Es gibt vermeintliche Überflieger, wahre Supertalente, denen bleibt nicht nur der große sportliche Durchbruch verwehrt. Einige stürzen sogar vollkommen ab - nicht allein auf dem Platz, sondern im Leben an sich. Berkant Göktan ist einer von ihnen. Heute hat ihn sein Verein, 1860 München, fristlos entlassen. Eine Urinprobe hatte ihn als Kokainkonsumenten entlarvt.
Acht Jahre und einen Tag ist es her, dass Christoph Daum des Kokainmissbrauchs überführt wurde. Eine Haarnanalyse sorgte nach einem wochenlangen Spießrutenlauf für Gewissheit. Uli Hoeneß hatte seinerzeit Verdacht geschöpft und mit einer unbedachten Aussage den ersten Stein ins Rollen gebracht. Erst ließ Daum sich vom Steinschlag der positiven Probe jedoch nicht in die Knie zwingen und beteuerte erst einmal seine Unschuld. Doch wenig später gestand der damalige Bundestrainer in spe ein: Ja, es stimmt.
Berkant Göktan ist also nicht der erste Mensch auf dieser Welt, der Kokain genommen hat. Nicht der Erste aus dem Fußballgeschäft, der sich aus welchen Beweggründen auch immer hat hinreißen lassen. Doch erstens ist es irgendwie kurios, dass der deutsche Fußball fast auf den Tag genau acht Jahre nach Daums Überführung seinen nächsten - um es ganz boulevardesk auszudrücken - "Kokser-Skandal" hat. Und zweitens fügt sich das aktuellste Kapitel von Göktans Karriere nahtlos ein in die Liste mit vielen Hochs und eindeutig mehr Tiefs.
Vor mittlerweile zehn Jahren debütierte der heute 27-jährige in der ersten Mannschaft des FC Bayern. Die Rückrunde von Gladbachs Abstiegssaison 98/99 erlebte er als Leihgabe am Bökelberg. Ein Treffer gelang ihm in keinem seiner insgesamt sieben Spiele für Bayern und die Borussia. Auch ein Jahr später in Bielefeld lief es nicht viel besser. Der Putz des hoch gehandelten Talents begann zu bröckeln. Immerhin darf Göktan sich Champions-League-Sieger nennen. Im Vergleich dazu war Günter Hermann bei der WM 1990 jedoch ein echter Schlüsselspieler.
Erst in seiner türkischen Heimat schaffte der gebürtige Münchener so etwas wie den Durchbruch. Für Galatasaray gelangen ihm in 41 Ligaspielen neun Treffer. 2002 holte er mit "Gala" die Meisterschaft. Nach einem einjährigen Intermezzo bei Stadtrivale Besiktas zog es ihn 2005 zurück nach Deutschland zum 1. FC Kaiserslautern. Und irgendwie passte ein Spieler wie Berkant Göktan wie die Faust aufs Auge an den Betzenberg anno 2005. Die bunt zusammengewürfelte und gesichtslose Truppe der chronisch klammen Pfälzer stieg am Ende der Saison bekanntlich ab. Da war Göktan schon längst wieder weg - nach sieben Einsätzen und nur einem Treffer.
1860 München gab dem tief Gefallenen eine Bleibe in der 2. Mannschaft. Göktan dankte es ihnen. In der Rückrunde mutierte der selbst ernannte "Chaot" zur (Wieder-)Entdeckung der Saison, traf zehnmal in nur 13 Partien und wurde schließlich zum "Löwen der Saison" gekürt. Letzte Spielzeit verpasste er verletzungsbedingt zehn Spiele in Folge, musste vom 14.-23. Spieltag aussetzen. Davor und danach lief es jedoch weiter rund für ihn bei der Sechz'gern. Wie im Jahr zuvor gelangen Göktan zehn Tore.
Im Sommer passierte dem 27-jährigen das, was jedem von uns schon einmal zugestoßen ist: Er erwischte eine Glasscherbe so, dass an Training erst einmal nicht zu denken war. Was andere für ein paar Tage lahm legt, bis die Fäden raus sind, verhinderte augenscheinlich bis heute Göktans Rückkehr in die Löwen-Startelf. Kein Mensch braucht drei Monate, um eine derartige Verletzung auszukurieren. Drei Monate benötigen nur Menschen, die abseits des Platzes mit Problemen zu kämpfen haben, die kein Chirurg mit Nadel und Faden lösen kann.
Der Achterbahnfahrer Berkant Göktan hat eine derbe Bruchlandung hingelegt. Was uns zum Ende wieder zu Christoph Daum führt. Der stand wieder auf, feierte in der Türkei – dort, wo seine Vergangenheit niemanden interessierte – große Erfolge mit Fenerbahce. Den 1.FC Köln hat er nach Anlaufschwierigkeiten zurück in die Bundesliga geführt. Jetzt steht er relativ komfortabel im Mittelfeld. Mit dem, was vor acht Jahren passierte wird er nur konfrontiert, wenn mal wieder einer dieser Sprüche fällt, die einfach nie alt werden. Vonwegen Spielfeldmarkierung und so.
Göktan ist in das Daum’sche Fettnäpfchen getreten. Das verbindet die beiden. Doch einen bedeutsamen Unterschied gibt es: Daum läuft unbeschadet über Glasscherben.
Dienstag, 21. Oktober 2008
Göktan bleibt seiner Linie treu
Eingestellt von Jannik um 17:46
Labels: Einwurf, Zweite Bundesliga
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