Freitag, 30. Januar 2009

Des Königs' neue Spieler (2)

Schon bald nach dem Umzug in den Borussia-Park geriet Gladbach in einen Teufelskreis, aus dem es bis heute kein Entkommen gab. Dick Advocaat übernahm den Posten des Cheftrainers und brachte der Borussia nicht annähernd den erhofften Durchbruch - dafür jedoch sieben neue Spieler auf einen Streich. Weder Horst Köppel noch Jupp Heynckes gelang es, die fallenden Dominos zu stoppen. Im Gegenteil.
Eine Zeitreise in vier Akten - Teil 2.


Es ist mittlerweile wie ein Reflex. Ein Teufelskreis ohne Entkommen. Beinahe Jahr für Jahr soll Umtriebigkeit auf dem Transfermarkt die immer gleichen Probleme lösen. Meist sind es Probleme, die sich selbst in den Schwanz beißen. Einerseits ist man sich in Gladbach einig, dass personelle Kontinuität vonnöten ist. Andererseits würde stoisches Verharren auf diesem Standpunkt die Probleme nur noch verschlimmern. Also heißt es dann erneut: Wer kauft, der bleibt (in der Liga).

Doch jeder Dominoeffekt muss bekanntlich einen Auslöser haben, einen ersten Stein, der alle anderen zu Fall bringt. In Sachen Borussia trägt er den Namen Dick Advocaat – bis heute die personifizierte Kauflust. Nach dem zehnten Spieltag der Saison 2004/2005 hatte Holger Fach seinen Hut nehmen müssen. Ein 0:3 unter Woche in Bochum gab ihm damals den Rest. Neun Punkte bis zu diesem Zeitpunkt genügten nicht annähernd den gewachsenen Ansprüchen. Schließlich arbeitete die Borussia langfristig wieder aufs internationale Geschäft hin.

Vielleicht zwei oder dreimal wurde der VfL in jener Saison seinen Erwartungen gerecht. Doch weder Holger Fach noch Dick Advocaat gelangen diese wenigen Ausrutscher nach oben. Dass die Borussia nicht schon 2005 zum zweiten Mal aus der Bundesliga abstieg, hatte sie vor allem Horst Köppel zu verdanken, der als Interimscoach erst in der Hinrunde die Bayern schlug und dann als Advocaats Nachfolger aus den letzten fünf Spielen sechs Zähler holte – eine Punktlandung im Abstiegskampf und Rang 15 in der Abschlusstabelle.

Das marode und wacklige Haus, das Dick Advocaat nach der Ära Fach vorfand, hatte seiner Meinung nach eine ausgiebige Grundsanierung bitter nötig. Also schlug der neue Coach mit dem großen Namen – er kam als mehrfacher Meistertrainer und erfolgreicher Bondscoach – im Winter kräftig zu und verpflichtete gleich sieben Neue auf einen Streich. Knapp vier Millionen wurden dafür fällig, von denen jedoch alleine Wesley Sonck schon zweieinhalb für sich beanspruchte. Und irgendwie versinnbildlichen jene sieben Akteure aus heutiger Sicht das gesamte Transferfiasko mehr als treffend.

Kasey Keller schlug als einziger sofort ein und hütete zweieinhalb Spielzeiten lang als Stammkeeper den Kasten. Insgesamt kam der Amerikaner auf 78 Spiele. Die könig(s)liche Rangliste der Borussen mit den meisten Einsätzen seit Frühjahr 2004 führt ihn auf Platz drei. Als Filip Daems endgültig im Verein ankam und sich nachhaltig etablierte, waren Kellers Tage bereits gezählt. Nach schier endloser Verletzungspause gehört Daems seit Oktober 2007 zum Stammpersonal. Neuerdings trägt er sogar die Kapitänsbinde.

Doch hier findet die Reihe der nennenswerten Verdienste jener von Advocaat geholten Spieler auch schon ein jähes Ende. Bernd Thijs, wie Daems und Sonck aus Belgien, absolvierte als Abräumer vor der Abwehr immerhin 44 Partien für Gladbach und blieb bis zum Ende der Abstiegssaison 2006/2007. Craig Moore, Advocaats alter Liebling aus Glasgower Zeiten, erlebte nicht einmal das Ende seiner ersten Halbserie bei der Borussia. Gleich in seinem ersten Spiel hatte er noch den Siegtreffer gegen Bielefeld erzielt. Danach erregte der Australier nur noch als wandelnder Platzverweis und mit Alkoholeskapaden derartiges Aufsehen. Er verschwand so schnell, wie er gekommen war.

Anhand der Verpflichtung von Jörg Böhme, der Fünfte im Bunde, könnte man Dick Advocaat ein Faible für resolute Typen nachsagen, die „Enfant terrible“ als Künstlernamen im Personalausweis eingetragen haben. Böhme blieb tatsächlich anderthalb Jahre – und spielte in dieser Zeit ganze 14-mal. Von so vielen Einsätzen hätte Giovane Elber nur träumen können. Seiner fabelhaften Bundesligakarriere setzte er einen wenig ruhmreichen Schlusspunkt. Immerhin kostete der Brasilianer, zu dieser Zeit längst über seinen Zenit hinweg, keine Ablöse. Dafür wird sein Gehalt umso stattlicher ausgefallen sein. Vier Ligaspiele absolvierte Elber für die Elf vom Niederrhein.

Der letzte der zum Großteil unsäglichen Sieben zahlte der Borussia nicht nur rein sportlich wenig zurück. Er kostete auch noch richtig viel Geld. Für 2,78 Millionen Euro durfte der VfL von Januar 2005 bis Juni 2007 die Dienste von Wesley Sonck in Anspruch nehmen. Verletzungsodysseen und mangelnde Professionalität anstelle von Toren, die der Belgier ansonsten akrobatisch zu feiern wusste. Leider kam er viel zu selten dazu. Nach dem Bundesligaabstieg verließ er den Verein für eine Million Euro in Richtung Heimat.

Die Saison 2004/2005 bescherte dem Verein wohl nur eine wegweisende personelle Veränderung: Beim Tiefpunkt vom Tiefpunkt, dem blamablen 0:6 in Berlin, debütierte ein Gladbacher Jung‘ namens Marcell Jansen in der Bundesliga. Innerhalb von zweieinhalb Jahren entwickelte er sich vom Amateurspieler zur Goldgrube für den Klub. Doch dazu später.

