Bernd Schneider sieht dem EM-Zug in diesem Jahr weinend hinterher. Dabei wird er mit einem weißen Taschentuch wedeln, seine Halswirbel verfluchen - und vielleicht auch mich. Denn schon im November habe ich prophezeit, dass das Turnier im Sommer '08 ohne den Ex-Jenaer und Frankfurter stattfindet (falls nicht doch noch eine Wunderheilung Einzug hält).
Lieber Bernd, Schnix, einziger-deutscher-Brasilianer-seit-Jahren, sehr geehrter Herr Schneider (suchen Sie sich/such’ Du Dir die passende Anrede aus, ich wähle jetzt mal das sportliche „Du“),
schon am 22. November habe ich prophezeit bzw. in Kassandra-Manier vorausgesagt, dass die EM für Dich persönlich nicht allzu erfolgreich verlaufen wird. In meinem Beitrag „Von ominösen Töpfen, abtrünnigen Österreichern und Lehmanns Pläte“, in dem ich die EM schon einmal in meinem Zimmer und auf der Tastatur durchspielte, fielst Du nach dem zweiten Vorrundenspiel „mit einem Riss des Syndesmosebandes für den Rest des Turniers aus“. Falls mein Unken für die momentane Verletzung verantwortlich sein sollte, sie gar heraufbeschworen hat, dann möchte ich mich auf diesem Wege dafür entschuldigen.
Dass nun die Halswirbel streiken (was in Deinem Alter, ohne Dir zu nahe zu treten, auch viel näher liegt als so eine neuartige Modeverletzung) bedaure ich sehr. Ebenso wie die Tatsache, dass mein Blick in die Zukunft Deine persönliche EM-Geschichte noch viel positiver umrissen hat als die derzeitige Realität. Denn nun wirst Du uns vollends fehlen und der Satz „Schneider feiert kurz vor Schluss sein Comeback“ im Finale bleibt reine Fiktion. Auch der zweite verwandelte Schuss im Elfmeterschießen gegen Griechenland wird Dir damit wohl versagt bleiben.
Deine Karriere in der Nationalelf scheint ein jähes Ende zu nehmen. Du hast das unliebsame Schicksal angenommen, dass Deine neun Jahre andauernde Laufbahn im DFB-Dress in eine gänzlich titellose Zeit fiel (das wäre zuletzt von 1954 bis 1972 möglich gewesen, deshalb: Hut ab!). Kein Nationalspieler hat mehr Länderspiele bestritten (81), ohne jemals einen Pokal in den Händen zu halten. Michael Ballack könnte Dich im ersten Vorrundenspiel der EM zwar überflügeln, aber diesen wenig ruhmvollen Titel auch prompt wieder loswerden, wenn er uns zum EM-Titel führt.
Immerhin kannst Du sagen: „Immer wenn ich getroffen habe, hat Deutschland mindestens acht Tore erzielt“. Nun ja, jemand könnte Dir dann auch entgegnen, dass Deine beiden einzigen Länderspieltreffer den jeweils letzten Treffer in einer torreichen Partie bedeuteten und beide in der 90.Minute fielen (das 8:0 gegen Saudi-Arabien bei der WM 2002 und das 13:0 beim Kantersieg in San Marino 2006). Sie waren also nicht wirklich wichtig oder gar entscheidend. Doch damit täte man Dir unrecht, denn genauso gut verkörpern sie Deinen Kampfgeist und die Tatsache, dass Du nie aufgesteckt hast. Und vielleicht juckt es gerade deswegen nach der EM noch mal und Du kannst im August Deinen offiziellen Abschied à la Jens Nowotny feiern. Zwar ohne großes Brimborium und offizielles Abschiedsspiel von Seiten des DFB, aber dennoch gebührend.
Mach’s gut, Bernd!
Ich
(Foto: wikipedia)
Montag, 28. April 2008
Offener Brief an Bernd Schneider
Eingestellt von Jannik um 23:05
Labels: EM 2008, Nationalmannschaft
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