Montag, 4. August 2008

Auf Kriegsfuß mit dem Namensgedächtnis

Ein Interview mit Uli Hoeneß in der Badewanne zu bekommen oder ein Foto von Klinsmanns Buddhafiguren zu schießen - alles kein Problem und im Vergleich zum Setzen von Bildunterschriften eine journalistische Leichtigkeit.

Jean-Sébastien Jaurès mit Marcel Ndjeng zu verwechseln - das kann vorkommen. Schließlich sehen sich beide wirklich sehr ähnlich, sind jeweils Mischlinge. Von der Nummer auf der Hose war gerade einmal die 2 auszumachen - woher soll der werte Kicker-Redakteur da wissen, ob es sich bei dem Spieler mit dem erschwerend verkrampften Gesicht um Jaurès, die 20, oder um Ndjeng, die 23, handelt? Zugegeben, nur ausgemachte (bzw. verrückte) Borussenfans erkennen, dass die Oberschenkelmuskulatur des Mannes im Bild definitiv nicht der anatomischen Beschaffenheit eines Marcel Ndjeng entspricht.

Es gab schon einmal leichtere Zeiten für einen Redakteur seit Einführung der Bundesliga. Das muss man ihnen zugestehen. Salopp gesagt, hieß der einzige Ausländer in den Anfangsjahren damals Petar Radenkovic und der sang auch noch Lieder auf bayerisch. Heutzutage tummeln sich im Profifußball Spieler, die schier unüberwindbare Hürden in jedem Buchstabierwettbewerb darstellen würden. Hier ein C mit Haken dran, da ein E mit Akzent, vielleicht zu allem Übel ein durchgestrichenes O, das man hierzulande eigentlich nur als Synonym für "Durchschnitt" kennt - das Fußballalphabet umfasst beileibe nicht nur 26 Buchstaben plus 3 Umlaute. Ein Linguistikstudium ist Grundvoraussetzung.

Doch vielleicht liegt das profane Setzen von Bildunterschriften auch gar nicht im Verantwortungsbereich eines Sportredakteurs. Bei der Rheinischen Post beispielsweise bin ich fest davon überzeugt, dass entweder der Postbote oder die Putzfrauen jeden Tag im Vorbeigehen ihren Senf zu jedem einzelnen Foto abgeben. Der kicker scheint nun auch eine Delegation bestellt zu haben. Nur so wäre es zu entschuldigen und zu erklären, dass ein gewisser Nikolce Novakovic in der heutigen Ausgabe auftaucht. Seine Gesichtszüge erinnern sehr an den Mainzer Verteidiger Nikolce Noveski. Doch den müsste man in Nürnberg bestens kennen, schließlich taucht er immer wieder in den sagenumwobenen "Ranglisten" im Sommer und Winter in vorderen Gefilden auf.

Es stellt sich schlichtweg die Frage: Muss ein Kicker-Redakteur nicht selbst im stressigsten Stress, unter unmenschlichem Zeitdruck und wahlweise mit 1,4 Promille im Blut wissen, dass Novakovic Torschützenkönig im Unterhaus geworden ist, nicht Nikolce mit Vornamen heißt und in Köln unter Vertrag steht?

Zumal man im eigenen Hause jährlich ein dickes Sonderheft zum Nachschlagen rausbringt, in dem jeder einzelne Profi mit Foto abgebildet ist. Obwohl - keine gute Idee. Denn was passiert, wenn auch dort die Putzfrauen ihre Meister-Proper-getränkten Hände im Spiel hatten?

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