Indes wurde Horst Köppel für seine Dienste als Feuerwehrmann im Sommer 2005 mit einer Festanstellung belohnt – in den letzten Jahren gewöhnlich ein Freifahrtsschein für hemmungsloses Treiben auf dem Transfermarkt. Auch Köppel fand auf den Wühltischen der europäischen Ligen sieben neue Spieler. Darunter einerseits alte Haudegen wie Thomas Helveg von (ehemals) internationalem Format. Andererseits aufstrebende Spieler mittleren Alters wie Zé Antonio, Hassan El-Fakiri oder Kaspar Bögelund, von denen man sich eine ordentliche Entwicklung erhoffen durfte. Na ja, und dann war da noch ein gewisser Carlos Eduardo de Souza Floresta, der sich kurz und schmerzlos Kahê nannte und auf den Spitznamen „Shrek“ hörte.

Wer die Raute im Herzen trägt, dem kommen noch heute die Tränen, wenn er an die Zeiten des stümperhaften Brasilianers denkt. Kahê hatte sich gleich einmal in den sagenhaften und unwiderstehlichen Bienenstich seiner neuen Heimat verliebt. Sein voluminöser und keineswegs drahtiger Oberkörper reflektierte dieses Faible für deutsches Gebäck ständig sichtbar für alle Welt.

Schon bald brachte er so die Zyniker regelrecht in Wallung. „Dem springt der Ball weiter weg, als ich schießen kann“, las man von nun an pausenlos in den Vereinsforen. Die kühnsten Wetten wurden seinetwegen abgeschlossen. Stets mit Aussicht auf Erfolg. Doch nachdem Kahê zu Beginn der Saison 2005/2006 kurzzeitig mit vier Treffern die Torjägerliste anführte, stand manch einer, der kühn auf „höchstens fünf Saisontore“ gewettet hatte, am Rande einer Privatinsolvenz. „Shrek“ zeigte sich gnädig und traf bis zu seinem Abschied im Sommer 2007 nur noch einmal. Inzwischen beglückt er die Fans in der Türkei mit seinen Fußballkünsten, die den damaligen Gladbacher Sportdirektor Peter Pander seinerzeit vorbehaltslos überzeugt hatten. Auch in Anatolien versteht man bekanntlich etwas vom Backen.

Köppels Kauforgie zahlte sich wider Erwarten schon bald aus. Nach einem wenig verheißungsvollen Saisonstart empfing die Borussia am sechsten Spieltag mit nur fünf Punkten auf der Habenseite und dem Rücken zur Wand Werder Bremen im eigenen Stadion. Ein Broich-Treffer und ein Eigentor von Frank Baumann drehten den Pausenrückstand noch zu Gunsten des VfL. Gladbach gewann drei der folgenden vier Spiele und kassierte bis zum fünfzehnten Spieltag nur eine weitere Niederlage.

Zu Weihnachten schien gar der UEFA-Cup in Reichweite. Am Niederrhein erlebte man die erste Saison frei von Abstiegssorgen seit genau zehn Jahren. Dementsprechend zurückhaltend zeigte sich die Transfer-Libido. Nando Rafael und Bo Svensson hießen die einzigen Verstärkungen. Mit Ausnahme der Winterpause 07/08 gab es in keiner Transferperiode der letzten fünf Jahre weniger Neuverpflichtungen als in jenem Winter kurz vor der WM im eigenen Land.

Doch kaum hatte man sich an die Ruhe gewöhnt, war es auch schon wieder vorbei mit der Sorglosigkeit. Siebzehn Zähler kamen noch hinzu in der Rückrunde. Der Abstand auf die Abstiegsränge schrumpfte bis zum Saisonende von dreizehn auf neun Punkte. Der siebte wurde gegen den zehnten Tabellenplatz getauscht. Böse Zungen behaupteten, dass die Borussia bereits in dieser Spielzeit abgestiegen wäre – wenn die Saison ein paar Spieltage länger gedauert hätte. Ein Jahr später sollte der Konjunktiv des Jahres 2006 bittere Realität werden.

Eine auf den ersten Blick gelungene Saison, mit der besten Platzierung seit 1996, wurde letztlich doch als verkorkst abgestempelt. Enttäuschung und Unzufriedenheit fanden ihr Ventil erneut in personellen Veränderungen. Horst Köppel musste abdanken. Mit Jupp Heynckes präsentierten die Verantwortlichen der Borussia einen weiteren Bekannten aus den glorreichen 70ern. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen – natürlich nicht bei den Entscheidungsträgern. Dort war man sich – einmal mehr – einig, den Richtigen gefunden zu haben. Präsident Königs beteuerte, man wolle „mit Jupp Heynckes in eine gute Zukunft gehen und die kontinuierliche Aufbauarbeit fortsetzen“. Den Begriff „Zukunft“ definierte er an dieser Stelle leider nicht genauer.

Der neue Coach verhielt sich relativ bescheiden, was Neuzugänge anging. Eine Hand voll sollte genügen. Darunter mit Christofer Heimeroth und Michael Delura zwei ehemalige Schalker, die Heynckes aus seiner Zeit bei den Königsblauen bestens kannte und anscheinend sehr schätzte. Dazu gesellte sich ein weiterer Neuer, der – wie sie so viele vor ihm – die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nährte. Federico Insúa verzückte die Fans bereits bei „You Tube“, bevor er überhaupt deutschen Boden betreten hatte. Der kleine, wuselige Messi-Verschnitt, der im Internet einen Freistoß nach dem anderen filigran im Tor versenkte, sollte tatsächlich bald das Trikot mit der Raute überstreifen? Kaum zu glauben.

Circa vier Millionen Euro blätterte die Borussia für den Argentinier hin. Endlich hatte man einen passenden und verheißungsvollen Spielmacher gefunden. Leandro Romagnoli (heute Sporting Lissabon) und Shunsuke Nakamura (Celtic Glasgow) waren ebenfalls hoch gehandelt worden. Warum die Wahl letztendlich auf den schmächtigen Dribbler von den Boca Juniors fiel, der sich in seinen 32 Bundesligaspielen den einen oder anderen Knoten in die Beine machte, ist nicht bekannt. Insúa durchlebte ein kurzes und wenig erfüllendes Gastspiel am Niederrhein. Sein Name steht stellvertretend für eine Saison, die gar nicht so schlecht begann und am Ende schnurstracks in die Zweite Liga führte.

Zu Teil 1

Donnerstag, 29. Januar 2009

Des Königs' neue Spieler (1)

In den letzten fünf Jahren hat sich bei der Borussia so ziemlich alles verändert: Ein neues Stadion, 87 eingesetzte Spieler, 53 Neuzugänge, 6 Trainer, 4 Sportdirektoren - aber ein und derselbe Präsident. Anlass genug, dessen Amtszeit Jahr für Jahr zu rekapitulieren und dem sportlichen Niedergang des fünffachen Deutschen Meister ins Gesicht zu blicken. Eine Zeitreise in vier Akten - Teil 1.

Einen Blumenstrauß? Vielleicht eine Schachtel Pralinen? Oder doch einen Restaurantgutschein? Ob Tomas Galasek zu seiner Ankunft in Gladbach vor ein paar Wochen überhaupt ein besonderes Präsent erhalten hat, ist nicht genau überliefert. Verdient hätte er es. Denn immerhin ist der Tscheche der 50. Spieler bei der Borussia, der in der Ära von Präsident Rolf Königs verpflichtet wurde. In nur viereinhalb Jahren.

Unter Umständen hat in Gladbach aber auch niemand dieses Jubiläum registriert. Verübeln dürfte man es keinem dort. Schließlich ging die Borussia schnurstracks zur Tagesordnung über. Inzwischen steht der Transferzähler schon bei 53. Paul Stalteri, Logan Bailly und Dante haben die Liste noch vor Weihnachten fortgeführt. Vollzugsmeldungen aus der Personalabteilung gehören am Niederrhein mittlerweile zu den Routineübungen.

Um einen Bogen in der Vereinshistorie zu spannen, der die Metamorphose des fünfmaligen Meisters zum vielzitierten „Kaufhaus des Westens“ beschreibt, genügt es völlig, vor nicht einmal fünf Jahren anzusetzen. Die Geschichte beginnt im Frühjahr 2004. In Gladbach heißt es zu diesem Zeitpunkt „Bye bye, Bökelberg“. Denn der VfL spielt die letzte Saison in seinem altehrwürdigen Stadion und steht kurz vor dem Umzug in den Borussia-Park – eine neue, 54.000 Zuschauer fassende Arena, die für knapp 90 Millionen Euro in Windeseile fertig gestellt worden ist.

Die Verwirklichung dieses Traums – zumal auch noch so fix und preiswert – ist vor allem Adalbert Jordan zuzuschreiben, der die Stadionpläne in seiner Zeit als Präsident der Borussia forcierte und die Weichen stellte für eine hoffentlich rosigere Zukunft. Doch die Eröffnung des Borussia-Parks sollte Jordan nicht mehr erleben. In jenem Frühjahr 2004 verstarb er nach langer und schwerer Krankheit im Alter von 66 Jahren. Und auf die ersehnten rosigen Zeiten wartet man am Niederrhein bis heute vergeblich.

Jordan hatte den Verein trotz schwieriger sportlicher Umstände aus dem Finanz-Schlamassel befreit. Dass die Borussia seit Jahren schwarze Zahlen schreibt und finanziell so gut aufgestellt ist wie nie zuvor, darf getrost dem Wirken des verstorbenen Präsidenten zugeschrieben werden. In seine Amtszeit fielen zwar der erste Bundesliga-Abstieg, aber auch der Wiederaufstieg 2001 und drei letztlich erfolgreiche Spielzeiten im Kampf gegen den Abstieg.

Heute erinnert nur noch eine kleine Straße auf dem Areal des Gladbacher Nordparks an die ehemalige Leitfigur des Vereins. Vielleicht sollte man sich die Arbeit Jordans an der Hennes-Weisweiler-Allee einmal zu Gemüte führen. Denn jeder im Umfeld des zweimaligen UEFA-Cup-Siegers muss sich eingestehen: Trotz eines Stadion, das jahrelang allein von seinem nostalgischern Wert am Leben gehalten wurde, stand die Borussia vor knapp fünf Jahren nicht schlechter da als heute, im Januar 2009.

Nach Jordans Tod hat der damalige Vizepräsident Rolf Königs den Posten als Vereinsoberhaupt übernommen – ein selbsternannter Fußball-Laie, der sein Geld als Geschäftsführer von Europas marktführendem Hersteller für LKW-Sitze verdient. Folgerichtig stammen auch die Auswechselbänke im Borussia-Park von der Firma Isringhausen. Und als wolle er möglichst viele Leute innerhalb kurzer Zeit in den Genuss des Komforts seiner Sitze kommen lassen, hat sich der 67-jährige Königs einem kostspieligen Hobby verschrieben: Spieler kaufen. Und weil es so schön ist, verkauft er sie auch liebend gerne wieder, um dann erneut zuschlagen zu dürfen, zu können oder zu müssen.

Um der Fairness halber eins klar zu stellen: Königs ist kein omnipotenter Mäzen, der den Verein im Stile eines Diktators regiert – im Gegenteil. Sein Amt übt er ehrenamtlich aus. Wobei sich die Frage stellt, ob das automatisch von Vorteil ist. Immerhin fließen jährlich zig Millionen Euro durch den Klub. Im Schnitt setzt die Borussia seit Jahren mehr als 25000 Dauerkarten ab. Zudem ist die Laune der Menschen am Niederrhein keineswegs ans Wetter, an den Milchpreis oder an die Staulänge auf der A52 gekoppelt – seit Jahrzehnten bestimmt die Fohlen-Elf aus Mönchengladbach, ob man zwischen Emmerich und Erkelenz gut drauf ist.

Königs könnte also ganz schnell aus dem Schneider sein – wenn er nicht der einzige weit und breit wäre, der jede Krise zwischen 2004 und 2009 miterlebt und vor allen Dingen schadlos überlebt hat. Seit seinem Amtsantritt am 7. April 2004 beschäftigt die Borussia mittlerweile den sechsten Trainer. In jedem Kalenderjahr gab es genau eine Entlassung. Exakt 87 Spieler haben in dieser Zeit das Trikot mit der Raute übergestreift. Die bereits erwähnten 53 sind gekommen, 30 davon haben den Verein schon wieder verlassen (müssen). Selbst für den Posten des Sportdirektors ist Kontinuität ein Fremdwort: Max Eberl agiert derzeit als insgesamt vierter sportlicher Leiter der Ära Königs. Seit Jahren wechselt man das Personal wie der Kaiser seine Kleider im allseits bekannten Märchen. Die niederrheinische Version von „Des Kaiser neue Kleider“ nennt sich „Des Königs‘ neue Spieler“.

Schon die blanken Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Borussenfans, die erleben, wie der Verein ihres Herzens und ihrer Träume nur noch spöttisch als „Kaufhaus des Westens“ bezeichnet wird, erröten vor Scham und möchten am liebsten im Erdboden versinken. Dank ihrer Leidensfähigkeit ist der Zuschauerschnitt neben der Personalie Königs wenigstens eine zweite – wenn auch sportlich nicht primär entscheidende – Konstante geblieben.

