Dienstag, 30. Oktober 2007

Waldis verbale Weißbierdusche

Es ist DFB-Pokal. Festtage für Anhänger des Favoritenscheidens und für die Rollrasenbauern Deutschlands ein Anlass, beim Anblick des Geläufs in Wuppertal oder Rostock den Trauerflor rauszuholen. Letzteres kommt mir auch beim verbalen Spießrutenlauf der ARD-Reporter in den Sinn.

Bernd Schmelzer meldet sich aus München zu Wort. Auf einmal ein Poltern, als wäre der Reporter vom Stuhl gefallen und hätte ein Silbertablett mit Lachshäppchen vom Tisch gerissen. Ein kurzes Stöhnen, ein nicht zu identifizierendes Gemurmel, das einem "aua" gleichkommt und schon ist der ARD-Mann wieder voll bei der Sache.

Alles andere als bei der Sache, aber zumindest dem Anschein nach "voll", war heute Abend dagegen der werte Sportsfreund Waldemar Hartmann. Wie Tarzan an der Liane hangelte er sich mühsam von Satz zu Satz, dem Absturz stets mutig ins Gesicht blickend.
Im Stolperflug berichtete er über die erfolgreiche Nierentrans...plan...tan..tation des Bremers Ivan Kla...Klatschnich. Keine Angst Waldi. Dafür gibt es mit Sicherheit keinen Beifall.

Und Rudi Völler hat vor dem Fernseher sicher mitgegrübelt, wie viele Weißbier diesmal nötig waren, um wie einst nach dem Spiel auf Island "schön locker" auf dem Stuhl zu sitzen.

PS: Is' doch nur Spaß, Waldi. Prost!

723 contra 50000

2011 heißt Deutschland seine neu gewonnenen Freunde aus dem Fußball-Sommer 2006 erneut willkommen. Aber kaum herrscht Gewissheit, wippen die Ersten schon unruhig mit dem Stuhl.

Die Worte „WM 2011“ und „Deutschland“ waren in Zürich kaum zum ersten Mal gemeinsam in einem Satz ausgesprochen, da wurden die ersten Nörgler, Miesmacher, Pessimisten und Konsorten auf den Plan gerufen. Sie sind nicht in der Mehrheit, sie schleichen wie Wildkatzen auf Beutejagd durch die Foren dieser Welt, sie sind einfach da.

Lüneburg, Reutlingen und Wattenscheid – größere Stadien könnten doch bei einem Frauen-Fußballspiel eh nicht gefüllt werden.
Dabei stehen neben „kleineren“ Arenen wie dem neuen Hoffenheimer Spielplatz in Sinsheim unter anderem die Commerzbank-Arena und das Olympiastadion auf dem Plan. Die Frage ist: Wer übernimmt sich hier? Die Fußball-Chauvinisten mit der Bild-Zeitung im Arm oder der Deutsche Fußball-Bund?

Gehen wir die Sache mal so an: Ist in Nürnberg bei der WM 2006 eine Tribüne zusammengebrochen und haben Hooligans wie angekündigt die Leipziger Innenstadt auf links gedreht?
Oder haben wir tatsächlich ein Fußball-Fest der Superlative erlebt, das uns neben friedlichem Miteinander von Menschen aus aller Welt auch einen hervorragenden dritten Platz unserer Nationalelf bescherte?

Die Antworten kennen wir. Und jetzt noch einmal gefragt: Wer übernimmt sich?
Die Pessimisten, die Visionen von Stadien mit einsamen 723 Fans in Angstzustände versetzen?
Oder doch der DFB, der gerne ein „Wiedersehen bei Freunden“ zelebrieren möchte? Und davon träumt, wie Birgit Prinz am Finaltag vor 50000 Zuschauern den WM-Pokal in die Luft reckt und schwarz-rot-goldenes Konfetti den Frankfurter Rasen in ein Farbenmeer verwandelt...

Mannschaft der Stunde (3)

Olympique Lyon: Von April bis Ende August lief es nicht gerade rosig für den französischen Serienmeister. Trotz des sechsten "Championnat" in Folge, verließ Trainer Houllier den Club von der Rhône. Auch unter der Leitung von Alain Perrin lief es zunächst alles andere als rund, doch mittlerweile hat OL sich gefangen. Nach acht Siegen aus den letzten neun Partien in der Ligue 1 ist Lyon standes- gemäß an der Tabellenspitze angekommen und entledigt sich wöchentlich eines weiteren Verfolgers. Und wahrscheinlich wird es am Ende sowieso kommen wie jedes Jahr...Im Mai recken sie wieder den Meisterpokal in die Höhe.

Montag, 29. Oktober 2007

Wie die Faust aufs Auge (3)

"Die Null muss stehen." - Huub Stevens nahm sich mit seinem HSV an diesem äußerst torarmen Wochenende sein eigenes Credo natürlich zu Herzen. Insgesamt hatte die Hälfte der Liga am Ende hinten die Null stehen. Nur zwei Teams erbarmten sich und ließen mehr als einen Treffer zu. Ein Tor weniger und der Minusrekord von 11 Treffern hätte der Vergangenheit angehört. Rekordjagd ist eher auf der anderen Seite erwünscht, liebe Bundesliga!

Zürcher Einsicht

Lange hat es uns nicht gequält, das Rotationsprinzip zwischen den sechs Kontinentalverbänden bei der Vergabe vom Fußball-Weltmeisterschaften. Doch es hat auch so genügt.

Die FIFA hat beschlossen, das erst vor einigen Jahren eingeführte Rotationsprinzip bei der Vergabe von Weltmeisterschaften schon wieder einzuäschern. Das kommt doch glatt einer Abschaffung des Solidaritätszuschlags-Ost gleich. Musste das Exekutiv-Kommittee des Weltverbandes erst „kaiserlichen“ Besuch von unserem Franz bekommen, um einzusehen, dass Klasse und Leidenschaft wichtiger sind als wirtschaftliche und politische Interessen?

In England werden sie laut jubeln und zu Zehntausenden auf der Straße feiern: Die WM 2018 findet definitiv nicht auf Tonga oder Haiti statt. Das „Mutterland des Fußballs“ darf sich ab heute wieder berechtigte Hoffnungen auf seine zweite Austragung eines Fußball-Weltturniers machen.

Sepp Blatter war wohl gesättigt, nachdem „sein“ Südafrika nun endlich eine WM geschenkt bekommen hat und auch die Brasilianer nach 64 Jahren voraussichtlich wieder in den Genuss kommen dürfen.
Und 2011 wird die Entscheidung vielleicht sowieso nicht mehr unter der Obhut des Schweizers gefällt. 2011 findet seine Amtszeit ein Ende. Oder sollte ich sagen: „findet hoffentlich ein Ende“?

Sonntag, 28. Oktober 2007

Fohlengeflüster (5):
Dem Freitag zum Trotz

Erfolg macht Lust auf mehr davon. Ein Erfolg wäre ein miterlebtes Auswärtsspiel. Aber da spielt die DFL bis jetzt nicht mit.
Wie ein Kanadier mir den Freitag gerettet hat.


Am 11.Oktober kamen viele Borussen mit Wut im Bauch von der Arbeit oder ärgerten sich zu Tode beim Blick in den Videotext – die DFL hatte die genauen Anstoßzeiten der Partien bis zur Winterpause bekannt gegeben. „Drei, eins, drei“ war in diesem Fall die magische Kombination für die Borussia, die bei genauerer Betrachtung ihre Magie vollends verlor. Denn sie offenbarte, dass Gladbach bis Weihnachten nur noch einmal am Sonntag, dem eigentlich günstigsten Tag antreten durfte. Wenn es eins gibt, das an dieser zweiten Bundesliga momentan nervt, dann sind es Freitagsspiele um 18 Uhr und Montagsspiele um 20:15 Uhr.

„Nie mehr DSF, nie mehr, nie mehr, nie mehr“ war beim Wiederaufstieg 2001 ein beliebter Gesang der Fans, um dem Unmut über diese verflixten Spiele „unter der Woche“ freien Lauf zu lassen. Dass die Spiele gegen Köln, München und Freiburg viele Zuschauer an die Fernsehgeräte locken und daher äußerst lukrativ sind, ist ja durchaus nachvollziehbar. Was das Aufeinandertreffen mit dem Tabellensiebzehnten Jena jedoch zum Topspiel macht, eher weniger. Klar, am Mittwoch geht es nach München, doch die Jungs von Jos Luhukay dürften auch nach einem Spiel über 120 Minuten in der Lage sein, sonntags anzutreten.

Ein ähnliches Ungetüm sind zweifellos die Partien am Freitag. In der kalten Jahreszeit lassen sie uns zwar häufiger in den Genuss eines allzeit beliebten Flutlichtspiels kommen. Aber so groß ist die Sehnsucht nach künstlicher Scheinwerferbestrahlung nun auch wieder nicht. Und so empfangen wir die Kickers Offenbach am 23.11. im Borussia-Park und dürfen genau eine Woche später nach Wehen-Wiesbaden reisen. Letzteres war bis vor kurzem der letzte Strohhalm für meine Freunde und mich gewesen, in der Hoffnung vor Weihnachten noch ein Auswärtsspiel mitzuerleben. Diese Hoffnung ist allen Sprichwörtern zum Trotz wahrhaftig gestorben.

Doch nach dem Höhenflug der letzten Wochen traut man sich kaum noch, dem Ein-Jahres-Praktikum in der 2.Liga überhaupt etwas Negatives abzugewinnen. Erst Recht nach dem Auftritt in Fürth am Freitagabend – auch wenn der Weg auf die Couch vor dem Fernseher alles andere als stressfrei war.

Ausgerechnet am selben Tag muss mein Auto (obwohl meine Mutter bei der Bezeichnung „mein Auto“ wieder Schweißperlen auf der Stirn bekommen wird) seine wohlverdienten Winterreifen bekommen. Und dann stehen am Nachmittag zu allem Übel zwei Stunden Sport auf dem Stundenplan. Nichts gegen den Sportunterricht, aber wenn Gladbach spielt…
Um 17:15 Uhr fahre ich also vollkommen verschwitzt in Sportsachen mit dem Bus nach Hause, wo ich letztendlich erst fünf Minuten vor Anpfiff eintreffe. Das Duschen kann ich mir Gott sei Dank sparen, da ich um 20 Uhr noch Training habe. Die Zweite Liga macht einen zum Schwein.

