Der EM-Beginn nimmt konkrete Konturen an, das Quartier in Ascona ist bezogen. Derweil sorgt Ulli Köhler dafür, dass uns auch wirklich nichts entgeht. Zur Not hält uns eben wikipedia auf dem Laufenden.
Eigentlich jammerschade, dass die Berichterstattung aus dem deutschen EM-Quartier so einseitig vonstatten geht. Wobei „einseitig“ nicht einmal ideologisch gemeint ist, sondern in diesem Fall rein örtlich. Schließlich müssen bei jedem Training geschätzte 500 Journalisten das Gelände belagern. Alle sind dabei; die ARD füttert seine Radioanstalten sogar aus einem eigens umgebauten Linienbus mit brandheißen Neuigkeiten aus Ascona. Für das Imperium Sat.1-ProSieben-N24 steht Allzweckwaffe und Neonleuchte Ulli Köhler am Spielfeldrand.
Wenn man nicht genau wüsste, wie es hinter der Kamera aussieht – also in diesem Fall auf der Gerade der Laufbahn im dortigen Sportzentrum –, könnte man fast von einer beschaulichen Fußballidylle am Lago Maggiore ausgehen. Um kurz nach elf Uhr sieht man die ersten Spieler auf den Platz trotten. Lukas Podolski scherzt mit Müller-Wohlfahrt rum. Ein Quartett aus Hitzlsperger, Friedrich, Mertesacker und Lahm (ich glaub’ die waren’s) trudelt auch langsam ein. Eigentlich sind sie im Quintett unterwegs, aber der werte Herr Köhler scheint nicht die richtige Schublade zu finden, in die er das Gesicht von Simon Rolfes stecken soll. Und so lässt er fünfe buchstäblich mal grade sein.
Jens Lehmann kommt als einer der letzten und sprintet zum Platz, als wolle er der Journalistenschar – die für den Zuschauer unsichtbar irgendwo rumhockt – zeigen, dass seine Pläte nicht mit dem Erreichen des persönlichen Verfallsdatums gleichzusetzen ist. Zur Sicherheit lässt er glatt noch den 16 Jahre jüngeren René Adler stehen.
Ulli Köhler kommentiert das alles wie die Ankunft der Braut bei einer royalen Hochzeit. Und überhaupt wird dieser Aufenthalt in Ascona schon wieder in jede Menge Historienhascherei verwickelt. Die deutsche Mannschaft war kaum eingetroffen, schon wurde der „Geist von Ascona“ in Anlehnung an den namensgebenden Vorgänger aus Spiez anno 1954 heraufbeschworen. Immerhin liegt die Stadt im Tessin schon einmal an einem See. Hier ist es der Lago Maggiore, vor 54 Jahren war es der Thunersee.
Übrigens hat der wikipedia-Artikel über das Örtchen mit gut 5000 Einwohnern bereits Zuwachs bekommen. Neuerdings erfährt man dort nicht nur, dass Ascona einem Opel-Modell seinen Namen verlieh, sondern auch, dass in jenem nunmehr geschichtsträchtigen Ort die deutsche Nationalmannschaft im Vorfeld der EM 2008 „gastierte“. Der Gebrauch des Präteritums macht nicht wirklich Sinn. Vielleicht war dem Autor diese Info einfach doch nicht wichtig genug. Vielleicht hatte er keinen Bock, sich am 30.6. noch einmal an jenen Artikel zu setzen und das verdammte Tempus zu ändern.
Mittwoch, 4. Juni 2008
EM-Tagebuch (7) -
High Noon am Lago Maggiore
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