Dienstag, 29. April 2008

Für jeden was dabei - aus den Fanshops dieser Welt (3)

Aus dem Fanshop von Borussia Mönchengladbach: Aus aktuellem Anlass gibt es im Borussen-Fanshop ein neues T-Shirt. Heute vor 30 Jahren schoss die Borussia den Namensvetter aus Dortmund mit 12:0 aus dem Düsseldorfer Rheinstadion und setzte (wenn in den nächsten Jahren alles mit rechten Dingen zugeht) einen Rekord für die Ewigkeit. Das Bild der rappelvollen Anzeigetafel kann man nun den ganzen Tag lang mit sich rumtragen. Wenigstens ein Trost für die verpasste Meisterschaft von 1978, als zwölf Treffer nicht reichten, weil Köln zeitgleich mit 5:0 gegen St.Pauli gewann. Dabei hätte ein normales 2:0 schon gereicht, um den Titel dem Rivalen vom Niederrhein, sprich dem VfL zu überlassen. Aber es hat nicht sollen sein. Dafür feiern wir bald den Aufstieg und der FC nur den Klassenerhalt. Man munkelt übrigens, Gladbach habe aus Platzmangel auf der Anzeigetafel die letzten drei nötigen Treffer nicht mehr erzielen können.
Der Spiegel blickt ebenfalls zurück. Herbert "Hacki" Wimmer, Horst Wohlers auf Seiten der Gladbacher und Manni Burgsmüller auf Seiten des BVB erinnern sich.

PS: Soumaila Coulibalys Gesicht musste nicht aus Mangel an Sympathien dran glauben, sondern schlichtweg aus Platzgründen.

Montag, 28. April 2008

Offener Brief an Bernd Schneider

Bernd Schneider sieht dem EM-Zug in diesem Jahr weinend hinterher. Dabei wird er mit einem weißen Taschentuch wedeln, seine Halswirbel verfluchen - und vielleicht auch mich. Denn schon im November habe ich prophezeit, dass das Turnier im Sommer '08 ohne den Ex-Jenaer und Frankfurter stattfindet (falls nicht doch noch eine Wunderheilung Einzug hält).


Lieber Bernd, Schnix, einziger-deutscher-Brasilianer-seit-Jahren, sehr geehrter Herr Schneider (suchen Sie sich/such’ Du Dir die passende Anrede aus, ich wähle jetzt mal das sportliche „Du“),

schon am 22. November habe ich prophezeit bzw. in Kassandra-Manier vorausgesagt, dass die EM für Dich persönlich nicht allzu erfolgreich verlaufen wird. In meinem Beitrag „Von ominösen Töpfen, abtrünnigen Österreichern und Lehmanns Pläte“, in dem ich die EM schon einmal in meinem Zimmer und auf der Tastatur durchspielte, fielst Du nach dem zweiten Vorrundenspiel „mit einem Riss des Syndesmosebandes für den Rest des Turniers aus“. Falls mein Unken für die momentane Verletzung verantwortlich sein sollte, sie gar heraufbeschworen hat, dann möchte ich mich auf diesem Wege dafür entschuldigen.

Dass nun die Halswirbel streiken (was in Deinem Alter, ohne Dir zu nahe zu treten, auch viel näher liegt als so eine neuartige Modeverletzung) bedaure ich sehr. Ebenso wie die Tatsache, dass mein Blick in die Zukunft Deine persönliche EM-Geschichte noch viel positiver umrissen hat als die derzeitige Realität. Denn nun wirst Du uns vollends fehlen und der Satz „Schneider feiert kurz vor Schluss sein Comeback“ im Finale bleibt reine Fiktion. Auch der zweite verwandelte Schuss im Elfmeterschießen gegen Griechenland wird Dir damit wohl versagt bleiben.

Deine Karriere in der Nationalelf scheint ein jähes Ende zu nehmen. Du hast das unliebsame Schicksal angenommen, dass Deine neun Jahre andauernde Laufbahn im DFB-Dress in eine gänzlich titellose Zeit fiel (das wäre zuletzt von 1954 bis 1972 möglich gewesen, deshalb: Hut ab!). Kein Nationalspieler hat mehr Länderspiele bestritten (81), ohne jemals einen Pokal in den Händen zu halten. Michael Ballack könnte Dich im ersten Vorrundenspiel der EM zwar überflügeln, aber diesen wenig ruhmvollen Titel auch prompt wieder loswerden, wenn er uns zum EM-Titel führt.

Immerhin kannst Du sagen: „Immer wenn ich getroffen habe, hat Deutschland mindestens acht Tore erzielt“. Nun ja, jemand könnte Dir dann auch entgegnen, dass Deine beiden einzigen Länderspieltreffer den jeweils letzten Treffer in einer torreichen Partie bedeuteten und beide in der 90.Minute fielen (das 8:0 gegen Saudi-Arabien bei der WM 2002 und das 13:0 beim Kantersieg in San Marino 2006). Sie waren also nicht wirklich wichtig oder gar entscheidend. Doch damit täte man Dir unrecht, denn genauso gut verkörpern sie Deinen Kampfgeist und die Tatsache, dass Du nie aufgesteckt hast. Und vielleicht juckt es gerade deswegen nach der EM noch mal und Du kannst im August Deinen offiziellen Abschied à la Jens Nowotny feiern. Zwar ohne großes Brimborium und offizielles Abschiedsspiel von Seiten des DFB, aber dennoch gebührend.

Mach’s gut, Bernd!

Ich

(Foto: wikipedia)

Freitag, 25. April 2008

Lautern geht übers Wasser

Kaiserslautern gelingt ein Kunststück, das auf den ersten Blick und vor ein paar Tagen noch jenseits des Machbaren lag. Aber Naturgesetze sind im Fußball eben seit jeher fehl am Platze.

Den Rückstand aufs rettende Ufer an nur einem Spieltag, innerhalb von neunzig Minuten, um fünf Punkte verkürzen? Bis heute schien das - wo wir schon bei der Ufer- und Wasser-Thematik angelangt sind - so unwahrscheinlich und unmöglich wie Jesus' Spaziergang über den See Genezareth. Dabei bestand das Rezept für diese Außerkraftsetzung biblischer Symbolik gerade einmal aus zwei serbischen Fußballern und ein paar Ungereimtheiten bei der Meldung derer Verträge mit der TuS Koblenz.

Wäre jemandem schon früher daran gelegen gewesen, für das angesprochene Novum zu sorgen, es wäre ein Kinderspiel gewesen. Mit Stolz geschwellter Brust wird man in Koblenz nicht auf den Rekord-Punktabzug von acht Zählern blicken, der den Verein vom Deutschen Eck aus den Feierlichkeiten rund um den schier sicheren Klassenerhalt schnurstracks zurück in die Zukunft befördert hat. Selbst in Kaiserslautern, bei den Tabellenakrobaten, die vorgestern noch abgestiegen schienen und die jetzt nur noch ein Tor vom rettenden 14.Platz trennt, wird man sich die Wiederauferstehung anders vorgestellt haben. Wobei wir mit dem Wort "Wiederauferstehung" zurück zum Neuen Testament gelangen.

Im übertragenen Sinne ist der Mythos vom biblischen Wasserlauf besiegt. Vielmehr kann man jetzt resümieren, Lauterns blitzschnelle und unverhoffte Aufholjagd ähnele einer Verlängerung des Tages auf 47 Stunden. 'Pah, geht doch gar nicht!', werden hart gesottene Work-a-holics entgegen, doch sie täuschen sich. Man könnte schnell die Beringstraße von Westen nach Osten überqueren oder sich mit einem Boot im Pazifik so an der Datumsgrenze platzieren, dass man sie am Ende eines Tages einfach in östlicher Richtung überquert und dort denselben Tag noch einmal von vorn beginnen kann. Ok, klingt kompliziert und wahrscheinlich wird das nie jemand von uns erleben dürfen. Aber den vorhergehenden Satz wird man so oder so ähnlich noch Mittwoch am Betzenberg gehört haben und jetzt?

Jetzt lebt der FCK wie lange nicht mehr und schnuppert am Klassenerhalt. Und Stefan Kuntz darf sich damit rühmen, den Abstand in seiner 18-tägigen Amtszeit erst von sechs Punkten auf acht gesteigert zu haben, um ihn dann innerhalb von zwei Spielen voll und ganz zu eliminieren. Das wird ihm zwar nur jemand aus Kiribati an der Datumsgrenze glauben und einen sportlichen Anteil hat er wohl kaum daran gehabt. Im Arbeitszeugnis liest es sich dennoch alles andere als schlecht. Geradezu Messias-like.

Wat nich mut, dat mut nich

Man möchte fast behaupten, die Bayern können sich nicht mit einem profanen Halbfinal-Hinspiel anfreunden, in dem noch längst nicht die Früchte der Arbeit verteilt werden. Wie sonst ist es zu erklären, dass sie sich von einer technisch und taktisch zwar versierten, aber längst nicht mit großen Namen gespickten Mannschaft in der zweiten Hälfte so abkochen lassen.

Knappe Führung in Hälfte eins, Ausgleich nach zahlreichen vergebenen Chancen in Hälfte zwei – das gab’s gestern nicht zum ersten Mal. Die Bayern haben diese Saison durchaus das ein oder andere Mal bewiesen, dass sie auch international zu neuer Stärke gelangt sind. Leider zeigen sie das nur, wenn sie auch wirklich müssen. Wie gegen Saloniki, in Anderlecht oder zuletzt fünf Minuten lang in Getafe. Und weil ein Hinspiel nicht mehr und nicht weniger als die Weichen fürs Rückspiel legt, durften sie zwar, mussten aber nicht gleich eine Galavorstellung abliefern.

Neben der bayerischen Unfähigkeit in dieser Saison, das enorme Potential auf Knopfdruck abzurufen, ist vor allen Dingen eines aufgefallen: Das Wohl des FC Bayern steht und fällt mit der Leistung von Franck Ribéry und Luca Toni. Wenn Letzterer dann mit einer Gelbsperre auf der Tribüne hockt – dennoch öfter im Bild ist als 50% der Spieler auf dem Platz – und sein französischer Kollege mit ungekannten technischen Nachlässigkeiten aufwartet, ist für den Rekordmeister oft nicht viel zu holen.

Könnte mir zudem vielleicht mal jemand die Elfmetertechnik von Ribéry erklären? Wer eine Anlaufbahn wählt, als wolle er durch die „della Roggia“-Schikane von Monza joggen, der kann wohl kaum mehr als solch einen unplatzierten E-Jugend-Schuss hervorzaubern. Nicht jeder Torwart heißt schließlich Tim Wiese und lässt sich mit dem plumpen Ball in die Mitte aufs Korn nehmen.

Ebenso regte die Leistung unserer deutschen Nationalspieler gestern Abend nicht gerade zu Lobeshymnen und vorzeitigen Siegesfeierplanungen für den Tag nach dem EM-Finale an. Jansen hat sich seit der WM so viel weiterentwickelt wie die Tarifverhandlungen der Post. Allein auf seinem Gehaltszettel sieht es seit letztem Sommer besser aus. Inzwischen hat er, wenn es hoch kommt, drei Offensivaktionen in einer Partie und von den Vorstößen aus Gladbacher Zeiten ist nichts mehr zu sehen. Philipp Lahm spult allzu oft auch nur sein Programm ab. Im Trikot des FC Barcelona kann ich ihn mir nicht so richtig vorstellen. Bastian Schweinsteiger ist jegliche Torgefahr abhanden gekommen. Miroslav Klose lässt ab und an sein Potential wenigstens kurz aufblitzen, wenn auch als Vorbereiter. Und Lukas Podolski hatte zweimal den zweiten Treffer auf dem Fuß, wobei es jetzt müßig ist, darüber zu diskutieren, ob er eine dieser Gelegenheiten mit der Unbekümmertheit vergangener Tage genutzt hätte. Zumindest hat man etwas von ihm gesehen.

Jetzt bleibt zu hoffen, dass Luca Toni im Rückspiel seine Doppelpack-Serie fortsetzt. Franck Ribéry den Wahnsinn dem Genie weichen lässt und seine Schmankerl bzw. waghalsigen Befreiungsaktionen an der Außenlinie, umringt von drei Gegenspielern, auch wieder für Gefahr und nicht allein für Zungenschnalzen sorgen. Und dann hängt zu guter Letzt wieder einiges von der typischen Bayern-Mentalität ab. Denn jemand muss ihnen weiß machen – und dieser jemand wird sich sicherlich finden –, dass sie einfach nur ihr Ding machen müssen und dann zwangsläufig der richtige Weg eingeschlagen wird.

Heimspiele gegen Duisburg und Frankfurt, Auswärtsspiele in Cottbus, Pokalfights in Burghausen, das ist nichts für die Bayern anno 2008. Partien, in denen man sich nur blamieren kann und keine Legenden geboren werden - nein, danke. Topspiele gegen Bremen, die man 4:0 gewinnen kann, dramatische Rettungsaktionen wie beim 3:3 in Getafe – der Schuh passt ihnen schon eher. Und selbst wenn die Kulisse am Donnerstag in St. Petersburg nicht allzu einladend sein wird, geht es dennoch um alles.