Und so sitze ich pünktlich zum Anpfiff in Fürth vor dem Fernseher, die Glückskombo grün-weiß wie immer in den letzten sieben Spielen übergestreift. „Grün-weiß“ steht für das neue grüne Auswärtstrikot mit dem älteren weißen Jever-Trikot darunter. Seitdem ich mich vor dem Spiel gegen Osnabrück dem Motto „doppelt hält besser“ zugewandt habe, hat die Borussia sechs von sieben Spielen gewonnen. Aberglaube eben.

Wie beim letzten Auswärtsspiel in Koblenz – dem furiosen Fünf-Chancen-Fünf-Tore Kantersieg – beginnt Gladbach furios. Rösler legt ab auf die Außenbahn zu Vorlagen-König Ndjeng und dessen haargenaue Hereingabe verwertet Rob Friend zum 1:0. Für den Hünen ist es – und das ist relativ überraschend – der erste Kopfballtreffer im Borussen-Dress. Wobei man das ungewohnte hellblau kaum vereinstypisch nennen kann. Ein Laie hätte wohl auch die Fürther in ihrem schwarz-goldenen Trikots zum 1000-jährigen Stadtjubiläum nicht identifizieren können. Aber die Borussia macht auch nach dem frühen Führungstor keine Anstalten, höflich Geschenke zu verteilen – ganz im Gegenteil.

Ich schiebe gerade eine notdürftige Tiefkühlpizza in den Ofen – für mehr bleibt zwischen Schule und Training keine Zeit –, als aus dem Wohnzimmer ein lauter Torschrei ertönt und mir das Blech fast aus der Hand fällt. Mit Topflappen in den Händen eile ich zurück und sehe wie Rob Friend umringt von Mannschaftskollegen sein zweites Tor bejubelt.
Sascha Rösler hatte diesmal auf links den jungen van den Bergh frei gespielt. Dessen flache Flanke war erst an Friends Fuß gelandet und nach einer kleinen Stippvisite an Neuvilles Rücken zum „Linken“ des Kanadiers zurückgekehrt – das 2:0 danach reine Formsache.

Kaum zu glauben. War das 2:2 gegen Köln tatsächlich nicht mehr als eine kurze Zwischenlandung auf einem nicht enden wollenden Höhenflug? Nach 20 Minuten im Playmobilstadion hat es ganz den Anschein. Der fassungslose Blick klebt an der Ergebnisanzeige oben rechts auf dem Bildschirm.
Die erste Halbzeit verläuft danach vergleichsweise ereignisarm. Fürth probiert, Gladbach kontrolliert.

Erst nach der Pause gestaltet sich die Partie etwas offener. Die Fürther – bis dahin am heimischen Ronhof ungeschlagen und mit erst vier Gegentoren – laufen unentwegt an, meist jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Trotz allem steht die Borussia unter Druck und kommt fast nur bei Kontern zu Chancen. Erst vergibt Rösler freistehend aus 11 Metern. Dann bekommt Friend den Ball von einem Fürther (!) mustergültig in den Lauf gespielt, legt wie Oliver Neuville in Koblenz per Hacke auf van den Bergh ab. Doch anstatt den Ball einfach ins Tor zu schieben, spielt der Youngster zurück auf den mittlerweile im Abseits stehenden Kanadier.

Auch danach dasselbe Bild: Fürth versucht weiter das Spiel zu drehen, Gladbach steht hinten hervorragend und lässt wenig zu. Eine traumhafte Kombination entscheidet acht Minuten vor Schluss letztendlich die Partie.
Levels hat sich an der rechten Außenlinie auf Höhe des Strafraums schon fast festgelaufen, kann aber zurückspielen auf den eingewechselten Discogänger Coulibaly, der weiterleitet zu Marcel Ndjeng. Die 23 der Borussia legt mit dem Rücken zum Tor eine traumhafte Drehung um die halbe Achse hin, indem er den Ball mit der Sohle mitnimmt. Was mehr nach Eiskunstlauf anhört, vollendet der Deutsch-Kameruner mit einer punktgenauen Flanke auf Friend, der sich zum dritten Mal auf dem Spielberichtsbogen verewigt. 3:0 – Gladbach glänzt durch Effizienz, wie sie im Buche steht.
Den abschließenden (verdienten) Anschlusstreffer durch Reisinger beschreibt der „Kollege“ vom „Bolzplatz“ sehr treffend: „Scheißegal, scheißegal, scheißegaaal!“

Vielleicht war der von vielen so bezeichnete Dämpfer gegen Köln gar nicht schlecht für den weiteren Verlauf der Hinrunde. Von einer endlosen Siegesserie und der Jagd nach dem Vereinsrekord spricht derzeit niemand mehr. Erst wenn wieder der sechste Sieg in Serie eingefahren ist, wird wieder laut vom Rekord aus den 80ern geträumt. Bis dahin kann es ganz in Ruhe so weitergehen. Zumindest, wenn es nach mir ginge...

Samstag, 27. Oktober 2007

Fränkische Verwirrung auf griechische Art

Was zeichnet Manfred Kaltz, Per Røntved und Franz Beckenbauer aus?
Sie haben die meisten Eigentore in 44 Jahren Bundesliga erzielt. Angelos Charisteas hat gestern ihre Verfolgung aufgenommen. Und kann nur beten, dass Otto Rehhagel samstags um vier mit Beate Kaffee trinkt.


Da ist man einmal großzügig mit den Lorbeeren und schon macht sich der Eindruck breit, die Bundesliga hätte sich bis heute genügsam auf denselben ausgeruht. Ein torloses Freitagsspiel, elf Tore in sechs Spielen am Samstag – das war mehr als bescheiden. Kurios: Nach einer halben Stunde waren insgesamt erst drei Treffer gefallen, davon zwei Eigentore.

Hierzu ein Eintrag vom Ticker auf Kicker-Online zum 1:0 für Wolfsburg gegen Nürnberg:
„Nach einer eigentlich geklärten Flanke gewinnt Madlung das Kopfballduell und bringt den Ball vors Tor, wo Charisteas unbedrängt über Blazek ins eigene Gehäuse köpft.“
Wer hier als Nürnberger Anhänger nicht ganz im Bilde ist, was die Neuzugänge seines Clubs angeht, könnte beim ungenauen Lesen dieser Nachricht leicht verwirrt werden:
'Mensch, dieser Charisteas. Hätten wir den bloß gekauft. Wie schön der den Blazek überlupft hat. Eiskalt vor dem Tor.'
Äh, Entschuldigung…den Angelos Charisteas habt ihr bereits gekauft. Nur eigentlich für Tore auf der anderen Seite. Der Kopfball ging leider „ins eigene Gehäuse“.

Ironischerweise hat der Grieche dieses Jahr schon leichtere Einschussmöglichkeiten in den Sand gesetzt. Deutschen Arbeitnehmern wird bei solch chronischer Jobflaute heutzutage gerne eine Neuorientierung nahe gelegt. Vielleicht sollte sich auch Charisteas nach Alternativen umschauen. Hierzu der Vorschlag der "Bundesagentur für Arbeit" mit hoher Erfolgsaussicht: Abwehrspieler.

Donnerstag, 25. Oktober 2007

Reifeprüfung

CD-Tipp der Woche für Manuel Neuer: "Steh' auf, wenn Du am Boden bist". Es kann nur besser werden.

Was gibt es Schöneres im Leben, als einen rasanten Höhenflug? Aber sei es bei der Besteigung des Mount Everest, einem Flug nach Mallorca oder an der Börse - irgendwann geht es immer nach unten.
Mit eben jenem Phänomen macht der Schalker Manuel Neuer derzeit Bekanntschaft. Nach dem überraschenden Sprung ins Schalker Tor ist er innerhalb eines Jahres Vizemeister geworden, zum Torhüter der U21 aufgestiegen und in den Kreis der potentiellen Nachfolger von Jens Lehmann gerückt. Seit einigen Wochen führt sein Weg jedoch genau in die entgegensetzte Richtung.

Am Samstag sicherte er sich mit seinem missglückten Abwurf vor die Füße des Rostockers Stein, der den Ball Augenblicke später im Tor von S04 zappeln ließ, schon einmal einen Platz in diversen Saisonrückblicken und Pannenshows. Gestern an der Stamford Bridge beim FC Chelsea sein zweiter Beitrag in der Kategorie "Wenn's ganz Dicke kommt". Malouda schießt aufs Tor und mehr als einen Windzug zwischen den Beinen spürt Neuer nicht - "voll durch die Hosenträger" nennt das der Fußball-Linguist.

Der 22-jährige steht vor seiner ersten Reifeprüfung. Besser gesagt steckt er bereits mittendrin. Und hier hätten wir das zweite Phänomen im Leben eines jeden Menschen, eines jeden Fußballers: "Steh' auf, wenn Du am Boden bist", grölen die Toten Hosen dazu fast jedes Wochenende aus den Lautsprechern eines Bundesliga-Stadions.
Hört sich eigentlich ganz einfach an. Mal abwarten, ob es das auch ist...

Mittwoch, 24. Oktober 2007

Fohlengeflüster (4): Neun Minuten

„Ein Spiel dauert 90 Minuten“. Das ist nicht erst seit der Ära Herberger bekannt. Doch manchmal reduziert sich ein Fußballspiel auf ein paar Minuten, die allein über Gut oder Böse entscheiden und uns trotzdem mit unserem Urteil nach Abpfiff ratlos im Regen stehen lassen.

