Die 16 Teilnehmer der EM 2008 stehen fest. Und mit ihnen die Besetzung der Lostöpfe am 2.Dezember bei der Auslosung in Luzern. Doch ich denke einen Schritt weiter. Exklusiv hier: Die EM-Gruppen und das Abschneiden der deutschen Elf in Österreich und der Schweiz.
Die Angst vor Topf 1, die Furcht vor dem Gruppenkopf - halb Europa wähnte sich am Mittwochabend in ihrem Bann. Einen hat es letztendlich getroffen. Ausgerechnet unsere Nachbarn in Oranje, die Niederlande, nehmen neben Österreich, der Schweiz und Griechenland Platz in "Bombo Uno", wie die Spanier den Lostopf fast liebevoll nennen. Und das trotz einer mauen 1:2-Niederlage im weißrussischen Minsk. Alle Mühe, dem vermeintlichen Unglück zu entgehen, sind ohne Erfolg geblieben.
"Flop" oder "top" hieß es derweil für die deutsche Nationalmannschaft. Ein Sieg gegen Wales hätte gereicht für Topf 1, doch "dank" des torlosen Remis in Frankfurt liegt die Kugel mit der Aufschrift "Germany" nun lediglich im dritten Lostopf.
An einer drohenden Hammergruppe hat das nichts geändert. Holland, Italien, Frankreich sind drin als EM-Gegner, genauso jedoch Österreich, Schweden und Polen.
Hier die vier Lostöpfe:
In 10 Tagen rollen in Luzern die Kugeln. Am 2.Dezember steht fest, wen die deutsche Nationalmannschaft aus dem Weg räumen muss, um zum vierten Mal Europameister zu werden. Und weil wir nicht mehr warten können, heute schon exklusiv die Ergebnisse der Auslosung:
Weil die Wartezeit bis zum 7. Juni so unfassbar lang ist, hier auch noch der genaue Verlauf des EM-Turniers aus deutscher Sicht. (Achtung, Spoiler!)
Ein lupenreines 5:0 gegen Co-Gastgeber Österreich hatte im Februar zunächst auf ein großartiges EM-Jahr hingedeutet. Miro Klose steuerte alleine vier Treffer bei. Doch nach dem kläglichen 0:2 in der Schweiz schwante der Fußballnation schon Böses. Jogi Löw versuchte vehement zu deeskalieren: "Warten Sie ab, zur EM sind wir in Topform." Die unmittelbareVorbereitung, die mit dem Trainingslager auf Mallorca begann, verlief zufrieden stellend. Gegen Ungarn gab es einen ungefährdeten 3:1-Erfolg. Gegen harmlose Engländer, die das Freundschaftsspiel zur Einstimmung auf die eigens ins Leben gerufene BM (Britische Meisterschaft) nutzten, stand am Ende ein 1:0 zu Buche. Im Finale der BM besiegte Schottland die Kollegen aus Nordirland übrigens mit 2:1. Und so begann die EM frohen Mutes mit dem Auftaktspiel gegen Top-Favorit Frankreich.
7. Juni 2008 - Genf: 1. Vorrundenspiel
Deutschland spielt zum Auftakt gleich gegen den ärgsten Konkurrenten in Gruppe A - den zweimaligen Europameister Frankreich. Die Schweiz hat gegen Kroatien ein paar Stunden zuvor im Eröffnungspiel 1:1 gespielt. Das Team von Jogi Löw beginnt furios und führt nach sechs Minuten mit 1:0 - Michael Ballack hatte den Ball aus 18 Metern mit einem satten Schuss ins rechte untere Eck gesetzt. Kurz vor der Pause gleicht Samir Nasri verdient aus. Mit einem Remis geht es in die Halbzeit.
Die zweite Hälfte verläuft über weite Strecken ereignisarm. Allein der eingewechselte Neuville hat in der 78.Minute das goldene Tor auf dem Fuß, vergibt jedoch aus kurzer Distanz. Aufregung in der Nachspielzeit: Ribéry trifft mit einem genialen Freistoß den Pfosten. Glück gehabt. Das Unentschieden geht jedoch in Ordnung.
11. Juni 2008 - Genf: 2. Vorrundenspiel
Nach dem Hammer zum Auftakt wartet im zweiten Spiel der Angstgegner aus Kroatien. Das bittere 0:3 im WM-Viertelfinalspiel 1998 liegt noch immer schwer im Magen und irgendwie merkt man der Löw-Elf das zu Beginn fast an. Petric scheitert per Kopf an Jens Lehmann, der das sichere Tor mit einem Weltklasse-Reflex verhindert.
