In der Überschrift ist tatsächlich kein „e“ verloren gegangen. Denn die Borussia hat das getan, was ihr in Bielefeld immer gelingt: Mit 2:0 gewonnen. Dass dieser Erfolg allemal den Anfang vom Ende der Misere bedeutet, dürfte klar sein. Was Marko Marin mit pubertierenden Mädchen verbindet und wie das Schicksal Oliver Neuville ein Schnippchen geschlagen hat.
2:0 in Bielefeld. Das könnte man ganz unaufgeregt zur Kenntnis nehmen und sich kurz den Mund abwischen – war ja schließlich der dritte Sieg bei der Arminia in Folge. Da macht sich also langsam Routine breit. Doch nach elf sieglosen Auswärtsspielen in Folge wirft ein solcher Erfolg in der Nachbetrachtung so manche Frage auf, die es zu klären gilt.
Das wichtigste deshalb gleich zu Beginn: Ist es einem 19-jährigen eigentlich unangenehm oder gar peinlich, wenn erwachsene Männer ihn als „Zaubermaus“ titulieren und das zu allem Übel in die Zeitung setzen? Leiten wir die Frage direkt weiter an einen 19-jährigen (der muss es ja wissen): Ja, ich würde ungern denselben Spitznamen tragen wie ein pubertierendes Mädchen in einem zielgruppengerechten Teenager-Forum. Würde ich gleichzeitig aber für Borussia Mönchengladbach spielen, meinen Verein mit einem Doppelpack fast im Alleingang zum Sieg schießen und Jogi Löws SMS-Aktivitäten in Gang bringen, könnte ich ehrlich gesagt ganz gut damit leben. „Zaubermaus“ wäre da noch lange nicht das Ende der Fahnenstange auf meiner persönlichen Toleranz-Skala. Wie der Marko das selbst sieht, müsste man ihn natürlich persönlich fragen.
Nachdem das nun geklärt ist, weiter zu TOP 2: Was war gestern wirklich anders bei der Borussia? Ganz rational gesehen standen Paauwe, Svärd, Voigt, Baumjohann und Matmour anders als gegen Frankfurt nicht in der Startelf. Brouwers, Bradley, van den Bergh, Colautti und Amateur Dorda rückten dafür hinein in Hans Meyers Zentrifuge der fröhlichen Rotation, deren Patentrechte er von einem gewissen Jos Luhukay erworben hat. Doch das sei dem alten Trainerfuchs verziehen. Schließlich musste das Trio Paauwe, Svärd, Voigt verletzungsbedingt passen. Kleine, Jaurès und Gohouri machten das halbe Dutzend im Defensiv-Lazarett voll. Warum auf einmal so nachsichtig? Siehe den ersten „Satz“ dieses Beitrages.
Überhaupt lässt ein Erfolg mit derartigem Seltenheitscharakter nahezu alles Negative verschwimmen. Bielefeld hätte unter Umständen mit exakt derselben Spielweise gegen eine absolut identisch auftretende Borussia mit 3:2 gewinnen können. Aus rosarot wäre im Nu wieder schwarz geworden und keiner hätte sich beschweren dürfen. Doch so funktioniert dieses Spiel seitdem es existiert: Entscheidend is auf‘m Spielberichtsbogen. Man nehme das Glück aus dem Karlsruhe-Spiel, einen „Titan“ namens Gospodarek, einen Marin wie aus der Diego-Ribéry GmbH & Co. KG und zu guter Letzt einen Gegner, der an allen drei anderen Zutaten verzweifelt – schon ist er fertig: Der elfte Auswärtssieg im Oberhaus in den letzten 108 Partien seit dem Wiederaufstieg 2001. Wer zwischen dem 3. Februar 2007 und dem 8. November 2008 kein Gladbach-Spiel gesehen hat, der könnte glatt zu dem Schluss kommen, ein und dasselbe Video erwischt zu haben. Dabei sind die Unterschiede bis auf das Ergebnis und die Ausgangslage gravierend. Keiner der 13 Gladbacher Akteure von damals – es war das erste Spiel von Luhukay als Cheftrainer – stand gestern mehr auf dem Platz. Mit Steve Gohouri steht überhaupt nur noch einer bei der Borussia unter Vertrag.