Gut oder böse? Genau das ist die Frage, die sich nach dem 2:2 der Borussia im Derby gegen den 1.FC Köln stellt. „Gefühlter Sieger“ titelte die Rheinische Post einen Tick zu optimistisch, denn das hieße gleichzeitig, dass der FC als „gefühlter Verlierer“ vom Platz geschlichen wäre – schwer vorzustellen bei einem Punktgewinn in Unterzahl, mit zwei Toren aus zwei Chancen und dem Papst in der Tasche was die Gladbacher Chancenauswertung angeht.

Wer sich während des Spiels in den falschen neun Minuten zum Bierholen begeben hat oder zuhause mit Verdauungsproblemen zu kämpfen hatte, wird die 57. bis 65.Minute nachträglich verfluchen und seine Dauerkarte dem Gras mampfenden Geißbock vorzugsweise zum Fraß vorwerfen. (Der Konsum der Plastikkarte täte dessen Gesundheit gewiss nicht gut und damit wären zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen).
In diesen ominösen neun Minuten war wirklich alles drin, was ein Fußballspiel nur irgendwie interessant machen kann: Vier Tore, ein Platzverweis, jubelnde Fans, die kurz wütend werden und sich Sekunden später schon wieder in den Armen liegen.

Vielleicht sollte man beim Fußball wirklich nicht übers Wetter reden (Béla Réthy bekam unter anderem aus diesem Grund nur 2 von 5 Bällen vom TV-Kritiker der Sport-Bild für seinen Kommentar beim Tschechien-Spiel). Aber der offensichtliche Einzug des Winters mit Temperaturen um den Gefrierpunkt passte zur mauen ersten Halbzeit wie die Faust aufs Auge. Wo war sie geblieben, die Leidenschaft eines Duells von fünf gegen drei Meisterschaften? Wo war sie hin, die Klasse eines Spiels zweier Vereine, deren Etat in der Bundesliga fürs Mittelmaß reichen würde? Das ist zunächst alles andere als erwärmend gewesen.

In Hälfte zwei geht es gleich lebhafter zur Sache. Die Nordkurve singt das beliebte Lied vom brennenden Kölner Dom („Sieben Tage brennt der Kölner Dom…“) bis zur letzten Strophe durch („Und dann gibt es keine Kölner mehr“) und das Stadion kommt gemeinsam mit dem Geschehen auf dem Platz in Wallung. Elf Kölner haben den Brand ihres Wahrzeichens anscheinend überlebt und stellen sich den Gladbacher Angriffsversuchen entgegen.

Nachdem Oliver Neuville einen per Kopf verlängerten Eckball von Marcel Ndjeng dankend ins Tor tippt und den ausverkauften Borussia-Park zum Überlaufen bringt, ist der Herd ganz schnell wieder aus, als Mohamad postwendend den Ausgleich erzielt. Dann werden aus „Elf wackeren Kölnern“ ganz schnell „Zehn kleine Kölnerlein“. Mitreski packt dafür ganz tief in die Trickkiste der Dämlichkeiten. Erst sieht er dunkelgelb fürs Meckern und weil er sich eine Minute lang provokant gegen die Verwarnung wehrt. Anschließend reicht ein nicht gerade brutaler Zupfer gegen Marko Marin, um aus dunkelgelb rot werden zu lassen (die Künstler unter uns wissen, dass das ziemlich schnell gehen kann).

Und damit er seine eigene Dummheit auch wirklich begreift, bekommt er Hunderte Rote Karten vom Publikum entgegengestreckt. Es sind die zweckentfremdeten Kärtchen mit der Aufschrift „Zeig’ Rassismus die Rote Karte“, die jeder Zuschauer vor dem Spiel auf seinem Platz vorgefunden hatte. So kann ein Platzverweis zum politischen Statement werden.
Übrigens sind zu diesem Zeitpunkt erst vier Minuten vergangen seit Neuvilles Führungstor.

Die Gladbacher Fans haben die Rote Karte noch nicht eingepackt und den Traum vom greifbaren Derbysieg in Überzahl nicht ausgedacht, da schießt Ndjeng einen Freistoß in die Kölner Ein-Mann-Mauer. Gladbach spielt in dieser Situation wie beim American Football „Hail Mary“ (auf gut Deutsch: „Alle Mann nach vorn’“), Ndjengs Grätsche kommt zu früh und Patrick Helmes läuft plötzlich alleine auf Heimeroth zu – es steht 1:2.

Hinter mir springt ein Mann mit Gladbach-Schal auf und jubelt – was er schnell bereut. Ein Anderer, dem Aussehen nach zu urteilen Türsteher mit russischen Vorfahren, stürmt auf ihn zu und will dem dreisten Wolf im Schafspelz die Freude schnell wieder vermiesen.
Da kauft sich ein Kölner Fan Karten für die Fankurve und dazu einen Gladbach-Schal? Das nennt man etwas passender einen „Geißbock im Fohlenfell“. Demselben geht es übrigens gut. Die Ordner bewahrten ihn mit beherztem Einsatz vor dem sicheren Abstieg.

Das alles spielt sich ab zwischen der Kölner Führung und dem vorläufigen Schlusspunkt von mitreißenden neun Minuten. Nach einem Freistoß von Ndjeng (der irgendwie den gesamten Abend nichts anderes getrieben hat)landet der Ball vor den Füßen von Filip Daems – erstmal seit Mai 2006 in der Startelf – und der schiebt per Scherenschlag ein zum Ausgleich.

Wer auch immer für dieses verrückte Drehbuch verantwortlich gewesen ist, vergisst anschließend dem Spiel ein Happy End zu verpassen. Gladbach hat zwar über weite Strecken Chancen im Minutentakt, doch irgendwann heißt es auch bei der Elf vom Niederrhein „rien ne va plus“.

2:2 – ist das im innig erwarteten Derby gegen den FC bei „gut“, „böse“ oder irgendwo dazwischen einzuordnen? Nach dieser unglaublichen Siegesserie kommt das Remis eigentlich einer Niederlage gleich, und das auch noch in Überzahl. Aber der Blick auf die Tabelle und die leidenschaftliche Leistung in der zweiten Halbzeit stimmen wieder mehr als positiv. Und somit holen sich die Jungs von Jos Luhukay nach dem Abpfiff verdient den Applaus des Publikums ab und feiern das, was es auf jeden Fall zu feiern gibt: Die Tabellenführung.

Sonntag, 21. Oktober 2007

Nur Mut, nur Mut

Die Abstinenz hat ein Ende, die Bundesliga ist zurück. Und sofort macht sich Ernüchterung breit. Aber der Blick in die Geschichtsbücher macht Mut. Was bleibt da auch anderes übrig?

Zwei Wochen mit viel zu vielen fußballfreien Tagen haben am Wochenende endlich ein Ende gefunden. Vorbei die Tage, an denen uns allein 100000-Mann-Tauziehen, Kürbiskanu und Solarautorennen mit der täglichen Dosis Sport versorgen mussten (alle drei Sportarten gibt es tatsächlich, heute bei der ZDF-Sportreportage gesehen).

Am Freitag ging es los mit einem weniger schmackhaften Schmankerl - Cottbus empfing Duisburg. Köln, Gladbach, Mainz, Aachen und 1860 werden sich anhand solcher Paarungen aufgrund ihres eigenen Zweitligadaseins die Haare raufen.

Gestern Nachmittag eine Konferenz zum Genießen: Der Absturz des Meisters, Kantersiege, ein haarsträubender Torwartfehler und unterm Strich 25 Tore. Die Bundesliga beweist einmal wieder, dass sie in puncto Fernsehgelder zwar bei weitem das Nachsehen hat, es aber die meisten Tore im internationalen Vergleich zu bejubeln gibt. Doch spätestens am Mittwoch werden wieder endlose Tränen vergossen, weil wir in der Champions League meilenweit hinterher laufen - die Kehrseite der Medaille.

An dieser Stelle könnte ich abschweifen und ein ausführliches Plädoyer über die Schönheit der Bundesliga verfassen. Ich fasse mich aber vergleichsweise kurz.

  • Bei uns rollt vielleicht nicht der Rubel wie auf der Insel, aber wir sind immerhin Krösus bei den Zuschauerzahlen.
  • In Deutschland fliegen im Schnitt nur halb so viele Spieler vom Platz wie in Italien oder Spanien - Pardos Rote Karte war erst die 18. Hinausstellung der Saison.
  • Und: Unsere Bundesliga heißt noch immer Bundesliga. Nicht "Crunchips-Spielklasse" oder "Hamburg-Mannheimer-Versicherungen-Meisterschaft". Es gibt Leute, denen ist das Fortbestehen des letzten Punktes ein essentielles Anliegen.

    Bei der Beurteilung des Unterhaltungswertes am Sonntag bleibt mir aus gegebenem Anlass nur die Bewertung "unentschieden". Spielfreudige Karlsruher trennen sich torlos remis von der Schießbude Bielefeld (schon 22 Gegentore). Im Nordderby der grauen Mäuse erzielen Hannover und Wolfsburg vier Tore in einer Hälfte. Die Tore hatte man da doch eher in Karlsruhe auf der Rechnung und den Gurkenkick in der AWD-Arena erwartet. Aber das ist sie eben auch, die Fußball-Bundesliga: Unberechenbar.

    Beim Blick auf die Tabelle juckt es den ein oder anderen inzwischen, vorab ein Glückwunsch-Schreiben nach München zu schicken oder zumindest schon einmal an der exakten Formulierung zu feilen, damit im Mai nur die Briefmarke drauf muss.

    Sechs Punkte Vorsprung, 26 Punkte und jetzt auch noch erfolgreich, ohne geglänzt zu haben. Der Konkurrenz so weit enteilt war ein Verein zum selben Zeitpunkt einer Saison zuletzt 1984 (meine Finger schmerzen übrigens erheblich, weil ich mich in der DFL-Datenbank endlos weit durchklicken musste, um das herauszufinden).
    Und wer war's vor 23 Jahren? Blöde Frage eigentlich. Damals betrug der Abstand des Zweiten sogar neun Punkte und was Mut macht: Am Ende schaukelten die Bayern das Ding "nur" mit sieben Punkten Vorsprung nach Hause.

