11 Gründe, warum Jogi Löw nicht an Oliver Neuville vorbeikommt.
Alle zwei Jahre wieder, kommt der Bundestrainer auf die Erde nieder, wo wir Fußballfans sehnsüchtig auf das Aufgebot zur WM oder EM warten. Dieses Jahr ist der kleine Bruder der Weltmeisterschaft im Anflug. Jogi Löw wird sich diesmal nicht auf die Erde nieder begeben, sondern auf fast 3000 Metern morgen gegen halb zwei verkünden, wer mit ins Trainingslager auf Mallorca fliegt. Inzwischen sind sich viele einig: Löw wird morgen nicht nur 23 Namen verlesen, sondern vermutlich erst einmal einen vorläufigen Rumpfkader bekannt geben, bevor er sich am 28. Mai dann endgültig festlegt.
Im Groben und Ganzen ist die Zusammenstellung klar: Lehmann, Lahm, Jansen, Mertesacker, Metzelder, Fritz, A. Friedrich, Ballack, Frings, Hitzlsperger, Schweinsteiger, Rolfes, Klose, Podolski, Gomez und Kuranyi werden – alles andere würde doch sehr überraschen – auf jeden Fall dabei sein. Mit Westermann dürfte in der Abwehr auch zu rechnen sein, weil er wie Arne Friedrich vielseitig einsetzbar ist. Tim Borowski habe ich nach seiner aufsteigenden Form der letzten Wochen ebenso auf der Rechnung wie Piotr Trochowski, der – es sei denn Löw wagt eine Überraschung à la Marko Marin – in der Hinterhand als Mittelfeldwirbler im Aufgebot stehen könnte.
Jermaine Jones wird wohl zuhause bleiben, da Frings, Rolfes und auch Hitlzsperger allesamt auf der „6“ spielen können. David Odonkor spielt als Joker vielleicht noch eine Rolle. Ich bezweifle aber, dass jemals ein schlechterer Spieler zu einem großen Turnier gefahren ist, weshalb der Mann aus Sevilla überall hingehört, nur nicht zur EM. Roberto Hilbert hat nach einer schwachen Saison allenfalls Außenseiterchancen.
Im Tor dürfte Timo Hildebrand die Rolle der Nummer Zwei sicher haben. Ich vermute immer noch, dass Löw René Adler mit einer Nominierung für eine überragende, scheinbar fehlerlose Saison belohnen wird. Damit bliebe also nur noch ein Fragezeichen übrig: Wer fährt als fünfter Stürmer mit?
Eigentlich gebührt dem fünften Mann im Angriff eher eine marginale Rolle. Zumal Gomez, Kuranyi und Klose die besten drei deutschen Torschützen sind, zusammen 43-mal getroffen haben und auch Lukas Podolski mit mehr Einsatzzeit in einem anderen Verein über die Marke von fünf Treffern hinausgekommen wäre. Mit Sicherheit wird – wem auch immer diese Rolle zufällt – der fünfte Stürmer wohl kaum ein Spiel von Beginn an absolvieren. Doch in der Vergangenheit haben Joker in der Nationalmannschaft immer wieder eine entscheidende Rolle gespielt. Wer erinnert sich nicht an Dieter Müller ’76 oder an Oliver Bierhoff ’96?
Für mich führt kein Weg an Oliver Neuville vorbei und hier sind die Gründe.
Der 11-Punkte-Plan für Ollis EM-Nominierung:
1. Olli hat 15 Saisontore in der härtesten Zweiten Liga aller Zeiten erzielt, dazu zehn vorbereitet. Patrick Helmes – um darauf einzugehen, ob ein Zweitligaspieler in den EM-Kader gehört – hat zwar siebzehn Treffer auf seinem Konto, aber nur sechsmal seinen Mitspielern aufgelegt.
2. Ollis Tore sind immer enorm wichtig. Ohne seine Treffer hätte die Borussia elf Punkte weniger auf dem Konto. Zudem hat er achtmal den ersten Treffer der Borussia erzielt. Viermal hat sich kein anderer Borusse außer dem 35-jährigen auf dem Spielberichtsbogen verewigt.
3. Olli mag zwar 35 Jahre auf dem Buckel haben. Doch die sind ihm keineswegs nachteilig auszulegen. Er ist noch immer sprint- und konditionsstark. Vor allen Dingen besitzt er einen unbändigen Willen. Es kann 7:1 stehen – Olli ist nie zufrieden, solange er selbst nicht getroffen hat. Keiner seiner Konkurrenten um den fünften Platz im Sturm hat auch nur annähernd so viele Länderspiele auf dem Konto. Bis jetzt sind es 66, aber wie hat Udo Jürgens einst gesungen? „Mit 66 ist noch lange nicht Schluss“. Hanke, Helmes und Kießling kommen zusammen auf 17 Länderspiele und ein einziges Tor. Olli hat in fast zehn Jahren Nationalelf neunmal getroffen – mehrmals schon waren seine Treffer entscheidend, was uns zu Punkt 4 führt.
4. Ollis 1:0 gegen Polen in der Nachspielzeit ist mittlerweile legendär. Damals rückte nicht nur das Team zusammen, sondern auch der Schulterschluss mit den Fans, dem ganzen Land wurde vollzogen. Schon vier Jahre zuvor hatte Olli kurz vor Schluss bei einer WM getroffen. 2002 schoss er uns gegen Paraguay mit seinem 1:0 ins Viertelfinale.
5. Olli ist ungemein nervenstark. In der laufenden Saison hat er vier von fünf Elfern verwandelt. Vor zwei Jahren beim Sommermärchen schnappte er sich gegen Argentinien als Erster den Ball und versenkte ihn ohne mit der Wimper zu zucken. Solche Leute sind in einem 23er-Kader goldwert.
6. Jogi Löw weiß das zu schätzen, hat ihm immer wieder versichert, dass sein Zweitligadasein seine Chancen auf eine Nominierung nicht mindert. In Kapitän Michael Ballack hat er einen weiteren prominenten Fürsprecher. „Bei Oliver Neuville wissen wir, was wir haben. Er hat bei Turnieren mehrfach bewiesen, dass er uns mit Toren und spielentscheidenden Aktionen helfen kann", sagte Ballack vor ein paar Tagen über seinen alten Kollegen aus Leverkusener Tagen.
7. Als Zeichen für eine Nominierung kann auch die Tatsache gewertet werden, dass Neuville bei den Länderspielen gegen Zypern und Wales Ende letzten Jahres sogar wieder im Kader stand. Im Gegensatz zu Konkurrent Hanke, der damals ebenfalls mit von der Partie war, kam Olli sogar zum Einsatz. Vor der Reise nach Österreich im Februar musste er verletzt passen. Beim Spiel gegen die Schweiz verhinderte das Montagsspiel gegen Aachen die Fahrt nach Basel. Damals war Stefan Kießling – Neuvilles derzeit größter Konkurrent – dabei, wurde trotz des klaren Sieges jedoch nicht eingesetzt.
8. Aufgrund seines ruhigen Wesens wird Olli wortlos seine Rolle bei der EM annehmen, nicht aufmucken, sondern professionell seine Arbeit verrichten. Er kennt die Umstände eines großen Turniers. Für Helmes und Kießling sind die Neuland. Hanke stand 2006 wenigstens im Aufgebot und kam zu einem Kurzeinsatz gegen Portugal.
9. Ein Argument, dass nicht direkt für Olli, sondern eher gegen Kießling und Hanke spricht: Beide leisteten sich diese Saison in der Bundesliga Tätlichkeiten – so etwas kann man bei einer EM nicht gebrauchen.
10. Der schlaksige Gomez, der spielstarke Klose, das Kopfballungeheuer Kuranyi, der schussgewaltige Podolski – einen Typ Kießling, Helmes oder Hanke kann Löw eigentlich mehr brauchen. Alle sind zumindest einem der anderen vier viel zu ähnlich. Ein quirliger, technisch versierter Stürmer mit dem berühmten Auge für den Mitspieler fehlt Löw noch in seiner Sammlung. Olli würde diese Lücke hervorragend ausfüllen.
11. Olli liegt auch in der Gunst der Fans am weitesten vorne. In Umfragen muss er, wenn überhaupt, nur Stefan Kießling den Vortritt lassen.
Donnerstag, 15. Mai 2008
Olli für Deutschland!
Eingestellt von Jannik um 16:31
Labels: EM 2008, Gladbach, Nationalmannschaft
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