Donnerstag, 24. April 2008

Drunter und drüber - Abstiegskampf in 45 Jahren Bundesliga

25, 26, 27, 28, 29 - in den unteren Gefilden der Tabelle ist es so eng wie lange nicht mehr. Den Klub mit der "roten Laterne" trennen gerade einmal drei Punkte vom rettenden Ufer. Wenn alles seinen Weg wie bisher geht, könnten schon 33 Punkte zum Klassenerhalt reichen - theoretisch. Und "grau" ist bekanntlich "alle Theorie". Dennoch habe ich mir einmal die Historie des Abstiegskampfs in der Bundesliga zu Gemüte geführt und nachgeschaut, wer sich in 45 Jahren dort so knapp "über" und "unterm Strich" tummelte, und was an den berüchtigten 40 Punkten für den Klassenerhalt eigentlich dran ist.

abstieg3 copy"Erst die 40 Punkte einfahren, dann reden wir weiter" - so oder so ähnlich hört man es Jahr für Jahr von den Lippen der Trainer abstiegsgefährdeter Bundesligaklubs plätschern. In Karlsruhe biss man sich jüngst vier Spieltage an der 40er-Marke die Zähne aus, bis dann in Duisburg endlich die ersehnten Punkte Nummer 39, 40 und 41 eingefahren wurden. Dabei hätte sich der KSC eigentlich getrost auf seinen 38 Punkten ausruhen können, denn seit Einführung der Drei-Punkte-Regel im Jahr 1995 hat erst ein Team mit dieser Punktzahl den Weg in Liga Zwei antreten müssen - ok, es war der KSC höchstpersönlich.

Auch in Frankfurt erschien das Brimborium um das Ziel von 45 Zählern eigentlich unsinnig. Schließlich war es die Eintracht selbst, die 1987 mit nur 33 Punkten hauchdünn der Relegation entging. Nur Uerdingen reichte 1995 noch ein Punkt weniger, um drin zu bleiben. Ein Jahr zuvor war sie allein durch die Zwei-Punkte-Regel vor dem schweren Gang ins Duell mit dem Dritten der Zweiten Bundesliga bewahrt worden, das von 1982-1991 eine Bundesliga-Saison beschloss. Übrigens hat Frankfurt die letzten drei Spiele allesamt verloren und jedes Mal eine Gelegenheit verpasst, das selbst gesteckte Saisonziel von 45 Punkten zu erreichen.

Doch was sagen 44 Jahre Bundesliga über die Bedeutung der 40 Punkte aus? Seitdem 1974 der dritte Absteiger eingeführt wurde, konnten zwei Teams den Abstieg nicht vermeiden, obwohl sie ihre Hausaufgaben erledigt und 40 Punkte eingefahren hatten. 1980 setzte Hertha BSC Berlin die Naturgesetze des Abstiegskampfs außer Kraft, zehn Jahre später war es der VfL Bochum. Letzteren wäre der Klassenwechsel mit der Drei-Punkte-Regel jedoch erspart geblieben. 1990 hätte es nach heutigen Standards den 13. aus St.Pauli aufgrund der schlechteren Tordifferenz erwischt.

Überhaupt hat es in der Historie das ein oder andere Mal einen Unterschied gemacht, ob ein Sieg mit zwei oder drei Punkten belohnt wurde. Bochum war in der Saison 1992/93 einmal mehr Leidtragender, Dynamo Dresden profitierte. 1982 ging Dortmund, 1986 wie gesagt Frankfurt der Relegation aus dem Weg. Genau das Gegenteil erlebte der FCK vor zwölf Jahren, als insgesamt 18 Remis in 34 Spielen durch die Einführung der Drei-Punkte-Regel prompt mit dem ersten Niedergang der Vereinsgeschichte bestraft wurden.

Rekordverdächtig ist auch die aktuelle Saison. Proportional hochgerechnet, könnten schon 33 Punkte für den Klassenerhalt reichen. Mit der bislang bescheidensten Ausbeute von 34 Punkten konnten sich Wolfsburg vor zwei Jahren und Nürnberg vor sechs Jahren retten. Der "Club" könnte auch diesmal wieder Nutznießer der "Leistungs"dichte im Tabellenkeller sein. Derzeit liegen die Franken mit 26 Punkten und zwei Zählern aufs rettende Ufer auf Rang 17.

Zu den größten Lucky-Losern der Bundesligageschichte zählen übrigens Bochum, Bremen, Gladbach, Frankfurt und Karlsruhe - alle beendeten bereits drei Spielzeiten hauchdünn "überm Strich", sprich auf Platz 15 oder - wie es bis 1974 der Fall war - auf Platz 16.
Bochum und Frankfurt mussten jedoch genauso miterleben, wie es sich anfühlt, den Klassenerhalt hauchdünn zu verpassen. Bochum stieg viermal als "bester" Absteiger ab. Frankfurt genau wie Bielefeld, Nürnberg und 1860 München dreimal.

Die Jahreszahlen bezeichnen stets das Ende einer Saison.

Durchschnittspunktzahl für Klassenerhalt:
Gesamt: 37,0 Pkt.
35,6 Pkt. von 1963-1974; 37,3 Pkt. von 1974-1995; 37,2 Pkt. von 1995-2007

Durchschnittspunktzahl des ersten Absteigers:
Gesamt: 34,1 Pkt.
32,2 Pkt. von 1963-1974; 34,7 Pkt. von 1974-1995; 34,5 Pkt. von 1995-2007

*Abstieg/Relegation nach 3-Punkte-Regel:
Dresden 1993, St.Pauli 1990, Frankfurt 1986, Düsseldorf 1982
– 4-mal in 21 Jahren zwei Punkteregel mit 3 Absteigern

Am häufigsten knapp überm Strich:
Je dreimal: Frankfurt, Gladbach, Bremen, Bochum, Karlsruhe
Je zweimal: Wolfsburg, K’lautern, Nürnberg, Rostock, Uerdingen, Hannover, Düsseldorf, Braunschweig

Am häufigsten knapp unterm Strich:
Viermal: Bochum
Je dreimal: Frankfurt, 1860 München, Nürnberg, Bielefeld,
Je zweimal: K’lautern, Karlsruhe, Dortmund, Neunkirchen, Düsseldorf

Knapp unterm Strich mit meisten Punkten:
Mit drei Absteigern: Bochum 1990, Hertha 1980 - 40 Pkt.
Mit zwei Absteigern: Nürnberg 1969 - 38 Pkt.
Drei-Punkte-Regel: Karlsruhe 1998 - 38 Pkt.

Knapp unterm Strich mit wenigsten Punkten:
Mit drei Absteigern: Homburg 1987 - 27 Pkt.
Mit zwei Absteigern: Dortmund 1972, Neunkirchen 1968 - 26 Pkt.
Drei-Punkte Regel: Freiburg 2002 - 30 Pkt.

Knapp überm Strich mit meisten Punkten:
Bremen 1978 - 44 Pkt.
Drei-Punkte-Regel: Leverkusen 2003, Rostock 1997 - 40 Pkt.

Knapp überm Strich mit wenigsten Punkten:
Uerdingen 1995 - 32 Pkt.
Drei-Punkte-Regel: Wolfsburg 2006, Nürnberg 2002 - 34 Pkt.

1965 stieg aufgrund der Aufstockung von 16 auf 18 Vereine niemand ab. Von 1963-1974 gab es zwei Absteiger. Von 1975-1981 gab es drei Absteiger, von 1982-1991 zwei Absteiger plus ein Relegationsspiel zwischen dem 16. der Ersten und dem 3. der Zweiten Bundesliga. 1992 spielten 20 Teams in der Bundesliga, vier stiegen ab, zwei auf. Seitdem spielen 18 Vereine in Deutschlands höchster Spielklasse, von denen jedes Jahr drei die Klasse nicht halten.

Mittwoch, 23. April 2008

Der deutsche Titelkorridor -
von 0° bis 13° Ost

Warum die Historie gegen einen deutschen Sieg im EM-Finale in Wien spricht.

Die deutsche Nationalmannschaft hat in ihrer nunmehr 100-jährigen Geschichte insgesamt zwölf Endspiele entweder um den Europameister- oder den Weltmeistertitel bestritten. Drei ihrer fünf EM-Finals konnte sie für sich entscheiden. Die Quote bei Weltmeisterschaften sieht bekanntlich etwas schlechter aus. Hier endeten nur drei von sieben Anläufen siegreich.

Alle vier Jahre - sofern eine Weltmeisterschaft auf europäischem Boden stattfindet - wird die brasilianische Seleção für ihr traditionell schwaches Abschneiden fernab der Heimat gescholten. Dabei ergeht es der DFB-Elf nicht viel anders. Acht ihrer bisher zwölf Endspiele hat sie nämlich zwischen dem 0. und 13. Längengrad bestritten - sechsmal durfte am Ende ein deutscher Mannschaftskapitän den Pokal in die Luft recken (F.Walter, Beckenbauer, Beckenbauer, Dietz, Matthäus, Klinsmann). Allein das WM-Finale 1966 (London, 0°) und das EM-Endspiel 1992 in Göteborg (11°57' O) gingen innerhalb dieses "Titelkorridors" verloren.

Derweil ist es noch nie einer deutschen Mannschaft gelungen, außerhalb von Europa, geschweige denn außerhalb dieser Längengrade einen Titel zu erringen. 1976 setzte Uli Hoeneß seinen Elfer über das Tor - mitten hinein in den Abendhimmel der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad (20°28' O). 1982 unterlag man 1:3 gegen Italien - in Madrid. Ein Endspiel in Barcelona (2°10' O) wäre mit Sicherheit positiver verlaufen. Vier Jahre später war Mexico City (99°9' W) Austragungsort. Argentinien bezwang die deutsche Elf standesgemäß mit 3:2. Und auch sechzehn Jahre später war in Yokohama (139°38' O) nichts zu holen. Brasilien siegte im WM-Finale 2002 mit 2:0.

Demnach stehen die Sterne für die EM 2008 nicht allzu gut. Geografische Begebenheiten dürften unsere Elf zwar nicht vom Finaleinzug abhalten. Aber scheitern wird man dann wohl am Endspielort Wien (16°11' O), der einen Tick zu weit im Osten liegt. Unbestätigten Gerüchten zufolge will sich der DFB nun für eine Verlegung des Finales in die Schweiz stark machen. Ansonsten benötigt der deutsche "Titelkorridor" schlichtweg eine Osterweiterung, damit es am 29.Juni im Ernst-Happel-Stadion schwarz-rot-goldenes Konfetti regnet.

(Bild anklicken zum Vergrößern)

Durchgetippt

Ein Blick in die Zukunft

Hier hat jeder die Gelegenheit, die letzten fünf Spieltage der 2.Bundesliga im Voraus zu tippen. Ich empfehle jedoch, beim Selbstversuch die virtuelle Tabelle abzudecken oder einfach nicht hinzusehen, da man sonst voreingenommen an die Sache herangehen könnte. Nur so ist zu erklären, dass der 1.FC Köln bei mir in die Bundesliga zurückkehrt. Wenn ich das gewusst hätte, wäre das letzte Spiel der Kölner in Lautern mit Sicherheit nicht so positiv für die Geißböcke verlaufen.

Der SC Freiburg erlebt laut meiner Prognose einen Absturz auf Rang acht. Aachen stößt dagegen nach einer verkorksten Saison noch ins erste Tabellendrittel vor. Hinter Gladbach schaffen wie gesagt Hoffenheim und Köln den Sprung ins Oberhaus. Auch auf den Abstiegsrängen bleibt alles beim Alten, zumindest was die Zusammensetzung der Mannschaften angeht. St.Pauli gelingt es, als zweitbester Aufsteiger den derzeit neunten Rang zu halten, 1860 kommt nicht über Platz 11 hinaus.

Dienstag, 22. April 2008

Nürnberg - Wolfsburg 1:0

Hatten wir das nicht schonmal?

Auch im zweiten Anlauf fiel das entscheidende (und diesmal wirklich entscheidende) Tor elf Minuten vor dem Ende. Alles wie gehabt - nur das Wetter stimmte eben. Strahlender Sonnenschein, Traum(a)bedingungen.
Hätte das jemand geahnt, hätten die Wolfsburger sofort verkündet, dass dieses Spiel, komme was wolle, auf jeden Fall 1:0 enden werde: Hunderte Polizisten hätten einen freien Sonntag erlebt, hunderte Servicekräfte hätten ihre Hände nicht im Spülbecken der Getränkestände gesuhlt, sondern ihre Füße im Gartenteich baumeln lassen. Aber so haben wir's wenigstens alles ganz akkurat und regelgerecht gehabt. Bloß nicht das Trikot schmutzig machen.
Aber immerhin hat man die Gunst der Stunde genutzt und endlich mal - zum ersten Mal in 45 Jahren Bundesliga - ein Spiel aufgrund sintflutartiger Regenfälle abgebrochen. Wer weiß, wann sich die nächste Gelegenheit ergeben hätte. Es gibt so Tage, die sind einfach wie geschaffen, um sich in den Geschichtsbüchern zu verewigen.

Montag, 21. April 2008

King Kahn tritt ab

Noch maximal acht Pflichtspiele plus sein Abschiedsspiel wird Oliver Kahn bestreiten. Dann ist Schluss nach 21 Jahren Profifußball, 21 Jahren voller Titel und Eskapaden. Lange Zeit gehasst, später zumindest geachtet, erfreut Kahn sich im Spätherbst seiner Karriere schier ungewohnter Beliebtheit. Ein Abgesang auf den besten deutschen Torwart aller Zeiten.

Man kann die ZDF-Berichterstattung vom DFB-Pokalfinale, vor allen Dingen den Kommentar von Béla Rethy, durchaus als oberflächlich bezeichnen: Letztes Pokalspiel von Kahn und Hitzfeld hier, möglicher Abschied von Doll da. Ganz so schlimm war es dennoch nicht. Schließlich war in der Woche zuvor schon alles gesagt worden, was irgendwie sagenswert erschien. Die Rollen waren klar verteilt. Die Bayern würden entweder gewinnen oder sich selbst schlagen. Und da Hitzfelds zweiter Abgang nach 2004 und die möglicherweise drohende Entlassung des Dortmunder Trainers vergleichsweise wenig juckten, durfte Oliver Kahn im sonnigen Spätherbst seiner Karriere noch einmal voll und ganz das Rampenlicht auskosten.

Nach getaner Arbeit genoss er die letzten Momente im Berliner Olympiastadion so ausgiebig, dass es für die F.A.Z. Erinnerungen an Franz Beckenbauers Spaziergang über den römischen Rasen nach dem WM-Triumph 1990 weckte. Selten hat man Kahn so sentimental erlebt. Schon vor knapp zwei Wochen, als seine Europacup-Karriere bereits ihrem Ende geweiht schien und Luca Toni in der Madrider Vorstadt erst in letzter Sekunde das Halbfinalticket löste, hatte er die eine oder andere Träne verdrückt. Mark van Bommels Jochbein musste im Jubelsturm fast dran glauben. Das hätte schon eher zu dem Oliver Kahn gepasst, wie man ihn kennt – und auch das Opfer hätte nicht viele Genesungswünsche erhalten.

Der Bayern-Kapitän hat den einen oder anderen Gegner bereits in den psychologischen Vorruhestand geschickt. „Heikoherrlichitis“ nennt Trainer Baade das in einem Post von gestern. In Kahns persönlich gestiftetem Hort für geschundene Fußballerseelen heißen die prominentesten Patienten neben Heiko Herrlich mit Sicherheit Stéphane Chapuisat und Thomas Brdaric. Dass Mohammadou Idrissou nicht ebenfalls dort einziehen musste, spricht für Kahns neu gewonnene und ungekannte Ruhe. Als ihn der Duisburger Stürmer letzten Herbst über die Klinge springen ließ, wie es noch kein anderer in der Weltgeschichte gewagt hatte, würdigte der Titan i.R. den Kameruner nicht einmal eines bösen Blickes.

„Altersmilde“ haben ihm einige in den letzten Wochen bescheinigt. Wenn man ihn neuerdings reden hört und sieht, wie sich die jungen Schweinsteigers, Lahms und Podolskis wie Enkel auf dem Schoß ihres Großvaters in einer Jubeltraube um ihren großen Captain scharen, dann kann man nicht anders, als die einstige personifizierte Giftschleuder des deutschen Ligafußballs vollends in sein Herz zu schließen. Seine Redensart ist noch dieselbe wie vor zehn Jahren – mit verzogenen Lippen und kleinen Augen, als habe ihm Mutters Spinat nicht geschmeckt souffliert er über die Welt des Fußballs. Der Gag mit den Bananen im Strafraum ist mittlerweile zwar von gestern. Dennoch ließen es sich die Dortmunder Anhänger nicht nehmen, das gesamte Werbeartikel-Reservoir eines bekannten Bananenlieferanten fürs Pokalfinale zu plündern. Doch heutzutage ist der Inhalt seiner weisen Worte, die vor Jahren noch niemand als weise befand, ein anderer. Selten hat man so viele Worte mit so viel Inhalt aus dem Mund eines Fußballers fließen gehört. Die Provokationen alter Tage sind verstummt. Heute nimmt Kahn sich lieber die Zeit, um über „diese ominöse neunzigste Minute“ zu schwelgen, die ihn wohl bis ans Ende seines Lebens verfolgen werde. Und tatsächlich klingt er dabei wie der Großvater im Schaukelstuhl, der seinen Enkeln Grimms Märchen vorliest oder von seinen Errungenschaften längst vergangener Tage schwärmt.

Großväter tendieren gewohnheitsmäßig dazu, ihre Heldentaten so extrem feierlich auszuschmücken, bis man meint, Bismarck oder Beethoven seien von den Toten zurückgekehrt. Doch Größenwahnsinn hat Kahn heute beileibe nicht mehr nötig. Warum auch. In den nächsten Wochen wird er die achte Meisterschaft seiner Laufbahn einheimsen. Mit dem sechsten Triumph im DFB-Pokal bei nur einer einzigen Finalpleite 1999 gegen Bremen hat er sich zudem einen weiteren Rekord gesichert. Zu einem UEFA-Cup-Sieg könnte sich Mitte Mai ein zweiter gesellen. Am Champions-League-Erfolg 2001 war er des Weiteren maßgeblich beteiligt, als er im Finale gegen Valencia gleich drei Elfer parierte.

Weltpokalsieger, sechsmaliger Ligapokalsieger, Europameister: Allein ein bedeutender Titel blieb ihm in 21 Jahren Profidasein versagt – Weltmeister. Immerhin hat er ein Finale erreicht, wurde zusätzlich als bester Spieler des WM-Turniers in Japan und Südkorea geehrt, als er von der Vorrunde bis zum Finale 427 Minuten in Folge unbezwungen blieb. Doch sein Patzer im Endspiel von Yokohama, der ihn vom neu erworbenen Götterstatus wieder zurück in die Menschlichkeit beförderte, scheint noch immer, auch sechs Jahre danach, am Torwart-Titan zu nagen. Fast wehmütig – soweit man Oliver Kahn überhaupt zutraut, das Gefühl der Wehmut in seinem Gefühlskatalog zu führen – stellte er im ZDF-Sportstudio fest, dass Luca Toni, der indes seinen ersten Titel auf Vereinsebene überhaupt feiern durfte, ihm den WM-Titel ruhig überlassen könne. Es erscheint beinahe mühselig, Kahns lange Liste der Errungenschaften mit dem zweimaligen Titel „Fußballer des Jahres in Deutschland“ und der dreimaligen Auszeichnung als „Welttorhüter des Jahres“ fortzusetzen. Seine 86 Länderspiele als Torhüter sind nur von Sepp Maiers 95 übertroffen. Man stelle sich vor, der gebürtige Karlsruher wäre früher zum Stammtorwart auserkoren worden und nicht erst von Erich Ribbeck nach der WM ’98.

Oliver Kahn hat nicht nur die Höhen einer unvergleichlichen Karriere erlebt, sondern ist auch durch dunklere Täler geschritten. Doch Niederschläge wie die späte Pleite von Barcelona gegen Manchester United haben ihn nur noch stärker gemacht. Man nimmt seinen baldigen Abgang mit einem Anflug von Ungläubigkeit wahr. Kahn wird im Juni 39 Jahre alt, einen Tag bevor die Nationalelf ihr letztes Vorrundenspiel gegen Österreich bestreitet. Ob man es ihm ansieht, ist eine andere, weitaus irrelevantere Frage. Auf jeden Fall würde ein unwissender Beobachter das Alter des gewohnt souveränen, athletischen Keepers im Bayern-Tor wohl nicht annähernd in Nähe der 40 ansiedeln. Wenn nichts mehr dazwischen kommt, wird Kahn am 18. Mai mit 559 Spielen auf dem Buckel für immer von der Bundesliga-Bühne abtreten. Nur Manni Kaltz und Karl-Heinz Körbel werden dann noch vor ihm liegen. Kahns von Natur aus unbändigen Ehrgeiz berücksichtigend, fällt es schwer zu glauben, dass er diesen Rekord kampflos hergibt.

Es gibt wenige Fußballer, von denen uns über die Jahre so viele unvergessliche Bilder im Gedächtnis haften geblieben sind: Kahn in Kung-Fu-Manier gegen Chapuisat. Kahn mit klaffender Wunde nach dem berühmten Golfballwurf von Freiburg. Kahn mit der Eckfahne auf dem Boden rollend nach dem Last-Minute-Gewinn der Meisterschaft 2001. Kahn mit der Schale im selben Jahr, lauthals und immer wieder „da ist das Ding“ schreiend“. Dann die Aufnahme von Kahns pariertem Elfer gegen Valencia aus der Vogelperspektive. Kahn an den Pfosten gelehnt nach dem verlorenen WM-Finale 2002. Kahn mit aufmunternden Worten für seinen Erzrivalen Jens Lehmann vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien 2006. Kahn mit Tränen in den Augen nach dem 3:3 in Getafe. Und zu guter Letzt Kahns sensationelle Parade von Kringes Weitschuss am Samstag im Pokalfinale.

Oliver Kahn ist nie jemand gewesen, den man auf Händen durch die ganze Stadt trägt. Jemand, dem auf diversen Spruchbändern ernst gemeinte Avancen à la „Ich will ein Kind von Dir“ gemacht werden. Man könnte ihn als einen Menschen beschreiben, der meinem ehemaligen Lateinlehrer ähnelt. Nicht geliebt, oft gehasst, dennoch aus Furcht und Ehrfurcht geachtet, weil aufrichtig und einfach gut. In ein paar Wochen ist Schluss. Noch vor sieben Jahren, als er sich mit der Eckfahne in der AOL-Arena auf dem Boden wälzte, Sekunden nachdem Patrik Andersson in letzter Sekunde das entscheidende Tor im Fernduell gegen Schalke erzielt hat, hätte ich diese Wort nie für möglich gehalten: Olli, Du wirst fehlen.

Samstag, 19. April 2008

Fohlengeflüster (24): Aufbau Ost

Notorische, unverbesserliche Optimisten können selbst aus einem schwachen 2:2 beim Abstiegskandidaten Jena noch positive Schlüsse ziehen. Und weil ich selbst dazu gehöre, betrachte ich den glücklichen, aber mit Moral erarbeiteten Punktgewinn, der allenfalls an „Aufbau Ost“ erinnerte, in einem nicht allzu schlechten Licht. Gladbach wird in die Bundesliga zurückkehren - fraglich bleibt nur wann und wo.

Manchmal will es der Verlauf eines Spiels so, dass der Frust über ein weiteres verpasstes Auswärtsspiel schnell der Erleichterung weicht, die 470 Kilometer lange Reise nach Jena letztendlich doch nicht angetreten zu haben. Wobei diese Einstellung eigentlich Blödsinn ist. Denn schließlich habe ich mir auch insgesamt 20 Partien der letzten Saison angetan, dabei ganze fünf Siege erlebt – freilich alle im Borussia-Park – und neunmal mit gesenktem Kopf als Verlierer nach Hause schleichen müssen. Ich bin nicht Borusse, weil ich Wochenende für Wochenende drei Punkte will und jedes Jahr Meisterschaft, Pokal und Champions League gleich dazu. Nein, gewiss nicht.

Vage Erinnerungen an den Pokalsieg ’95, ein aberkannter Sieg beim DFB-Hallenmasters und ein Aufstieg in die Bundesliga stehen zumal ganz oben auf der Liste der größten Erfolge meines 13-jährigen Fandaseins. Diese wilde Ehe basiert größtenteils auf dem gemeinsamen Nenner eines ausgeprägten Hangs zum Sadismus und purer Leidensfähigkeit. Der Versuchung, den Samstagnachmittag einmal für Gartenarbeit zu verplanen, konnte ich trotz des sich anbahnenden Niedergangs stets widerstehen. Schließlich ziehe ich naturgemäß selbst eine bittere Pleite dem Rasenmäher vor.

Wenn das Spiel bei Carl-Zeiss Jena, das 29. dieser Saison, ein Glas gewesen ist, dann kann man es aufgrund positiver Randnotizen – auch unangefochtene Tabellenführung genannt – ruhig als halbvoll betrachten und die pessimistische Ansicht vom halbleeren Glas getrost vergessen. Aber wie immer der Reihe nach.

Die Thüringer Sonne steht bereits etwas tiefer an diesem frühen Mittwochabend um 17:30 Uhr. Bei der Platzwahl kann man sehen, wie die letzten Sonnenstrahlen im Hintergrund die Berge des Saaletals in Szene setzen. Bei diesem recht idyllischen Anblick, der gar nicht in das Bild des bald darauf beginnenden Fußballspiels passt, fällt mir auf, wie absurd es eigentlich gewesen ist, dass mir der „Anstieg“ zum Bökelberg vorbei an der Elisabethkirche jedes Mal relativ steil vorkam. Eigentlich kein Wunder. Den Feldweg, der zur Landstraße hinter unserem Haus führt, habe ich in alten Kettcar-Zeiten auch einen „Berg“ getauft. Auf drei Hundert Meter Länge überwindet der Weg eine unfassbare Höhe von fünf Metern – großzügig bemessen. So sind wir eben, wir Niederrheiner: Bodenständig, aber dennoch immer hoch hinaus wollend.

Brouwers rückt nach abgesessener Rotsperre für den verletzen Gohouri bzw. für dessen Stellvertreter Kleine in die Startelf. Ndjeng ersetzt den ebenfalls angeschlagenen Touma. Bereits nach neun Minuten dreht sich der Rückenwind aus dem Spiel gegen Fürth vor drei Tagen. Simak schickt Schied auf den Weg in Richtung Tor. Der Jenaer Angreifer lässt sich die Gelegenheit nicht nehmen und sorgt für Gladbachs erst achtes Gegentor in der ersten Halbzeit. Es ist das vierte in der Anfangsviertelstunde, danach hat die Borussia das Spiel nie mehr gewinnen können, wie es überhaupt durchweg der Fall gewesen ist, wenn der Gegner in Führung ging.

Der Aufsteiger in spe tritt leblos auf, mit einem Anflug von Überheblichkeit, der an die Midseason-Crisis nach der Winterpause erinnert, als Gladbach in fünf aufeinander folgenden Spielen sieglos blieb. Jos Luhukay wirkt dem schlechten Eindruck der Anfangsphase schon nach zwanzig Minuten entgegen und setzt mit der Hereinnahme von Coulibaly für Levels ein Zeichen. Der Aufschwung bleibt jedoch aus, allein Rösler gelingt es, die Lethargie mit einem Distanzschuss etwas zu lösen. Man kann nicht einmal konstatieren, dass Jena sich genügsam auf der Führung ausruht. Die Räume gegen die schlechteste Defensive der Liga sind da, was man von Gladbacher Spritzigkeit und Ideenreichtum in der ersten Hälfte nicht behaupten kann. Konsequenterweise erhält die Borussia kurz vor der Pause die Quittung für einen der schwächsten Auftritte der Saison. Werner schießt nach erneut gutem Zuspiel vom starken Simak aus halblinker Position. Heimeroth währt zwar wie gelernt zur Seite ab, doch Schied steht goldrichtig und erzielt seinen zweiten Treffer.

Gladbachs unakzeptable Leistung der ersten 45 Minuten fällt bestenfalls in die Kategorie „Aufbau Ost“. Die Jungs von Jos Luhukay, am Sonntag zuvor noch mit einem überragenden 3:0 gegen Mitkonkurrent Fürth, stellen sich an, als wollten sie den engagierten Jenensern die letzte Chance auf den Klassenerhalt nicht nehmen und die drei Punkte brüderlich in Thüringen lassen.

Die Fohlenelf ist kaum in der Kabine verschwunden, da stehen die Geläuterten auch schon wieder auf dem Platz – wie immer nüchtern, aber überzeugend eingeschworen von ihrem Trainer, das Spiel noch zum Guten zu wenden. Unter den Spielern, die minutenlang den Anpfiff zur zweiten Hälfte erwarten, ist auch ein neues Gesicht. Roberto Colautti darf seine Torjägerqualitäten, die ihn im letzten Sommer von Maccabi Haifa an den Niederrhein befördert haben, erstmals über eine ganze Halbzeit unter Beweis stellen. Bisher hatte er bei sieben Einwechslungen mit einem Treffer gegen Wehen nicht einmal die 100-Minuten-Marke geknackt.

Anders als im ersten Durchgang gelingt es der Borussia zunehmend, die eigenen Stärken im Angriffspiel in den Mittelpunkt zu rücken. Dank Sascha Rösler klingelt es nach 53 Minuten erstmals im Kasten von Khomutovski. Doch die Fahne des Linienrichters ist zu Recht oben und verwährt dem wie immer hochmotivierten und aggressiven Gladbacher Leitwolf den Anschlusstreffer.

An der verkehrten Welt in der Englischen Woche ändert sich in der Folge jedoch nur bedingt etwas. Jena spielt auf wie ein Aufstiegskandidat. Nach einem einmal mehr genialen Spielzug unter der Regie von Jan Simak scheitert der Tscheche diesmal selbst am soliden Heimeroth.
Eine gute Stunde ist vorbei, als Marin den Ball von der linken mit viel Schnitt in Richtung Tor schlägt. Colautti darf sich mutterseelenallein und in aller Ruhe die Ecke aussuchen, Khomutovski kommt nicht entscheidend mit den Fingern an den wuchtigen Kopfball heran und schon steht es nur noch 1:2 aus Gladbacher Sicht.

In der Folge hält Heimeroth seine Mannschaft mit einer weiteren starken Parade im Rennen um die wichtigen Auswärtspunkte. Schied zieht den Kürzeren. In einer Szene sieht sich die gesamte Arbeitsweise von Jos Luhukay versinnbildlicht: Der Niederländer erbost sich so sehr über eine Entscheidung von Schiedsrichter Weiner, dass dieser ein paar mahnende Worte für ihn findet. Doch vermutlich hat Luhukay bei seiner Kritik nicht die polemische Schublade geöffnet, sondern sich wie immer besonnen geäußert. Kurze Zeit später ist sein Gegenüber Henning Bürger nicht mehr zu halten, als Weiner korrekterweise auf Freistoß anstelle eines Elfmeters entscheidet. Prompt findet sich Jenas Coach auf der Tribüne wieder.
Es sind in diesen frühen Abendstunden, die scheinbaren Nebensächlichkeiten, die unterstreichen, warum Gladbach in geraumer Zeit die Rückkehr ins Oberhaus unter Dach und Fach bringen wird.

Ohne den Gegner bis zum Umfallen in die eigene Hälfte eingeschnürt zu haben, kommt die Elf vom Niederrein eine Viertelstunde vor dem Ende doch noch zum unverhofften und allenfalls durch die gute Moral verdienten Ausgleich. Marin tritt eine Ecke von rechts, Colautti steigt am höchsten und lässt dem Keeper keine Chance. Irgendwie steht es 2:2 nach 75 Minuten voller Krampf auf Borussenseite. Marin-Colautti heißt das unangefochtene Erfolgsduo des Abends.

Mit seiner elften Torvorlage der Saison zeigt der U21-Nationalspieler, warum er derzeit der bessere Ndjeng ist. Colautti stellt unter Beweis, dass er das Zeug hat der derzeit bessere Friend zu sein. Dessen Leistung verdient nicht derweil wirklich eine Erwähnung. Die vollkommene Wende hätte zum Ende durchaus ins Bild gepasst, aber im Gegenteil wird die Borussia noch einmal vehement daran erinnert, wie zufrieden sie mit diesem 56. Punktgewinn der Saison sein kann.

Der eingewechselte Torghelle, im Hinspiel beim 2:1 einziger Jenaer Torschütze, trifft kurz vor dem Ende den Pfosten. Nehmen wir es als Metapher für ein merkwürdiges Fußballspiel. Die Moral und das Glück einer Spitzenmannschaft verhindert letztendlich ein noch merkwürdigeres Bild in der Ergebnisübersicht des 29.Spieltages. Die Partie Jena gegen Gladbach ist die einzige, die nicht mit einem Sieg für die Heimmannschaft endet.

Mein grün-weißes Doppeltrikot hatte bereits den geistigen Weg in die Waschmaschine angetreten, doch nach dem nunmehr neunten Spiel in Folge ohne Niederlage bleibt ihm die seltene Prozedur mal wieder erspart. Gladbach büßt zwar zwei Punkte aufs zweitklassige Ufer ein, darf sich jedoch immer noch mit sieben Punkten Vorsprung auf Mainz rühmen. Zudem bleibt auch die Führung in der Auswärtstabelle in Fohlenhänden. Die Bilanz der letzten Auswärtsspiele beschwört erneut die Frage nach dem halbvollen oder halbleeren Glas herauf. Einerseits ist man seit fünf Partien auf fremden Platz ungeschlagen. Andererseits gab es in der Rückrunde erst einen Auswärtssieg zu bejubeln. Und so machen wir es einfach wie immer und nehmen das Positive da dankend mit, wo es sich anbietet.

Da Köln sich noch mit Mainz und Hoffenheim messen muss, genügen der Borussia mit Sicherheit sieben Punkte aus den letzten fünf Spielen, um den Wiederaufstieg endgültig zu besiegeln. Gegen 1860 München wird das auf keinen Fall gelingen. Gegen Offenbach unter Umständen nur, wenn Mainz und Fürth bei zwei Gladbacher Dreiern mindestens einmal verlieren. Gegebenfalls reichen auch zwei sieglose Spiele entweder von Köln oder Hoffenheim aus.

Es ist müßig über das wann und wo zu philosophieren. Es wird passieren, davon darf man trotz des schwachen Auftritts in Jena aber weiterhin ausgehen. Das Heimspiel gegen Wehen erscheint dafür geradezu prädestiniert. Zum Schluss könnte man auch ein etwas krasses, aber durchaus passendes Beispiel bemühen: Wer die Wahl hat, wird im Alter womöglich lieber zuhause sterben wollen als in den fremden, sterilen Wänden eines Krankenhauses (personifiziert durch den Bieberer Berg in Offenbach) – mit dem feinen Unterschied, dass das Abenteuer Unterhaus zwar sein Ende erleidet, die Borussia jedoch gleichzeitig eine kleine Wiedergeburt feiern darf.

Freitag, 18. April 2008

Mannschaft der Stunde (11)

Hoffenheims Aura der Unbesiegbarkeit ist vernichtet. Aachen und St.Pauli sei Dank! Nach einigen Wochen ist es also wieder an der Zeit, eine neue „Mannschaft der Stunde“ zu küren. Manchester, Arsenal, Bremen und Co. – bislang lag die Vergabe dieses Titels meist auf der Hand, doch diesmal habe ich etwas über den Tellerrand hinweggesehen und einmal sämtliche Ligen Europas gewälzt. Faszinierend, was sich dort teilweise abspielt.

In Georgien sind die Rollen klar verteilt. Dinamo Tiflis, Gewinner des Europapokals der Pokalsieger von 1981 im Finale gegen Fortuna Düsseldorf, führt die Liga der Kaukasus-Republik an. Die Hauptstädter haben aus den letzten 12 Partien 11 Siege mitgenommen. Noch besser macht es ihr Verfolger und Stadtrivale WTI Georgia. Die sind seit 15 Spielen unbesiegt, haben in diesem Zeitraum nur einmal Punkte gelassen.

Im Nachbarland Aserbaidschan, dem neuen „Zuhause“ von Berti Vogts, macht sich Tabellenführer Olimpik Baku ähnlich gut. Nach zwanzig Saisonspielen hat man dort noch eine weiße Weste (15 Siege, 5 Remis).

Der Llanelli AFC aus Wales reiht sich nahtlos in diese Reihe der Exoten ein. Der bereits feststehende Meister hat in 33 Spielen 99 Tore erzielt. Im letzten Saisonspiel kann die magische 100 geknackt werden. Eine Serie von 10 Pflichtspielsiegen in Folge und eine 20 Spiele währende Unbezwungenheit in der Liga ebneten den Weg zur ersten Meisterschaft der Vereinsgeschichte.

Wenn Wales und Georgien gemeinhin schon als Fußballzwerge belächelt werden, gebührt Luxemburg im Vergleich dazu wohl eher der Titel der Fußball-Amöbe. Der F91 Dudelange hat dort mal wieder die Nase vorn. Von bisher 22 Saisonspielen ging nur eins verloren und eins endete unentschieden.

Nicht allzu weit entfernt von Luxemburg eilt Standard Lüttich dem neunten Meistertitel der Vereinsgeschichte entgegen, dem ersten seit 25 Jahren. Vier Spieltage vor dem Saisonende in der belgischen Jupiler League liegt man dort aussichtsreich sieben Punkte vor dem RSC Anderlecht. Lüttich ist noch ungeschlagen, doch von 30 Partien endeten bisher auch schon elf remis.

Zyniker mögen sagen, Österreich passe aus fußballerischer Sicht ganz gut in die Reihe Georgien, Aserbaidschan, Wales. Wie auch immer, Rapid Wien benötigt dort nur noch einen Sieg, um sich die Meisterschaft in der Alpenrepublik unter den Nagel zu reißen. Mit acht Siegen aus neun Spielen ist man dort der Konkurrenz mittlerweile enteilt, nachdem man vor einigen Wochen noch auf Platz vier gestanden hatte. Für Furore sorgte vor allen Dingen die 7:0-Demütigung, die Red Bull Salzburg gegen die Wiener erleiden musste.

Zypriotischen Ligafußball bringt man gemeinhin mit dem Namen Rainer Rauffmann in Verbindung. Der Ex-Bielefelder und Frankfurter erzielte für Omonia Nikosia in 152 Spielen unfassbare 181 Tore. Sein ehemaliger Verein fristet sein Dasein jedoch hinter Meister APOEL und Anorthosis Famagusta nur auf Platz drei. Letztere haben jüngst den 12. Meistertitel der Vereinsgeschichte unter Dach und Fach gebracht. Bei noch drei ausstehenden Spielen in der Meisterrunde liegt man mit 19 Siegen und 10 Remis uneinholbar in Front.

Die polnischen Vertreter von Wisla Krakau stellen derweil unter Beweis, dass sie nicht nur in der Wurstmacherei ganz vorne dabei sind. Auch die polnische Ekstraklasa führt der Verein aus der Heimatstadt von Karol Wojtyla deutlich an. Dem fünften Meistertitel in diesem Jahrtausend steht bei noch fünf verbleibenden Spielen nur ein weiterer Punkt im Weg.
Punktverluste machen sich rar in Krakau: 21 Siege, 4 Unentschieden lautet die Bilanz.

ZSKA Sofia scheint in diesem Jahr ebenfalls zu den europäischen Teams zu gehören, die sich den Titel in der heimischen Liga ohne eine einzige Niederlage unter den Nagel reißen. Ähnlich ergeht es Rabotnicki Skopje aus Mazedonien. Als einer von vier Vereinen aus der Hauptstadt führt man die Liga mit 19 Siegen und 6 Remis souverän an. Beeindruckend ist vor allen Dingen die Defensive. In 25 Partien gab es erst 6 Gegentreffer - den letzten vor acht Partien.

Gleiches ist dem FC Porto vergönnt geblieben. Doch im Gegensatz zu Sofia und Skopje durften die „Drachen“ bereits auf den 16. Titelgewinn in den letzten 24 Jahren anstoßen. Einmalig. Zuletzt gab acht Siege aus neun Ligapartien und am Dienstag den Einzug ins Pokalfinale gegen Sporting zu feiern. Allein das Champions-League-Aus gegen Schalke trübte bisher eine Saison am Rande der Perfektion.

Der FC Chelsea ist in diesem Kreise von lauter Underdogs die einzige „Mannschaft der Stunde“, die sich zur Spitze des europäischen Fußballs zählen darf. Gestern Abend blieb das Team von Michael Ballack auch im 18. Premier-League-Spiel in Serie unbezwungen. Essien ebnete mit seinem Treffer den Weg zum Erfolg über Everton. Trotz dieser beeindruckenden Serie wird Chelsea am Ende jedoch wohl ohne den Titel auskommen müssen. ManUnited liegt weiterhin zwei Punkte in Front und hat noch ein Spiel in der Hinterhand. In der Champions League ist auf dem Weg ins Finale von Moskau zwar nur noch der FC Liverpool zu überwinden. Doch bekanntlich hieß die Endstation im Halbfinale bereits 2005 und 2007 „Anfield Road“. Diesmal soll es im 19. und 20. Aufeinandertreffen in den letzten vier Jahren um einiges besser laufen. Sonst dürften die Tage von Avram Grant als Cheftrainer bereits gezählt sein.

Mittwoch, 16. April 2008

Auf Müllers Spuren

Bis gestern Abend um 20 Uhr hatte Kevin Kuranyi 75 Treffer in Deutschlands höchster Spielklasse erzielt. Dreimal hatte er dabei gleich drei Tore in einem Spiel untergebracht. Aber vier? Das war auch für ihn Neuland – bis gestern Abend wohlgemerkt.

Spätestens jetzt hat er jegliche Zweifel an seinem Platz im EM-Kader ausgelöscht. Ok, vier Tore gegen Cottbus, einige davon arg abgestaubt. Aber wenn Miroslav Klose ein Hattrick gegen Cottbus gelingt, schreit auch niemand „das kann ich auch“. Deshalb sollten wir Kuranyis Viererpack ohne zu nörgeln so stehen lassen. Innerhalb von neunzig Minuten hat sich der 26-jährige gebürtige Brasilianer mit deutschem Vater, ungarischen Vorfahren, drei Pässen, der in Panama aufgewachsen ist und für Deutschland spielt, vom Formtief auf Platz drei der Torjägerliste katapultiert. Dort weilt er nun einen Treffer hinter Mario Gomez als zweitbester deutscher Stürmer. Miroslav Klose liegt mit seinen zehn Toren weit dahinter.

Kuranyis doppelten Doppelpack von gestern habe ich mir zum Anlass genommen, unsere drei besten Stürmer einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Lukas Podolski taucht hier nicht auf, weil seine Anzahl an Toren in der Bundesliga (zwei) nicht genügend statistischen Nährwert bereithält. Kießling, Neuville, Helmes und Hanke, die allesamt für den fünften Stürmer im EM-Kader in Frage kommen, wurden ebenfalls nicht berücksichtigt, da sie wohl kaum einen Platz in der Startelf bekleiden werden, wenn alles seine normalen Wege geht.

Entscheidend war natürlich nicht nur die Anzahl der Tore, sondern auch die Konstanz des Trios, ihre Flexibilität, was die Art und Weise angeht ein Tor zu erzielen, die Bedeutung für ihr Team, die Wichtigkeit ihrer Tore und ob sie auch auf fremden Platz erfolgreich sind. Für den Sieger gab es jeweils drei Punkte, für den Zweiten zwei und für den Dritten einen. Dementsprechend hatte der Kandidat mit den meisten Zählern die Nase vorn. Wie im Auto-Quartett muss dabei nicht immer der höchste Wert gewinnbringend sein, sondern theoretisch, wie z.B. bei der Länge ihrer größten Torflaute in dieser Saison, auch der kleinste. Zudem muss auch ins Gewicht fallen, ob sich ein Stürmer erst auf dem Spielberichtsbogen verewigt, wenn sein Team ohnehin 3:0 führt, oder ob er auch mal der einzige ist, der für sein Team trifft.

Mario Gomez hat am Ende also deutlich die Nase vorn. Doch virtuell müssten ihm aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit und der begrenzten internationalen Erfahrung ein paar Zähler abgezogen werden. Im Vergleich zum punktgleichen Kuranyi dürfte Klose als WM-Torschützenkönig von 2006 den Verteidigern Europas etwas mehr Angst einjagen. Sein internationales Renommee spricht für ihn.
Kurioserweise ist Gomez der einzige, der in dieser Saison schon einmal mit links getroffen hat (und mit der "Hüfte"). Bezeichnend ist, dass alle drei Kandidaten für die Startelf im Auftaktspiel gegen Polen einen Migrationshintergrund besitzen. Gomez stammt aus Spanien, Klose aus Polen und Kuranyi im Prinzip von überall her.
Unterm Strich tendiert das Pendel derzeit also zum Duo Gomez-Klose.

Dienstag, 15. April 2008

Fohlengeflüster (23): Einfach göttlich

‚Und er sprach: Es werde Aufstieg. Und es wurde Aufstieg.’ Im Fußball ist Göttlichkeit paradoxerweise stets allgegenwärtig, obwohl seine Anhänger den Fußballgott oft genug verteufeln. Doch manchmal bietet Religiosität die einzig plausible Erklärung für schier unerklärliche Phänomene, die Naturgesetze außer Kraft setzen und uns in Stimmungen versetzen, die man so nur im Stadion durchlebt. Und sei es nur ein Tor von Oliver Neuville, das sich das Prädikat „göttlich“ verdient.

Fußball und Naturgesetze, Fußball und Mathematik – das verträgt sich nicht. Man mag zwar behaupten, der DFB-Pokal berge seine eigenen Gesetze, aber im Prinzip soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass er in der Realität von der Anarchie der Kleinen beherrscht wird. Jeder kann jeden schlagen. Keiner muss keinen schlagen. Genau das ist schließlich der Grund, warum es uns Woche für Woche in die Stadien oder vor den Fernseher zieht.

Eine Firma kann ihren Jahresumsatz Schritt für Schritt berechnen. Den Verlauf einer Saison kann man nicht annähernd so exakt voraussagen, weshalb die Raute auf meinem Trikot ihren Platz auf dem Herzen hat und der Schriftzug „Kyocera“ meine Brust ziert. Wenn man ein Fußballspiel berechnen könnte wie die Seitenlängen eines Dreiecks, dann könnten Raute und Kyocera ihren Platz auf dem Trikot auch genauso gut tauschen. Doch es geht eben nicht.

Das Spiel gegen Fürth hat einmal mehr bewiesen, wie unberechenbar Fußball sein kann, wie unverhofft man in ein arges Stimmungstief befördert wird, wie unerwartet man sich auf einmal jubelnd in den Armen liegt. Das Schöne ist, dass ich zehn Minuten vor Anpfiff noch keinen blassen Schimmer habe, auf welcher Seite des Flusses ich diesmal zuhause bin. Gewissheit, dass irgendetwas gut oder schlecht ausgehen wird, gibt es nicht. Sondern allein ein inneres Gefühl, das sich manchmal wie ein Instinkt entfaltet. Mit dem lässt sich jedoch selten etwas gewinnen – höchstens ein paar Euro bei Oddset.

Die reine Spielzeit ist wohltuend. Die Halbzeitpause ist schön, wenn die ersten 45 Minuten zur Erheiterung beigetragen haben. Und es gibt nichts Schöneres, als nach neunzig Minuten überschwänglich einen Sieg zu feiern. Aber all das hängt nun einmal naturgemäß von den Ereignissen zwischen An- und Abpfiff ab. Allein die Rituale vor Beginn des Spiels sind im Gegensatz dazu immer gleich und trotzdem einmalig.

Wenn sich das Stadion erhebt, im Rhythmus der Fanfare vor der Mannschaftsaufstellung die Schals in der Luft kreisen lässt oder einfach in die Hände klatscht, dann durchfährt mich stets ein Gefühl, das ich so aus keiner anderen Lebenslage kenne. Gut, ich werfe außerhalb von Stadien auch niemals Klopapierrollen durch die Luft, geschweige denn schreie ich lauthals die Nachnamen von Leuten durch die Gegend, mit denen ich nie in meinem Leben auch nur ein Wort gewechselt habe. Ich würde genauso nie auf die Idee zu kommen – ohne Alkoholeinfluss an Karneval – in der Öffentlichkeit zu singen. Aber damit verhält es sich ohnehin wie mit wilden Beschimpfungen und obszönen Gesten: In der Geborgenheit von 40000 Leuten, die genauso wenig singen können, fällt das Individuum gar nicht erst auf.

Mir fällt spontan nur der Moment ein, in dem die eigene Tochter unter Glockengeläut in die Kirche einmarschiert, der mich mit einer ähnlichen Art von Gänsehaut geradezu einhüllen würde, wie es alle zwei Wochen bei der „Elf vom Niederrhein“ - unserer Nationalhymne - der Fall ist. Meine Tochter hat zwar weder kirchlich geheiratet noch habe ich überhaupt eine Tochter. Aber dennoch ist es bezeichnend, dass ich diesen emotionalen Moment vor einem Fußballspiel mit Religiosität assoziiere. Was womöglich nicht einmal weit hergeholt ist. Denn nicht umsonst führen uns die schier unerklärlichen Eigenheiten des Fußballs meist zu Gott – oder wenigstens zu seinem Ableger, dem Fußballgott. Wenn ein Schuss des Gegners zum dritten Mal hintereinander vom Innenpfosten aus dem Tor springt, wenn ein Schuss auf die unmöglichste Art und Weise abgefälscht wird, dann wird mitunter nicht nur die Arbeit von Nobelpreisträgern wie Bohr oder Einstein außer Kraft gesetzt, sondern gleich göttlicher Einfluss mit ins Spiel gebracht.

Ich muss zugeben, dass die „Elf vom Niederrhein“ ihre ekstatische Wirkung auf mich ausschließlich im Stadion entfaltet – drei Minuten vor Spielbeginn, im Kreise von Tausenden anderen „Gläubigen“ – und nicht zuhause aus irgendwelchen Lautsprecherboxen. Wenn es dann „und schon ertönt der Chor“ heißt und das Klatschen wieder einsetzt, die ganze Kurve singt, dann ist es, als ob ich gleichzeitig von einem Schauer erdrückt und auseinander gerissen würde, der mir nicht eiskalt, sondern lauwarm den Rücken hinunter läuft. Nachvollziehen kann das wahrscheinlich nur jemand, der es genauso oder ähnlich empfindet. Für den Rest der Weltbevölkerung hat jetzt wenigstens jemand versucht, es irgendwie in Worte zu fassen.

Keine drei Minuten sind gespielt, da sendet der Fußballgott ein erstes Zeichen in Richtung Borussia-Park. Steve Gohouri schleicht humpelnd vom Platz. Thomas Kleine kommt für den Ivorer in die noch junge Partie. Gohouri sollte eigentlich den für ein Spiel gesperrten Brouwers in der Innenverteidigung ersetzen. In der Bibel der Fußballgleichnisse wird diese frühe Auswechslung mit Sicherheit nicht unter „gute Omen“ gelistet.

Doch schon in der fünften Minute trotzt Paauwe jeglichen Vorzeichen und schickt Marko Marin mit einem öffnenden Pass auf die Reise in Richtung Tor. Der bisher torlose Youngster läuft von links auf den Kasten zu und überwindet Fürths Keeper Kirschstein mit einem hochwertigen Schlenzer in den Winkel. Vergessen ist die Verletzung von Gohouri, der druckvolle Beginn der SpVgg und Friends erste vergebene Großchance, die Kirschstein noch glänzend vereitelt hatte.

Die frühe Führung kommt natürlich mehr als gelegen. Ohnehin angriffslustige Fürther stehen jetzt noch mehr unter Zugzwang, während der Tabellenführer seine Konterstärke geschickt einsetzen kann. Neuville läuft danach in arger Bedrängnis aufs Tor zu und rettet sich gerade noch zu einem Torschuss, den Kirschstein jedoch erneut abwehrt. Auf der Gegenseite trübt der Ex-Borusse Felgenhauer beinahe die gute Stimmung von 37000 Zuschauern bei teils strahlendem Sonnenschein. Sein toller Freistoß aus 20 Metern klatscht vorbei am chancenlosen Heimeroth an die Latte.

Im Prinzip scheint die SpVgg Greuther Fürth so etwas wie der ideale Gegner für die Borussia zu sein. Selbst die Initiative ergreifend, jedoch defensiv nicht so souverän wie Mainz, Köln oder Hoffenheim, bieten sich zahlreiche Gelegenheiten für Gladbach, sich mit schnellen Passfolgen und öffnenden Zuspielen Räume zu verschaffen. In der eigenen Hälfte lässt das souveräne Duo Daems-Kleine wenig anbrennen. Auf den Außenbahnen bestätigen Levels und Geburtstagskind Voigt den guten Eindruck der letzten Wochen. Allein ein weiteres Tor fehlt, um von einer nahezu perfekten ersten Hälfte sprechen zu können. Der Borussia-Park verabschiedet die Elf von Jos Luhukay mit Beifall in die Kabine, aus der Sharbel Touma nach der Pause nicht mehr zurückkehrt. Der Schwede, überraschend für den eigentlich wieder erstarkten Ndjeng in der Startelf, räumt das Feld, wie schon Steve Gohouri, mit einer Knieverletzung. Coulibaly nimmt seinen Platz im Mittelfeld ein.

Erneut nur fünf Minuten nach Beginn der Halbzeit ist es der Mann aus Mali, der Oliver Neuville das bisher schönste Tor der Gladbacher Zweitligasaison ermöglicht. Mittig vor dem Tor, in zwanzig Meter Entfernung, köpft er den Ball zum 66-maligen Nationalspieler, der sich das Leder in halblinker Position selbst auflegt, um es dann volley im rechten Winkel zu versenken. Das Prädikat „hochwertig“ für Marins Führungstor erscheint geradezu läppisch im Vergleich zu den Lobeshymnen, die Neuville sich mit diesem Hammer verdient. Die Plakette zum „Tor des Monats“ soll zehn Minuten später bereits in Auftrag gegeben worden sein. Das Stadion steht Kopf, und der ein oder andere kehrt unwissend und ungläubig zugleich vom Pausenbier zurück.

Weitere fünf Minuten später herrscht endgültig kollektive Ungläubigkeit und Feiertagsstimmung. Erneut ist es Coulibaly, der auflegt. Diesmal heißt sein Abnehmer Marin. Der dribbelstarke 19-jährige, dem in dieser Saison schon alles bescheinigt worden ist bis auf Torjägerqualitäten, degradiert die Fürther Hintermannschaft zu Bäumen, die ihm wie beim Bolzen im Park zusehen. Mit links platziert er den Ball unhaltbar für Kirschstein im linken Eck. Wenn der Borussia-Park nach dem 2:0 Kopf stand, dann dreht er sich jetzt erneut um 180 Grad und bestaunt den Doppelpack des Supertalents. Die Borussia zaubert die lang ersehnte Galavorstellung auf den Rasen, an der es selbst für die notorischsten Nörglern nichts auszusetzen gibt. Hinten steht mit Klasse und Glück die Null, zum dritten Mal in dieser Saison vor heimischer Kulisse eine Drei. Auch von den Rängen erklingen ab dem 3:0 pausenlos "hochklassige" Gesänge.

Mit drei sowohl spielerisch als auch technisch herausragenden Treffern befördert der Aufsteiger in spe den Gegner an den Rande des Aus-dem-Stadion-geschossen-Werdens. Die Euphorie des Augenblicks lässt jene Gesänge durchs weite Rund hallen, die ich nun schon seit Monaten mit Freude erwartet habe: „Nie mehr Zweite Liga, nie mehr. Nie mehr, nie mehr.“
Es klingt in den Ohren wie Mozart oder Bach, doch auf die könnte die Musikgeschichte in diesem Moment getrost verzichten, wenn ich für den Rest meines Lebens „Nie mehr Zweite Liga“ singen dürfte.

Normalerweise geht so etwas zumindest kurzfristig schief. In der Regel fängt man sich gerade dann ein Gegentor, wenn man kurzerhand dem Glauben verfallen ist, niemand könne einen mehr aufhalten. Doch gerade die Tatsache, dass Fürth in der Folge selbst die klarsten aller klaren Torchancen auslässt und das Aluminium heute scheinbar die Raute im Atomkern sitzen hat, erinnert an ein göttliches Zeichen, das in etwa sagen will: „Jungs, das war’s. Ihr seid so gut wie durch.“

Kotuljac trifft den Pfosten, Achenbach macht mit seinem Lattenschuss das halbe halbe Dutzend an Aluminiumtreffern voll. Kurz vor dem Ende ist es wieder Kotuljac, der mich in der Annahme bestärkt, dass uns heute niemand einen einschenken kann. Frei vor dem Tor kommt er schneller als Heimeroth an den Ball, überlupft den Gladbacher Keeper, der Ball setzt jedoch keinen Zentimeter zu spät auf und kämpft sich mit letzter Kraft – wie ein Hochspringer bei 2,44 m Sprunghöhe – über die Latte. Nicht richtig schlechte Fürther unterliegen am Ende einer Gladbacher Mannschaft mit 0:3, der unterm Strich im Prinzip alles gelungen ist.

Mit dem Herz in der Hand, Gold im Fußgelenk und dem Papst in der Tasche eilt die Borussia den Verfolgern davon und hat den Wiederaufstieg fester im Blick denn je. Als die Nordkurve lautstark nach Jos Luhukay als Vorsänger für die bevorstehende Humba ruft, reißt der sich die Kabel von Premiere, in die sich gerade für ein Interview am Spielfeldrand gezwängt hatte, geradezu vom Leib und kehrt zurück zu den Fans. Diplomatisch wie eh und je verkauft er uns Alex Voigt als den seiner Meinung nach prädestinierten Anpeitscher. Irgendwie sinnbildlich für die Art und Weise, in der Luhukay den fünfmaligen deutschen Meister zurück ans Tor zur Bundesliga befördert hat.

Neun Punkte Vorsprung auf Rang vier, die meisten Siege, die wenigsten Niederlagen (damit logischerweise auch die meisten Punkte), die meisten Tore, die wenigsten Gegentore – eigentlich kann man so nur aufsteigen. Die Geschichten von Pferden vor der Apotheke sind allseits bekannt. Doch all denen, die das schon einmal beobachten durften, müssen diese Bilder ja nicht gleich wieder lebhaft vor Augen gerufen werden. Sprich, der Borussia bleibt gar nichts anderes übrig, als das Werk dieser Saison in den nächsten Wochen in aller Ruhe zu Ende zu bringen. Ob gegen München, in Offenbach oder zuhause gegen Wehen – wann, wo und wie, ist das nicht eigentlich egal? Klar, nachdem man dieses Jahr im Unterhaus so ungewollt aufgezwungen bekam, will man persönlich befragt werden, wie es denn nun zu Ende gehen soll. Das hat aber leider nur die Mannschaft in der Hand. Ein bisschen auch unsere Verfolger. Und natürlich zu guter letzt der Fußballgott.

Montag, 14. April 2008

Stadionbrand in Groningen

28 Verletzte bei einem Brand im Stadion Euroborg in Groningen. Das Spiel gegen Ajax abgebrochen, bevor es überhaupt angepfiffen wurde.

Nachdem sich Klopapierrollen im Rahmen einer Choreografie der Heimfans entzündet hatten, wurden 28 Fans verletzt (mein Grenz-Holländisch reicht leider nicht aus, um sagen zu können, ob Brandstiftung als Ursache angenommen wird). Die Partie gegen Ajax, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal begonnen hatte, wurde daraufhin abgebrochen.

Zu viel Wasser in Nürnberg, Feuer in Groningen - die Elemente spielen derzeit irgendwie verrückt. Der Ausdruck "da ist Feuer im Spiel" bekommt so eine ganz neue Bedeutung. Das lässt sich so salopp sagen, weil bis auf ein paar verkohlte Plastiksitze und leichte Brandverletzungen wohl keine ernsteren Schäden entstanden sind. Bis auf vier Fans sollen alle, die meisten waren mit Rauchvergiftungen behandelt worden, das Krankhenhaus innerhalb weniger Stunden wieder verlassen haben.
Die Groninger Fans hatten sich bis gestern mit Sicherheit einen anderen Anlass ausgemalt, um einmal das Spielfeld stürmen zu dürfen.

Kann mir nur denken, dass ein ähnlicher Zwischenfall in Dortmund, Manchester oder Mailand nicht so glimpflich ausginge. Mehr als 20000 innerhalb weniger Minuten von einer Tribüne zu evakuieren ist im Gegensatz zu geschätzten 3000-4000 in Groningen ein logistisches Meisterwerk.

Sonntag, 13. April 2008

Königsblaue Luxusprobleme

Es dürfte in der Bundesliga-Geschichte wenige Trainer gegeben haben, die auf Platz drei stehend und mit dem Erreichen des Champions-League-Viertelfinals auf der Habenseite entlassen worden sind und gleichzeitig nicht beim FC Bayern München unter Vertrag standen.

Dementsprechend ist Mirko Slomka letztendlich den Luxusproblemen seines Vereins zum Opfer gefallen. Er hat sich seit seinem Amtsantritt Anfang 2006 ohne jede Lobby durchschlagen müssen, hat Schalke so nah an die erste Meisterschaft seit 1958 herangeführt wie kein anderer außer Huub Stevens und unter ihm haben es die Königsblauen in der Königsklasse so weit gebracht wie kein anderes deutsches Team seit 2002, das nicht aus Bayern stammt.

Schalke war in Barcelona nicht richtig schlecht, aber sehr unglücklich. Und auch gestern gegen Bremen täuschte das Ergebnis ein wenig über eine sehr gute Schalker Anfangsphase hinweg, in der - wie so oft- alles drin war bis auf ein Tor. Die Offensivqualitäten des derzeit Tabellendritten lassen zwar zu wünschen übrig, aber neben der Spielkultur geben beim Fußball nun einmal die blanken Zahlen und Ergebnisse den Ausschlag. Was die Chancenauswertung betrifft, sehen die ziemlich düster aus. Doch immerhin ist S04 das viertbeste Team in diesem Kalenderjahr.

Mike Büskens und Youri Mulder heißen die königsblauen Interimstrainer, die bis zum Ende schaffen sollen, was man Slomka nicht mehr zugetraut hat: Platz zwei holen. Ausnahmsweise würde man in Gelsenkirchen in diesem Jahr nicht allzu traurig die vierte Vizemeisterschaft in acht Jahren zur Kenntnis nehmen.

Wenn ein Team auf Rang 16 weilt und man dem Coach nicht mehr zutraut, den Verein auf einen Nichtabstiegsplatz zu befördern, erscheint ein Wechsel ja noch ziemlich logisch. Anders sieht es aus, wenn die Gegenwart Rang drei signalisiert und in der Zukunft Platz zwei her muss (was momentan ein winziger Sprung von zwei Punkten ist). Im Fall Mirko Slomka hat in letzter Instanz ein reines Ergebnis zu dieser Entscheidung bewogen, die zu diesem Zeitpunkt wenig nachvollziehbar ist. Es scheint, als sei das 1:5 in Bremen geradezu willkommen gewesen.

Büskens? Mulder? Mit denen wird sicherlich die Spielkultur auf Schalke Einzug halten.
Fred Rutten? Ganz ehrlich, ich musste nachgucken, wo der Mann Trainer ist, kam mir nur als Kandidat für den HSV bekannt vor (aber wer war dort in letzter Zeit schon nicht im Gespräch?). Wenn so der Coach mit dem großen Namen aussieht, weiß ich auch nicht mehr. Man kann nur hoffen, der Name ist nicht mehr als ein Gerücht. Twente Enschede hatte auch mal einen anderen guten Trainer, der zur Zeit zu haben wäre. Na, Hans Meyer, wie wär's?

Und Mirko Slomka? Der kann einen nur Leid tun. Er hat in seinen gut zwei Jahren bei Schalke nicht wirklich eine Chance gehabt, doch die hat er im Prinzip noch relativ effektiv genutzt.

Samstag, 12. April 2008

Traum(a)bedingungen

Es gibt so Tage, an denen man nie im Leben das Haus verlassen würde, weil es schlichtweg gießt wie aus Eimern, wie aus ganzen Regenauffangbecken. Im Prinzip fällt mir für solche Tage – neben einer Kanutour durch die Gärten der Nachbarschaft – nur eine weitere Unternehmung ein, die einen Heidenspaß bereiten würde: Fußball spielen.

Mit T-Shirt und kurzer Hose, die zusammen vier Kilo wiegen, und mit 10 cm Wasser in den Schuhen, die bei jedem Schritt quietschen wie die Ente in der Badewanne. Mit soviel Grashalmen an den Beinen, dass man die Naturbehaarung nicht mehr vom grünen Rasen unterscheiden kann. Mit Schlammspritzern im gesamten Gesicht, so dass sich selbst Wehrdienstverweigerer in der Grundausbildung beim Bund wähnen. Das ist keineswegs martialisch, sondern ein Traumerlebnis für jeden Menschen.

Herr Dr. Dress fürchtete gestern im überschwemmten Frankenland wohl eher einen Traum mit –a hinten dran, weshalb er der Partie Nürnberg gegen Wolfsburg ein – sowohl aus Spieler- als auch aus Fansicht – viel zu frühes Ende. Sicher hätte Marcelinho einen Freistoß gegen die Latte setzen können und der Ball wäre nicht von der Linie ins Tor gesprungen, sondern genau am Aufprallpunkt liegen geblieben. Pinola hätte Gentner im Strafraum durchaus von hinten in die Beine (aus-)rutschen können, ohne dass er je so etwas im Sinn gehabt hätte. Und Misimovic hätte mit dem Fuß in einer Pfütze hängen bleiben und sich das Syndesmoseband reißen können. Alles hypothetisch.

Die Floskel, dass „beide Teams schließlich mit denselben Bedingungen zu kämpfen haben“ ist hier alles andere als Fehl am Platze. Auch Felix Magath machte nicht den erfreutesten aller Eindrücke. Sein Team hat nun zwar die Chance, die Scharte der ersten Halbzeit auszuwetzen, muss jedoch auch noch einmal den langen Weg nach Nürnberg antreten und unter Umständen geht auch das Nachholspiel verloren. Beide Vereine trugen gestern nicht einmal hauptsächlich weiße Trikots. Selbst die Waschfrau/ der Waschherr hätte getrost für eine Fortsetzung des Spiels stimmen können. Hätte, hätte, hätte.

In Wimbledon harren die Akteure so lange aus, bis der Regen aussetzt. Und wenn sie 18 Stunden lang mit Erdbeeren und Sahne die Zeit totschlagen. Es ist doch Wochenende. Dann wären die Kinder im Stadion eben erst um 2 Uhr ins Bett gegangen. Ich hätt’s mir angeguckt.
Zur Not hätte man immer noch Günther Koch von der Tribüne holen können. Der hätte den Rasen schon trocken gelabert. Oder auf den Regen eingeredet, bis der mit erhobenen Händen resigniert.

Freitag, 11. April 2008

"Die Bayern, die machen noch eins. Oder zwei. Oder drei. Oder vier."

Gestern in Getafe, 88. Minute: "Die Bayern, die darf man erst abschreiben, wenn die im Bus sitzen. Die machen noch einen."
Sekunden später bekommt Ribéry einen Ball vor die Füße geköpft. Verlängerung.


Getafe geht dank eines Sonntagsschusses und einem typischen Lucio-Aussetzer innerhalb von drei Minuten mit 3:1 in Führung. Der Fisch ist scheinbar "gelutscht" bzw. der Drops "gegessen". Könnte man eigentlich denken und getrost Zähneputzen gehen. Aber auch nach 114 Minuten gilt: "Die Bayern, die darf man erst abschreiben, wenn die im Bus sitzen. Die machen noch zwei."
Pato, früher bekannt als Roberto Abbondanzieri, wirft kurz vor dem Ende ernsthafte Fragen auf, warum gerade er sich einen Künstlernamen zugelegt hat. Toni staubt nach seiner gekonnten Ballaufnahme ab, wie Toni das nun einmal gerne tut.

Als die letzte Minute anbricht, geht Oliver Kahn mit nach vorne. Er scheint seine Europacup-Karriere eigenhändig vom Tropf wieder ins blühende Leben befördern zu wollen. Prompt schießt mir der Mannschaftsbus ein weiteres Mal in den Kopf.
Sosa flankt in den Strafraum, Toni steigt am höchsten, der Ball setzt tückisch auf und Patos künstlerische Fähigkeiten reichen wiederum nicht aus, um den berühmten "Bayern-Dusel" vor seiner Reinkarnation zu bewahren.

Vor sieben Jahren, wie beim Champions-League-Endspiel gegen Valencia, hätte ich vor Wut noch in die Couch gebissen. Doch inzwischen habe ich realisiert, dass Europacup-Bayern gute Bayern sind. Schließlich tragen ihre Punkte dazu bei, dass weiterhin der dritte Platz die Champions-League-Quali bedeutet und dieser Rang meiner Borussia im nächsten Jahr damit schon genügen würde.
Ok, vergessen wir den letzten Satz. Ich glaub', ich muss ins Bett. Ich halluziniere.

Donnerstag, 10. April 2008

Fohlengeflüster (22):
Wie gewonnen, so zerronnen

Hass ist keine gute Sache. Toleranz dagegen schon. Doch manchmal im Leben muss jegliche soziale Einstellung einfach den Bach runter gehen, weil man realisiert, dass die ewigen Predigten über Fairness und Nächstenliebe nicht immer die Welt widerspiegeln, in der wir leben.

Letztes Jahr am 31.Oktober war mir aufgefallen, dass ich tatsächlich vergessen hatte, den FC Bayern München zu verabscheuen. Die TSG Hoffenheim mit ihrem Mäzen Dietmar Hopp positioniert sich mittlerweile ebenfalls ganz oben in meiner persönlichen Unmutshitliste. Man sieht, das Wort „Hass“ geht mir nicht so leicht über die Lippen. „Unmut“, „Verabscheuung“ – das klingt nicht so verhasst und ist im Prinzip auch Kinderkram im Vergleich zu den inneren Wallungen, die dieses Derby in Köln gegen den FC in mir geweckt hat und auch noch Tage danach unvermindert weckt.

Ich bin von Natur aus eine „jecke Fott“, wie man am Niederrhein zu sagen pflegt, wenn es um Karneval geht. Die „Höhner“, „Bläck Fööss“ und Co. kann ich im Februar eines Jahres ganz gut ertragen. Zwar nicht, wenn ich mit Kopfhörern im Bett liege, oder am Schreibtisch sitze und aus dem Zimmer meines Bruder „Viva Colonia“ durch die dünne Wand schallt. Aber Altweiber und Rosenmontag sind ohne die passende musikalische Beschallung eben nicht Altweiber und Rosenmontag. Dass diese Musik traditionell aus Köln stammt, kann ich mit meinem fußballerischen Weltbild den Umständen entsprechend ganz gut vereinbaren. Schließlich steht der Borussia-Park auch auf der Hennes-Weisweiler-Allee, obwohl die Trainerlegende der glorreichen 70er nach dem Weggang aus Gladbach noch einige erfolgreiche Jahre beim Geißbock-Verein erlebt hat.

Doch wie zur Hölle kann man diese kölschen Gassenhauer alle zwei Wochen in einem Fußballstadion erklingen lassen – egal in welcher der fünf Jahreszeiten? Und somit muss an diesem Montagabend im April gar kein Ball rollen, damit ich gleich in die richtige Gemütslage versetzt werde, um dieses Spiel anders wahrzunehmen als einen Allerweltskick gegen Aue oder Augsburg. It’s Derbytime!

Ich muss zugeben, dass mein Fandasein in den letzten knapp 13 Jahren vergleichsweise wenige Momente erlebt hat, die mein Verhältnis zum 1.FC Köln dauerhaft in seine designierte Richtung (sprich, in den Abgrund) geführt haben. Mit sieben oder acht ist man gerade einmal in der Lage, zu erkennen, dass die Bayern „böse“ sind. Man kann es mit der Fähigkeit vergleichen, Farbnuancen voneinander zu unterscheiden. Die ist bekanntlich ebenfalls nicht gleich am Tag der Geburt präsent. Und so boten sich in der Vergangenheit die Gelegenheiten, den Geißbock-Klub aufs Abstellgleis der Sympathien zu befördern, vermehrt bei deren Abstiegen. Aus der Distanz also.

Allein ein Kantersieg mit einem Hattrick von Arie van Lent und der erste Auswärtssieg nach dem Wiederaufstieg 2001 im Müngersdorfer Stadion sind bis heute nachhaltig auf meiner inneren Festplatte abrufbar. Seitdem hat die Borussia nicht mehr beim rheinischen Rivalen gewonnen. Fast sieben Jahre sind ins Land gezogen. Nehmen wir es als Metapher für die schwere fußballerische Jugend, die hinter mir liegt. Schließlich „hat Gladbach früher immer in Köln gewonnen“ (hab’ ich mir sagen lassen).

Und so verkünde ich im Einvernehmen mit meinem Umfeld ein Unentschieden als das bescheidene Mindestresultat, um mich zufrieden zu stellen. Wie gewohnt hält dieser verdammte Aberglaube Einzug in unserem Wohnzimmer. Weil Neuville in dieser Konstellation den späten Ausgleich in Aachen erzielt hatte, müssen sich meine Mutter und mein Vater auf eine kleine Couch quetschen, während mein Bruder auf der großen Platz nimmt und ich sogar den „heiligen Sessel“ zugesprochen bekommen.

Eigentlich ein schlechter Platz. Denn von dort muss ich den Kopf zu meiner Mutter drehen, um ihr böse Blicke der Verständnislosigkeit entgegen zu werfen, wenn sie schon nach vier Minuten mit pessimistischen Analysen den Eindruck erweckt, Gladbach läge im Relegationsspiel der Oberliga Nordrhein mit 0:4 gegen Germania Dattenfeld zurück. Denn keiner dieser Blicke entgeht ihr auf diese Art und Weise. Obwohl Pessimismus – wenn er so strategisch eingesetzt wird – von Zeit zu Zeit gar keine schlechte Sache ist.

Die Borussia unterstreicht diesen negativen Eindruck in der ersten Viertelstunde. Das Innenverteidigerduo heißt erneut Daems-Brouwers, Marin steht für Touma in der Startelf und Gohouri drückt wie schon im Hinspiel die Bank – diesmal jedoch ganz ohne Disco-Affäre. Köln macht mit drei Stürmern und gefühlten neun Offensivkräften von Beginn an Druck. Die zwingenden Torchancen bleiben jedoch aus. Allein das Ex-Fohlen Thomas Broich sorgt mit einem Schuss aus der Distanz für Gefahr rund um Heimeroths Kasten. Fünfzigtausend Zuschauer verbreiten – egal ob in rot-weiß oder schwarz-weiß-grün gekleidet – eine absolut bundesligataugliche Atmosphäre und auch die spielerische Klasse kann sich sehen lassen. Von dem traditionellen, geduldigen Abtasten, wie man es von so genannten Topspielen gewohnt ist, keine Spur. Vielleicht, weil Köln gegen Gladbach nicht ausschließlich 100000 ins Stadion (so viele wollten zumindest) und drei Millionen vor die Fernsehgeräte lockt, da der Vierte den Ersten der Zweiten Liga empfängt. Es ist nun mal ein Derby. Sonst hätte Fürth gegen Hoffenheim schließlich auch derart überragende Einschaltquoten zu verzeichnen.

Ndjeng weckt seine Mitspieler mit einem Distanzschuss aus der kleinen Anfangslethargie. Mondragon bereinigt die Situation erst im Nachfassen. Kurz danach bekommt er den Ball beim Herauslaufen gar nicht zu fassen. Doch Friend köpft in arger Bedrängnis wenige Zentimeter über die Latte. Es entwickelt sich ein weitgehend offener Schlagabtausch. Die nächsten Gelegenheiten gebühren wieder dem FC. Der abgefälschte Versuch von Özat streift ähnlich wie zuvor bei Broich knapp am Pfosten vorbei. Der „torgefährliche Verteidiger“ McKenna, den man laut Premiere-Kommentator Fuss auch einen „defensivstarken Stürmer“ nennen könnte, zeigt bei der folgenden Ecke seine vielseitigen Qualitäten. In der Manier eines Goalgetters steigt er zum Kopfball hoch, den er mit gut geschultem Verteidigerauge hauchdünn am Tor vorbeisetzt.

Gerade als ich meiner Mutter schon zustimmen will, dass das „1:0“ in der Luft liege, sorgt Sascha Rösler für verkehrte Welten auf der Anzeigetafel. Levels erobert auf rechts den Ball, der über Marin zu Rösler gelangt. Dessen Schuss von jenseits der Strafraumgrenze trifft erst Mohamad und dann vorbei am geschlagenen Mondragon das Tor. Vom Wohnzimmersessel setze ich zum größten Auswärtsluftsprung der Saison an. Die Borussia führt nicht verdient, aber wen interessiert das in diesem Moment. Zumal jegliche Zweifel an der Klasse des Tabellenführers bis zur Pause eindrucksvoll ausgelöscht werden. Man könnte sagen, Gladbach verdient sich die Führung im Nachhinein. Was vollkommen legitim erscheint, schließlich überweisen viele Arbeitgeber das Gehalt ihrer Mitarbeiter auch am 1. eines Monats und nicht am 30. oder 31.

Die virtuelle Zweitligatabelle lässt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Es schmeckt geradezu nach Bremen, Bayern und Bochum. Neun Punkte liegen nach einer halben Stunde im RheinEnergie-Stadion zwischen dem VfL und dem Erzrivalen aus der Domstadt.

