Donnerstag, 29. November 2007

Mit einem Funkeln in den Augen

Nicht nur der DFB-Pokal hat seine eigenen Gesetze. Auch im Europacup läuft nicht immer alles so, wie man es vorher erwartet. Werder Bremen hat gestern einen weiteren bemerkenswerten Abend hinzugefügt zu den Sensationssiegen, Aufholjagden und Favoritenstürzen, die den Europapokal zu einem der liebsten Kinder eines jeden Fußballfans gemacht haben.

Das Bremer Weserstadion hat schon einige große Europacup-Nächte erlebt. Nächte, an die man sich immer wieder gerne erinnert und seine Erinnerungen meist mit den Worten „Weißt Du noch, als…?“ beginnt. Dabei leuchten die Augen, dabei schlägt das Fußballherz höher.
1987 geht Werder zunächst mit 1:4 bei Spartak Moskau unter, um dann mit einem fulminanten 6:2 nach Verlängerung doch noch das Ticket für die nächste Runde zu buchen. In der darauf folgenden Saison ist das Aus im Cup der Landesmeister nach dem 0:3 beim BFC Dynamo schon so gut wie besiegelt, bevor die Berliner im Weserstadion mit 5:0 abserviert werden.
1993 gelingt es der Elf von „König Otto“ ein weiteres Mal, nach einem drei Tore Rückstand noch die Wende zu schaffen – diesmal jedoch innerhalb von nur 90 Minuten. Werder liegt zwanzig Minuten vor Schluss mit 0:3 gegen den RSC Anderlecht zurück. Am Ende verzeichnet die Anzeigetafel ein 5:3. Ein „stinknormales“ Vorrundenspiel in der Champions League schreibt Geschichte.
Sechs Jahre später reißen Bode, Herzog, Baumann und Pizarro ein 0:3 aus dem Hinspiel bei Olympique Lyon herum und erreichen mit ihrer Mannschaft sensationell die nächste Runde. Die vier „Wunder von der Weser“ nehmen einen würdigen Platz in der Geschichte des Europacups ein.

Gestern Abend vollbrachte die Schaaf-Elf zwar kein echtes Wunder. Aber der 3:2-Sieg gegen die „Königlichen“, gegen die einst „Galaktischen“ aus Madrid wird dennoch im Gedächtnis haften bleiben. Es war eine dieser Nächte, für die wir den Europacup lieben. Ein Wechselbad der Gefühle mit fünf Toren, Tempofußball über die gesamte Distanz und einem Bremer Sieg, der am Ende nicht einmal hoch genug ausgefallen ist. Und vielleicht war es gerade so schön, weil beide Teams nicht fehlerlos blieben, sich kein Duell lieferten, das an Ballett erinnerte, sondern permanent den Platz auf und ab ackerten und Fehlpässe en masse fabrizierten.
Vor allen Dingen signalisiert der unerwartete, aber keineswegs sensationelle Erfolg von Werder, dass "Geld" nicht automatisch gegen "Teamgeist" die Nase vorn hat und die Bundesliga sich einfach nicht verstecken muss, sondern sich die Misserfolge in letzter Zeit häufig selbst einbrockt hat.

In zwei Wochen kämpfen sowohl Werder Bremen als auch Schalke 04 in alles entscheidenden Endspielen um den Einzug ins Achtelfinale. Womit vor ein paar Wochen eigentlich niemand mehr gerechnet hätte. Die Gegner heißen dann nicht mehr Real, Chelsea oder Valencia, sondern Piräus und Trondheim. Genau wie der DFB-Pokal hat auch der Europacup seine eigenen Gesetze. Um deren Gunst auf ihre Seite zu ziehen, müssen die beiden nun ganz einfach auf ihre Einstellung zählen und das abrufen, was sie können. Dann wird diese Champions-League-Saison doch noch ein unerwartetes Happy End erhalten. Und wenn nicht, können wir wenigstens mit einem Funkeln in den Augen an den gestrigen Abend zurückdenken – an das 3:2 von Werder Bremen gegen Real Madrid.

PS: Es gibt ein kleines Jubiläum zu feiern - dies ist der 50. Post auf entscheidend-is-aufm-platz.de

Mittwoch, 28. November 2007

España? No, gracias!

Ciprian Marica trumpft groß auf. Doch seine Fußballkarriere dürfte geografisch begrenzt sein. Trikots mit der Aufschrift „Marica“ wären nicht so der Renner in Spanien.

Ciprian Marica hat keine einfache Zeit hinter sich. Denn wer zwölf Spiele für sein erstes Tor braucht und gleichzeitig die Vereinskasse um sieben Millionen Euro erleichtert hat, dem schwirrt schnell der Ruf des Fehleinkaufs um die Ohren. Auch wenn man erst 22 ist. Überhaupt sollten die Vereine sich neuerdings gut überlegen, welchen Neueinkauf sie zum „teuersten der Vereinsgeschichte“ aufsteigen lassen. Federico Insúa beispielsweise stieg erst mit Gladbach ab und floh dann nach Mexiko. Carlos Alberto hat bisher weder richtig gespielt bei Werder, selbst bei eigens angezettelten Schlägereien im Training fehlt die Durchschlagskraft.

