Man sieht sich immer zweimal im Leben – oder eben auch in einer Saison. Das muss nicht nur für zwei Vereine gelten, sondern kann sich auch auf die Art und Weise beziehen, in der ein Spiel über die Bühne gebracht wird. Einen locker langweiligen Erfolg mit frühen Tor und weißer Weste – das legte die Borussia in Augsburg nicht zum ersten Mal hin.
Eine Saison hat 34 Spiele, ist dementsprechend ziemlich lang. Und so verwundert es wenig, dass vereinzelte Partien zwar auf dem Spielberichtsbogen erfolgreich verlaufen, aber dennoch in die Kategorie der weniger bewegenden oder herausragenden Leistungen fallen. Genauso wenig wie jeder von 365 Tagen im Jahr Action ohne Ende, unglaubliche Glücksgefühle oder unerwartete Wendungen bereithalten kann, ist es unmöglich für einen Verein, seine Fans Woche für Woche so in Ekstase zu versetzen, dass man meint Meisterschaft und Pokalsieg fallen auf einen Tag. Ohnehin zehrt man von nervenaufreibenden, überragenden Spielen wochenlang, weshalb dies auch gar nicht vonnöten erscheint.
Nach 90 Minuten ohne Grund zur Aufregung – sowohl in negativer als auch in positiver Hinsicht – setzt Schiedsrichter Gagelmann im Augsburger Rosenaustadion mit seinem Pfiff den Schlussstrich unter eine Partie, die letzten Endes vor allen Dingen eins gebracht hat: Drei Punkte und die Erkenntnis, dass der VfL spätestens jetzt zurück in die Spur gen Wiederaufstieg gefunden hat. Spiele dieser Art, die unseren Blutdruck konstant auf so einem geruhsamen Level halten, dass die Lebenserwartung kurzfristig auf 124 Jahre katapultiert wird, bedürfen zweier Dinge. Erstens muss ein frühes Tor her. Zweitens geht nichts über eine weiße Weste in der Defensive.
Da die Statistik bisher sieben Spiele verzeichnet, in denen am Ende bei Gladbach die Null stand, fallen 16 der bisher 23 Saisonspiele schon einmal nicht in dieselbe Kategorie wie das unspektakuläre 2:0 der Borussia beim FC Augsburg. Insgesamt endeten davon zwei Partien 0:0, gegen Aue fiel das 1:0 nach 33 Minuten, in St.Pauli erst kurz vor der Pause. Allein den Weg zum Kantersieg in Koblenz und zum 3:0 zuhause gegen Offenbach hat die Borussia durch einen Treffer geebnet, der nach höchstens einer Viertelstunde fiel.
Bedenkt man nun, dass auf Röslers Führungstreffer nach zehn Minuten und einer zielgenauen Marin-Flanke „nur“ noch ein weiterer folgt, ähnelt der Auftritt der Borussia demnach am meisten dem schonend leichten Sieg gegen die Kickers aus Offenbach. Und weil die Borussia ihre Stärke auf fremdem Platz einmal mehr zur Schau stellt, sind auch Parallelen zum überraschend mühelosen Erfolg am Hamburger Millerntor nicht zu verkennen.
Gohouri und Brouwers halten hinten alles zusammen, Bögelund und Daems lassen auf Außen nichts anbrennen, Paauwe zeigt „sein bestes Spiel in der Rückrunde“, wie Jos Luhukay später zu Protokoll gibt. Dass Gladbach in der ersten Hälfte einzig und allein die Ausflüge von Augsburgs Zwei-Meter-Hüne Benschneider fürchten muss, überrascht nur unwesentlich.
Vorne wirbelt ein dribbelstarker Marin die Abwehr der Schwaben das ein oder andere Mal kräftig durcheinander. Auch er verdient sich zum ersten Mal in der Rückrunde Bestnoten und ist Gladbachs bester Mann in der ersten Hälfte – vor allen Dingen, weil Übersicht an die Stelle von Übermut tritt und Ballverluste von einer ansonsten beruhigenden Effektivität ausbalanciert werden.
Nach der Pause hat Rob Friend seinen großen Auftritt und spätestens nach seinem ansatzlosen Schuss zum entscheidenden 2:0 zweifelt niemand mehr daran, dass der Kanadier wirklich nur vier Torschüsse pro Treffer benötigt. Da es sein 14. Saisontor gewesen ist, werden auch mathematisch Kleinrentner errechnen können, dass Gladbachs bester Torjäger über den Daumen gepeilte 56 Torschüsse in dieser Saison abgegeben hat. Angesichts seiner angesetzten Jagd auf Kölns Novakovic und dem damit verbundenen Kampf um die Torjägerkrone fallen die einst angestellten Vergleiche mit Kahê fast unter die Kategorie „Majestätsbeleidigung“.
Mit rechts, mit links und, bei 195 cm Körpergröße relativ selten, mit dem Kopf – Friend trifft, wie er will. Sein Treffer gegen Augsburg, bei dem der Ball fast zufällig nach einem scheinbar verunglückten Schussversuch von Rösler zu ihm kommt und er ihn direkt aus 14 Metern in die Maschen drischt, gehört zweifelsohne zu den sehenswerteren.
Anders als im Hinspiel verkommt das Spiel im Anschluss aber nicht mehr zur unnötigen Hängepartie. Der inzwischen wieder unangefochtene Tabellenführer spult sein Programm mit beängstigender und – in der Hinrunde noch – gewohnter Ruhe ab. Doch es wirkt diesmal nicht arrogant, nicht überheblich, sondern einfach souverän. Leistungen dieser Art verleiten ironischerweise eher den Fan im Stadion oder vor dem Fernseher zu Größenwahnsinn. Denn in Anbetracht der meist harmlosen Augsburger Angriffsversuche erscheint ein höherer Erfolg absolut machbar. Ein Lattenschuss von Hdiouad und eine weitere der ansonsten spärlichen Augsburger Chancen nehmen diesem Gedanken jedoch in der Schlussphase noch die Luft zum Atmen und am Ende steht dasselbe Resultat wie in der Vorwoche: Ein schlichtes, unaufgeregtes und souveränes 2:0.
Gegner von Statistiken à la „bei Vollmond im Februar sind wir auswärts in der ersten Halbzeit seit zwei Jahren immer ohne Gegentor geblieben, wenn unser Linksverteidiger eine lila Unterhose getragen hat“ werden es vielleicht nicht gerne hören. Aber Gladbach hat in dieser Saison einen regelrechten Lauf gegen Vereine aus einer Stadt, deren Name mit dem Buchstaben A beginnt. Im fünften Spiel gegen Aue, Augsburg und Aachen ist das 2:0 der fünfte Sieg gewesen und gibt Hoffnung fürs nächste Auswärtsspiel – gegen Alemannia Aachen (bei der schier atemberaubenden Anzahl von 5 As im Vereinsnamen kann da eigentlich nichts schief gehen).
Wenn ein Spiel zu statistischen Einschüben dieser Art anregt, muss es irgendwie langweilig gewesen sein. Doch wer will schon so vermessen werden und gegen einen lockeren, glanzlosen, aber zweifellos effektiven Erfolg in Augsburg auf die Barrikaden gehen? So eine Zweitligasaison ähnelt ein wenig einem Gang über eine schaukelnde und stellenweise morsche Hängebrücke. Es knarrt, ab und zu bricht ein Brett unter der eigenen Körperlast in seine Einzelteile, aber meist kommt man doch sicher am anderen Ende an.
Wenn Gladbach sich gegen Gegner eines anderen Kalibers wie Köln, Fürth oder Freiburg ähnlich souverän behaupten kann, dann wird am Ende dieser Hängebrücke der Wiederaufstieg warten. Aber wie gesagt, man weiß nie, ob das nächste Brett nicht doch zum Stolperstein wird.
Samstag, 15. März 2008
Fohlengeflüster (18):
Keine Macht der Hängepartie
Eingestellt von Jannik um 23:21
Labels: Gladbach, Zweite Bundesliga
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