    Und weil es gerade so schön ist, führen wir die Mutmacherei einfach weiter und stellen fest: 26 Punkte nach 10 Spielen hatte als letztes Team die Frankfurter Eintracht im Jahre 1993 auf dem Konto. Die stürzten am Ende ab auf Rang 5, Meister wurde die Mannschaft, die am 10.Spieltag Rang 6 belegt hatte - der FC Bayern München.
    Und wer steht heute auf dem sechsten Platz und darf sich somit über den Meistertitel 2008 freuen? Hannover 96. Ok, Geschichte muss sich ja nicht immer wiederholen...

  • Wie die Faust aufs Auge (2)

    "Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken." - Lothar Matthäus wusste wie immer Bescheid und hatte den passenden Ratschlag parat. Den sollten sich Bremen, Schalke & Co. zu Herzen nehmen. Denn noch ist längst aller Abende Tag...oder so.

    Mannschaft der Stunde (2)

    Arsenal London: Thierry Henry hat sich nach 174 Toren in acht Jahren London im Sommer verabschiedet, sein Landsmann Arsène Wenger, seit 1996 als Trainer am Spielfeldrand, blieb den "Gunners" weiterhin treu. Und jetzt eilt Arsenal auf jeder Hochzeit - egal ob in Champions League, Premier League oder Pokal - von Sieg zu Sieg und steht ungeschlagen an der Tabellenspitze. Von der enormen Verjüngungskur merkt man nur auf dem Spielberichtsbogen etwas. Auf dem Platz spielen die Jungs von Wenger wie alte Hasen.

    Samstag, 20. Oktober 2007

    Wie die Faust aufs Auge (1)

    "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß." - Andreas Brehmes tiefgründige Analyse des chronischen Unglücks. Genau das treibt derzeit am Lauterer Betzenberg sein Unwesen: Erst gibt es aus 10 Spielen nur einen Sieg, dann gestern das I-Tüpfelchen auf einem seuchenhaften Saisonstart - Torwart Florian Fromlowitz fällt mit einem Kreuzbandriss womöglich bis zum Saisonende aus.

    Donnerstag, 18. Oktober 2007

    Blumen nach Prag

    Die Skala reicht von Gleichgültigkeit bis Weltuntergangsstimmung. Ein Versuch, den gestrigen Auftritt der deutschen Nationalmannschaft dort einzuordnen.

    Eins steht fest: Um eine Danksagung samt Blumenstrauß in Richtung Tschechien wird Jogi Löw kaum herumkommen. Der Europameister von 1976 hat die deutsche Mannschaft mit einer beherzten und äußerst effektiven Leistung jäh auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
    Der Bundestrainer darf sich über den Weckruf, der signalisiert, dass noch längst nicht alles Gold ist, was glänzt, durchaus freuen. Und so stellte er durchaus zurecht fest, dass das Spiel genau das aufgezeigt habe, was er schon des Öfteren betont hatte: „Manche Dinge sind doch noch nicht so gut“, wie sie zuletzt gemacht worden sind.
    Im März 2006 gab es ein ähnliches Spiel, das damals bei einer ganzen Fußball-Nation die Alarmglocken erklingen ließ: Das blamable 1:4 gegen Italien, in den Geschichtsbüchern unter „Fiasko von Florenz“ zu finden. Im folgenden Märchensommer bekamen die Italiener im Gegenzug doch glatt den WM-Titel „geschenkt“ und Deutschland wurde WM-Dritter. Letzteres ist zweifelsohne eher ein gutes Omen.

    Die Welt geht von der deftigen 0:3-Schlappe in München keineswegs unter. Auch wenn die Art und Weise, wie die Löw-Elf sich über 90 Minuten präsentiert hat, doch sehr an „alte Zeiten“ erinnerte. Ein einfaches „Mund abputzen und weiter“ wie nach dem Irland-Spiel wird diesmal jedoch nicht genügen, um die Partie aufzuarbeiten. Per Mertesacker, der sich mit Christoph Metzelder diesmal ungewohnte Aussetzer leistete, fing schon einmal mit der Aufarbeitung an und resümierte, dass man eben seine Lehren aus solch einem Spiel ziehen müsse. Nüchtern, freundlich, eloquent und intelligent – diesen Mertesacker kann man sich glatt als Bundestrainer 2026 vorstellen.

    Das hat mit der Niederlage gegen Tschechien aber nichts zutun. „Zu tun“ gibt es in Hinblick auf die EM aber mit Sicherheit ein paar Dinge. Vielleicht steht die deutsche Nationalmannschaft nicht gerade vor existentiellen Problemen, der Feinschliff steht jedoch definitiv noch aus. Und wenn Hammer und Meißel geschwungen werden, um eine Truppe zu formen, die letztendlich das Zeug zum Europameister hat, kann Jogi Löw bestimmt wieder auf eine Hand voll Stammspieler zurückgreifen, die in den letzten Spielen nicht zur Verfügung standen.

    Desweiteren stellt sich eine andere Frage: War es jetzt eigentlich in Ordnung, dass die erste unterirdische Vorstellung in der Löw-Ära, nach Monaten auf der Welle der Euphorie, sofort mit Pfiffen vom Münchener Publikum bedacht worden ist? Auf der Tribüne – mit 40 oder 50 € weniger auf dem Konto – fühlt man sich schnell dazu hingerissen. Denn der geneigte Fan auf den Zuschauerrängen war in London, in Cardiff und in Prag wohl nicht dabei und ist enttäuscht, dass ausgerechnet er diese ach so schlimme „Schmach“(O-Ton Béla Réthy) miterleben muss. Da macht sich kopfschüttelndes Verständnis breit.
    Für die einzige richtige „Schmach“ hat der ZDF-Kommentator gestern übrigens selbst gesorgt, indem er dem deutschen Spiel dieses Prädikat verlieh. Da ist jemand auf der oben angesprochenen Skala etwas weit in Richtung „Weltuntergangsstimmung“ gerutscht – sei noch einmal verziehen.

    Eine Vereinsmannschaft hätte bereits am kommenden Wochenende Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Löws Jungs müssen sich da noch bis zum 17.November gedulden. Dem ist sowohl Negatives, als auch etwas Positives abzugewinnen: Gescholten wird dadurch ein wenig länger, aber in vier Wochen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Da haben sich die Wogen fast vollständig geglättet, alle schauen mit Vorfreude auf die nächsten Spiele und selbst der pfeifende Fan wird wieder dabei sein – zumindest vor dem Fernseher.
    Wenn es gegen Zypern wieder rund läuft, sei der gestrige Ausrutscher verziehen. Und spätestens dann wird auch der Blumenstrauß auf die Reise nach Prag geschickt…

    Mannschaft der Stunde (1)

    Liechtenstein: Nein, hier liegt kein Irrtum vor. Wenn man Erwartungshaltung und gebrachte Leistung abwägt, hat der Zwergstaat eine überragende EM-Qualifikation gespielt. Gestern der bisherige Höhepunkt: Ein 3:0 Kantersieg gegen Island. Liechtenstein ist die "Nummer eins der Zwerge" und hat 7 Punkte auf dem Konto. Der Lohn: Ein Höhenflug auf Platz 142 der Fifa-Weltrangliste - Surinam im Nacken, den Jemen im Visier. Und noch 57 bis Österreich. Aber die haben ja auch mal wieder gewonnen...

    Mittwoch, 17. Oktober 2007

    Freud' und Leid des virtuellen Teamchefs

    Man könnte meinen, die Vielfalt der Managerspiele, bei denen der Fan von nebenan via PC den Größen der Bundesliga nacheifern kann, wachse unaufhaltsam. Kicker, Sport-Bild, Comunio & Co. - da liegen Freud' und Leid oft eng beisammen. Wer in einer Tippgemeinschaft den Propheten spielt, kann ein Lied davon singen.

    "Oh nein, heute is ja Freitag. Ich muss meine Mannschaft noch aufstellen."
    "Hilfe, ich hab' noch gar nicht meine Tipps abgegeben."
    "Endlich! Der Transfermarkt ist wieder offen."

    Von wem könnten diese Aussagen stammen? Etwa von Hans Meyer, Ante S. aus B. und Felix Magath? Falsch. Sie könnten inzwischen von Ihrem Nachbarn, Ihrem Arbeitskollegen, Ihrem Mannschaftskollegen, schlichtweg von jedem stammen. Denn von Managerspielen, Tippspielen und anderen Bundesliga-Simulationen wimmelt es neuerdings nur so im Netz und an den deutschen Arbeitsplätzen. Während früher der "Kicker" mit seinem Managerspiel die Rolle des Pioniers auf unberührtem Terrain genießen durfte, nehmen die Möglichkeiten für den Fan von nebenan, seinen Traineridolen interaktiv nachzueifern, Jahr für Jahr zu.

    Kicker, Sport-Bild, Rheinische Post, Comunio - überall glühen kurz vor Spieltagsbeginn die Köpfe der interaktiven Manager.
    'Kluge für De Jong? Kluge - der hat zuletzt öfter getroffen. Pander oder Jansen? Pander - der ist mit seinen Brandfackel-Flanken immer gefährlich' - ähnlich sehen die Gedanken wohl bei jedem Mitspieler aus, dem freitags über der Aufstellung fürs Wochenende der Kopf qualmt. Und am Ende läuft es doch eh immer anders, als man es sich ausgemalt hat.

    Beim Voraussagen der Ergebnisse in Tippgemeinschaften offenbart sich indes ein Phänomen. Denn wer hat meistens die Nase vorn bei Wettbewerben dieser Art? Die Verkäuferin aus der Gartenabteilung, die eigentlich an Fußball-Legasthenie leidet. Und nicht die selbst ernannte Fußball-Datenbank aus der Baustoffabteilung, die mit ihrem Fachwissen und der Routine von 23 Jahren mit Dauerkarte, glaubt, sie könne die Resultate ohnehin ausrechnen.
    'In Frankfurt? Ach, da haben die 4 der letzten 6 Spiele gewonnen. Im Schnitt mit 1,8 Toren, aber nie zu null. Klar, da tippe ich 3:1.'
    Wie geht es dann aus? Auf jeden Fall nicht 3:1, sondern mit Sicherheit 1:2 (das hat die Gartenabteilungs-Frau nämlich getippt, weil '1:2 doch ganz oft kommt'). So ist das Leben.