Oliver Neuville hat in seiner Karriere mit zahlreichen und ebenso schönen Toren von sich reden gemacht. Abseits des Platzes ist der 35-jährige eher für sein trauriges Kindergesicht bekannt. Alle Welt will ihn an die Hand nehmen und ihm ein Eis kaufen. Neuville lässt das weitestgehend kalt. Ausführliche Antworten gibt er lieber in Form von Toren. Es ist viel über das ruhige Gemüt des Nationalspielers philosophiert worden. Eine bestimmte Erklärung für sein Schweigen ist dabei wohl eher selten in Betracht gezogen worden: Neuville gibt vielleicht so selten etwas von sich, weil er seit Jahren zu sehr damit beschäftigt ist, sich die Namen seiner Mitspieler bei der Borussia einzuprägen. In der Schreckensliste der verpflichteten 53er-Bande ist er nämlich die Nummer eins. Neuville war der erste Neueinkauf unter Neu-Präsident Königs. Das heißt, er hat sie alle kommen und fast alle wieder gehen sehen. Es bedarf keinerlei Boshaftigkeit, sondern allein eines ausgeprägten Sinns für die Realität, um zu behaupten: Vermutlich war der erste Transfer bis heute der beste.

Als einziger Spieler im aktuellen Kader hat Neuville die Eröffnung des Borussia-Parks miterlebt. Keiner hat in der Ära Königs auch nur annähernd so viele Spiele für Gladbach absolviert. Inzwischen sind es 124 geworden. Auf Rang zwei folgt Peer Kluge mit 88 Einsätzen. Dabei ist es alles andere als schwierig, in dieser Rangliste eine Topposition zu belegen: Marko Marin weilt mit seinen 19 Jahren bereits auf Platz elf. Dreizehn Rückrundenspiele würden ihm genügen für einen Satz auf den sechsten.

Und bevor wir die traurige Transferodyssee von vorne bis hinten aufrollen wollen, noch ein kleiner Hinweis – erneut der Fairness halber: Kaum ein deutscher Profiverein hat sich in den letzten Jahren derart mit seiner Nachwuchsabteilung profiliert und so viele Nationalspieler ausgebildet. Marcell Jansen machte den Anfang und stürmte innerhalb von knapp einem Jahr von der U23 auf die linke Abwehrseite der DFB-Elf. Jan Schlaudraff schaffte den Durchbruch zwar erst, nachdem es ihn nach Aachen verschlagen hatte. Den Feinschliff erhielt jedoch auch er bei der Borussia.

Marko Marin war erst 19, als er letzten Mai gegen Weißrussland sein Debüt feierte. Und Marvin Compper vervollständigte das Quartett beim letzten Länderspiel gegen England. Doch auch er erlebte seine Premiere mit dem Adler auf der Brust nicht als Spieler von Borussia Mönchengladbach. Für 100.000 Euro hatte man ihn im Januar 2008 nach Hoffenheim verschenkt. Die Chancen stehen zudem nicht schlecht, dass aus der Viererbande in absehbarer Zeit ein Quintett wird: Eugen Polanski verließ Gladbach vor dieser Saison ablösefrei in Richtung Getafe. Dort ist er mittlerweile Stammspieler und rechtfertigt langsam aber sicher die Vorschusslorbeeren der Vergangenheit. Sogar von den spanischen Medien wird er in höchsten Tönen gelobt – und die sind ansonsten beileibe nicht zimperlich.

Sätze wie „Dat kricht unsere U23 ja noch besser hin“ zeugen demnach nicht ausschließlich von purer Verzweiflung, wenn sie alle zwei Wochen durch den Borussia-Park gebrüllt werden. Dahinter steckt vielmehr ein veritabler Vorschlag zur sportlichen Umorientierung. Wäre der gesamte Verein sportlich so intakt wie die Nachwuchs- und Scoutingabteilung, hätte die Borussia ganz andere Sorgen. Es ginge nicht darum, die Klasse zu halten. Am Niederrhein würde man stattdessen wieder von legendären Europacup-Nächten träumen.

Doch der letzte Auftritt auf internationalem Parkett liegt inzwischen mehr als zwölf Jahre zurück. Kaum zu glauben, dass der VfL damals in der ersten Runde Arsenal London ausschaltete – und beeindruckend, wie sich das Kräfteverhältnis innerhalb von einem guten Jahrzehnt verschieben kann. Arsenal gehört zu den besten und renommiertesten Klubs der Welt. In Gladbach erinnern höchstens noch ein paar übergroße Aufnahmen in den Katakomben an derart ruhmreiche Zeiten voller Titel und Triumphe.

Zweimal war die Borussia dem international Geschäft in den letzten Jahren vergleichsweise nahe. 2001 zog man im DFB-Pokalhalbfinale den Kürzeren gegen Drittligist Union Berlin. Drei Jahre später hieß die Endstation ebenfalls in der Vorschlussrunde Alemannia Aachen. In beiden Fällen hätte der Finaleinzug zur Teilnahme am UEFA-Cup genügt. Seitdem ist man nicht einmal mehr über die zweite Runde hinausgekommen. Der Borussia-Park feiert im Sommer seinen fünften Geburtstag und wünscht sich zum kleinen Jubiläum sehnlichst das erste Pokalspiel seiner Existenz. Die ernüchternde Gegenwart verleitet zu dem schnellen und freilich nicht ganz ernst gemeinten Schluss, dass es 2010 definitiv so weit sein könnte: Bekanntlich genießen Drittligisten stets Heimrecht.

Hinter der Borussia liegt die zweitschlechteste Hinserie der Vereinsgeschichte. Allein das schwache Niveau aller Abstiegskandidaten nährt die Hoffnung auf den Klassenerhalt. Viermal hat der Verein auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Ein 36-jähriger Tscheche, ein Kanadier vom Abstellgleis, ein Brasilianer, der sich gleich einmal verletzte, und ein ambitionierter Paradiesvogel aus Belgien sollen den Unterschied machen und am besten doppelt so viele Zähler holen wie in den ersten 17 Partien. 33 Punkte – das dürfte diesmal reichen.


In Teil 2: Von Advocaats Lieblingen und deutschem Gebäck -
die Spielzeiten 04/05, 05/06 und die Rückkehr von Jupp Heynckes

Mittwoch, 28. Januar 2009

Die WM 2006 hat eine Duftmarke gesetzt...

...doch nach zweieinhalb Jahren hat es sich ausgeduftet.


Vorbei ist die Zeit der lästigen Missverständnisse:

"Hmm, das riecht aber gut. Was'n das für eins?"
"Tjaaa... wie soll ich's sagen? Das offizielle Parfüm der WM 2006... geschenkt gekriegt."
"Aha. Ömm, ich muss dann mal weiter."

Doch das muss Südafrika erst einmal toppen.

Montag, 26. Januar 2009

Podolski plus 1.000.000

Die einen schnüren Rettungspakete und kurbeln die Wirtschaft mit Milliarden aus der Staatskasse an. Andere dagegen halten deutsche Junioren-Nationalspieler für ein effektiveres Konjunkturpaket. Über beides lässt sich streiten.

Savio Nsereko. Zugegeben, man muss kein Freak sein, um diesen Namen schon einmal gehört zu haben. Wer bei der U19-EM im vergangenen Jahr sporadisch eingeschaltet hat, dem wird dieser Junge – Jahrgang 1989 – zwangsläufig aufgefallen sein. Allein schon, weil deutsche (Jugend-)Nationalspieler nur selten Savio, nur selten Nsereko heißen und noch seltener beides zusammen. Sondern viel eher Jermaine Jones, Kevin-Prince Boateng und Bienvenue Basala-Manzana. Versteht sich doch von selbst.

Man – und damit auch wohl die meisten derer, die freiwillig diese Seite hier aufrufen – wird dem 19-jährigen Nsereko demnach die Tags „Europameister“, „Italien“ und „kann mehr als nur gut geradeaus laufen“ zuordnen können. Dass er sogar zum besten Spieler des Turniers gekürt wurde, ist mir ehrlich gesagt entgangen. Aber Nsereko ist eben ein ziemlich hoffnungsvolles Talent. Bislang konnten das ziemlich viele von sich behaupten. Wobei wir uns höchstens noch an die Hälfte erinnern können. Hochjubeln ist eben oft so einfach wie tief fallen.

Als Teenager nach England gewechselt zu sein, das hat jedoch nicht jeder in seiner Biografie vermerkt. Und Nsereko kommt nicht in bewährter Huth- oder Volz-Manier in das Internat eines arrivierten Premier-League-Klubs, sondern als Profi zu West Ham United. Für sage und schreibe 11 Millionen Euro. Macht nach Adam OpelRiese 4400 abgewrackte Gebrauchtwagen. Also ungefähr so viele, wie derzeit (noch) in Telgte bei Münster unterwegs sind.

West Ham United ist übrigens der Klub, dessen isländischer Besitzer Björgolfur Gudmundsson aktuell händeringend einen Käufer sucht. Jener Björgolfur Gudmundsson ist übrigens der Hauptaktionär der jüngst Pleite gegangenen Landesbanki aus Island. Und Island, das ist übrigens genau das Land, das kurz vor einem Staatsbankrott stand und dessen Regierung heute ihren Rücktritt erklärte. By the way.

Na, bitte. In was soll man denn dieser Tage sonst investieren, wenn nicht in 19-jährige deutsche Jugendnationalspieler aus der zweiten italienischen Liga?

Mittwoch, 21. Januar 2009

Ein Transfer wie 8000 Gebrauchtwagen

Es gibt Angebote, die sind so sündhaft unmoralisch, dass man sie mit gesundem Menschenverstand einfach nicht ablehnen darf.

Da erübrigt sich auch die Frage, wie solche Konstellationen zustande kommen, über die in diesem Fall der Sid berichtet:

"Nachdem sich die beiden Klubs bereits Ende der vergangenen Woche geeinigt hatten, soll auch der Profi sein Ja-Wort gegeben haben."

Immerhin ist Nigel de Jong vorsichtshalber noch gefragt worden, ob er denn nach Manchester will. Bei einem angeblichen Jahresgehalt von sechs Millionen Euro wird die Antwort sicher nicht zweideutig ausgefallen sein.

Zwanzig Millionen für einen Mann, der einst für 1,5 Millionen gekommen war und bei dem sich darüber streiten lässt, ob er seinen Wert in dieser Zeit, als er 66 von 85 möglichen Ligaspielen absolvierte, überhaupt vervierfacht hat. Letztendlich liegt der Faktor bei circa 13.

Zwanzig Millionen Euro: Dafür müssten die Bewohner von Datteln alle ihre Autos in Zahlung geben lassen und die fällige Abwrackprämie kassieren. Vorausgesetzt natürlich, sie sind mindestens neun Jahre alt (die Autos). 8000 Gebrauchtwagen für einen holländischen Nationalspieler - da lache nochmal einer über Araber, die deutschen Männern 800 Kamele für ihre blonden Ehefrauen bieten.

Und das beste kommt ja noch: Dank TrickParagraph 17 hätte City im Sommer nur noch 2,5 Millionen für de Jong bezahlen müssen. Irgendetwas muss ich in den vergangenen zweieinhalb Jahren übersehen haben. Reden wir hier überhaupt über den Nigel de Jong? Vom HSV?

Ich glaub', ich fahr' jetzt erstmal in Kur. Nach Datteln.

Montag, 19. Januar 2009

Kamelle, dä Prinz kütt

Die endlosen Diskussionen sind vorüber: Lukas Podolski kehrt München den Rücken und im Sommer zum FC zurück. Ein Schritt, der die Kölner spontan Kamelle werfen lässt. Dass nur zwei Tage nach Rosenmontag der Aschermittwoch folgt, will derzeit freilich noch niemand hören.

Wir schreiben den Sommer 2006. Lukas Podolski, gerade 21 Jahre alt geworden, erzielt drei WM-Treffer, lässt bei der Wahl zum besten Jungspieler des Turniers sowohl Cristiano Ronaldo als auch Lionel Messi hinter sich und wechselt anschließend für zehn Millionen Euro zum FC Bayern München. Zwei Jahre später ist Podolski nicht wirklich einen Schritt weiter gekommen.

Während die Kollegen Ronaldo und Messi sich längst nicht mehr mit Siegen in der Champions League zufrieden geben und um den Titel des weltbesten Fußballers konkurrieren, ist der FC-Rückkehrer einzig und allein um zwei Jahre gealtert. Keine Leistung, das haben in dieser Zeit circa sechs Milliarden Menschen vollbracht. Rein fußballerisch ist bei ihm derweil alles beim Alten geblieben, wenn überhaupt.

Erneut legt nun ein Verein zehn Millionen für seine Dienste auf den Tisch. Dass der 1. FC Köln als aufstrebender aber dennoch leidgeprüfter und inkonstanter Klub diese Überweisung tätigt, spricht nicht unbedingt für den sportlichen Werdegang von Podolski. Als der „Prinz“ zum ersten Mal in Köln regierte, traf er 46-mal in 81 Spielen. Zweitligabereinigt macht das noch immer 22 aus 51. Eine mehr als ordentliche Quote für einen, der damals als Teenager zur EM fuhr und sein erstes Profigehalt bei einem krisengeschüttelten Fahrstuhlverein bezog, mit der er in drei Jahren zweimal ab- und einmal aufstieg.