Als einziger Bielefelder hat Markus Schuler alle drei Heimniederlagen zwischen 2005 und 2008 erlebt. Somit kann kaum einer besser bezeugen, dass jedesmal eine gegenüber dem letzten Auftritt vollkommen umgekrempelte Borussia in Bielefeld antrat. Erst war es vor drei Jahren Peer Kluge, der den Rechtsverteidiger der Arminen schwindelig spielte und zum Matchwinner avancierte. Dann erzielte Marcell Jansen vor eineinhalb Jahren den entscheidenden Treffer und kassierte eine 1,5 vom Kicker. Gestern schließlich war es an Marko Marin, seinen Gegenspieler ins Fohlen-Delirium zu schicken. Zwei Tore – ein Freistoß in Perfektion, ein Solo mit doppeltem Doppelpass und wohl überlegtem Abschluss – werden den Kicker auch diesmal überzeugt haben. Und Herr Schuler versteht zeitgleich die Welt nicht mehr.
Dabei hatte es trotz des frühen Rückstandes lange gar nicht so schlecht ausgesehen für seine Arminia. Vorne wirbelte Artur Wichniarek als Alleinunterhalter, während Schuler sich ganz auf sein Privatduell mit Marin konzentrieren konnte. Um ein Haar hätten beide das Spiel nicht überlebt. Erst Gelb für Marin, anschließend für Schuler, der Gladbachs Nummer 11 in Zweikampf um Zweikampf verwickelte und kurz davor stand, seine Mission zu erfüllen. Doch Hans Meyer sah ein, dass ein Marin am Rande eines Platzverweises logischerweise wertvoller ist als ein Marin auf der Bank.
Was uns schnurstracks zu TOP 3 führt (vielleicht ist es auch schon TOP 4, aber wen kümmert’s?): War da noch mehr bei der Borussia als die vielzitierte „Zaubermaus“? Ein schnelles Noten-Brainstorming führt mich zu dem Schluss, dass sich bis auf Marin (1 oder 1,5) und Gospodarek (2) mit wenigen Ausnahmen alle im soliden Dreierbereich bewegten (3-3,5). Die Fehler wurden sowohl hinten als auch vorne auf alle Schultern verteilt, so dass bis auf den nahezu unsichtbaren Colautti keiner wirklich nach unten abfällt.
Debütant Dorda spielte unauffällig und dementsprechend ordentlich. Levels zeigte seine beste Saisonleistung (nicht gerade ein Kunststück). In der Innenverteidigung ließen Brouwers und Daems 8-Tore-Mann Wichniarek zwar ausgiebig walten, dürfen sich letztendlich aber mit dem Zu-Null rühmen. Bradley packte seinen auffälligsten, wenn auch noch immer nicht überzeugenden Auftritt im Borussendress aus. Alberman erledigte seinen Job als Staubsauger solide und wenig aufsehenerregend, was auch für van den Bergh gilt, der die Versetzung schaffte, ohne zu brillieren. Baumjohann blieb nach seiner Einwechslung lange Zeit blass, spielte aber den feinen Doppelpass mit Marin vor dem 2:0 und hatte die Entscheidung alleine vor Eilhoff selbst auf dem Fuß. Zu guter Letzt spielte das kanadische Sorgenkind besser. Ist zwar seit mittlerweile 756 Minuten ohne Treffer, legte den Ball beim 2:0 jedoch im Abseits stehend und eher unabsichtlich zu Marin ab. Und wenn Friend ab jetzt öfter Gutes tut, ohne etwas dafür zu können, wollen wir mal nicht meckern.
Weiter geht’s mit TOP 4: Ist Hans Meyer jetzt plötzlich wieder ein „Trainerfuchs“ und hat er die Randerscheinungen des Rentnerdasein endgültig abgelegt? Jein. Nach vier Spielen unter seiner Regie ist es ohnehin noch zu früh für ein vernünftiges Urteil. Die Punkteausbeute von 6 aus 4 gibt ihm sogar Recht. Dagegen hat die Rotation Bestand. Doch seine Experimente sind zumindest gestern aufgegangen - Dorda erfüllte den Job als Linksverteidiger nicht schlechter als Voigt und Jaurès. Bei Gospodarek trägt die zunehmende Spielpraxis langsam Früchte.
TOP 5 bezieht sich nicht unmittelbar auf das Spiel selbst. Doch wenn ein Trainer unter der Woche drei Spieler, darunter anderthalb Aufstiegshelden, zu den Amateuren schickt, darf das wohl kaum unkommentiert bleiben. Sascha Rösler und Soumaila Coulibaly sind zwar beide schon zweimal aus der Bundesliga abgestiegen, Sharbel Touma einmal aus dem schwedischen Oberhaus. Aber es wird wohl kaum Aberglaube gewesen sein, der Hans Meyer zu dieser teils fragwürdigen Entscheidung trieb. Einem Kämpfer wie Rösler ist der Abstiegskampf geradezu auf den Leib geschneidert. Zudem kommt es selten vor, dass eine wichtige Säule der Aufstiegsmannschaft so einfach dem Erdboden gleichgemacht wird. Touma hat eine gute Rückrunde in Liga zwei hingelegt, zählte eigentlich zu den Hoffnungsträgern für diese Saison. In punkto Coulibaly darf man Meyer durchaus eine richtige Entscheidung bescheinigen. Dennoch wirkt sein Ansatz zur Kaderverkleinerung nicht gerade begründet, sondern vielmehr willkürlich. Auch hier gilt jedoch: Erfolg gäbe ihm Recht. Doch solange der Konjunktiv in diesem Satz Bestand hat, steht Meyers Rundumschlag in einem fadenscheinigen Licht.
Punkt 6 der Tagesordnung führt uns in den Statistik-Dschungel: Der Borussia gelang erstmals seit dem dritten Spieltag der Sprung von den Abstiegsrängen. Dabei holte sie nicht nur den ersten Auswärtssieg in der Bundesliga nach zuvor elf sieglosen Auftritten in der Fremde bei einem Torverhältnis von 3:21. Das 2:0 in Bielefeld bedeutete auch erstmals wieder ein Zu-Null auf fremdem Platz – zuletzt gab es das natürlich in Bielefeld. Dafür, dass es Bielefeld angeblich gar nicht gibt, gefällt mir die Stadt immer besser.
Die Schüco-Arena ist zudem das einzige Stadion, in dem die Borussia seit 2001 häufiger als einmal gewonnen hat (für die, die beim Stammtisch prahlen wollen oder noch ein Gedicht für Heiligabend suchen: Köln, Nürnberg, Freiburg, Berlin, Wolfsburg, München, Rostock, Bielefeld, Frankfurt, Bielefeld, Bielefeld). Zum dritten Mal in Folge lautete das Endergebnis bei der Arminia 2:0 aus Gladbacher Sicht. Auch diesmal fiel je ein Treffer vor und einer nach der Pause. In Hälfte zwei machte die Fohlenelf ihrem Namen zumindest alterstechnisch alle Ehre – 24,0 Jahre im Durchschnitt. Ohne Gospodarek (35) und Daems (30) fällt der Schnitt sogar auf 22,2. Sechs der dreizehn eingesetzten Spieler könnten für die U21 ihres Landes spielen.
Bevor wir zur abschließenden Frage kommen, noch TOP 7 und die Aufklärung, ob Oliver Neuville 90 Minuten auf der Bank saß, um den Altersdurchschnitt nicht im Mitleidenschaft zu ziehen: Nachdem Hans Meyer schon kein übermäßiger Aberglaube zu unterstellen ist, fällt die Diagnose in Sachen Zahlengeilheit ebenso negativ aus. Neuville hat dafür um einen Einsatz bei den Amateuren gebeten und ihn auch bekommen. Gegen Preußen Münster gab es zuhause ein 0:0. Wie es das Schicksal in solchen Situationen will, schied Gladbachs dienstältester Spieler kurz vor Schluss mit lädiertem Oberschenkel aus. Da wird es ihm wenig bringen, dass Hans Meyer seinen Entschluss ausschließlich lobend erwähnte.
TOP 8 bildet den Abschluss zur Lage der Nation und beinhaltet die alles entscheidende Frage: Wird jetzt alles gut? Die nächsten Spiele gegen Bayern und Schalke werden keine finale Antwort auf die Frage bringen. Auch gegen Leverkusen und Dortmund wird es fast mehr auf den Auftritt an sich ankommen als auf das Ergebnis. Doch die Borussia darf sich bis zum Ende der Hinrunde wohl kaum mit einem Dreier im Heimspiel gegen Cottbus begnügen. Nach den Pflichterfolgen gegen Karlsruhe und Bielefeld müssen spätestens jetzt Punkte her, die im Vorhinein nicht unbedingt eingeplant waren. Gestern hießen die Hauptdarsteller Marin, Gospodarek und Glück. Kann der Rest sein solides Niveau halten, dürfte es am Horizont deutlich heller werden. Doch die Borussia hat ein Problem: Konstanz sucht sie seit 12 Spielen vergeblich. Und schuld daran sind keineswegs schlechte Geografie-Kenntnisse.
Sonntag, 9. November 2008
Mission 40/12: Wider das tierische Trauma
Eingestellt von Jannik um 22:30
Labels: Bundesliga, Gladbach
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