Mittwoch, 4. Februar 2009

Wenn aus Virtuosen Vandalen werden

Der Deutsche mag es am liebsten kraftvoll und zielgenau, und er achtet zudem penibel darauf, wem er mit diesen Tugenden Schaden zufügt. So oder so ähnlich dürfte die Charakterisierung lauten, wenn das "Tor des Jahres" in einem jeden Land stellvertretend für die Mentalität der Menschen dort stünde.

Michael Ballacks kraftvoller und zielgenauer Freistoß gegen Österreich (vgl. "wem er mit diesen Tugenden Schaden zufügt") ist zum "Tor des Jahres 2008" gewählt worden. Auf Platz zwei: Hamburgs Ivica Olic mit seinem Strich in den Winkel. Erzielt gegen: Werder Bremen. Und da jedem bei der Verwendung von "Hamburg" und "Bremen" in einem Atemzug ein Licht aufgehen müsste, ist es naheliegend, zu vermuten, dass den HSV-Fans das "Opfer" von Olic' Sonntagschuss besonders zugesagt hat.

Da kommt nur die Frage auf, was für ein Volk von Virtuosen und Filigrantechnikern wir in den 70ern und 80ern gewesen sein müssen, als ein gelungener Fallrückzieher mit einer Wildcard fürs "Tor des Jahres/Jahrzehnts/Jahrhunderts" gleichzusetzen war. Klaus Fischer lässt grüßen.

Auch für Alexander Baumjohanns 70-Meter-Solo aus dem vergangenen August konnten sich nicht so viele begeistern, wie zunächst erwartet. Womöglich ist das Abstimmungsergebnis als Denkzettel der Borussenfans zu werten, die nicht die Muße aufbrachten, für den zukünftigen Bayern-Spieler zu stimmen.

Also bleibt festzuhalten: Fallrückzieher sind out – und selbst einem Sturmlauf à la Maradona wird ein 122-Stundenkilometer-Freistoß vorgezogen. Wobei die Superzeitlupe mehr als überzeugend aufgezeigt hat, dass bei dieser Anspannung von "technischer Finesse" oder "Zielgenauigkeit" kaum noch die Rede sein kann. Glück gepaart mit Gewalt - das trifft es schon besser.


PS: Ich habe übrigens viermal für Baumjohann abgestimmt. Falls hier noch jemand meint, dass mir nichts anderes mehr zur Misere der Borussia einfallen würde, als „drüber herzuziehen“.

PPS: Falls jetzt jemand aufschreit, dass man nur einmal pro Person abstimmen kann: Ja, stimmt. Aber meine Eltern und mein Bruder wissen noch nicht, dass sie auch ihre Stimme abgegeben haben.

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