Eine Serie reißt, eine andere hat Bestand. Auch der zweite Spieltag mit dem ersten Auftritt auf fremdem Platz sorgt für wenig Erheiterung. Letztes Jahr noch Leidgenossen im Unterhaus, drei Monate später spielt Hoffenheim scheinbar in einer anderen Liga.
Keine Abiturprüfung hatte das vollbracht, keine Sportstunde bis viertel nach fünf, kein 18. Geburtstag. Und jetzt, nach fast zwei Jahren und 65 Ligaspielen in Folge, sorgte ausgerechnet ein Haufen herumtobender Hunde dafür, dass ich ein Spiel der Borussia erstmals nicht über 90 Minuten verfolgen konnte. Gut, das waghalsig gesetzte Ziel, mit der Schreiberei oder dem Reden über Sport später Geld zu verdienen, sprich Sportjournalist zu werden, sollte man auch nicht außer Acht lassen. Die agilen Vierbeiner auf der Wiese vor der Grundschule im illustren Örtchen Oedt waren da eher Mittel zum Zweck. Aber ausgerechnet Hunde halten mich vom Fußballgucken ab. Ich kann’s noch immer nicht fassen. Wenn ich Hunde wenigstens gut leiden könnte. Doch nicht einmal das ist ja der Fall.
Wie auch immer, die Vierbeiner ließen mich in Ruhe meine „Arbeit“ verrichten. Nicht unklug von ihnen, schließlich ging es ja um ihre Sportart Agility, das Vielseitigkeitsreiten für Hunde – freilich ohne Reiter auf dem Rücken. Seit April bin ich öfter fürs Radio unterwegs, arbeite an einer Sendung mit, die im Bürgerfunk auf Welle Niederrhein läuft. „InForm“ heißt das Magazin der Sportjugend Viersen – erst ein Interview mit Ex-Eisschnellläufer und Olympiateilnehmer Christian Breuer, jetzt innige Gespräche mit und über Hunde, so läuft das Geschäft.
Als ich die nette Dame von der Hundeschule gerade über Kontaktzonenfelder, Spaß an der Freud‘ und Doping im Hundesport ausquetsche, vibriert auch schon das Handy in meiner Hosentasche. Ein paar Fragen und Antworten später bekomme ich dann endlich die Gelegenheit, die frohe oder unter Umständen weniger frohe Botschaft zu lesen: „1 0 Hoffenheim Ibisevic“ schreibt der notariell geprüfte Ergebnisdienst von der Wohnzimmercouch, der mich schon vor zwei Jahren in der Berliner U-Bahn auf dem Laufenden hielt und auch damals wenig Erfreuliches zu vermelden hatte (Gladbach verlor 2:4 in Aachen). Ernüchtert wende ich mich wieder den Hunden zu und nehme noch ein paar Bellgeräusche für die Hintergrundbeschallung des Beitrages auf. Irgendwann haben sich die Fellknäuel dann ausgebellt. Ich mache mich vom Acker, in der Hoffnung, das Grauen von Hoffenheim noch für ein paar Minuten miterleben zu dürfen.
Auf der Heimreise werde ich im Namen der Borussia einmal mehr "kriminell". Mit ein paar Stundenkilometern zu viel auf dem Tacho vorbei an Clörath und Vennheide, die Kühe sind brav und bleiben da, wo sie sind und hingehören. In der 67. Minute betrete ich das Wohnzimmer. Die Stimmung erinnert an Barcelona im Mai 1999, eine Minute nach Abpfiff - und das schon am zweiten Spieltag (zugegeben, der Gladbach-Bezug fehlt, aber warum einfach sagen, dass die Stimmung "gedrückt" ist?). Sheringham heißt Demba Ba, zum Glück stellt er sich vor dem Tor etwas ungeschickt an. Und während vorne trotz Ollis Rückkehr rein gar nichts zusammenläuft, erhält Keeper Heimeroth zahlreiche Gelegenheiten, sein scheinbar doch vorhandenes Können zu zeigen. So oft kann man sich nicht innerhalb weniger Minuten anschießen lassen, so viel Zufall kann und darf es nicht geben – der Mann hat sich seine 2 vom kicker redlich verdient. Der Rest der Truppe schlittert gerade so am Sitzenbleiben vorbei – oder eben auch mitten hinein. Zum Glück werden die Abschlusszeugnisse nicht gleich nach dem ersten Vokabeltest vergeben.
