Griechenland außerirdisch - nur grüne, spitze Ohren hätten noch mehr Angst und Schrecken verbreitet. Derweil sitzt uns Holland in der Ewigen Tabelle im Nacken und Portugal steht jetzt vor Italien. Derartige Sorgen hätten sie in der Schweiz nur allzu gerne.
Es gibt Mannschaften, die spielen bisweilen wie „vom anderen Stern“ oder gar „galaktisch“. Die Spielweise, die Otto Rehhagels Griechen gestern in Salzburg auf den Platz meißelten, verdient ähnliche Bezeichnungen. Muss ja auch nicht immer schön sein im Weltall – Millionen Jahre alte Steine, keine Luft zum Atmen, arschkalt. Griechenland scheint bei dieser EM das Unterhaching-Syndrom zu erleiden: Beim ersten Mal (obwohl es ihr zweites Mal war) noch überraschend erfolgreich, weil niemand auf eine derart defensive, robuste und eiskalte Mannschaft vorbereitet war. Vier Jahre später ist der Zauber dann vorbei und jeder weiß, dass die Kolosse von Rhodos der Hintermannschaft allein mit viel Geduld zu überwinden sind.
Warum aber Unterhaching? Als Synonym für vermeintliche Chancenlosigkeit sind die im ersten Bundesligajahr auf Platz 10 gelandet – vor Schalke und Dortmund, läppische sechs Punkte hinter den UEFA-Cup-Rängen. Im zweiten Jahr war dann der Fisch gegessen. Die Exoten aus München bekleideten die ihnen zugedachte Rolle, stiegen ab und wurden nie wieder gesehen.
Da die Nationalmannschaften anders als beim Eishockey nicht in A-, B- oder C-Gruppen unterteilt werden, droht den Griechen zwar kein faktischer Abstieg. Das Eis bei solchen Vorhersagen nach einem Spiel ist zwar sehr dünn und ebenso glatt: Doch wenn Otto Rehhagel seinen antiken Fußball nicht bald ins 21. Jahrhundert befördert (die 60er-Jahre wären salopp gesagt auch schon ein Fortschritt), dann wird sich der Gewinner der Europameisterschaft alle vier Jahre beim Betrachten des Pokals fragen, wo eigentlich dieses Griechenland liegt, das da auf dem Sockel eingraviert ist.
Derweil nimmt das Toreschießen ganz unhellenisch Fahrt auf. Nach sechs Toren in den ersten fünf Partien folgten zuletzt 14 in vier – damit stieg der Schnitt von 1,2 Toren pro Spiel nach dem ersten Auftritt Frankreichs auf nunmehr 2,2. Der Wert aus Portugal ’04 würde nicht ganz erreicht, wenn es dabei bliebe (2,48). 2,74 Tore vom Turnier aus den Niederlanden und Belgien scheinen sowieso nicht in Reichweite, während bei den Endrunden in England und Schweden sogar noch weniger Treffer erzielt wurden.
Und so ganz nebenbei gibt es noch einen brisanten Nebenschauplatz: Die Niederlande liegen in der Ewigen EM-Tabelle nur noch sechs Zähler hinter uns. Es geht also um mehr als um den Titel. Portugal ist soeben in der Rangliste an Italien vorbeigezogen und hat die Tschechen bereits am Samstag hinter sich gelassen – derzeit Platz vier hinter Frankreich. Außerdem hat der Gastgeber von 2004 den besten Punkteschnitt, knapp vor Frankreich.
Hollands 3:0 gegen Italien war der sechshöchste EM-Sieg der Geschichte. Gestern ist die Partie bereits einen Rang nach hinten gerutscht, weil Spanien jetzt auf dem Vierten steht, da ein 4:1 höher gewertet wird als ein 3:0. Und irgendwie bin ich mittlerweile schon wieder bei Mathematik angekommen. Also dann: Taschenrechner aus, zurück auf die Couch. und sehen, ob die Schweiz als dritter Gastgeber überhaupt zwei Spiele beim Turnier auf heimischem Boden verliert (Belgien scheiterte in der Vorrunde, Portugal kassierte die zweite Pleite im Finale).
Mittwoch, 11. Juni 2008
EM-Tagebuch (12) -
Die Unterirdischen aus der Antike
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen