Freitag, 22. August 2008

Kehrtwende zur Romantik?

Kaum hat der Streit um die Abstellungen von Nationalspielern in Richtung Peking zumindest ein kleines Nickerchen eingelegt, schon meldet sich das Geltungsbedürfnis der FIFA wieder zu Wort. Die Herren können es einfach nicht lassen. Jetzt haben sie der Arithmetik den Kampf angesagt, stürzen sich auf die Unendlichkeit: Rückennummern jenseits der 20 gehören in internationalen Spielen vorerst der Vergangenheit an.
1 bis 18 – mehr geht nicht in Pflichtspielen.

Bezüglich der Spielernamen in Höhe des dritten Brustwirbels äußert die FIFA jedoch gar keine Einwände. Beim DFB laufen die Beflockungsmaschinen demnächst wohl dennoch auf Sparflamme. Für jedes der circa 12-15 Länderspiele einen Trikotsatz bedrucken, das ist dem Verband augenscheinlich zu viel. Wobei es ja keineswegs so ist, dass das Trikot von Marko Marin jedem beliebigen anderen Spieler passt. Und dass in gut zwei Wochen ein Trikot im Einsatz sein wird, das bereits Mittwoch gegen Belgien getragen wurde, das soll mir mal jemand erzählen.

Was die FIFA zu dieser Entscheidung getrieben hat, bleibt weiter offen. Falls der Weltverband nun tatsächlich einen Feldzug in Sachen Dekommerzialisierung starten sollte, frage ich mich jedoch, warum er ausgerechnet bei den Rückennummern ansetzt. Zu den Romantikern wird man in Zürich wohl kaum übergesiedelt sein.

Das Trikot der eigenen Nationalmannschaft samt Rückennummer zu besitzen, kann nicht gerade als Essenz des Fandaseins bezeichnet werden. Doch es gehört für viele einfach dazu wie Bratwurst und Bier. Warum sollte man sich mit der Nationalmannschaft nicht identifizieren dürfen, wie man es seit mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt mit seinem Verein des Vertrauens tut? Schließlich ist die DFB-Elf für viele das Nonplusultra in Sachen Fußball. Nicht jeder läuft samstags um halb vier Amok, weil "sein" Klub in der Bundesliga unterwegs ist.

So ein Trikot ist nicht billig. 85 Euro muss man für ein Exemplar samt Beflockung hinblättern – es gibt Kinder, die dafür einen erheblichen Teil ihres Taschen-, Geburtstags- oder Weihnachtsgeldes opfern. Das ist jetzt keineswegs ein Pochen auf den ominösen Kindereffekt, der ja angeblich das Herz eines jeden erweichen soll. Doch auch die Fankultur besitzt einen Nachwuchsbereich, ob wir wollen oder nicht – die gehören dazu wie Trainingskiebitze und wir selbst. Und die Kinder zu vergraulen, ist nicht unbedingt Priorität.

Möglicherweise wäre mir dieses Thema schnuppe, wenn ich jene Zeit annodazumal erlebt hätte, als Spielernamen auf Trikots so fremd waren wie Elche in der Sahara. Vielleicht würde ich sogar laut „Hurra!“ schreien. Und ich bin ja nicht gerade unromantisch in Sachen Fußball - was Sepp Blatters Hirnsynapsen da wieder angestellt haben, darauf kann ich mir trotzdem keinen Reim bilden. Seine kleinen Brüder vom DFB stellen sich auch keinen Deut besser an.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen