Dienstag, 11. November 2008

The Maskottchen has passed away

Die erste fußballfreie Woche seit einem Monat und schon liegt das Geschäft augenscheinlich im Tiefschlaf. Doch neben Rahmenterminkalendern und Rüffeln vom DFB gibt es auch Themen, die wirklich von Bedeutung sind: Charly Neumann ist tot.

Eigentlich gilt es ja als Unsitte, genau darüber zu schreiben, dass es heute, morgen und übermorgen herzlich wenig zu berichten gibt – zumindest über das tagesaktuelle Geschäft. Gestern Freiburg gegen St. Pauli, Freitag geht es dann weiter mit Liga Zwei. Der deutsche Profifußball ruht. Nennt mich also einen Sittenstrolch, aber man darf ruhig beiläufig erwähnen, dass dies erstmals seit fünf Wochen der Fall ist. Nicht dass irgendjemand denkt, der ominöse Rahmenterminkalender sehe tatsächlich eine ganze Werkwoche in Fußballaskese vor: In diversen Ländern ist Pokalzeit. Chinas Super League spielt und – um auf derselben Niveauschiene zu bleiben – in Österreichs tipp3-Bundesliga (nicht merken, heißt morgen eh wieder anders) stehen sich Austria und Rapid gerade im Wiener Stadtderby gegenüber.

Unter Umständen kommt morgen ein Brief vom DFB mit einem dicken Rüffel. Aus juristischer Sicht könnte schließlich bald wieder ein Arbeitsvakuum an der Otto-Fleck-Schneise vorliegen. Aber, aber: Es war vom deutschen Profigeschäft die Rede. Premium-Produkt und Vollzeitfußballer hin oder her, professionell geht es in erster Linie unter dem Dach der DFL zu. Grund für die fußballfreie Woche zwischen Flensburg und Berchtesgaden ist die Tatsache, dass ein ausgedehnter Ligapokal weiterhin non-existent ist und die Bundesliga als einziger Vertreter der großen Fünf mit 34 Spieltagen auskommt. Wären die Engländer deutsch, würden sie nächste Woche nach ihrer 0:3-Niederlage mit Sicherheit genau diese Ausrede anbringen. „Die Deutschen, die waren ja auch ausgeruht.“

Schluss jetzt mit den Seitenhieben, schließlich gibt es ja in Wirklichkeit doch Nennenswertes vom Tage: Charly Neumann ist tot. Schalkes lebendes Maskottchen verstarb heute nach langer Krankheit im Alter von 77 Jahren. Für die, die Neumann nicht kannten – wobei ich kaum glaube, dass es sie gibt: Er war so etwas wie der Hermann Rieger von Schalke, das lebende Maskottchen der Königsblauen – und das über Jahrzehnte. Hermann Rieger – kein Begriff? Dann vielleicht der Dieter Trzolek von S04? Immer noch nicht? Wie kann man sich denn in der Adressleiste so fatal vertippen, dass man hier landet?

Wie auch immer, heute habe ich gelernt, dass Charly Neumanns Eltern ihm einst den Vornamen Heinz mit auf den Weg gegeben hatten. War mir neu. Ein essentieller Wunsch ist ihm leider nicht mehr erfüllt worden – das „leider“ taucht hier vollkommen frei von Ironie auf: „Ich habe den lieben Gott gebeten, dass er mich nicht eher von der Erde abtreten lässt, bevor folgendes wahr wird: Ich will die Schale in der Arena hochhalten bevor ich sterbe. Ich bin ganz zuversichtlich, dass der Chef mir meinen Herzenswunsch erfüllt...“

Da musste ich just dran denken, dass es mir in x Jahren genauso ergehen könnte: Ein Leben, keine Schale. Nicht einmal aus der Nähe, nicht einmal zum Angucken – und Charly hätte 2001 bzw. 2007 ja mit Sicherheit Hand anlegen dürfen am Zentrum der Träume eines jeden Fußballfans, außerdem war er in den 50ern schon mit von der Partie. Nicht, dass ich es den Königsblauen nun im Nachhinein doch gegönnt hätte. Aber Charly Neumann wäre so ein Original gewesen, bei dem eine Ausnahme sich vielleicht gelohnt hätte. Schließlich war er – wie man so schön sagt – einer der letzten seiner Zunft. Einer Zunft, die in geraumer Zeit tot sein wird. Einer Zunft, die unter anderem er personifiziert hat: „I am the Maskottchen of Schalke“, das konnte nur einer wie er mit Fug und Recht behaupten. Ein Wunder, dass Schalkes „echtes“ Maskottchen Erwin heißt. Mal sehen, wie lange noch.

2 Kommentare:

  1. Naja, er hieß dann wohl eher Karl-Heinz, was bei Charly ja auch näher liegt als ein reiner Heinz.

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  2. Dann hab' ich mich vertan bzw. eine meiner Quellen hat versagt. Hätte ich mir eigentlich auch selbst denken können mit dem Karl-Heinz. Bei uns heißen die alle Kalle, vielleicht ist es mir deshalb entgangen.

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