    Was für Leute es fertig bringen, beim Kicker-Managerspiel mit dem zur Verfügung stehenden Budget eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen, die jedes Wochenende konstant 80 Punkte einfährt (und das ist ziemlich gut), ist mir jedes Jahr ein Rätsel. Bei Spielen dieser Art geht nämlich nichts ohne prophetische Veranlagung. Wer soll auch ahnen, dass Spieler A, der 5 Millionen gekostet hat, sich bald das Kreuzband reißt und Spieler B aus Burkina Faso, der ablösefrei von Dnjepr Dnjepropetrowsk kam, wie Phönix aus der Asche 20 Tore schießt?
    Zudem ist man dann noch zusätzlich auf die Laune mehrerer Sportredaktionen angewiesen. Warum es für den einen Spieler ausschließlich die Note 2 regnet, während der andere trotz ordentlicher Leistung mit der Note "ausreichend" bedacht wird, bleibt da oft schleierhaft. Und man fragt sich, ob die Herren wirklich dasselbe Spiel gesehen haben. Bei der Ausgabe der "Sport-Bild" setzt sich die Note unter anderem aus der Wertung der "BamS" zusammen. Und wer legt sein Manager-Schicksal schon gerne in deren Hände?

    Und so kommt es von Zeit zu Zeit vor, dass ein Bremer aufspringt, weil der HSV getroffen hat und im nächsten Moment wieder verschämt aufs Sofa sinkt. Oder ein Dortmunder jubelt in der Kneipe über ein Schalker Tor und findet sich einen Augenblick später im Epizentrum eines Handgemenges wieder. Wenn es um drei Punkte für ein richtig getipptes Ergebnis geht, dann ruht auch ab und zu die ärgste Rivalität - zumindest für ein paar Sekunden.
    Gewissenskonflikte dieser Art sind bei den Managerspielen ganz einfach auszuschalten: Spieler vom großen Rivalen ignorieren, schon darf sich weiterhin über deren Misserfolge gefreut werden.
    Dass meine Mannschaft beim "Kicker" vollkommen FC-Bayern-freie Zone ist und bei der Zweitligaversion keine Kölner zu finden sind, ist übrigens Zufall. Manchmal wirkt die Abneigung eben ganz intuitiv. Obwohl ich mich über einen Klose oder einen Toni im Nachhinein nicht beschweren würde - bei deren Punkteausbeute...

    Dienstag, 16. Oktober 2007

    Radikale Fußball-Rasur und Entzugserscheinungen

    "Let the good times roll". Oder besser: "Let the ball roll", wie auch immer. Hauptsache er rollt. Denn dann haben wir auf jeden Fall "good times". Auch ohne Sportschau?

    25 - in Worten fünfundzwanzig - Tage in Folge rollte vom 14.September bis zum 8.Oktober tagein, tagaus der Ball, entweder in der Bundesliga, in der 2.Bundesliga, in der Champions League oder im Uefa-Cup. Danke dafür, Rahmenterminkalender der FIFA, UEFA und DFL! Unglaublich das solch ein Monstrum von Wort solche Wonne bringen konnte. Doch wer reißt uns immer wieder jäh aus dem Glück des non-stop Fußballs? Unsere Nationalmannschaft. Irgendwie auch nachvollziehbar. Berlin, Dublin (Länderspiel), Berlin, Bremen (Bundesliga), Athen (Champions League), München (Länderspiel), Bremen - wäre zum Beispiel für Per Mertesacker zugegebenermaßen ein etwas zu straffes Programm in 14 Tagen.

    Heute diente die U21 mit ihrem 3:0 Pflichterfolg gegen Moldawien wenigstens schon einmal als Warmmacher für das morgige Highlight in zwei (fast) fußballlosen Wochen, die ausschließlich gespickt sind mit eben diesen Highlights (wobei sich über dieses Prädikat streiten lässt, was das Spiel gegen Irland angeht). Oder stecken ARD und ZDF etwa dahinter? Denn so lechzt morgen Abend jeder Fan nach der Live-Übertragung des Tschechien-Spiels. Dosierter Entzug zur Quotenbeschaffung?

    Bald könnte die Nationalelf schließlich der letzte Fußball-Mohikaner bei den öffentlich-rechtlichen sein. Wenn (Go)Leo Kirch und Premiere die "Sportschau" um 18:30 wegrasieren wie Norbert Siegmann einst Ewald Lienen, dann verschwindet eine Koryphäe der Bundesliga-Berichterstattung von der Bühne.

    Neulich habe ich eine Aussage von einem Fan gelesen, der sagte, wer ein leidenschaftlicher Anhänger sei, der habe sowieso Premiere und brauche die "Sportschau" nicht. Und was ist mit den Verrückten, die gerne die Konferenz auf Premiere einschalten, dabei Radio hören, dann "Sportschau" gucken und später noch das "Sportstudio" nachlegen? Ok, zumindest alle zwei Wochen. Denn alle 14 Tage steht solch ein Verrückter wohl selbst in der Kurve und singt seinen Klub zum Sieg... Aber das ist ein anderes Thema.

    Montag, 15. Oktober 2007

    Mund abputzen...

    ...und auf Mittwoch freuen. Muss es denn neuerdings immer Hurra-Fußball sein?
    Da scheiden sich die Geister. Aber: Es sei nur erinnert an gar nicht so alte Zeiten.


    Sonntagmorgen, 10:58 Uhr. Perfekte Zeit zum Aufwachen. Schnell zur Fernbedienung gegriffen, nach dem weniger unterhaltsamen, aber sportlich effektiven Länderspielabend muss man sich schließlich einmal umhören, was die Experten im „Doppelpass“ zu sagen haben.

    Im „Kempinski Airport-Hotel München“ (die Wiederholung dieses Namens nimmt circa zwanzig Minuten der Sendezeit ein) haben sich Béla Réthy, Herr Smentek vom Kicker, Herr Wenig von der BamS, Hansi Müller und Udo Lattek versammelt. Der Tenor zum deutschen Auftritt in Dublin: „Auch der zweite Anzug kommt vom Designer“ (O-Ton Béla Réthy), es muss nicht immer schön sein, sondern erfolgreich und Top-Favorit auf den EM-Titel ist die Löw-Elf sowieso noch lange nicht.

    Kann ich alles soweit unterschreiben, auch wenn der Designer nicht unbedingt Hugo Boss hieß und wir zwar nicht Top-, aber doch zumindest Favorit sind. Wer den Pokal zum vierten Mal holen will, die beste Mannschaft in der Quali stellt und nur einmal in 15 Monaten verloren hat, wäre gänzlich verrückt sich an dieser Stelle zufrieden zu geben.

    Wer erinnert sich nicht an Rudi Völlers Wutausbruch nach dem mehr als mauen 0:0 auf Island? Oder an zwei Last-Minute-Treffer auf den Färöer-Inseln? Oder an die beiden Relegationsspiele gegen die Ukraine 2001? Auf dem Weg zur zehnten Teilnahme an einer EM-Endrunde hat sich die Nationalmannschaft diesmal souveräner präsentiert und als erstes Team das Ticket für die Schweiz und Österreich gebucht. Nach den neuesten Entwicklungen wissen Letztere ja wohl selbst nicht einmal, ob sie dabei sein werden bzw. wollen. Deutschland ist sozusagen erst der zweite „sichere“ Teilnehmer.

    Wie immer scheiden sich nun die Geister – egal ob Netzer, Vater oder Metzger, jeder hat eine andere Meinung. Waren die Iren nun kämpferisch weltklasse? War die deutsche Mannschaft offensiv unterirdisch? Ist die fixe Qualifikation das primäre Ziel gewesen?

    Der Pessimist könnte unken: Wenn nicht bald die stärkste, gesunde Elf zusammen spielt, wird das nichts. Zypern, San Marino, Wales, Slowakei, Irland – das war doch „pipifax“. Haben wir schon gegen Italien, Frankreich oder Spanien gespielt? Die haben uns weiterhin etwas voraus.

    Der Berufsoptimist freut sich: Klasse, drei Spiele Vorsprung in Sachen Planungssicherheit gegenüber dem Rest von Europa. 31:4 Tore, keine Niederlage, was will ich mehr? Italien und Frankreich – die „Großen“ wissen im Gegensatz zu uns noch nicht einmal, ob sie den Juni 2008 überhaupt in den Alpen verbringen. Und die Engländer, die haben wir in Wembley mit einer D-Elf gestoppt.

    Der Realist hält fest: Schön, endlich einmal souverän durch eine Quali gekommen. Es war oft toll, manchmal weniger und ab und zu reichte auch ein Minimalaufwand. Gewonnen ist noch gar nichts, aber gewonnen werden kann eine ganze Menge. Von 31 Toren haben wir 19 gegen San Marino erzielt – das muss uns trotzdem erst jemand nachmachen. Also – wach bleiben, dran bleiben und mit vollem Einsatz den EM-Titel ins Auge nehmen.

    „1, 2 oder 3 – letzte Chance vorbei.“

    Ich positioniere mich optimistisch auf dem zweiten Feld. Und ob ich „wirklich richtig steh’“, das sehe ich, das sehen wir, spätestens am 29.Juni 2008, wenn im Wiener Ernst-Happel-Stadion das EM-Finale über die Bühne geht und bei der Siegerehrung der Rasen im Konfettiregen versinkt. Hoffen wir, dass es schwarz-rot-goldene Schnipsel regnen wird…

    Die ganz nahe Zukunft heißt Tschechien. Und vor 66000 in der Allianz-Arena will man sich als Qualifikations-Europameister wohl keine Blöße geben, oder? Mittwoch, 20:45, wird es nochmals ernst.

