Dienstag, 11. Dezember 2007

Ermüdungsbecken vs. Nacht-zum-Tage-machen

Früher bescherten Affären auf Weihnachtsfeiern uneheliche Kinder. Früher stolperten Bundeskanzler im Rahmen einer politischen Affäre über DDR-Spione. Heutzutage mutet das alles harmlos an. „Disko-Affären“ sind neuerdings der Renner.

Bundesliga, Europacup, DFB-Pokal, Länderspiele – unterm Strich ist die schier unmenschliche Anzahl an Partien in einer Saison, die wiederum angeblich übermenschliche Kräfte voraussetzt, den Profis von heute ein Dorn im Auge. Ihren Trainern, Managern und Präsidenten geht es da nicht anders. Aquajogging, Massagen und Ermüdungsbecken sind dekadent. Diskobesuche dagegen voll angesagt.
Gladbachs Soumaila Coulibaly und Mannschaftskollege Steve Gohouri haben mit ihrem Besuch in einem Kölner Tanzlokal vor dem Derby gegen den FC den Begriff der „Disko-Affäre“ geprägt. Letzterer ist seitdem seinen Stammplatz los und wird dieses verflixte Foto zu später Stunde, geschossen von einem Mitarbeiter der ortsansässigen Boulevardzeitung, noch länger verfluchen.

Ivan Rakitic und Mladen Krstajic ziehen automatisch den ein oder anderen Verdacht auf sich, sie könnten gemeinsam etwas im Schilde führen. Und das hat gewiss nichts mit ihrer kroatischen bzw. serbischen Herkunft zutun, die das „-ic“ am Namensende enthüllt. Vielmehr gehört die Grüppchenbildung unter Fußballern, deren Teamgeist vom geografischen Zusammenhalt noch übertroffen wird, zum Geschäft wie jene Plastikmännchen, die eine Freistoßmauer simulieren sollen.
Beide Schalker verlegten ihre Regeneration nach dem heiß umkämpften Spiel in Frankfurt letzten Samstag spontan in eine Duisburger Diskothek. Schön muss es gewesen sein, denn Rakitic und Krstajic sollen bis halb fünf durchgehalten haben. Aus diesem Grund hat Mirko Slomka ihre Erholungszeit ebenso spontan um ein paar Tage verlängert. Sehr aufmerksam vom Trainer.

Währenddessen geht der Trend anscheinend sogar dahin, Städte zur Partyzone zu erklären, die traditionell eine Rivalität mit dem eigenen Verein pflegen. Die beiden Gladbacher mit afrikanischen Wurzeln machten in Köln die Nacht zum Tage. Die nimmermüde Balkan-Connection aus Gelsenkirchen verlegte ihren Samstagabend in den Westen des Ruhrpotts nach Duisburg.

Oliver Kahn hat heute dasselbe Schicksal erlitten wie seine Kollegen aus Gladbach und Gelsenkirchen – jedoch aus gegensätzlichen Gründen. Zu früh soll er die Weihnachtsfeier des FC Bayern verlassen haben. Er selbst streitet aber ab, dass dies der Grund oder zumindest ein Grund für seine vorläufige Suspendierung sei. Was eine Ironie: Die einen feiern bis tief in die Nacht. Der andere versagt sich orgienartigen Besäufnissen auf der berüchtigten Weihnachtsfeier und muss dafür ebenfalls büßen.
Schon ein paar Stunden zuvor hatte Kahns Gelassenheit nach Idrissous rotwürdigem Tritt ernsthafte Fragen nach seinem Wohlbefinden aufgeworfen. Stephane Chapuisat ist noch heute in psychologischer Behandlung nach der legendären Kung-Fu-Einlage des „Titans“ in Dortmund.

Die plausiblere Erklärung für Kahns Suspendierung für die abschließende Hinrundenpartie in Berlin geht aus seinem Kicker-Interview vom Montag hervor. Nach nur drei Siegen aus den letzten neun Pflichtspielen, der Einbuße der komfortablen Tabellenführung in der Liga und dem immer noch nicht besiegelten Weiterkommen im UEFA-Cup, hatte er kritisiert, dass es „in jedem Spiel ein Stück weniger“ werde und es demnach „nicht reicht gut loszulegen“. 25.000 Euro werden unter anderem von seinem Gehalt abgezogen, weil Kahn seine Kritik explizit an seine Mannschaftskameraden Franck Ribéry und Luca Toni gerichtet hatte. Die müssten endlich kapieren: „Bayern ist nicht Marseille oder Florenz, sondern wie Milan, Real, Barca, ManU.“
Und wie so oft wird Ehrlichkeit im Fußball bestraft. 25.000 Euro für die Wahrheit. Wenigstens darf sich die Bild-Zeitung über diesen „Mutigen“ freuen, „der sie ausspricht“.

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