Donnerstag, 12. Juni 2008

EM-Tagebuch (14) -
Mal was Verrücktes tun

Eine verzweifelte Putzaktion und die Quizfrage des Tages: Was ist Lukas Podolski bislang als einzigem Spieler bei diesem Turnier gelungen (es hat nichts mit der Anzahl seiner Tore zu tun)?

Da hat man endlich einmal Zeit ohne Ende, keinerlei Verpflichtungen und irgendwie ist es dann doch wieder nicht richtig. Heute extra bis 11 Uhr geschlafen, damit automatisch weniger Stunden bis zum Anpfiff heute Abend totzuschlagen sind. Dabei zog sich die Zeit seit Sonntag, seit unserem ersten und erfolgreichen Auftritt gegen Polen, nicht einmal wie Kaugummi – im Gegenteil. Diese ganze EM rauscht derzeit irgendwie im Eilzugtempo vorbei. Gestern hat sich die erste Mannschaft bereits fürs Viertelfinale qualifiziert und den Gruppensieg klar gemacht. Zudem hat das erste Land schon sein kleines Fiasko erlebt und nach weniger als 100 Stunden das inoffizielle Ende seines EM-Traums erreicht.

Diese EM präsentiert sich kurzlebig und mittlerweile – die Holländer brachten das Turnier sozusagen richtig in Gang – auch äußerst kurzweilig. Erstmals hat ein Team gestern ein Spiel zu seinen Gunsten drehen können. Zuvor hatte das Führungstor immer drei Punkte bedeutet und auch die Anzahl der Unentschieden hielt sich in Grenzen. Ausschließlich Frankreich und Rumänien teilten die Punkte.

Inzwischen sind es weniger als zwei Stunden bis zum Anpfiff in Klagenfurt. Das Wetter am linken Niederrhein erinnerte heute an Basler Badewannenverhältnisse. Und aufgrund der angesprochenen neu erlangten Freiheit im Zuge des Abiturs habe ich mal etwas ganz Verrücktes gemacht: Ich habe geputzt – 90 Minuten lang. Ab jetzt mein ultimativer Tipp zum Zeittotschlagen vor einem ersehnten Fußballspiel. Ok, andere Leute sind berufstätig. Wäre auch eine Möglichkeit.

Beim Abstauben des Schreibtischs über die Aufstellung nachdenken, beim Ausschütteln des staubigen Teppichs über die Folgen einer Niederlage nachdenken und sich beim Wischen der Fensterbank das Wonnegefühl ausmalen, welches mir das vorzeitige Weiterkommen bereiten würde – alles bestens. Leider finden große Turniere nur im Zweijahrestakt statt und dauern zu allem Übel nicht länger als ein paar Wochen. Mein Zimmer würde sich nämlich über häufigere Reinigungsaktionen freuen – eine weitere Erkenntnis der 90-minütigen Sauberkeitsmaßnahme.

Die EM verläuft übrigens nicht nur kurzweilig und kurzlebig, sondern zeigt sich ebenso von einer überraschend rechtslastigen Seite. Bis auf die Vorfälle in Klagenfurt letzten Sonntag bezieht sich das Gott sei Dank nicht auf etwaige Ausschreitungen und rechte Kundgebungen, sondern einzig und allein auf die Vorlieben der Spieler beim Toreschießen. Lukas Podolski hat bis heute als einziger Spieler bei diesem Turnier mit dem linken Fuß getroffen. Dazu fünf Treffer per Kopf, der Rest der 23 Tore mit rechts.

Wie Podolski es heute macht, wer es macht, das Spielt gar keine Rolle. Ein Sieg gegen Kroatien steht auf dem Wunschzettel – da bin ich ganz bescheiden. Ach ja: "Und wir verlieren keinen Zweikampf. Keinen." Oder etwa nicht, Herr Ballack?

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