöhe. Der „Kicker“ ist einen Tick niveauvoller (aber auch sehr traditionell), während die „Sport-Bild“ durch ein im positiven Sinne umwerfendes Maß an Fakten besticht (manchmal jedoch nicht so übersichtlich wie die Konkurrenz).
Das „11Freunde“-Magazin ist kritisch, unterhaltsam und informativ. Stilistisch eher in einer anderen Liga als die Konkurrenz, die weder schlechter noch besser ist. Man muss, wie gesagt, nicht alle Meister seit 1963 im Schlaf aufzählen können, sondern sich lediglich an tollen Geschichten wie der über den Duisburger Masseur Ronald Dynio (der Name ist Programm) erfreuen.