Der Putz der vielzitierten Weisheit von den "Kleinen", die es "nicht mehr gibt" bekommt einen frischen Anstrich: Das Teilnehmerfeld der Europameisterschaft wird aufgestockt. "Aus 16 mach 24" oder auch "24 aus 53" heißt die neue Formel. Hoffentlich ist sie keine Ungleichung, die den Reiz einer EM gegen Null laufen lässt.
Im Licht der Weltöffentlichkeit genießen die Amerikaner häufig den Ruf eines engstirnigen, rücksichtlosen und erfolgsorientierten Volkes. Dabei tragen viele in sich eine gewisse Mentalität, die besagt: "Everyone's a winner!".
Da werden auf der High School solange Awards für teils große teils weniger große Leistungen vergeben, bis am Jahresende jeder Schüler wenigstens eine Urkunde an der Wand hängen hat. Oder eine hässliche Plastiktrophäe, die in der elterlichen Vitrine gleich neben der Windel einen Ehrenplatz erhält, in die das Kind die erste Wurst seines Lebens gesetzt hat. Irgendeine ehrbare Fähigkeit muss schließlich jeder besitzen. Und sei es nur das Talent, verdammt untalentiert zu sein.
Eine neuartige Mentalität, vergleichbar mit dem Everyone's-a-winner-Prinzip, grassiert scheinbar in der UEFA. Das Teilnehmerfeld wird ab 2016 auf 24 Mannschaften aufgestockt. Eigentlich eine logische Konsequenz aus der Geschichte dieses Turnier. Aber dennoch großer Humbug. Einst begann es mit vier Teilnehmern, die die offizielle Endrunde spielten. Es wurden acht, dann schließlich im Jahr 1996 sechzehn Teams.
Geht es in Zukunft munter so weiter, werden in 30 Jahren alle UEFA-Mitglieder Fixstarter sein. Kurz darauf wird sich der Kontinentalverband dann in diplomatische Geschicke einmischen, um neue Mitglieder zu werben. Südossetien und Abchasien gehören derweil längst zu den Etablierten. Die Unabhängigkeitsbewegung der Katalanen und Basken hat endlich ein schlagkräftiges Argument. Bayern erhält großzügig die Freigabe, während Liechtenstein sich gar in die Landesteile Oberland und Unterland aufspaltet.
Ok, mal Spaß beiseite. Ganz so krass wird es mit Sicherheit nicht kommen, dennoch ist die aktuelle Entwicklung möglicherweise schon ein Schritt zu weit, unter dem die Qualität der Europameisterschaft leiden kann und – da bin ich mir sicher – leiden wird. Bislang lag der Schlüssel zum Erfolg in der Kompaktheit des Turniers mit seinen 16 Teilnehmern, von denen stets die Hälfte auf der Favoritenliste stand. Das Niveau war dementsprechend hoch, die Anzahl der Spiele noch überschaubar.
Die UEFA zählt momentan 53 Mitglieder, von denen erst 28 mindestens einmal die Quali für eine EM gepackt haben. Noch nie bei einem großen Turnier dabei waren folgende 21 Länder:
Albanien, Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Estland, Färöer, Finnland, Georgien, Kasachstan, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, San Marino, Slowakei, Weißrussland, Zypern.
Zumindest an einer WM teilgenommen haben Israel, Nordirland, die Ukraine und Wales.
Nächstenliebe, Kreativität und Rücksicht auf die Kleinen können durchaus nützliche Tugenden sein. Wenn sie einen gewissen Punkt jedoch überschreiten und unter anderem dazu dienen, auf Stimmenfang zu gehen, geht der Schuss gnadenlos in die falsche Richtung: Mitten ins Herz des europäischen Fußballs, dessen liebstes Kind ab 2016 wohl zur endgültigen Kommerz- und Marathonveranstaltung verkommt.
Freitag, 26. September 2008
Everyone's a winner!
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