Montag, 2. Juni 2008

EM-Tagebuch (5) -
Von Akkuschraubern und Solaranlagen

Wankdorf, Heysel, Olympiastadion, Stadio Olimpico, Wembley – mit den großen Erfolgen der deutschen Nationalmannschaft blieben auch die Namen altehrwürdiger Stadien in Erinnerung. Das Wiener Ernst-Happel-Stadion soll die illustre Reihe erweitern. Ansonsten bieten die acht Arenen der EM in Österreich und der Schweiz viel Blech, wenig Futuristik und trotzdem einige Schmankerl. Die acht EM-Arenen im Überblick.

2x4 lautet die Devise – acht Stadien aufgeteilt auf zwei Länder. Man muss sich schon anstrengen, um die Arenen in Klagenfurt, Salzburg und Innsbruck rein optisch auseinander zu halten. Zumal sich die Kulisse samt Bergpanorama in jeder der drei Städte ungemein ähnelt. Bis auf ein kleines Facelift benötigte das Wiener Finalstadion dafür kaum Veränderungen, um fit für die EM gemacht zu werden. In den drei anderen Spielstädten herrschte dagegen Ideenlosigkeit.

Doch die Stadionbauer aus Österreich hatten es auch nicht einfach. Im Schnitt lockten die zehn Erstligaklubs in der vergangenen Saison 9.546 Fans ins Stadion, macht zusammen ca. 1,7 Millionen Zuschauer. Bayern und Dortmund erreichen diesen Wert fast schon alleine. Was soll eine derart zuschauerarme Liga also mit einer Hand voll riesiger Multifunktionsarenen, die 40.000 oder gar 50.000 Zuschauern fassen? Somit kann man der Alpenrepublik wenigstens bescheinigen, dass sie ökonomisch arbeitet und denkt. Macht auch Sinn, denn vermutlich wird man selbst nicht viel von den schönen Stadien haben, wenn nach der Vorrunde Schluss sein sollte.

Das Trio Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt muss sich mit der sparsamen Rückbauvariante zufrieden geben. Das heißt: Alle drei Arenen wurden zur EM auf 30.000 Plätze aufgerüstet. Nach dem 29.6. (oder im Prinzip schon früher, denn in keiner der drei Städte wird ein Spiel der K.o.-Runde ausgetragen) rücken nicht die Bagger, sondern die Akkuschrauber an. Der Oberrang wird abgetragen und das Dach runterkurbelt (in Klagenfurt ist das wortwörtlich der Fall).

Die Schweiz hat sich da schon etwas mehr Mühe gegeben. Ohnehin schicken die vier EM-Städte der Eidgenossen eine ganze Portion Historie ins Rennen. Auch an der Futuristik wird nicht ganz so gespart wie im Nachbarland. Der Basler St. Jakob-Park ist wohl das interessanteste aller Stadien: steile Ränge wie in England, eine Außenhülle, die schwer an die Allianz-Arena erinnert und dazu Heimat eines großen Traditionsklubs. Kurioserweise beinhaltet die Arena ein Seniorenheim – vielleicht schaut Köbi Kuhn demnächst mal vorbei.

Das Berner Wankdorf-Stadion besticht allein schon mit seinem Namen und seiner damit verbundenen Geschichte – selbst wenn in der neuen Arena nur noch die alte Uhr aus der Spielstätte des WM-Finales 1954 an vergangene Tage erinnert. Die Solaranlage auf dem Dach ist da eher das futuristische Gegenstück zum Nostalgiewert des Neubaus. Auch hier spielt mit den Young Boys Bern ein echter Traditionsklub.

Der Zürcher Letzigrund ist neben dem Wiener Ernst-Happel-Stadion das einzige mit Laufbahn. Das hat auch einen guten Grund, schließlich hat sich wohl kaum ein Stadion der Welt als Weltrekordpflaster in der Leichtathletik solch einen Namen gemacht. Rein architektonisch steckt in dem jüngsten der acht EM-Stadien ein ganzes Stück mehr Raffinesse als in den österreichischen Konkurrenzmodellen. Dank seiner Fluchtlichtmasten hat sich das die Schüssel aus Stahl den Namen „Geburtstagstorte“ verdient.

In Genf spielt derzeit zwar nur ein Zweitligist. Doch das ändert nichts daran, dass das einzige Stadion außerhalb des deutschsprachigen Raumes rein optisch mehr zu bieten hat als die österreichischen Sparvarianten. Dabei sind die aufwendigeren Stadien in der Schweiz im Ligabetrieb ebenso wenig ausgelastet. Knapp 11.000 kommen im Schnitt. Aber Basel, Zürich und Bern beherbergen die drei Vereine mit den meisten Zuschauern in der Schweizer Super League – im Schnitt sehen sich 18.000 Zuschauer die Spiele des FCB, des FCZ und der Young Boys an.

Egal was auch kommt: Nach der zweiten Vorrundenpartie gegen Kroatien im Klagenfurter Wörtherseestadion lässt die deutsche Mannschaft die Stahlrohrtristesse hinter sich und spielt bis zum Endspiel entweder in Wien oder Basel. Allein das dürfte als Anreiz genügen, die Vorrunde zu überstehen. Geprobt hat man in beiden Stadien dieses Jahr bereits – beim 3:0 gegen Österreich in Wien und beim 4:0 in Basel gegen die Schweiz. Hoffentlich ein gutes Omen.

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