Die Skala reicht von Gleichgültigkeit bis Weltuntergangsstimmung. Ein Versuch, den gestrigen Auftritt der deutschen Nationalmannschaft dort einzuordnen.
Eins steht fest: Um eine Danksagung samt Blumenstrauß in Richtung Tschechien wird Jogi Löw kaum herumkommen. Der Europameister von 1976 hat die deutsche Mannschaft mit einer beherzten und äußerst effektiven Leistung jäh auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Der Bundestrainer darf sich über den Weckruf, der signalisiert, dass noch längst nicht alles Gold ist, was glänzt, durchaus freuen. Und so stellte er durchaus zurecht fest, dass das Spiel genau das aufgezeigt habe, was er schon des Öfteren betont hatte: „Manche Dinge sind doch noch nicht so gut“, wie sie zuletzt gemacht worden sind.
Im März 2006 gab es ein ähnliches Spiel, das damals bei einer ganzen Fußball-Nation die Alarmglocken erklingen ließ: Das blamable 1:4 gegen Italien, in den Geschichtsbüchern unter „Fiasko von Florenz“ zu finden. Im folgenden Märchensommer bekamen die Italiener im Gegenzug doch glatt den WM-Titel „geschenkt“ und Deutschland wurde WM-Dritter. Letzteres ist zweifelsohne eher ein gutes Omen.
Die Welt geht von der deftigen 0:3-Schlappe in München keineswegs unter. Auch wenn die Art und Weise, wie die Löw-Elf sich über 90 Minuten präsentiert hat, doch sehr an „alte Zeiten“ erinnerte. Ein einfaches „Mund abputzen und weiter“ wie nach dem Irland-Spiel wird diesmal jedoch nicht genügen, um die Partie aufzuarbeiten. Per Mertesacker, der sich mit Christoph Metzelder diesmal ungewohnte Aussetzer leistete, fing schon einmal mit der Aufarbeitung an und resümierte, dass man eben seine Lehren aus solch einem Spiel ziehen müsse. Nüchtern, freundlich, eloquent und intelligent – diesen Mertesacker kann man sich glatt als Bundestrainer 2026 vorstellen.
Das hat mit der Niederlage gegen Tschechien aber nichts zutun. „Zu tun“ gibt es in Hinblick auf die EM aber mit Sicherheit ein paar Dinge. Vielleicht steht die deutsche Nationalmannschaft nicht gerade vor existentiellen Problemen, der Feinschliff steht jedoch definitiv noch aus. Und wenn Hammer und Meißel geschwungen werden, um eine Truppe zu formen, die letztendlich das Zeug zum Europameister hat, kann Jogi Löw bestimmt wieder auf eine Hand voll Stammspieler zurückgreifen, die in den letzten Spielen nicht zur Verfügung standen.
Desweiteren stellt sich eine andere Frage: War es jetzt eigentlich in Ordnung, dass die erste unterirdische Vorstellung in der Löw-Ära, nach Monaten auf der Welle der Euphorie, sofort mit Pfiffen vom Münchener Publikum bedacht worden ist? Auf der Tribüne – mit 40 oder 50 € weniger auf dem Konto – fühlt man sich schnell dazu hingerissen. Denn der geneigte Fan auf den Zuschauerrängen war in London, in Cardiff und in Prag wohl nicht dabei und ist enttäuscht, dass ausgerechnet er diese ach so schlimme „Schmach“(O-Ton Béla Réthy) miterleben muss. Da macht sich kopfschüttelndes Verständnis breit.
Für die einzige richtige „Schmach“ hat der ZDF-Kommentator gestern übrigens selbst gesorgt, indem er dem deutschen Spiel dieses Prädikat verlieh. Da ist jemand auf der oben angesprochenen Skala etwas weit in Richtung „Weltuntergangsstimmung“ gerutscht – sei noch einmal verziehen.
Eine Vereinsmannschaft hätte bereits am kommenden Wochenende Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Löws Jungs müssen sich da noch bis zum 17.November gedulden. Dem ist sowohl Negatives, als auch etwas Positives abzugewinnen: Gescholten wird dadurch ein wenig länger, aber in vier Wochen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Da haben sich die Wogen fast vollständig geglättet, alle schauen mit Vorfreude auf die nächsten Spiele und selbst der pfeifende Fan wird wieder dabei sein – zumindest vor dem Fernseher.
Wenn es gegen Zypern wieder rund läuft, sei der gestrige Ausrutscher verziehen. Und spätestens dann wird auch der Blumenstrauß auf die Reise nach Prag geschickt…
Donnerstag, 18. Oktober 2007
Blumen nach Prag
Eingestellt von Jannik um 21:24
Labels: Nationalmannschaft
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