    Montag, 8. Oktober 2007

    Fohlengeflüster (3): Sonntagsfreuden

    Freitag, Sonntag oder Montag? Was gefällt dem Zweitliga-Fan eigentlich am besten? Oder besser gesagt, was gefällt ihm weniger schlecht?
    Ganz ehrlich: Samstag wäre doch am schönsten…


    „Pro 15:30“ hieß vor einigen Jahren eine Faninitiative, die sich für die traditionelle Austragung der Bundesliga-Spiele am Samstagnachmittag um halb vier stark machte und Reformpläne strikt ablehnte. Inzwischen heißt die Initiative allgemeiner „Pro Fans“ und kümmert sich um das Allgemeinwohl der Anhänger. Ihre Bemühungen um freundliche Anstoßzeiten schlugen nämlich halbwegs fehl. Der Ball rollt mittlerweile von Freitag bis Sonntag, in Liga Zwei sogar noch am Montag. Das wurmt besonders den Zweitliga-Fan. Warum?

    Freitag 18:00: Auch wenn das Wochenende vor der Tür steht, sitzen viele bei der Arbeit fest, Auswärtsfahrten ohne Urlaub schier unmöglich.
    Sonntag 14:00: Eigentlich ganz passabel.
    Montag 20:15: Trotz Flutlichtspektakel ein Horror für jeden Fan, der mit seinem Klub im Unterhaus festsitzt. Selbst bei Heimspielen wird es knapp und nach Aue und zurück kommt man auch nur mit zwei freien Tagen.

    Aber was gefällt den Spielern eigentlich am besten?

    Gladbach bestritt freitags bisher drei Spiele. Zwei Siege, eine Schlappe in Mainz stehen an diesem Wochentag zu Buche. Sonntags ein Erfolg gegen Osnabrück und ein mageres Unentschieden gegen Hoffenheim. Am Montag gab es in Kaiserslautern einen Punkt, dazu den Auswärtssieg in Aue. Macht an jedem Tag im Schnitt zwei Punkte pro Spiel. Der Renner war bisher der Dienstag: 3:0 in St.Pauli, Englische Woche olé! Also war es den Borussen bisher ziemlich schnuppe, wann, wo und wie – am Ende standen zuletzt ja sowieso immer drei Punkte.

    Am 9.Spieltag gab es eine neue Konstellation für Borussia Mönchengladbach zu bewältigen. Nach den Aufsteigern Hoffenheim und Osnabrück als Gegner im eigenen Stadion, mussten die Männer von Jos Luhukay am heiligen Sonntag erstmals in die Ferne reisen – 150 Kilometer rheinaufwärts ans Deutsche Eck nach Koblenz.

    Eigentlich hätte ich dabei sein sollen bzw. wollen im Stadion Oberwerth. Alles war ausgetüftelt – am Samstag mit fünf Freunden anreisen, einen schönen Abend an Rhein und Mosel verbringen, nachts im Hotel (sprich, Jugendherberge) schlafen und dann am nächsten Tag die Borussia zum Sieg antreiben. Denkste! Fünfzehntausend finden im schnuckeligen Stadion der Koblenzer Platz, macht 1500 Karten für die Gästemannschaft. Inhaber der Auswärtsdauerkarten bekommen sowieso ein Ticket, dann sind zuerst die Mitglieder an der Reihe mit ihrem Vorverkaufsrecht und da keiner von uns Zugriff auf eine dieser Optionen hatte, hieß es hinten anstellen – erfolglos. Morgens um 10 Uhr gingen die Restkarten in den Verkauf und wo sitzt man um diese Zeit als angehender Abiturient? Richtig…

    Dabei hatten sich zwei meiner Freunde nach einer kleinen Anekdote geschworen, in Koblenz mit von der Partie zu sein.
    Es war der 13.Mai 2006, die beiden befinden sich im Sonderzug zum Auswärtsspiel nach Frankfurt. Köln ist bereits abgestiegen und kurz vor der Durchfahrt am Hauptbahnhof der Domstadt geht die Nachricht um, dass der illustre Verein Tus Koblenz den Aufstieg von der Regionalliga in die Zweite Bundesliga geschafft hat. Schadenfroh singt der gesamte Zug bei der Fahrt durch Köln standesgemäß: „Ihr könnt nach Koblenz fahr’n, ihr könnt nach Koblenz fahr’n…“
    Wie sagt man so schön? Hochmut kommt vor dem Fall?

    Siebzehn Monate später endet auch die Gladbacher Busfahrt gen Süden etwas früher als sonst. Frankfurt, Stuttgart – Vergangenheit. Koblenz heißt die Gegenwart. Ein Klub mit mehr Potential als der Name verlauten lässt. Trotzdem kommen mir bei Koblenz im Zusammenhang mit Fußball prompt große Namen wie Meppen, Burghausen und Wehen in den Kopf.
    Das Ergebnis des Spiels erweckt ausgerechnet den Anschein, dass diese Einordnung gar nicht so falsch war. Doch der Schein trügt. 5:0 – das kann nur ein Kantersieg gewesen sein. War es aber nicht.

    Selbst wenn es nach 70 Sekunden 1:0 steht, selbst wenn es mit einem 2:0 in die Halbzeit geht. Bis eine Viertelstunde vor dem Ende ähnelt das Spiel den Auftritten der Borussia in den letzten fünf Partien: Ein vermeintlich sicherer Vorsprung, der dem genauen Betrachter lange Zeit gar nicht so sicher vorkommt. Koblenz hat Chancen. Gladbach kaum, ist aber trotzdem vorne.
    Dann senst Bajic den Gladbacher Ndjeng, erneuter Vorbereiter beim ersten Tor nach einer Ecke, an der Eckfahne um. Schiri Perl zückt Rot. Sekunden später taucht der Koblenzer Bogavac frei wie Frank Mill vor dem Tor auf, doch er macht es dem Synonym für Nervenversagen gleich und schiebt den Ball neben das Gehäuse, das mit 18 Quadratmetern immerhin größer ist als mein Zimmer.

    Dann entscheiden Friend und Rösler in einer Minute die Partie. Koblenz kann nach dem Platzverweis nicht mehr wechseln, die Borussia hat leichtes Spiel und kontert nach Belieben. Kurz vor Schluss setzt Nando Rafael – mit nun drei Saisontoren bei nur 106 Minuten Einsatzzeit ein Wunder an Effektivität – dem Spiel noch das berühmte I-Tüpfelchen auf und erhöht auf 5:0.
    Langsam wird es unheimlich! Nur Freiburg kann der Borussia den Platz an der Sonne noch mit einem ähnlich hohen Sieg in Aachen streitig machen. Und der Sonntag mausert sich zudem zum Gladbacher Geheimtipp – dritter Sieg im vierten Spiel.

    Der sechste Sieg in Folge, Tabellenführung, 21 Saisontore (nur 23 im letzten Jahr) – jetzt fehlt nur noch ein Derbysieg gegen den FC und das schwarz-weiß-grüne Glück kennt keine Grenzen mehr. Aber genau den Kölschen verfehlten Sinn für die Realität wollen wir ja nicht nachahmen, oder? Also lassen wir es sein, lehnen uns zwei Wochen zurück und schauen auf die Wand. Warum auf die Wand?
    Da hängt die aktuelle Tabelle - eingerahmt...

    Dienstag, 2. Oktober 2007

    Lehmanns Erben - Wer folgt im deutschen Tor?

    Im Juli will Jens Lehmann seinen Schlusspunkt unter das Kapitel Nationalmannschaft setzen. Doch wer tritt in seine Fußstapfen? Sieben Kandidaten einmal unter die Lupe genommen.


    Seit Monaten ist es schon ein heiß diskutiertes Thema: Wer tritt nach der EM 2008 die Nachfolge von Jens Lehmann im deutschen Tor an?
    Die Nationalteams dieser Welt beneiden den DFB inzwischen für sein riesiges Angebot an Klasse-Torhütern. Die Engländer würden das Wembley-Tor annullieren, um einen aus der langen Liste einbürgern zu können. Die konkreten Chancen von sieben Fußballern habe ich aus diesem Anlass einmal unter die Lupe genommen.
    Mit dabei sind René Adler, Manuel Neuer, Michael Rensing, Timo Hildebrand, Tim Wiese, Robert Enke und Roman Weidenfeller. Irgendwo musste ja ein Strich gezogen werden – deswegen tauchen Leute wie Markus Pröll oder Markus Miller erst gar nicht hier auf, obwohl sie ebenfalls jedes Wochenende mit klasse Leistungen in der Bundesliga auf sich aufmerksam machen.
    Torwart der Nationalelf, das ist nicht irgendein Amt, sondern ein Schritt in große Fußstapfen von deutschen Weltklasse-Keepern in der Historie. Doch wer ist reif dafür, das Erbe von Turek, Maier, Schumacher, Kahn & Co. nach der EM im nächsten Sommer anzutreten?

    René Adler:
    So traurig es auch damals für ihn gelaufen sein mag, eigentlich müsste man sich im Nachhinein mit einem Blumenstrauß bei Jörg Butt für seinen Fauxpas bedanken. Am 21.Spieltag der vergangenen Saison stürmte er aus seinem Tor, kam mit der Hand an den Ball und sah die Rote Karte. Das abrupte Ende für den Ex-Hamburger bei Bayer nach 150 Spielen in Serie – der Weg war frei für René Adler.
    Der sahnte in seinen ersten drei Partien nur Bestnoten ab und blieb im Leverkusener Tor - bis zum 34.Spieltag, als Butt seine Abschiedsvorstellung geschenkt bekam.
    Schon im Sommer 2005 hatte Adler, mit 15 Jahren aus Leipzig nach Leverkusen gekommen, durch überragende Leistungen bei der U20-WM in den Niederlanden auf sich aufmerksam gemacht. Es folgte eine lange Verletzungsmisere, acht Monate musste Adler aufgrund einer Rippenverletzung pausieren. Gerade rechtzeitig wurde er fit, um die Gunst der Stunde zu nutzen und sich mit seinen Paraden den Platz im Bayer-Tor zu schnappen.
    Super Reflexe, gut am Ball, immer voll konzentriert – so kennt man René Adler mittlerweile. Fehler leistet er sich kaum und mit 22 Jahren darf der 1,89-Mann in dieser Saison erneut international Erfahrung sammeln. Wenn er von weiteren Verletzungen verschont bleibt und sich mit der Hilfe seines Mentors und Torwarttrainers Rüdiger Vollborn, bei dem er insgesamt vier Jahre wohnte, weiter so rasant entwickelt, gehört Adler zwangsläufig zu den Top-Kandidaten für die Nachfolge von Jens Lehmann.
    Seine Zukunft im Verein ist schon einmal gesichert: Bis 2012 hat er am Wochenende seinen Vertrag beim UEFA-Cup-Sieger von 1988 verlängert.