Hoffenheim müsste längst mit drei oder vier Toren führen. Um das sagen zu können, reichen Eindrücke aus 15 Minuten. Gladbach spielt bis zum Ende des Spiels einen einzigen vernünftigen Angriff. Ausgerechnet der feinfüßige Tobias Levels ist daran beteiligt – Ironie pur. Im Prinzip hätte es ausgereicht, nur die Nachspielzeit anzugucken. Sinnbildlicher können drei Minuten kaum sein. Hoffenheim führt jede Ecke kurz aus, die Borussen machen nicht einmal Anstalten, sich nur annähernd in die Klimazone des Balls zu bewegen und die Sekunden verrinnen. Irgendwann sieht Hoffenheim dann ein, dass das so auch keinen Spaß macht und bugsiert den Ball scheinbar unabsichtlich ins Toraus. Es hatte den Anschein, da wäre eine Portion Mitleid im Spiel gewesen. Im Anschluss bekommt Gladbach den Ball noch immer nicht aus der eigenen Hälfte, verliert ihn ein weiteres Mal. Erneut zeigt ein Hoffenheimer seine soziale Ader und läuft ins Abseits. Der fällige Freistoß landet im Seitenaus. Kurz danach ist Spiel aus. Zwischen Ring- und Mittelfinger sehe ich, wie der Schiedsrichter den Spielball einkassiert und fleißig Hände schüttelt. So ganz wollte ich mir die Augen dann doch nicht zuhalten.
Mittlerweile weht mir schon der Wind des Mitleids kräftig ins Gesicht. Wäre Gladbach ein chronisch verhasster Verein, würde die Fußball-Welt mich bereits mit Häme überschütten. Stattdessen heißt es von allen Seiten „40 Punkte braucht ja keiner mehr“ – alles schön und gut, aber bis zum Erreichen der 36 sind es auch noch stolze 36 Punkte. Für Schwarzmalerei ist es dennoch wohl etwas zu früh. Letztes Jahr standen wir nach drei Spieltagen und einem Debakel in Mainz mit einem Fuß in der Dritten Liga. Wir erinnern uns an das Ende. Im Abstiegsjahr war nach sieben Spieltagen und vier Heimsiegen der Europacup so gut wie unter Dach und Fach. Wir erinnern uns an das Ende.
Diese ersten beiden Spieltage sind also ein wahres Exerzierfeld für all die, die verbissen an Omen glauben, besonders an die gute Sorte. Da will ich mich nicht ausschließen. Und wo wir schon bei Omen sind: Gladbach hat im Borussia-Park noch nie gegen Bremen, den nächsten Gegner, verloren, zwei Siege und ein Remis auf dem Konto. Der erste Erfolg war gleichzeitig der erste im Borussia-Park überhaupt. Einer Jahr später dann drehten Broich und Baumann, mit einem Eigentor, eine Bremer Führung. Gladbach startete eine Serie und belegte aufgrund dieser angesammelten Platz zehn. Andernfalls wäre die Borussia wohl schon 2006 abgestiegen. Zu guter Letzt weckte ein 2:2 im März des Abstiegsjahres vage Hoffnungen auf den Klassenerhalt. Nando Rafael traf in der 94. Minute zum Ausgleich (ok, der Torschütze versaut selbst das beste aller Omen).
Doch kein Omen dieser Welt wird uns da unten herausholen. Nur ein schleunigstes Abstellen der haarsträubenden Fehler und vor allem Tore können Abhilfe schaffen. Die zwei Euro fürs Phrasenschwein werden nachgereicht. Derweil hat eine leidige Serie weiterhin Bestand. In Liga Eins ist Gladbach seit sieben Auswärtsspielen ohne Punkt und – noch gravierender – ohne Torerfolg. Eine neue Liga ist wie ein neues Leben? Oberhaus ist nicht mehr Unterhaus? So wird es sein, aber hoffentlich nicht bleiben.
Dienstag, 26. August 2008
Mission 40/2:
Vor die Hunde gegangen
Eingestellt von Jannik um 23:13
Labels: Bundesliga, Gladbach
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