In der Folge prasseln die Torchancen geradezu nieder auf Kölns Keeper Mondragon, dem der FC es zu verdanken hat, dass das Derby nicht schon zur Halbzeit so gut wie gelaufen ist. Friend und Ndjeng scheitern am Kolumbianer. Letzterer nicht zum letzten Mal an diesem Abend. Anders als gegen die vermeintlich „Kleinen“ aus Aue, Augsburg und Koblenz genießt die Borussia die Räume, die sich ergeben, weil Köln selbst unter Zugzwang steht. Von Mauerversuchen beim Gegner diesmal keine Spur. Fast schon ungewohnt, nachdem die Spiele in letzter Zeit vermehrt an Handball erinnert haben.

Nach der Pause rechtfertigt die Partie weiter das Prädikat „Mutter aller Derbys“. Zur spielerischen Klasse und zum enormen Tempo der ersten 45 Minute gesellt sich nun jedoch auch taktisches Geplänkel auf hohem Niveau, weshalb die Masse an Torchancen ein wenig abnimmt. Heimeroth hält, was er halten muss. Ein Schuss von Helmes ist dabei noch am nennenswertesten. Die Elf von Jos Luhukay muss sich eigentlich nur einem einzigen Vorwurf stellen: Sie lässt zu viele Gelegenheiten aus, den Sack endgültig zuzumachen.

Allmählich weicht die Hoffnung auf eine vorzeitige Erlösung durch das 2:0 ständigen Blicken auf die Uhr am rechten oberen Bildrand. Neuville muss das Feld in der 80. Minute viel zu früh verlassen. Luhukay bringt mit dem wieder genesenen Colautti einen weiteren kopfballstarken Stürmer, anstatt den konterstarken Wirbelwind auf dem Feld zu lassen und dafür den Arbeitstag des blassen Friend zu beenden. Dass der Routinier Coulibaly den Youngster Marin ersetzt, fällt dagegen in die Kategorie „macht Sinn“.

In den letzten Minuten war aus dem Topspiel eher ein frohes Wechselspiel geworden. Doch nachdem Gohouri für Rösler auf dem Platz steht, haben beide Teams ihr Kontingent Gott sei Dank erschöpft. Die folgenden neun Minuten bis zum Abpfiff machen aus einem hochklassigen Derby mit würdiger Beschallung von den Rängen (das unterm Strich ja irgendwie doch ein normales Fußballspiel ist) ein Ereignis, welches nicht nur unter den Anhängern beider Vereine im Nachhinein Wellen schlägt, die die Höhe des Kölner Doms erreichen.

Ich hatte es schon befürchtet. Doch selbst den Fans des 1.FC Köln (wobei der neutrale Begriff „Ticketbesitzer“ ihre Zugehörigkeit zum Klub besser umreißt) hätte ich ein solches Maß an Hinterlistigkeit und Unverschämtheit nicht zugetraut. Vier Minuten vor Ende des Spiels taucht sie wieder auf – in der Südkurve der FC-Fans: Die Fahne der Ultras Mönchengladbach, die nach dem Sieg gegen St. Pauli von Kölner Teenagern aus dem Borussia-Park entwendet worden war und im Vorfeld des Derbys für Schlagzeilen gesorgt hatte. Der dadurch verursachte Fahnen-Nudismus hatte die Ultras der Borussia aus ethischen Gründen sogar zur eigenen Auflösung bewegt. Sandkastenspiele auf höchstem (schwachsinnigen) Niveau. Mit dem Unterschied, dass die scheinbaren Sandkastenspiele in RheinEnergie-Stadion daraufhin Züge annehmen, die wir nur aus Italien oder von G8-Gipfeln gewohnt sind.

Als prompte Antwort fliegen Feuerwerkskörper aufs Spielfeld – geworfen vom Gladbacher Anhang. Wobei sich die Übeltäter so nützlich erweisen wie der Wurmfortsatz des Blinddarms – „Anhang“ eben. Die ursprünglich gehegte Hoffnung auf die Besonnenheit der mitgereisten Borussen erweist sich als verschwendet. Die in Falle eines Falles, der kurz vor Ende eines bis dahin relativ friedlichen Derbys doch noch eintritt, ersehnte Trotzreaktion auf dem Platz bleibt aus. Die ausgewechselten Rösler und Neuville stürmen samt Manager Ziege zum Gladbacher Block. Rösler sucht sogar das direkte Gespräch und steigt auf den Zaun. Ihr Bemühen hat Erfolg, das Feuer ist im wahrsten Sinne des Wortes erloschen.

Ganz anders verhält sich der Stadionsprecher. Anstatt seiner Aufgabe nachzugehen und für Deeskalation zu sorgen (dafür sind Stadionsprecher neben ihrem Hampelmanndasein nämlich auch zuständig), verweist er den wütenden Mob auf die Abfahrtszeit des Sonderzuges nach Mönchengladbach und erinnert daran, „dass ihr den auch ruhig schon früher nehmen könnt“. Dass die Deutsche Bahn in diesem Fall auch einen verfrühten Sonderzug nach Köln stellen müsste, lässt er getrost unter den Teppich fallen. Wobei wir wieder bei den Sandkastenspielen angekommen wären. Wer hat denn nun zuerst mit Sand geschmissen? Ein Stadionsprecher wird zum Symbol für mein gestörtes Verhältnis zu diesem Verein.

Innerhalb weniger Minuten häuft sich so viel Gesprächsstoff an, dass man ganze Bücher darüber schreiben könnte – einen sportlichen Rückblick, eine soziologische Abhandlung und leider auch eine dicke Polizeiakte. Ich habe mich im Nachhinein geistig in den Block gestellt, mir ausgemalt, wie ich selbst auf die Gladbacher Fahne in der Kölner Kurve reagiert hätte. Auch ich hätte wohl den Mittelfinger gehisst, Dinge in den Mund genommen, die man nur in den Mund nimmt, wenn 50000 zuhören und dich doch niemand versteht. Ich hätte am nächsten Morgen unter Umständen meine Konfirmationsurkunde zurückgeben müssen. Verbale und mimische Reaktionen dieser Art sind vollkommen nachvollziehbar. Was bengalische Feuer bewirken sollen, bleibt mir bis heute ein Rätsel, das sich mir zu Lebzeiten wohl nie eröffnen wird.

Ein paar Verrückte, Durchgeknallte oder eben auch Idioten (die richtige Bezeichnung spielt im Prinzip gar keine Rolle) sorgen dafür, dass ich mich – wenn auch nur für ein paar Minuten – für meinen Verein schäme und am nächsten Morgen Angst habe, das Radio einzuschalten, um mitunter von „schweren Ausschreitungen in der Kölner Innenstadt mit zahlreichen Festnahmen und Dutzenden Verletzten“ zu erfahren. Die Schuldfrage ist nicht so einfach zu klären. Allein juristisch gesehen fällt es relativ leicht. Ein Einbruch samt Diebstahl auf Kölner Seite, pyromanische Aussetzer auf Gladbach. Eine Beurteilung, was aus moralischer Sicht als verheerender einstufen ist – die infantile Provokation der Kölner, oder die ebenso infantile Reaktion der Gladbacher – will ich mir gar nicht anmaßen. Das sei dem Fußballgott und dem DFB-Schiedsgericht überlassen.

Jetzt könnte man eigentlich den Schlussstrich unter ein Spiel setzen, das uns im Grunde anderweitig ausschließlich Freude bereitet hat und vor allen Dingen drei Punkte. Könnte man. Wenn man es denn könnte.

Nach einer Unterbrechung von neunzig Sekunden, der kompetente DSF-Kommentator hatte „mindestens drei bis vier Minuten“ gestoppt, geht es nämlich weiter. Auf dem Platz. Ganz ohne Feuer. Zumindest ohne sichtbar brennendes.

Als die letzte Minute der regulären Spielzeit anbricht, hat Kölns Antar den Ausgleich auf dem Fuß. Wie schon so oft verfehlt sein Versuch das Gladbacher Tor, wenn auch denkbar knapp. Im Gegenzug schiebt Friend den Ball quer zum freistehenden Ndjeng, der jedoch – wie schon so oft – im glänzenden Mondragon seinen Meister findet. Die stille Antwort auf dem Platz bleibt aus. Wiederum nur Sekunden später wird die fällige Nachspielzeit an der Seitenlinie angezeigt – fünf Minuten! Der DSF-Kommentator hatte seine Stoppuhr anscheinend Schiedsrichter Kinhöfer zur Verfügung gestellt. Doch irgendwie sind 300 Sekunden aus symbolischen Gründen auch nicht ganz ungerechtfertigt.

Das Fernsehbild hat gerade erst wieder von der rot aufleuchtenden „5“ zurück zum Spielgeschehen geschaltet, da überschlagen sich auch schon die Ereignisse – mal wieder. Ein Befreiungsschlag der Kölner, geschlagen mit der technischen Finesse eines „Katsche“ Schwarzenbeck, will gar nicht mehr auf dem Rasen landen. Novakovic kommt in Brouwers’ Rücken herangerast. Wie auf der Autobahn drängt er in letzter Sekunde von der rechten Fahrbahn auf die Abbiegespur. Der Niederländer legt ihm fast freundschaftlich den Arm auf die Schulter. Der Slowene fällt. Kinhöfer pfeift – und zeigt auf den Punkt. Der Auffahrunfall wird allein dem Gladbacher Verteidiger zugeschrieben. Novakovic bewirkt in einer Sekunde mehr als in neunzig Minuten und einer halben zuvor.

Es war ein langer Ball, sehr lang um genau zu sein. Doch beileibe nicht so lang, dass der fallende Novakovic sich innerhalb des 16ers niedergelegt hätte. Das Foul selbst scheint kompromisswürdig, Rot für Brouwers ebenso. Der Regelverstoß lag aber genauso sehr im Strafraum, wie das Wembley-Tor die Linie überquert hat.
Helmes verwandelt den Elfer sicher. Die Borussia wird um zwei Punkte betrogen – vom Schiedsrichter, vom Gegner und ein paar wütenden Schwachköpfen.

Ein Kölner Blogger beschwert sich im Nachhinein über den allseits gepflegten Ausspruch, Ausschreitungen dieser Art im Zuge tief verwurzelter Rivalitäten hätten „nichts mit Fußball zutun“. Irgendwie hat er nicht Unrecht. Wenn wir diesen Sport nicht zum Retter der Welt, zum sportlichen Erlöser unserer geschundenen Seelen, zum Heilsbringer des Wochenendes heraufbeschworen hätten, wäre auch noch nie ein einziger Feuerwerkskörper auf einen Rasenplatz geflogen. Noch nie hätten sich ein paar Idioten wegen eines Fanschals gegenseitig die Köpfe eingehauen. Damit wären wir jedoch wieder bei der Frage nach „Huhn oder Ei?“ angelangt. Denn ich hätte ebenso noch nie die Decke unseres Wohnzimmers mit dem Kopf berührt, ich hätte noch nie in meinem Leben vor Freude Tränen vergossen und vor allen Dingen hätte ich die letzten drei Stunden für mein Mathe-Abitur gelernt anstatt diese Gedanken niederzuschreiben.

Vor einer Woche habe ich mich über vier Minuten Nachspielzeit gefreut wie über den Playmobil-Bauernhof damals an Weihnachten. Gegen Köln sorgen fünf zusätzliche Minuten dafür, dass alles, was gegen Koblenz gewonnen wurde, eine Woche später gleich wieder zerrinnt. Ohne die beiden Lastminute-Tore gegen Koblenz und Köln dürften wir uns über sieben Punkte Vorsprung aufs zweitklassige Ufer freuen. Jetzt sind es nur sechs. Irgendwie kein fairer Tausch. Aber im Fußball sind die Dinge eben selten so fair, wie sie sein sollten. Wenn das Derby gegen Köln uns zu einer Erkenntnis geführt hat, dann muss es wohl diese sein.

Mittwoch, 9. April 2008

Hosenwerbungsverbot "im Arsch"

Das Verbot von Hosenwerbung ist "im Arsch". Das ganze kann man eigentlich nur für denselbigen finden.

In anderen Ländern ist es längst gängige Praxis, dass Trikot und Hose bis zur Unkenntlichkeit mit Werbebannern zugeklebt sind, so dass kleine Kinder die Vereinsfarben häufig mit denen des Sponsors verwechseln, da dieser einfach präsenter ist als alles andere.

Ausgerechnet der Verbandsligist Arminia Hannover hat das Verbot jetzt gekippt. Arminia = graue Versenkung, Hannover = graue Versenkung - daran sei nur einmal kurz erinnert. Nehmen wir es mal als Metapher.

Man regt sich selten darüber auf, dass Verbote verschwinden. Aber werden zusätzliche Werbeeinnahmen durch Aufkleber auf Hintern, Oberschenkeln und was da noch so seinen Platz hat wirklich den deutschen Fußball retten, weil sich all die Heulsusen, die permanent den finanziellen Grand Canyon zwischen Bundesliga und dem betuchten Teil der Fußballwelt beweinen, endlich besseres "Spielermaterial" leisten können?

Vorne "Viagra", auf den Schenkeln "Schinkenspicker" und hinten "Schleicher Lüftungstechnik" - wird so die Hose der Zukunft aussehen? Hauptsache sie sind glücklich. In Hannover. Bei der Arminia, der bald vielleicht der Ruf des "Jean-Marc Bosman der Hosenwerbung" hinterherwehen wird.