Der kicker hatte es heute ja schon verlauten lassen. Letztendlich musste er in dem Beitrag aus der Montagsausgabe nur den Konjunktiv in den Indikativ umändern und schon konnte vermeldet werden: Christian Ziege hat keinen Bock mehr und tritt zurück als Co-Trainer bei Borussia Mönchengladbach.
Da geht man am Freitagabend nach einem erneuten Tiefpunkt vom Tiefpunkt, frei nach Rudi Völler, in die Winterpause, um das Grauen der Hinrunde erst einmal sacken zu lassen und hat am Ende nicht einmal dazu ausreichend Zeit. Eine Hiobsbotschaft jagt die andere, obwohl die Nachricht von Zieges Rücktritt nicht unbedingt Trauer, Wehmut oder Enttäuschung hervorgerufen hat. Seine Beweggründe seien zwar allein "privater Natur". Doch ehrlich gesagt ist der Glaube an den Klassenerhalt weitaus größer als das Vertrauen in diese Begründung. Die sportlichen und personellen Umstände liegen einfach zu sehr auf der Hand.
Und wenn sich tatsächlich eine gravierende Entwicklung in seinem privaten Umfeld eingestellt haben sollte - Krankheit, Todesfall usw. -, die diesen Entschluss unumgänglich gemacht hat, dann darf man vom Co-Trainer eines Fußball-Bundesligisten zumindest erwarten, dass er etwas Transparenz zeigt und ein wenig konkreter wird. Andernfalls gilt: Weiterlesen.
Wie ein Geier ist Ziege in den vergangenen Monaten über dem Stuhl des Cheftrainers gekreist – wer gerade dort Platz genommen hatte, spielte im Prinzip keine Rolle. Ein gewisser Markus Babbel, einst Zieges Kollege bei den Bayern, beim FC Liverpool, in der U21 und in der A-Nationalmannschaft, hat vorgemacht, wie man sich heimlich, still und leise zum Teamchef mausern kann. Ziege wollte offensichtlich den anderen Weg wählen und solange in Meyers Rücken verharren, bis er ihn mit einem gezielten Schuss aus dem Amt kegeln konnte. Doch das geduldige Warten wurde ihm durch die harsche Kritik, besonders von Rädelsführer Meyer, am ominösen „Kompetenzteam“ deutlich erschwert, in dem er als Sportdirektor sozusagen hauptverantwortlich für die Kaderzusammenstellung war. Also zog er jetzt die Konsequenzen aus dem Durcheinander der letzten Wochen und nahm einen Teil der Schuldenlast auf sich.
Sicherlich ist es im Nachhinein immer leicht, einen ehemaligen Aufstiegshelden plötzlich als gescheiterten Königsmörder darzustellen. Rückblickend jedoch erscheint nun schon Zieges Verpflichtung als Spieler im Sommer 2004 in einem anderen Licht. Der damals 32-jährige hielt noch gut ein Jahr durch und beendete nach nur 13 Partien für die Borussia im Oktober 2005 seine aktive Laufbahn. Holger Fach hatte ihn zuvor noch zum Kapitän befördert und irgendwie fragt man sich unweigerlich, ob ein Spieler wie Ziege seinen körperlichen Zustand nicht wenigstens halbwegs realistisch einzuschätzen konnte – um zu dem Schluss zu kommen: hier geht nicht mehr viel.
Der 72-malige Nationalspieler machte in aller Ruhe den A-Trainer, trainierte anschließend Gladbachs U17. Im Frühjahr der Abstiegssaison musste Peter Pander seinen Hut als Sportdirektor nehmen. Ziege übernahm den Posten, obwohl er bislang keinerlei Erfahrung in diesem Bereich gesammelt hatte. Als Jos Luhukay im Oktober entlassen wurde, gingen viele eigentlich davon aus, dass es das einstige Erfolgsduo nur im Doppelpack gäbe. Doch offensichtlich waren die Fronten zwischen beiden da schon so sehr verhärtet, dass Ziege seinen Kopf noch aus der Schlinge ziehen konnte und zunächst einmal die Konsequenzen der Misere nicht mitzutragen hatte.
Irgendwie gelang es ihm wohl, sich im Zuge von Hans Meyers Verpflichtung auf den Stuhl des Co-Trainers zu schmuggeln – als Chefcoach in spe sozusagen. Ganz ehrlich: Auch ich ging davon aus, dass es für Meyer allein um das Projekt Klassenerhalt gehe und Ziege bei erfolgreichem Abschluss der Mission die nächste Stufe auf der Karriereleiter nehmen würde. Doch in den vergangenen Wochen, als nach ordentlichem Auftakt für Meyer die Sache plötzlich mit vier Pleiten in Serie aus dem Ruder geriet, nahm die einst hoffnungsvolle Verheißung, mit Christian Ziege in absehbarer Zeit den ersehnten Trainertyp der neuen Generation zu bekommen, eher bedrohliche Züge an. Die Borussia dürfte sich nach seinem Rücktritt wie ein provinzielles Mädchen fühlen, das auf dem Schützenfest von einem Jungen aus der Großstadt mächtig verarscht worden ist.
Jetzt ist er eben weg und vielleicht war sein Abgang nur der Anfang. Ziehen andere nach, die in den vergangenen Jahren in sportlicher Hinsicht weitaus gravierender versagt haben, könnte es zu Weihnachten doch noch eine unverhoffte Bescherung geben. Denn vielleicht bekommt der stinkende Fisch namens Borussia dann endlich seinen heiß ersehnten und längst überfälligen neuen Kopf. Ein erfreuliches Geschenk wäre es mit Sicherheit. Auch wenn diese Eskapaden genauso eine traurige Gewissheit enthüllen: Der Mythos hat das Wasser bis zum Hals stehen und versinkt langsam, aber sicher im Chaos.
Montag, 15. Dezember 2008
Ziege hat keinen Bock mehr
Eingestellt von Jannik um 22:40
Labels: Bundesliga, Einwurf, Gladbach
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Wieder einmal sehr gelungen geschrieben, sehr guter Blog!
AntwortenLöschenWenn Ziege tatsächlich so scharf auf den Trainerposten ist, warum ist er es dann nicht geblieben (als er Interim war) und hat Meyer geholt?
AntwortenLöschen@ M.E.: Danke!
AntwortenLöschen@Huge: Tja, vielleicht war er einfach zu naiv. Königs hätte ihm sicherlich keine Steine in den Weg gelegt. Unter Umständen wird er sich auch gedacht haben: 'Nee, das tu' ich mir nicht an, denen ist nicht mehr zu helfen'... und wollte nicht gleich bei seiner ersten Cheftrainerstation bitterlich scheitern.