Noch sind es geschlagene 178 Tage bis 23 deutsche Nationalspieler und damit designierte Helden in den Flieger steigen, der sie zum Trainingslager nach Mallorca bringt. Was sich nach Urlaub anhört ist der Beginn des "Unternehmens EM-Titel".
Langsam nimmt die genaue Zusammensetzung des Kaders klare Züge an. Wer wäre mit Sicherheit oder zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit dabei, wenn Jogi Löw heute seine Nominierungen verkünden würde? Ein Herz-und-Nieren-Check in vier Teilen.
Wer tritt in die Fußstapfen eines Fritz Walter, eines Franz Beckenbauer, eines Kalle Rummenigge oder eines Jürgen Klinsmann und vertritt den DFB bei einem großen Turnier? Diese Frage besitzt alle zwei Jahre im Mai, wenn die Blumen blühen und der Ligaalltag für drei Monate ruht, einen ähnlichen Status wie die Zusammenstellung einer neuen Bundesregierung – und wird traditionell mindestens so heiß diskutiert. Es hängen draußen zwar noch nicht einmal die Lichterketten und Sankt Martin hat gerade erst seinen Mantel geteilt. Aber der deutsche Kader für Österreich und die Schweiz nimmt für diesen Zeitpunkt überraschend exakte Konturen an.
Bundestrainer Jogi Löw, der neunte in einer langen Ahnenreihe deutscher Trainergrößen, von denen viele zu den größten der weltweiten Fußball-Historie gehörten und nur wenige eine Ausnahme bildeten, kann aus einem Pool von ungefähr 40 Spielern schöpfen, der sich selten zuvor so üppig präsentiert hat. Löw kann den EM-Kader genau auf die Bedürfnisse und Ansprüche des „Unternehmens EM-Titel“ abstimmen und letztendlich wird er die 23 Spieler auswählen, die dieses Ziel seiner Meinung nach am ehesten in die Tat umsetzen können.
Wie gesagt, 23 Tickets sind zu vergeben. Drei davon sind für die Torhüter reserviert, jeweils sieben für Abwehr und Mittelfeld, fünf für den Sturm und eines wird auf jemanden fallen, der als Allrounder vielseitig einsetzbar ist.
Wem das Ticket für einen erholsamen Mallorca-Trip und eine vierwöchige Reise durch die Alpen sicher ist, wer hoffen darf und wer nicht:
Die Hüter des Tores (3 Plätze)
- Jens Lehmann (38) – Ein Nationaltorwart, der in seinem Klub nur zweite Wahl ist? Für viele ist das unvorstellbar und deshalb hört Jens Lehmann derzeit aus allerlei Ecken, dass er sich entweder den Platz im Tor des FC Arsenal zurück ergattern müsse oder ein Vereinswechsel unumgänglich sei. An seiner Reservistenrolle in London trifft ihn selbst wohl die geringste Schuld. Am Samstag gegen Zypern hat der 38-jährige erneut unter Beweis gestellt, dass er auch ohne Spielpraxis zu den besten seines Fachs gehört und ihm die „Eins“ bei der EM kaum zu entreißen sein wird. Und jetzt mal ehrlich : Wen sollten wir den sonst ins Tor stellen? Womit wir bei den anderen Alpenurlaubern wären…
- Timo Hildebrand (28) – Hat in Valencia zuletzt meist den Vorzug vorm alternden Cañizares erhalten. Sein Ticket für die EM dürfte ihm fast sicher sein. Denn in der EM-Quali gehörte er immer zum Kader. Ob der 28-jährige ernsthaft Perspektive für die Zukunft besitzt, ist eine andere Frage. Die nahe Zukunft heißt EM 2008 und die wird Hildebrand mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest von der Bank aus beobachten.
- Robert Enke (30) – Die Fans in Hannover hätten den 30-jährigen am liebsten sofort im DFB-Tor gesehen. Doch es bleibt zunächst bei einem Länderspiel für Robert Enke. In den Kreis der potentiellen Lehmann-Nachfolger hat er sich tapfer vorgekämpft, über seine wahren Chancen scheiden sich jedoch die Geister. Klasse besitzt der Thüringer zweifellos, nur international bekam er in seiner Karriere bisher wenig Gelegenheit sich auszuzeichnen. Da haben ihm selbst die Jungspunde Wiese, Neuer und Adler etwas voraus.
Dass die junge Garde bei der Vergabe der EM-Tickets berücksichtigt werden könnte, ist eher unwahrscheinlich, aber nie auszuschließen. Löw könnte einen der Youngster höchstens einladen, um ihn etwas am großen Geschäft Nationalelf schnuppern zu lassen. Enke oder Hildebrand – einer müsste dann weichen. Mit der Nominierung von David Odonkor hätte 2006 auch niemand gerechnet…
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