Sein Intermezzo bei den Bayern – das die Bezeichnung „Intermezzo“ seit heute definitiv verdient – war ein Rückschritt. Wer etwas anderes behauptet, setzt merkwürdige Maßstäbe. Meister, Pokalsieger, schön und gut. Nur 2647 Minuten hat der 23-jährige in der Bundesliga für den Rekordmeister auf dem Platz gestanden. Ein Stammspieler, der häufig in der Schlussphase ausgewechselt wird, überbietet diesen Wert in einer einzigen Saison.

Dem Nationalelf-Ego des bisweilen fußballerisch schizophrenen Podolski haben die bislang zweieinhalb Jahre München weder geschadet noch zu einer Leistungsexplosion verholfen. Als er beim 1. FC Köln unter Vertrag stand: 30 Länderspiele, 15 Tore. In seiner Bayern-Zeit: 30 Länderspiele, 16 Tore. Die leichte Tor-Hausse ist wohl allein auf den vierfachen Torerfolg gegen San Marino zurückzuführen.

Von daher kann es dem neutralen Beobachter anscheinend herzlich egal sein, welcher Verein für die Abstellung von Lukas Podolski verantwortlich ist, wenn der den Adler auf der Brust trägt. Doch wer nimmt es, selbst als vermeintlicher Unparteiischer, schon regungslos hin, wenn ein bei den Bayern gescheiterter Nationalspieler zu seinem Heimatverein zurückkehrt? Zumal der Ausdruck „Herzensangelegenheit“ in diesem Fall ausnahmsweise der vollen Wahrheit entspricht.

Im Prinzip kann Podolski beim FC nicht allzu viel gewinnen. Köln ist so etwas wie die Reinkarnation eines „unruhigen Umfeldes“ – was gleichzeitig als gnadenlose Untertreibung daherkommt. Und Podolskis erste Amtszeit hat gezeigt, dass es dem dreimaligen Meister ziemlich egal ist, ob ein gewisser „Prinz Poldi“ nun für ihn stürmt oder nicht – abgestiegen wird trotzdem. Alles unter 15 Toren und einem einstelligen Tabellenplatz würde die derzeitige Rosenmontagsstimmung ganz schnell zu Gunsten einer Aschermittwochsdepression kippen lassen. Podolski hat nicht nur wenig zu gewinnen – er kann auch viel verlieren.

Größenwahnsinn war in der Vergangenheit allzu oft der zweite Vorname des 1. FC Köln. Um das zu behaupten, muss man ihn nicht einmal verachten. 22 Millionen Euro kostet ihn das Paket Podolski. So viele Trikots könnte nicht einmal ein japanischer Klub verkaufen, der David Beckham verpflichtet. Wie also kommt ein Verein auf die Idee, dass ein 23-jähriger, der in München vor allem eine durch und durch professionelle Einstellung vermissen ließ, jeden einzelnen Cent wert ist? Gerade in Zeiten der Finanzkrise ein realitätsverkennendes Zeichen.

Und so würde es irgendwie passen, wenn der Podolski-Transfer im Mai plötzlich nur noch Makulatur wäre. Steigt der FC doch ab, könnten sie den Rückkehrvertrag immer noch als Papierflieger vom Kölner Dom in den Rhein segeln lassen. Für dieses Szenario werden die Jecken im Gürzenich wohl keinen Tusch übrig haben.

Sonntag, 18. Januar 2009

Die Tore feiern, wie sie fallen

In Gladbach gab es in der Vergangenheit ziemlich wenig Grund zum Jubeln. Doch wenn, dann ließen sich die Borussen nicht lumpen. Mit Alexander Baumjohann hat es auch diesmal einer von ihnen den Sprung ins Feld der preisgekrönten Torschützen gepackt.

Rein sportlich hat die Borussia aus Mönchengladbach in den letzten Jahren herzlich wenig zustande gebracht. Sie ist zwar einmal aufgestiegen (was natürlich nur gelingen kann, wenn man zuvor abgestiegen ist) und sie hat zwei unfassbar renommierte Wintercups gewonnen. Aber was zählt das schon vor dem Hintergrund von fünf Meisterschaften, drei Pokalsiegen und zwei UEFA-Cup-Erfolgen?

In einer anderen (diesmal wirklich renommierten, aber sportlich umso wertloseren) Kategorie kämpft die Borussia derweil um den dritten Titel in den letzten vier Jahren – es geht ums „Tor des Jahres“. Was einst mit Le Fevre und Netzer begann, setzten Kaspar Bögelund und Oliver Neuville in den Jahren 2005 und 2006 erfolgreich fort. Bögelund traf in seinen drei Jahren bei Gladbach überhaupt nur zweimal – je einmal in seinen ersten beiden Spielen. Treffer Nummer zwei wurde gleich preisgekrönt. Sein Nachfolger Neuville ließ seinerzeit sogar Philipp Lahms WM-Treffer gegen Costa Rica hinter sich.

Und das muss den Fohlen erst einmal einer nachmachen: So viele herausragende Tore bei derart wenigen Erfolgserlebnissen. Dass von 1971 bis 1973, in den Anfangsjahren des „Tor des Jahres“, stets ein Borusse unter den Siegern war, überrascht wenig angesichts der inflationär hohen Trefferzahl der 70er-Elf. Schließlich fielen die Tore damals sogar, als sie gar nicht fallen sollten.

Ende des Monats könnten Le Fevre, Netzer und Co. einen weiteren ruhmreichen Erben bekommen. Alexander Baumjohanns Maradona-Solo vom 3:2 gegen Bremen steht noch bis zum 28.Januar zur Wahl. Als Torschütze des Jahres zu den Bayern? Da müsste sich sogar Toni Kroos erst einmal hinten anstellen – womit Baumjohann per Wildcard automatisch zur Nummer 23 an der Säbener Straße aufrücken würde.

Unwahrscheinlich ist das nicht. Denn so frustrierend die letzten Jahre in sportlicher Hinsicht auch gewesen sind – auf die enthemmten Anrufe der Borussenfans war eigentlich immer Verlass.

Donnerstag, 15. Januar 2009

Wenn zwei Buchstaben das Ende bedeuten

Während Hoffenheim gestern Abend lediglich einem kleinen Verlust ins Gesicht blicken musste, nimmt die heutige Hiobsbotschaft Lehman-Brothers'sche Züge an.