Allmählich kommt Deutschland besser ins Spiel. Klose passt in der 32. klasse auf den freistehenden Kuranyi, der jedoch leichtfertig vertändelt. Torlos geht es in die Pause.
In der zweiten Hälfte legt Deutschland los wie die Feuerwehr. Podolski lässt im Mittelfeld drei Kroaten stehen und hat in vollem Lauf noch das Auge für Klose, der Pletikosa ausspielt und einschiebt zum erlösenden 1:0. Das zweite Tor lässt nicht lange auf sich warten: Nach einer scharfen Hereingabe von Bernd Schneider ist erneut Klose mit dem Kopf zur Stelle und zieht durch sein 43. Länderspiel mit Uwe Seeler gleich.
Die Jungs von Jogi Löw spielen wie im Rausch und könnten, nein müssten, eigentlich 5:0 führen. Zehn Minuten vor dem Ende sorgt der eingewechselte Gomez für Entscheidung. Trotz des Gala-Auftritts nach der Pause gibt es einen Wermutstropfen: Bernd Schneider fällt mit einem Riss des Syndesmosebandes für den Rest des Turniers aus. Frankreich unterliegt überraschend der Schweiz mit 0:1. Deutschland reicht damit ein Punkt gegen die Gastgeber im abschließenden Gruppenspiel.
15. Juni 2007 - Basel: 3. Vorrundenspiel
Die Angst vor der "Schmach von Basel" geht durchs Land. Beiden Teams würde ein Punkt reichen, doch Jogi Löw beruhigt die Nation und verspricht, dass seine Mannschaft "motiviert wie immer an die Sache herangehen wird". Das nimmt man dem Bundestrainer nach einer Viertelstunde voll ab. Die Jungs hängen sich rein. Clemens Fritz, der für den verletzten Schneider spielt, macht mächtig Dampf auf rechts. Bastian Schweinsteiger ersetzt auf links den mit gelb vorbelasteten Podolski. Frankreich führt derweil schon mit 2:0 gegen Kroatien.
In Basel bleibt es bis kurz vor dem Ende torlos. Fünf Minuten vor Schluss wird es dann dramatisch: Schweinsteiger trifft per Freistoß zur deutschen Führung. Die DFB-Elf zu dem Zeitpunkt mit 7 Punkten auf Platz eins, Frankreich führt nur noch 2:1 gegen Kroatien, ist punktgleich mit den Schweizern aber trotzdem Zweiter mit einem ausgeglichenen direkten Vergleich. Das Torverhältnis (der Eidgenossen (2:2) ist nur einen Hauch schlechter, als das der Franzosen (3:3).
Die Partie in Basel ist schon abgepfiffen, die deutsche Mannschaft feiert den sicheren Einzug ins Viertelfinale, die Schweizer sitzen bedröppelt auf dem Rasen, als Kroatien gegen Frankreich in letzter Sekunde ausgleicht. Der Baseler St.Jakob-Park explodiert, der Gastgeber hat sich in letzter Sekunde eine Runde weiter geduselt.
19. Juni 2007 - Basel: Viertelfinale
Der Gegner heißt nicht Italien, nicht Spanien, sondern Polen. Die haben sensationell den favorisierten Weltmeister ausgeschaltet, Spanien Gruppensieger, Österreich mit 0:9 Toren auf dem letzten Rang.
Oliver Neuville kündigt für die Nachspielzeit den Siegtreffer an, fügt jedoch hinzu: "Hoffentlich ist das gar nicht mehr nötig, weil wir bis dahin hoch führen."
Die deutsche Nationalelf tut sich zunächst schwer. Gomez spielt für Kuranyi, der bisher vollends enttäuschte. In der 28.Minute pfeift Schiedsrichter Peter Rasmussen Elfmeter für Deutschland, nachdem der polnische Keeper Boruc Miro Klose von den Beinen geholt hatte. Michael Ballack versenkt den Ball wuchtig im Tor und krönt sein bisher überragendes EM-Turnier.
Jens Lehmann vereitelt im Gegenzug eine polnische Doppelchance. Ebi Smolarek schießt den Ball frustriert in die Wolken und sieht gelb.
Nach der Pause erhöht die Elf von Wandervogel Leo Beenhakker den Druck. Die deutsche Abwehr wankt, fällt aber nicht. Nach einer Stunde bremst Smolarek den gestarteten Philipp Lahm unsanft mit einer Grätsche und fliegt vom Platz. Polen riskiert trotzdem immer mehr, Podolski nutzt die Überzahl und verwertet einen großartigen Konter zum 2:0. Dabei bleibt es am Ende.