    Manuel Neuer:
    Ähnlich wie Adler katapultierte sich im letzten Herbst ein weiterer Youngster ins Tor eines Top-Klubs. Manuel Neuer ist Schalker seit der F-Jugend und seitdem er Frank Rost aus dem Kasten verdrängt hat, hält er seinen Arbeitsplatz mit Bravour sauber. Ausgerechnet vor dem Spiel gegen den FC Bayern hatte Mirko Slomka den damals 20-jährigen zum Stammkeeper befördert.
    Schalke hatte gemeinsam mit Nürnberg die beste Abwehr der letzten Saison, auch ein Verdienst des 1,92 m großen Spielers. In der Nachwuchsmannschaft des DFB darf er inzwischen ebenfalls sein Können unter Beweis stellen, dazu Champions League und die Einladung zum Fitnesscheck der A-Nationalmannschft – Neuer wird überall gebraucht und geschätzt. Mit seiner guten Technik und seiner schnellen Spieleröffnung repräsentiert der Schalker den Torwart der Zukunft, der nicht nur auf der Linie mit seinen Reflexen zur Stelle sein muss, sondern immer mehr zu einem 11. Feldspieler wird. Gegen Bielefeld konnte er so ein Tor vorbereiten, gegen die Hertha leitete er mit einem Abwurf bis über die Mittellinie die Szene ein, die zum Sieg bringenden Elfmeter führte.
    Manchen ist er etwas zu lieb, aber vielleicht muss man ja auch nicht in Olli Kahn-Manier durch den Strafraum wüten, um sich Respekt zu verschaffen. Mit seinen 21 Jahren gehört Neuer sicherlich die Zukunft und wenn der Sprung ins Tor der Nationalmannschaft 2008 noch zu früh kommen sollte, kann er sicherlich noch ein wenig warten.

    Michael Rensing:
    Gospodarek, Scheuer, Wessels – alle verließ irgendwann die Geduld als Ersatztorhüter des FC Bayern, alle suchten ihr Glück mit der Zeit woanders. Michael Rensing ist erst 23, doch auch er wartet seit mittlerweile drei Jahren auf den endgültigen Sprung ins Tor des Rekordmeisters. Im Sommer will Oliver Kahn die Schuhe an den Nagel hängen, bis dahin muss sich der Mann mit 18 Einsätzen für die U21 voraussichtlich noch gedulden.
    Dabei hätte Ottmar Hitzefeld allen Grund, in jedem Spiel auf Rensing zurückzugreifen: 16 Pflichtspiele hat der in Bundesliga und Champions League für den FCB bestritten, 16-mal ging der Rekordmeister nicht als Verlierer vom Platz.
    Am Samstag durfte er sich wieder einmal beweisen, ausgerechnet beim Spitzenspiel in Leverkusen. Rensing spielte zu null und kassierte vom „kicker“ prompt eine 1,5. Nun sieht es so aus, als könnten wir ihn in den nächsten Wochen häufiger bewundern: Kahn muss operiert werden und fällt erst einmal aus.
    Manager Uli Hoeneß sieht den 23-jährigen nicht nur bald im Tor des FC Bayern, sondern sagte auch: „Rensing wird Nachfolger von Jens Lehmann.“ Für ihn kämen sowieso nur „Adler, Neuer und Rensing“ in Frage. Klare Ansage von Hoeneß, die der Torwart so kommentierte: „Bis jetzt hatte Uli Hoeneß immer Recht.“ Auch diesmal könnte es so sein, nur muss es Rensing jetzt gelingen, über Wochen Topleistungen zu zeigen. Denn Konstanz haben Lehmanns Erben alle schon an den Tag gelegt, in dieser Hinsicht hinkt Rensing etwas hinterher.
    Doch wer so jung Stammtorwart in München werden kann, schwingt sich automatisch auf zum Kandidaten für die „1“ mit dem Adler auf der Brust.

    Timo Hildebrand:
    28 Jahre, 221 Bundesliga-Spiele, 6 A-Länderspiele: Die Zahlen scheinen derzeit mehr für Timo Hildebrand zu sprechen, als die Realität. Im Sommer hat er den Schritt ins Ausland zum FC Valencia gewagt und kämpft nun vorerst dort um einen dauerhaften Platz im Tor. Ein Nationalkeeper ohne Stammplatz, das sieht schlecht aus. Doch Hildebrand will sich durchbeißen.
    Zweimal durfte er bisher die unliebsame Rolle des dritten Torwarts bei einem großen Turnier bekleiden, Einsätze gab es sonst meist nur in Freundschaftsspielen. Rumänien, Thailand, Argentinien, Georgien, Zypern, Rumänien – die Liste von Hildebrands Länderspielgegnern liest sich bis auf die „Albiceleste“ nicht gerade rosig. Nur einmal stand dabei die „Null“. Gegen Georgien und Zypern musste sich der Ex-Stuttgarter Kritik gefallen lassen.
    So kennt man ihn: Solide, mit guten Paraden, aber oft auch nicht mehr, selten überragend. Zudem wirkte er sowohl in er Nationalmannschaft, als auch bei seinen ersten Auftritten in Valencia nervös. Nicht so in der letzten Saison als er zu den Garanten für den Meisterschaftsgewinn des VfB gehörte.
    Viele können sich den blonden Mädchenschwarm nicht dauerhaft im Tor des DFB vorstellen, ihm selbst gefällt die Vorstellung jedoch sehr. Der hagere und wenig robust wirkende Keeper wird es jedoch schwer haben gegen die jüngere Konkurrenz – ohnehin gilt es für ihn erst einmal, das Tor des FC Valencia zu erobern, erst dann wird die Nummer eins in der Nationalmannschaft ein ernsthaftes Thema für ihn. Aber Hildebrand hat die Unterstützung von Joachim Löw sicher – ein Plus für ihn.

    Tim Wiese:
    Seit fast sechs Jahren hechtet Tim Wiese schon durch die Strafräume der Bundesliga, oft hat er es nicht leicht gehabt. Zwei Kreuzbandrisse, erst nur Nummer zwei in Bremen und dann sein gravierender Fauxpas in der Champions League gegen Juve, der das Aus für Werder bedeutete. Nun ist er topfit, hat seine Konstanz gefunden und die Fehler der Vergangenheit abgestellt. Der Anruf von Jogi Löw lässt jedoch weiter auf sich warten. Jüngst hat das Wiese zu der Aussage veranlasst, für ihn sei das „Kapitel Nationalelf unter Löw abgehakt“. Dass Hildebrand und Enke permanent vom DFB eingeladen werden, dafür hat der extrovertierte Ex-Lauterer kein Verständnis.
    Wiese sagt seine Meinung, Wiese hält viel von sich selbst, das gesunde Selbstbewusstsein muss ja nicht schlecht sein. Von den sieben Kandidaten für Jens Lehmanns Nachfolge gehört er am ehesten dem Typus eines Oliver Kahn an. Er selbst sieht sich ebenfalls nicht als den „stromlinienförmigen“ Typen à la Lehmann, Enke, Hildebrand. Und der Torwart-Titan persönlich hat dem Bremer Torwart vor kurzem seine Rückendeckung gegeben.
    Auch auf internationaler Bühne hat Wiese sein Können mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt, war fast alleine mit seinen Paraden für Werders Weiterkommen gegen Ajax verantwortlich. Jetzt fordert er, dass dies mehr Anerkennung findet.
    Wenn die Fehler weiterhin ausbleiben und er ein hohes Niveau dauerhaft halten kann, ist der Stammplatz im deutschen Tor für Tim Wiese durchaus drin.

    Robert Enke:
    Die Profi-Karriere des Jenaers stand zu Beginn eigentlich unter keinem guten Stern. Gladbachs Torwart-Legende Uwe Kamps hatte sich schwer verletzt, Enke wurde als 21-jähriger zum Stammkeeper befördert. Die Saison 1998/99 war ausgerechnet die Abstiegssaison der Borussia, 79-mal musste Enke hinter sich greifen, doch jene Spielzeit wurde für den Keeper von Hannover 96 gleichzeitig zum Sprungbrett für höhere Aufgaben.
    Es folgte der Wechsel ins Ausland zu Benfica Lissabon, weiter ging es zum illustren FC Barcelona, wo er nur einmal in der Liga im Tor stand, von dort zu Fenerbahce, von wo ihn der Weg über Teneriffa schließlich nach Hannover führte. Bei 96 besticht er seit 2004 durch konstant gute Leistungen, die ihn im März dieses Jahres zu seinem ersten Länderspiel gegen Dänemark brachten.
    Aber ein Nationaltorwart von der – Entschuldigung – relativ grauen Maus Hannover 96? Viele werden sich wohl kaum mit einem Torwart, der weder bei einem Topklub, noch international spielt, anfreunden können. Zudem hat Enke mit 30 Jahren seinen Zenit erreicht. Den wird er noch ein wenig halten können, aber schon jetzt stehen deutlich jüngere Torhüter mit ihm auf Augenhöhe. Enke ist zweifellos ein klasse Torwart, aber dauerhaft gehört ihm sicherlich nicht die Zukunft beim DFB.