Denn aus einem Kreuzbandanriss ist plötzlich ein -riss geworden, der das Saisonende für Vedad Ibisevic bedeutet - seines Zeichens Ex-Gerd-Müller-in-Gefahr-Bringer. Vielleicht ist es dem 18-fachen Torschützen der Hinrunde ein Trost, sozusagen "postum" Torschützenkönig werden zu können. Doch wer will die Kanone schon humpelnd in der Veltins-Arena entgegennehmen? Als Nicht-Meister. Wobei das letztendlich wieder dorthin passen würde.

PS: Eigentlich müsste es "postvulnus" heißen (--> großes Latinum, das). Danke.

Mittwoch, 14. Januar 2009

Et kütt, wie et kütt...

Es gibt Leute, denen der Angstschweiß ausbricht, wenn die Quersumme eines Datums 13 ergibt. Andere vermeiden es gar, das Haus zu verlassen, wenn ein Freitag auf einen 13. fällt. Jene Nachricht wird alle Abergläubigen Böses ahnen lassen. Denn ein schlechteres Vorzeichen für die Zukunft und ein besseres Ereignis, um das baldige Ende einer Erfolgsgeschichte vorherzusagen, kann es eigentlich nicht geben.

Und so wird man im Mai vielleicht verkünden, dass der Meisterkampf am 14. Januar eine entscheidende Wendung genommen hat. Es könnte erstmals vom Bayern-Dusel die Rede sein, ohne dass der Rekordmeister dafür ein Tor kurz vor Ende des Spiels erzielen musste.

Oder es kommt anders - was sowohl aus mathematischer als auch aus philosophischer und historischer Sicht letztendlich wahrscheinlicher ist. Zumal es wie die Faust aufs Auge zu den letzten zweineinhalb Jahren der TSG "1899" Hoffenheim passte, wenn ein bislang untergegangener Brasilianer namens Wellington in der Rückrunde 15 Tore erzielen und seine Mannschaft zum Meistertitel schießen würde.

Wenigstens ruht Gerd Müllers Rekord nun weiterhin in Frieden (obwohl er das auch ohne Kreuzbandanriss getan hätte). Und wenn er nicht gebrochen wird, dann hält er halt noch ewig. Oder es kommt anders.

Samstag, 10. Januar 2009

Traumhafter Tapetenwechsel?

Bremen leiht Tziolis von Panathinaikos Athen samt Kaufoption bis zum Saisonende aus. Für den Griechen "geht ein Traum in Erfüllung", Werder dagegen wandelt auf den Spuren des FC Bayern.

Denn eigentlich ist es ja das Spezialgebiet des FC Bayern, sich die Dienste genau der Spieler zu sichern, die ihm irgendwann einmal ein Bein gestellt haben. Jetzt hat jedoch die Rache-Maschine von Werder Bremen zugeschlagen und den griechischen Nationalspieler Alexandros Tziolis an die Weser gelotst – von Panathinaikos Athen. Wir erinnern uns: da war doch was. Tziolis‘ Ex-Klub war nicht nur erheblich daran beteiligt, dass Bremen bereits nach der Vorrunde in der Champions League die Segel streichen musste. Der 23-jährige schrieb im November mit seinem Treffer höchstpersönlich die letzte Zeile des desaströsen Werderaner 0:3-Kapitels vor heimischem Publikum.

Dass Tziolis nun von einem großen Traum spricht, der für ihn in Erfüllung gehe, liegt wohl nicht nur an der Tatsache, dass er in Stuttgart aufgewachsen und Deutschland seine zweite Heimat ist. In Griechenland ist die Bundesliga anscheinend noch immer eine Marke mit einer derart beeindruckenden Ausstrahlungskraft, die wir – hier in Deutschland – in unserer Verzweiflung höchstens der Premier League, der Primera División und der Serie A zuschreiben.

Denn kurioserweise haben ausgerechnet die Griechen zuletzt gezeigt, dass der Blick der Bundesliga eher nach unten als nach oben gehen muss – und damit sogar in Richtung Athen, Piräus und Konsorten. Panathinaikos demütigte Werder Bremen mit 3:0. Olympiakos begrub mit einem souveränen 4:0 die Europacupträume der Hertha bis auf weiteres.

Als Tziolis seine frühe Kindheit im Schwabenland verbrachte, gehörten deutsche Erfolge im Europacup noch zu den Alltagserscheinungen. Heute ist das längst passé und wir erleiden vor Erleichterung schon fast einen Nervenkollaps, wenn Wolfsburg in San Siro punktet. In seiner Athener Heimat hätte der 23-jährige Nationalspieler das Achtelfinale in der Champions League gegen den FC Villareal bestritten. Jetzt liegt sein Augenmerk auf der Zwischenrunde im UEFA-Cup. Es spricht jedoch nicht unbedingt für dessen Ruf „Cup der Verlierer“, dass der Gegner dort der AC Mailand sein wird.

Montag, 5. Januar 2009

Bilderrätsel

Best of Weihnachtsgeschenke 2008

Lösung: Abstiegsgespenst

Samstag, 3. Januar 2009

"Fünf Sekunden auf dem Platz"

"Die Gebrüder Grimm drehen sich Grabe um", steuert Marcel Reif im Jahre 1997 seinen Teil zur Legendenbildung bei, kurz nachdem Lars Ricken per Lupfer das 3:1 im Champions-League-Endspiel gegen Juventus erzielt hat. "Fünf Sekunden auf dem Platz, fünf Sekunden", war es ihm sofort entfahren. Sorry, Herr Reif: Aber es waren genau 17.



Fünf Jahre später hat er jedoch dazugelernt. Am letzten Spieltag der Saison 2001/02 trifft Ewerthon als Joker zum 2:1 gegen Bremen und bringt die Dortmunder Meisterschaft unter Dach und Fach. "Also Freunde, das müsst ihr selber nachgucken, wie viele Sekunden der auf dem Platz", umgeht Reif diesmal das 5-Sekunden-Fettnäpfchen.

Freitag, 2. Januar 2009

2008x12 - Dezember

Entscheidend is auf'm Platzhirsch des Monats:
Christian Ziege


Der Gregorianische Kalender des Weltfußballs, auch bekannt als FIFA-Rahmenterminkalender, dauert in der Regel nur 16 bis 20 Tage und ist damit jedoch immer noch länger als der Januar. Dank der Winterpause zählt der nur 8 bis 10 Fußballtage und wird erst im nächsten Jahr, also 2010, offiziell von der DFL verlängert. Kein Wunder, dass dieser sich nun seinem Ende zuneigende Jahresrückblick fast 50% des Artikel-Anteils im Dezember 2008 einnahm.

