Das war knapp. So knapp wie lange nicht mehr. Und wenn man mangelnden Spielwitz, eine Schüppe Pech und leidenschaftliche Gegner in einem Teig vermischt, kommt dabei am Ende meist ein unentschiedenes Weihnachtsplätzchen raus.
Die Adventszeit ist keineswegs nur Zeit der Besinnlichkeit. Wenn die Kerzen angezündet werden, Plätzchenduft in der Luft liegt und Wham! im Radio „Last Christmas“ trällern, packt zeitgleich Knecht Ruprecht seine Rute aus, um die unartigen Kinder einmal gehörig zu tadeln. Wäre ich dieser gefürchtete Mann in Schwarz, dann hätte ich mein Folterinstrument aus gebündelten Ästen gestern Abend gegen 19:43 Uhr schon im Anschlag gehabt und den kleinen Fohlen aus Mönchengladbach im Kabinengang damit drohend zugewedelt. Doch es kam alles anders und am Ende haben sich die Lausbuben mit einem entschuldigenden Blick, dem man einfach nicht widerstehen kann, tadellos aus der Affäre gezogen. Aber immer schön der Reihe nach.
Das seit sechs Spielen sieglose Wehen empfängt den seit elf Ligapartien unbezwungenen Tabellenführer vom Niederrhein. Da ist die Favoritenrolle mehr als deutlich vergeben. Außerdem hat der Aufsteiger seit 345 Minuten nicht mehr getroffen, der Absteiger wiederum 234 Minuten keinen Treffer kassiert. Die vermeintlichen Underdogs stellen jedoch von Beginn an eindrucksvoll unter Beweis, dass drei Punkte ausschließlich getreu dem Motto „Nur über unsere Leiche“ aus der BRITA-Arena entführt werden können. Neuville hat in den Anfangsminuten zwar die Führung auf dem Fuß. Nach einiger Zeit nimmt das Team vom Ex-Gladbacher Christian Hock jedoch Fahrt auf und wirft gleichzeitig die Frage auf, warum man bei so beherztem Spiel so lange ohne Erfolg geblieben ist. Während Gladbach das Zepter in der Hand hält, versteckt sich der Gastgeber keineswegs und bringt die Innenverteidigung um Brouwers und Daems das ein oder andere Mal in die Bredouille.
Dann nimmt die Borussia zunehmend das Tempo aus der Partie und lässt gegen leidenschaftliche Wehener den Eindruck entstehen, man hätte nach 14 Spielen im Unterhaus noch nicht kapiert, dass Spiele gegen den fünfmaligen deutschen Meister für kleine Klubs definitiv ein Highlight der Saison darstellen. Und so kommt es nach einer halben Stunde, wie es kommen muss: Ćatić bringt einen unberechtigten Freistoß (was auf keinen Fall eine Entschuldigung ist) aus zentraler Position in die Mitte. Am Fünfmeterraum versucht Simac eher dem Ball aus dem Weg zu gehen, als ihn im Netz unterzubringen. Trotzdem schlägt die Kugel zur glücklichen, aber nicht allzu unverdienten Führung für die Wahl-Wiesbadener im Tor ein.
Erst danach wacht die Elf von Jos Luhukay, unter der Woche im Prüfungsstress für seine Trainerlizenz, ruckartig auf. Paauwes Schuss aus der Distanz klatscht an den linken Pfosten. Einen herrlichen Freistoß von Neuville fischt Torwart Richter – noch ein Ex-Borusse – glänzend aus dem Winkel. Demnach stapfen die elf Gladbacher nach 45 Minuten mit einem 0:1 in die Kabine, dem ersten Rückstand seit dem dritten Spieltag. Wehen hatte den Herbstmeister in spe mit erfrischendem Fußball und viel Laufbereitschaft eiskalt überrumpelt.
Luhukay reagiert und bringt Touma für Marin, dem in Halbzeit eins wenig gelang – und das vor den Augen der Familie. Marin ist im nahe gelegenen Frankfurter Stadtteil Höchst groß geworden (obwohl man beim schmächtigen U21-Nationalspieler kaum von „groß“ sprechen kann). Der wieder genesene Rösler bleibt trotz eines drohenden Platzverweises auf dem Feld. In einer ideenlosen Gladbacher Elf weiß er noch am meisten zu überzeugen.
Die Halbzeitansprache zeigt relativ schnell ihre Wirkung. Flach und schnell kombinierend eröffnen sich Torchancen: Rösler und Neuville, der die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor erneut vermissen lässt, gehen aus dem Duell mit Keeper Richter jeweils als zweiter Sieger hervor.
Wehen mauert mit Mann und Maus, doch Trainer Hock wirkt dem Eindruck etwas entgegen, indem er in Person von Maximilian Nicu und dem Kameruner Atem seine altbewährte Flügelzange in die Partie bringt.
Dem Tabellenführer mangelt es zunehmend an der Durchschlagskraft und dem Ideenreichtum vergangener Auswärtsspiele, so dass die erste Niederlage in Liga zwei nach 98 Tagen langsam Konturen annimmt. Ein wunderbarer Heber von Sascha Rösler, der an der Latte landet, zaubert dem Gladbach-Fan aufgrund des dritten Aluminiumtreffers der Partie allmählich ein verzweifeltes „Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu“ auf die Lippen.
Zwei Minuten vor dem Ende wird das Spiel schon resümiert und festgestellt, dass trotz zahlreicher Gelegenheiten am Ende einfach die Klasse der letzten Spiele fehlte. Die Waschmaschine für die „seit-98-Tagen-ungeschlagen-Trikots“ ist bereits vorprogrammiert. Doch dann kommt, wie so oft, alles anders.
Voigt rollt mit Schwung auf den Strafraum zu, spielt einen feinen Doppelpass, um anschließend den freistehenden Neuville zu bedienen. Dem bleibt der Treffer noch versagt, aber der eingewechselte Colautti nutzt den Abpraller – den einzigen Fehler des ansonsten überragenden Richter – und drückt den Ball zum 1:1 über die Linie. Ausgerechnet in der Art und Weise, die man zuvor über 88 Minuten meist vermisst hatte, verhindert Gladbach am Ende die zweite Saisonniederlage nach dem 1:4 in Mainz am 24.August. Die Wehener tun mir für ein paar Sekunden fast Leid, doch dann merke ich, dass das eigentlich Schwachsinn ist. Denn Mitleid kennt man in solchen Situationen als Träger einer schwarz-weiß-grünen Brille schlichtweg nicht.
Außerdem bin ich Gott sei Dank in meinem überwiegenden Optimismus immer noch Realist genug, um zuzugeben, dass es gestern beinahe in die Hose gegangen wäre. Und das trotz Feld- und Chancenüberlegenheit nicht einmal unverdient. Spiele wie diese geben den berüchtigten Aufschluss darüber, ob da unten auf dem Rasen eine „echte“ Mannschaft steht. Zumindest wissen wir seit gestern: Auch wenn ungewohnt wenig zusammenlief, hat sich die Truppe nie endgültig aufgegeben. Man nimmt eben mit, was man mitnehmen kann.
Und wer vorher so emsig Punkte gesammelt hat und – egal was passiert – mindestens zehn weitere Tage von ganz oben grüßt, hat einfach keinen Rundumschlag verdient. Also: Einmal kurz drohend die Rute erheben und diese dann auf Stand-by gestellt wieder einpacken. Besinnlichkeit kann spätestens auf der Weihnachtsfeier noch auf der Tagesordnung stehen. Und wenn die Fohlen in den zwei Spielen bis dahin artig sind, werden die Geschenke vom Christkind auch entsprechend üppig ausfallen.
Samstag, 1. Dezember 2007
Fohlengeflüster (10):
Keine Zeit für Besinnlichkeit
Eingestellt von Jannik um 20:28
Labels: Gladbach, Zweite Bundesliga
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