    Roman Weidenfeller:
    Arge Schaffenskrisen müssen nicht nur große Künstler bewältigen, auch Roman Weidenfeller kennt das Gefühl, wenn gerade nichts gelingen will. Erst muss er sich in den ersten beiden Saisonspielen sieben Gegentore einschenken lassen, dann die Sperre wegen Beleidigung von Gerald Asamoah, Rassismus-Vorwürfe, und als er nach drei Spielen – die der BVB allesamt zu Null gewann – ins Tor der schwarz-gelben zurückkehrt, geht die Misere weiter.
    Zuletzt folgten drei Niederlagen in der Englischen Woche. Sechzehn Gegentreffer in fünf Spielen sind eine traurige Bilanz für den Keeper, der 2002 aus Kaiserslautern kam. Mit einem Notenschnitt von 3,8 findet er sich momentan ganz unten wieder in der Rangliste der Bundesliga-Torhüter. Weidenfeller steht dennoch in dieser Liste der möglichen Nachfolger, weil er schon anderweitig auf sich aufmerksam gemacht hat.
    In der Spielzeit 2005/06 war er nach Angaben des Kicker-Sportmagazins sogar der beste seines Fachs. Kein Wunder, dass sein Name immer wieder auftaucht, wenn es um die potentiellen Nachfolger von Jens Lehmann geht. Momentan hat Weidenfeller mit Sicherheit andere Sorgen. Mit 27 Jahren ist er auch lange kein Nachwuchstalent mehr. Diese Rolle haben inzwischen andere übernommen. Ein Kandidat fürs DFB-Tor bleibt er, wohl nur kein allzu heißer mehr.

    Fazit:
    Der Torwart ist längst nicht mehr nur der Mann mit der „1“ auf dem Rücken, der irgendwie versuchen soll, Gegentore zu verhindern. Heutzutage muss er neben Reflexen auf der Linie und Sicherheit beim Hinauslaufen auch fußballerisches Können an den Tag legen und die Spieleröffnung selbst einleiten können. Ruhepol, Mann mit Ausstrahlung, Führungsspieler – die Anforderungen sind besonders an den designierten Nachfolger von Jens Lehmann hoch. Mit ihrem enormen Talent haben René Adler und Manuel Neuer sicherlich langfristig die besten Chancen. 2008 könnten für sie höchstens zu früh kommen.
    Tim Wiese ist der berüchtigte „Typ“, der seine Abwehr eher lautstark zusammenhält. Seine Fähigkeiten sind unumstritten sehr groß, wenn er sein Temperament unter Kontrolle hält, sind seine Chancen trotz des verbalen Ausrutschers gegenüber dem Bundestrainer hoch.
    Michael Rensing ist der große Unbekannte in der Runde. Die nächsten Wochen könnten für seine Zukunft eine Schlüsselrolle spielen. Überzeugt er, steht er ab 2008 im Tor des FC Bayern, und wer da als junger Deutscher mit 23 Jahren stehen darf, gehört automatisch zu den aussichtsreichen Kandidaten für Jogi Löw.
    Der scheint indes große Stücke auf seinen schwäbischen „Landsmann“ Timo Hildebrand zu halten. Hildebrand ist zweifelsohne ein klasse Torhüter, aber ist er wirklich der richtige für den DFB?
    Die geringsten Chancen sehe ich derzeit für Robert Enke und Roman Weidenfeller. Beiden fehlt die nötige internationale Erfahrung und im Gegensatz zu den Youngstern das nötige Entwicklungspotenzial. In ein paar Jahren werden die Jungen bei deren rasanter Entwicklung rasant an den Beiden vorbeiziehen.
    Deshalb ergibt sich für mich diese Reihenfolge:
    1a. Adler
    1b. Neuer
    3. Wiese
    4a. Rensing
    4b. Hildebrand
    6. Enke
    7. Weidenfeller

    Montag, 1. Oktober 2007

    Fohlengeflüster (2):
    Goldener September

    Busse, die nicht kommen. Türen, die sich nicht öffnen lassen. Aachener, die es noch einmal spannend machen. Wen kümmert’s, wenn am Ende die Raute auf Platz eins steht?

    Mönchengladbach Hauptbahnhof, 20:47 Uhr. Der fünfte Sieg in Serie, das 2:1 gegen Alemania Aachen ist seit einer Stunde perfekt. Auf Gleis 4 warten noch um die 200 Fans in schwarz-weiß-grün, die den Zug zehn Minuten zuvor verpasst haben.
    Der Sonderzug fährt ein, eine Waggontür kommt genau vor meiner Nase zum Stehen – nachdem ich zuvor am Stadion zwanzig Minuten auf einen Bus warten musste, kommt das Glück ganz gelegen. Den unhandlichen Türhebel runtergedrückt – nichts. Noch einmal gedrückt – wieder nichts. Im Fenster fällt mir ein gelb-schwarzer (wie passend) Aushang ins Auge. „Türoffner defekt“. Na super, soviel zum „Glück mit der Bahn“. Die macht jedoch alles sofort wieder gut. Durch die nächste Tür stolpere ich mit meinen Eltern und meinem Bruder gleich in die 1.Klasse – bei Fußball-Sonderzügen ist das Fahren mit der Bahn ein vollkommen klassenloses Vergnügen.
    „Wenn schon nicht 1.Liga, dann wenigstens 1.Klasse“, denke ich mir, als ich nach mitreißenden und am Ende wieder viel zu spannenden 90 Minuten in meinen Sitz falle. Obwohl ich sagen muss: Diese Zweite Liga gefällt mir von Spiel zu Spiel immer besser…

    Nach fünfzehn Minuten fallen wir vor Freude fast vom Ober- in den Unterrang, so sehr nimmt die Borussia den Rivalen aus Aachen auseinander.
    Friend hämmert den Ball nach starkem Zusammenspiel von Marin und Voigt bereits in der achten Minute an die Latte. Wenn er den Ball sauber trifft, steht es 1:0. Dann legt Ndjeng sich den Ball an der linken Strafraumecke zurecht. Per Hereingabe hatte er schon fünfmal einen Treffer aufgelegt. Wie immer bahnt sich der Ball mit viel Schnitt seinen Weg in den Strafraum, findet jedoch keinen Abnehmer und…denkt sich: „Dann lande ich doch einfach im Tor!“

    50.000 sind aus dem Häuschen, die englische Woche geht blendend weiter. Kurz danach hat Marin, der für van den Bergh in die Mannschaft gerückt war, viel Platz auf links, spielt den Ball in den freien Raum zu Friend und der macht es diesmal besser. Mit rechts den Ball schön über den herauseilenden Straub gelupft, ich bin mir schon sicher, dass der drüber geht, doch dann fällt der Ball ins Netz – 2:0!
    Keiner kann es so richtig glauben, eine Viertelstunde erst vorbei und schon scheinbar unaufhaltsam in Front. Fünf Reihen weiter unten signalisiert mir mein Vater mit seinen Fingern: Noch drei! Dann müsste ich mit meinem Bruder zu McDonalds, denn der hatte einfach mal kühn auf einen Kantersieg gewettet.

    Rösler kann ein paar Minuten danach auf 3:0 erhöhen, aber das wäre nun wirklich zuviel des Guten gewesen. Aachen lässt in der ersten Hälfte alles vermissen, was man nur annähernd braucht, um auswärts etwas reißen zu können und kann froh sein, dass er zur Pause nur 2:0 steht.

    Polanski kommt für den gelb-rot gefährdeten Svärd. Nach einer Stunde nimmt Luhukay den starken, aber auch oft zu eigensinnigen Youngster Marin vom Platz und bringt Johannes van den Bergh, der den Altersschnitt mit seinen 20 Lenzen nur unmerklich anhebt.
    In der 64.Minute kommt es zur berühmten Duplizität der Ereignisse, wobei „Quadruplizität“ (falls es das überhaupt gibt) es besser trifft. Wie gegen Osnabrück, Aue und Augsburg lässt die Borussia den Gegner bei eigener 2:0 Führung wieder ins Spiel kommen. Wie aus dem Nichts ist Kolev mit dem Kopf zur Stelle und markiert den Anschlusstreffer. Zwanzig Sekunden lang herrscht Totenstille im Borussia-Park, aber dann bricht es wieder aus den 50.000 heraus. „Vau-Eff-Ell, Vau-Eff-Ell“ versuchen sie die Mannschaft wieder nach vorne zu peitschen.

    Nach dem überraschenden Treffer der Aachener wankt die Borussia nur kurz und fällt nicht zu Boden. Krontiris hat den zwar Ausgleich auf dem Fuß, aber am Ende schaukelt Gladbach den fünften Sieg in Folge nach Hause. Der „Goldene September“ ist perfekt!
    Sascha Rösler (manno man, ich wusste gar nicht, dass der solch ein Organ hat) stimmt mit der Nordkurve die Humba an, zum ersten Mal in dieser Saison, zum ersten Mal seit dem Last-Minute-Remis gegen Bremen im Februar (ja, so verzweifelt waren wir damals, dass wir nach einem Unentschieden auf der Tribüne rumgehüpft sind). Auf der Video-Leinwand erscheint die Tabelle, die Borussia steht ganz oben. „Spitzenreiter, Spitzenreiter“ wird angestimmt. Das gab es zuletzt vor genau einem Jahr, damals grüßte man nach dem Sieg gegen Dortmund von oben. Was danach kam, ist bekannt. An eine andere Tabellenführung aus dem August 1998 kann ich mich auch noch sehr gut erinnern. Nach dem 3:0 gegen Schalke zum Auftakt folgte: der Abstieg. Ich will ja jetzt unken…

    Dass minutenlang kein Bus zum Bahnhof kommt und dass ich meinen Bruder die ganze Zeit in der Manier eines Kreisläufers beim Handball frei sperren muss, damit er von der wartenden Masse nicht erdrückt wird, macht mir dank dieser unfassbaren Siegesserie auch nichts mehr aus.

    Ich habe eingangs gesagt, die Zweite Liga gefalle mir von Spiel zu Spiel immer besser…stimmt auch, aber ehrlich gesagt, will ich nächsten Mai schon gerne wieder aufsteigen. Das ist wie Urlaub: Sehr schön und erholsam, aber lange bleibt man trotzdem nie...