Die restlichen guten fünfzig Prozent sahen einen Monat, der die ohnehin prekäre Lage am Niederrhein noch einmal potenzierte. Gladbach verlor am Nikolaustag mit 1:3 gegen Leverkusen und sechs Tage später zum Abschluss der Hinrunde mit 1:2 in Dortmund. Ein eindeutiger Trend! Anscheinend hat das niemand an Ex-Spieler, Ex-Kapitän und Ex-Sportdirektor Christian Ziege weitergeleitet. Einen Tag nach dem dritten Advent überrumpelten ihn plötzlich „persönliche Gründe“. Gladbachs Co-Trainer machte sich kurzerhand zum Ex-Co-Trainer. Dann war erst einmal Ruhe an der Hennes-Weisweiler-Allee. Vor Weihnachten kamen nur noch vier neue Spieler. Darin ist man ja mittlerweile mehr als routiniert. Tomas Galasek bekam dabei einen besonders großzügigen Blumenstrauß überreicht – als 50. Neuzugang der vergangenen viereinhalb Jahre. Mehr dazu in Kürze.

Derweil beduselten sich die Bayern gegen ein gewisses Hoffenheim, das kein Schreibprogramm dieser Welt kennt, in der Nachspielzeit mit 2:1. Anlass genug, die Worte „Freude“ und „Bayern“ ein für allemal in ein und demselben Satz zu verbieten. Basta. Herbstmeister wurden sie übrigens dennoch nicht. Zumindest nicht in der Bundesliga.

Außerdem warf die Höhenluft schnuppernde Hertha aus Berlin die Frage auf, was sie eigentlich so gut macht. Auf eine Antwort wird noch immer gewartet. Gar nicht so einfach. Da hatte sich dann endlich mal jemand ihrer starken Hinrunde gewidmet, schon verloren die Hauptstädter drei der letzten vier Pflichtspiele vor der Winterpause. Eben doch ein „Topteam ohne Gewähr“.

Und so soll das Jahr 2008 mit einer überaus großartigen Weisheit in den Annalen verschwinden: Der Ball ist immer noch rund. Nicht eiförmig.

2008x12 - November

Entscheidend is auf’m Platzhirsch des Monats:
Der 30. November


Mahnendes Gedenken an die Reichspogromnacht und Andacht zu Allerheiligen, am Volkstrauertag sowie am Totensonntag – der November ist nicht gerade bekannt dafür, ein Monat der glückseligen Erinnerungen und Feiertage zu sein. Und selbst der Fall der Berliner Mauer scheint nicht für jeden ein Grund zum Feiern zu sein. Gibt man bei Google „Mauer zurück“ als Suchbegriff ein, werden 1.610.000 Suchbegriffe angezeigt. Grundtenor: Jeder fünfte Deutsche wünscht sich die Mauer zurück.

Irgendwie hatte es demnach ganz den Anschein, der Fußball-Mikrokosmos auf dieser bescheidenen Seite hätte sich der tristen Novemberstimmung angepasst. Gladbach gewann zwar erst auswärts in Bielefeld und lieferte beim 2:2-Sieg gegen die Bayern die ekstatischsten Momente der Hinrunde. Doch dann war auch schon wieder Schicht im Schacht. Erst ein impotentes 1:3 „auf Schalke“, eine Woche später dasselbe Resultat. Kann passieren, nicht aber zuhause gegen Cottbus. Und so nahm der November aus Borussensicht letztendlich geradezu apokalyptische Züge an.

Zudem wurde Dietmar Hopp nicht nur ins Sportstudio eingeladen (an für sich schlimm genug), sondern nutzte die Gelegenheit auch noch, um kurz vor Mitternacht im deutschen Fernsehen mit einem Bündel Geldscheinen zu wedeln. Da bricht der geneigte Idealist zusammen. Zwei Wochen später schaffte das Gladbacher Fanprojekt protokollarisch das Ungetüm namens „Humba“ ab. Obwohl – irgendwie gehört das gar nicht an diese Stelle. Hat ja schließlich nicht nur Ernst Neger, sondern die meisten von uns gefreut. Wenn die Borussia weiterhin den Bach runter geht, wird vielleicht sogar damit geliebäugelt, derartige Feier-Choreografien vollständig abzuschaffen. Kann sich ja eh keiner merken, wenn’s nur alle drei Monate angewandt wird.

Werder Bremen schloss sich der allgemeinen Untergangsstimmung ohne mit der Wimper zu zucken an. Das 0:3 zuhause gegen Panathinaikos Athen besiegelte das Champions-League-Aus „so gut wie“ und wurde – weil’s so „schön“ war – 90 Minuten lang im „Live-Ticker“ auf Entscheidend is auf’m Platz dokumentiert.

Während in Bremen und Gladbach eher sportliche Talfahrten die Fahnen auf Halbmast sinken ließen, zog die Volkstrauer „auf Schalke“ berechtigterweise weitere Kreise. Im November trauerte ganz Fußball-Deutschland um Charly Neumann, der mehr war als nur ein lebendes Maskottchen: Schulter zum Ausweinen, Fels in der Brandung, ein echtes „Original“. Mit Charly Neumann ging einer von uns, der in Gelsenkirchen so etwas personifizierte wie die Blume, die ein Pazifist in den Gewehrlauf eines patrouillierenden Soldaten steckt. Er war in jeder Lage ein schlichtender und verbindender Pol. Tschüss, Charly!

Wenn Deutschland dann auch noch gegen England verliert und selbst René Adler anfängt zu menscheln, hat sich ein Monat seinen Trauerflor redlich verdient. In dieser depressiven Grundstimmung kann man sogar einem „rätselhaften Bomber“ aus Österreich wenig Positives abgewinnen. Doch zum Glück sprangen Marc Jankos Landsleute für ihn in die Bresche und verteidigten ihre Sturmhoffnung wie die Löwenmama ihre Jungen. In solch einem Monat darf man übrigens auch mal Nicolas Anelkas Qualitäten preisen.

So, jetzt aber genug Schwarzmalerei. Auf den November folgte immer noch ein Dezember. Sprich, wir haben’s überlebt. Behilflich dabei war unter anderem Simon Rolfes, für den man endlich mal wieder den Stempel mit der Prägung „Musterprofi“ rausholen konnte. Zudem gab es gleich drei Ausflüge in den undurchdringbaren Urwald der Statistiken. Diesmal im Programm: Wer ist der wahre Lukas Podolski und dürfte bei der Mehrzahl seiner Tore geweint und nicht gefeiert haben? Welcher Verein hat die meisten der aktuellen Nationalspieler rausgebracht? Und musste der VfB zwangsläufig so abstürzen, obwohl er in jener Rangliste der besten Ausbildungsvereine die Nase vorn hatte?