Euphorisch pilgern bis zum Halbfinale 60.000 Deutsche über die Grenze nach Basel. Auf den Autobahnen staut es sich bis Karlsruhe.
25. Juni 2007 - Basel: Halbfinale
Im Halbfinale geht es erneut gegen die Schweiz, die sich im Viertelfinale mit 1:0 im Elfmeterschießen gegen die bisher überragenden Spanier durchgesetzt hatten. Basel war bisher ein gutes Pflaster für die Löw-Elf. Nun geht es bereits zum dritten Mal im St.Jakob-Park um die Wurst. Die Schweiz spricht inzwischen selbstbewusst vom Titel, in Deutschland ist man spätestens seit dem furiosen 3:0 gegen Kroatien überzeugt vom vierten EM-Erfolg.
Die Anfangsphase verläuft äußerst mau. Allein Alex Frei hat in der 13.Minute eine gute Chance für den Gastgeber. Dann nimmt das Spiel langsam Fahrt auf. Nach einer halben Stunde erzielt Ludovic Magnin das verdiente 1:0 für die Schweiz. Béla Réthy konstatiert im Fernsehen schon einen "Linksverteidigerkomplex der deutschen Elf in Halbfinalspielen". Philipp Lahm lässt den immer noch freudetrunkenen Magnin nach dem Wiederanpfiff eiskalt stehen, zieht in den Strafraum und anstatt den Ball auf den wild gestikulierenden Gomez abzulegen, schießt der kleine Münchener von der Grundlinie den Ball unter die Latte, von wo aus die Kugel zum 1:1 ins Netz springt. Nun konstatiert Béla Réthy ein "Weltklassetor à la Marco van Basten".
Kurz nach der Pause geht die Schweiz erneut in Führung. "Oiropamaischter" hallt es von den Rängen. In der 68.Minute bringt Jogi Löw seinen WM-Helden Neuville, der den glücklosen Fritz ersetzt. Deutschland setzt alles auf seine Karte, was anscheinend nicht belohnt werden soll. Der vierte Mann an der Linie zeigt mit seiner LED-Tafel zwei Minuten Nachspielzeit an, als Thorsten Frings den Ball in die Gasse auf den startenden Neuville spielt. Der lässt Diego Benaglio keine Chance und rettet die deutsche Elf in die Verlängerung. Béla Réthy konstatiert ein "Déjà-Vu-Erlebnis".
Deutschland zeigt sich keineswegs müde und stürmt entschlossen aufs Schweizer Tor. Klose, Ballack, Mertesacker und Podolski haben die Führung auf dem Fuß, doch es bleibt beim Unentschieden.
In der 119. Minute gibt es Eckball, Neuville zieht den Ball von rechts vom Tor weg. Per Mertesacker stürmt heran und wuchtet den Ball zum goldenen 3:2 ins Tor. Die deutsche Bank, der deutsche Block, die Massen vor dem Basler Rathaus (zumindest die mit dem Adler auf der Brust)überschlagen sich. Allein Andi Köpke ist gefrustet und wirft den mühsam fürs Elfmeterschießen verfassten Zettel mit der Aufschrift "Hotel Giardino Relais & Chateaux" auf den Rasen.
29. Juni 2007 - Wien: Finale
Zehntausend deutsche Fans haben die Mannschaft drei Tage zuvor zusammen mit 5.000 Österreichern am Wiener Flughafen empfangen. Bundeskanzler Gusenbauer verkündet feierlich: "Heute drückt ganz Österreich unseren Freunden aus den Nordalpen die Daumen". Fast 10.000 seiner Landsleute haben die Alpenrepublik inzwischen verlassen und ihren Wohnsitz nach Bayern verlegt. "Ist doch fast wie zuhause - nur eben mit einer richtigen Fußballmannschaft", begründet ein Abtrünniger seine Entscheidung. Uli Hoeneß leckt sich die Finger. Diese frustrierten Ösis sind mit Sicherheit bereit, mehr als sieben Euro für einen Platz in der Südkurve hinzublättern, um endlich wieder ein gutes Fußballspiel zu sehen. Die österreichische Hoffnung Martin Harnik wird umgehend von Werder Bremen verpflichtet, im Tausch gegen Lukas Podolski. Toni Polster übernimmt den vakanten Cheftrainerposter beim deutschen Rekordmeister.
Finalgegner sind übrigens Ottos Griechen, die mit 2:0 Toren ihre Vorrundengruppe als Sieger abgeschlossen hatten. Im Viertelfinale bissen sich offensive Holländer am Rehhagel'schen Abwehrbollwerk die Zähne aus. In der Vorschlussrunde waren die Portugiesen machtlos. Deren Präsident brach daraufhin alle diplomatischen Verbindungen zu Griechenland ab, nachdem die Hellenen schon 2004 auf dem Weg zum EM-Titel zweimal die Oberhand gegen sein Nationalteam behalten hatten.
Das Ernst-Happel-Stadion ist natürlich ausverkauft, vor dem Anpfiff spielen die Sportfreunde Stiller ihren Nummer-eins-Hit "72, 19-80, '96 und '08".
Bernd Schneider hat eine wunderhafte Rekonvaleszenz hinter sich, sitzt zumindest wieder auf der Bank. DFB-Arzt Müller-Wohlfahrt erhält als Anerkennung eine eigene Gesundheitssendung im Bayerischen Rundfunk mit dem Titel "Bayernspieler bekommen die Praxisgebühr geschenkt".
Die Partie verläuft in den ersten Minuten wie so viele Endspiele zuvor: Beide Mannschaften spielen verhalten, keiner will den berühmten ersten Fehler machen. Der griechische Bundesliga-Liga Sturm mit Charisteas in der Mitte, Gekas und Amanatidis als hängenden Spitzen, bleibt blass. Auch das deutsche Erfolgsduo Klo-Go kommt noch nicht zum Zuge.
Das Finale geht torlos in die Halbzeit. Hansi Flick gibt im Pausen-Interview bekannt, dass Michael Ballack leider verletzt passen müsse. Lukas Podolski ersetzt ihn und spielt im Mittelfeld erstmals in diesem Turnier Seite an Seite mit Kumpel Schweinsteiger. Bisher hatte Jogi Löw die beiden munter rotieren lassen.
Die DFB-Elf findet aber immer noch kein bewährtes Mittel gegen die hellenische Betondefensive. Schneider feiert kurz vor Schluss sein Comeback, kann jedoch keine entscheidenden Akzente mehr setzen. Ein an Höhepunkten armes EM-Endspiel wird frühestens nach 120 Minuten entschieden.
In der Verlängerung offenbart sich dasselbe Bild wie über 90 Minuten zuvor. Dellas trifft mit dem Kopf die Latte, die deutschen Titelträume schienen beinahe zu zerplatzen. Vier Minuten vor dem Ende fordert die deutsche Mannschaft vehement einen Elfmeter. Die Fernsehbilder zeigen, dass Miro Klose den Strafstoß "zu sehr wollte", wie auch Reinhold Beckmann findet.
Andi Köpke steht verdutzt am Spielfeldrand, als die Verlängerung vorbei ist. Einen Zettel hat er diesmal nicht im Petto. Schweinsteiger und Schneider verwandeln zum Auftakt für Deutschland, auch die Griechen treffen sicher. Als dritter deutscher Schütze schreitet Thorsten Frings selbstbewusst zum Elfmeterpunkt. Genauso selbstbewusst landet der Ball im Wiener Abendhimmel. Frings sichert sich einen Platz in den Geschichtsbüchern, als zweiter deutscher Spieler nach Uli Hoeneß, der bei einer EM vom Punkt verschießt.
Amanatidis scheint das EM-Finale von 1976 gut zu kennen und mimt den Panenka, was Lehmann, der '76 schon eingeschult wurde, jedoch antizipiert. Der EM-Ball mit dem Namen "Hoffnung" landet in den Armen des 38-jährigen Torhüters von Aston Villa. Podolski und Ballack für Deutschland, Basinas für Griechenland erhöhen auf 4:3. Gekas muss treffen, um den Traum von der Titelverteidigung am Leben zu halten.
Starr schaut Lehmann dem Leverkusener in die Augen, der zeigt sich wenig beeindruckt und bringt den Ball hart und platziert aufs Tor. Lehmann ahnt die Ecke, der Ball prallt vom Pfosten an seinen fast haarlosen Hinterkopf und von da aus ins...Feld.
Deutschland ist Europameister!
Jens Lehmann dankt Oliver Kahn über die Stadionmikrofone für "alles, was er mir beigebracht hat". Jogi Löw verkündet seine Hochzeit mit Monika Lierhaus. Philipp Lahm seinen Wechsel zu Real Madrid.
Am nächsten Tag feiern 80.000 Menschen die siegreichen 23 auf dem Frankfurter Römer, darunter geschätzte 4.000 Österreicher.
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