Man könnte meinen, die Vielfalt der Managerspiele, bei denen der Fan von nebenan via PC den Größen der Bundesliga nacheifern kann, wachse unaufhaltsam. Kicker, Sport-Bild, Comunio & Co. - da liegen Freud' und Leid oft eng beisammen. Wer in einer Tippgemeinschaft den Propheten spielt, kann ein Lied davon singen.
"Oh nein, heute is ja Freitag. Ich muss meine Mannschaft noch aufstellen."
"Hilfe, ich hab' noch gar nicht meine Tipps abgegeben."
"Endlich! Der Transfermarkt ist wieder offen."
Von wem könnten diese Aussagen stammen? Etwa von Hans Meyer, Ante S. aus B. und Felix Magath? Falsch. Sie könnten inzwischen von Ihrem Nachbarn, Ihrem Arbeitskollegen, Ihrem Mannschaftskollegen, schlichtweg von jedem stammen. Denn von Managerspielen, Tippspielen und anderen Bundesliga-Simulationen wimmelt es neuerdings nur so im Netz und an den deutschen Arbeitsplätzen. Während früher der "Kicker" mit seinem Managerspiel die Rolle des Pioniers auf unberührtem Terrain genießen durfte, nehmen die Möglichkeiten für den Fan von nebenan, seinen Traineridolen interaktiv nachzueifern, Jahr für Jahr zu.
Kicker, Sport-Bild, Rheinische Post, Comunio - überall glühen kurz vor Spieltagsbeginn die Köpfe der interaktiven Manager.
'Kluge für De Jong? Kluge - der hat zuletzt öfter getroffen. Pander oder Jansen? Pander - der ist mit seinen Brandfackel-Flanken immer gefährlich' - ähnlich sehen die Gedanken wohl bei jedem Mitspieler aus, dem freitags über der Aufstellung fürs Wochenende der Kopf qualmt. Und am Ende läuft es doch eh immer anders, als man es sich ausgemalt hat.
Beim Voraussagen der Ergebnisse in Tippgemeinschaften offenbart sich indes ein Phänomen. Denn wer hat meistens die Nase vorn bei Wettbewerben dieser Art? Die Verkäuferin aus der Gartenabteilung, die eigentlich an Fußball-Legasthenie leidet. Und nicht die selbst ernannte Fußball-Datenbank aus der Baustoffabteilung, die mit ihrem Fachwissen und der Routine von 23 Jahren mit Dauerkarte, glaubt, sie könne die Resultate ohnehin ausrechnen.
'In Frankfurt? Ach, da haben die 4 der letzten 6 Spiele gewonnen. Im Schnitt mit 1,8 Toren, aber nie zu null. Klar, da tippe ich 3:1.'
Wie geht es dann aus? Auf jeden Fall nicht 3:1, sondern mit Sicherheit 1:2 (das hat die Gartenabteilungs-Frau nämlich getippt, weil '1:2 doch ganz oft kommt'). So ist das Leben.
Was für Leute es fertig bringen, beim Kicker-Managerspiel mit dem zur Verfügung stehenden Budget eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen, die jedes Wochenende konstant 80 Punkte einfährt (und das ist ziemlich gut), ist mir jedes Jahr ein Rätsel. Bei Spielen dieser Art geht nämlich nichts ohne prophetische Veranlagung. Wer soll auch ahnen, dass Spieler A, der 5 Millionen gekostet hat, sich bald das Kreuzband reißt und Spieler B aus Burkina Faso, der ablösefrei von Dnjepr Dnjepropetrowsk kam, wie Phönix aus der Asche 20 Tore schießt?
Zudem ist man dann noch zusätzlich auf die Laune mehrerer Sportredaktionen angewiesen. Warum es für den einen Spieler ausschließlich die Note 2 regnet, während der andere trotz ordentlicher Leistung mit der Note "ausreichend" bedacht wird, bleibt da oft schleierhaft. Und man fragt sich, ob die Herren wirklich dasselbe Spiel gesehen haben. Bei der Ausgabe der "Sport-Bild" setzt sich die Note unter anderem aus der Wertung der "BamS" zusammen. Und wer legt sein Manager-Schicksal schon gerne in deren Hände?
Und so kommt es von Zeit zu Zeit vor, dass ein Bremer aufspringt, weil der HSV getroffen hat und im nächsten Moment wieder verschämt aufs Sofa sinkt. Oder ein Dortmunder jubelt in der Kneipe über ein Schalker Tor und findet sich einen Augenblick später im Epizentrum eines Handgemenges wieder. Wenn es um drei Punkte für ein richtig getipptes Ergebnis geht, dann ruht auch ab und zu die ärgste Rivalität - zumindest für ein paar Sekunden.
Gewissenskonflikte dieser Art sind bei den Managerspielen ganz einfach auszuschalten: Spieler vom großen Rivalen ignorieren, schon darf sich weiterhin über deren Misserfolge gefreut werden.
Dass meine Mannschaft beim "Kicker" vollkommen FC-Bayern-freie Zone ist und bei der Zweitligaversion keine Kölner zu finden sind, ist übrigens Zufall. Manchmal wirkt die Abneigung eben ganz intuitiv. Obwohl ich mich über einen Klose oder einen Toni im Nachhinein nicht beschweren würde - bei deren Punkteausbeute...
Mittwoch, 17. Oktober 2007
Freud' und Leid des virtuellen Teamchefs
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