Doch spätestens gestern hat sich der junge Rumäne Marica vorerst aus dieser Riege verabschiedet. Er scheint endlich angekommen zu sein beim VfB Stuttgart. Nach Toren in der Nationalmannschaft und der Bundesliga letzte Woche steuerte er gestern den Siegtreffer zum 3:2 der Schwaben gegen die Glasgow Rangers bei – und wie!
Magnin flankt aus dem Halbfeld, Marica empfängt die halbhohe Hereingabe mit dem Rücken zum Tor. Und dann? Hacke hoch, Augen zu und den Ball per Pferdetritt ins Tor befördern. Was auch sonst?

Der Junge kann jedoch so gut spielen, wie er will, der Weg nach Spanien wird ihm mit großer Sicherheit verschlossen bleiben. Seine Trikots würden dort nur selten über den Ladentisch gehen und Kommentatoren hätten andauernd Beschwerbebriefe über ihre Ausdrucksweise auf dem Tisch liegen. Denn „marica“ ist in Spanien ein vulgärer Ausdruck für Homosexuelle. Das Wörterbuch bietet "warmer Bruder" als Übersetzung an. Und ohne despektierlich zu sein: Seine spanischen Teamkollegen hätten so jede Menge Spaß im Training. Marica nicht.

Montag, 26. November 2007

Fohlengeflüster (9):
Rituelle Machenschaften

Fußball ist ein Tagesgeschäft. Da verändern sich die Vorzeichen beinahe im Minutentakt. Ähnliches bekommt man täglich zu hören, wenn Trainer-Koryphäen einen baldigen Erfolg heraufbeschwören oder eben zur Vorsicht ermahnen, weil es gerade einfach zu gut läuft. Ein Zitat meiner Wenigkeit, das ich im April von mir gelassen habe, hat seinen Sinn inzwischen zum Beispiel vollkommen auf links gedreht. Fußball ist eben ein Tagesgeschäft.

Auf regnerische Tage folgen sonnige, auf sonnige folgen wieder regnerische. Irgendwann geht es immer zurück in die entgegensetzte Richtung – manchmal schneller, manchmal langsamer. Monate des sportlichen Erfolges können da ganze Weltbilder auf den Kopf stellen und Aussagen, die vor einiger Zeit noch Gültigkeit besaßen, drehen ihre Bedeutung plötzlich auf links.
Im April dieses Jahres verleitete mich die Misere der Borussia, später mit dem qualvollen Abstieg gekrönt, zu folgender Behauptung über mein damaliges fußballerisches Empfinden: „Länderspiele und der Gladbacher Bundesliga-Alltag sind wie Telenovelas und die Tagesschau – erst bekommt man eine heile Welt vorgespielt und wird dann abrupt in die oft so grausame Realität zurückgeholt.“
Die deutsche Nationalmannschaft hatte gerade ihr bestes Spiel unter Jogi Löw gezeigt und Tschechien mit 2:1 in Prag besiegt. Gladbach schlitterte zeitgleich unaufhaltsam dem Abstieg entgegen. Fast acht Monate später bricht sich die DFB-Elf gegen Wales den ein oder anderen Zacken aus der Krone, während das andere Objekt der fußballerischen Begierde seit 94 Tagen in der Zweiten Bundesliga unbezwungen ist und diese inzwischen souverän anführt.
Dementsprechend kann ein maues 0:0 wie das gegen die Westbriten vergleichsweise nüchtern weggesteckt werden. Schließlich öffnete der Borussia-Park 43 Stunden nach der Offenbarung von Frankfurt schon wieder seine Pforten. Und die Schadenfreude über die englischen Trottel – egal ob mit oder ohne Schirm – entschädigte ohnehin für die Hälfte aller Fehlpässe gegen kampfesmutige Waliser.

Mit den Kickers Offenbach versucht das drittschwächste Auswärtsteam des Unterhauses, der Gladbacher Serie von zehn Punktspielen ohne Niederlage ein Ende zu bereiten. Da kann man als Gladbacher Fan aus eigener schmerzvoller Erfahrung eigentlich nur mitfühlen. Trotzdem findet der ungebrochene Optimismus gerade in der Offenbacher Auswärtsflaute eine weitere Quelle.
Obwohl einer baldigen Niederlage wenigstens eine klitzekleine positive Sache abzugewinnen wäre: Die beiden Glückstrikots, die mein krankhafter Aberglaube seit drei Monaten von der Waschmaschine fernhält, schreien geradezu nach einem ausgiebigen Bad mit 1600 Umdrehungen pro Minute. Pils aus Gladbach, Weißbier aus München, Angstschweiß vom Spiel gegen Jena und Freudentränen vom 5:0 gegen Koblenz haben sich mittlerweile auf dem grünen und weißen Polyester vereinigt. Die Trikots besitzen so zumindest einen historisch wertvollen Charakter und stehen nach der Saison – hoffentlich dann immer noch ungewaschen – der Ausstellung „Zweite Liga – erste Sahne“ zur Verfügung, die der Verein zu Ehren der überragenden Rückkehrer in die Bundesliga ins Leben rufen wird.

Ein Risiko musste jedoch vor der Partie gegen Offenbach in Kauf genommen werden: Das weiße Untertrikot verweigerte partout seinen Dienst über der Jacke und musste eine Etage nach unten weichen. Kein gutes Omen, gegen Bayern ging das bekanntlich schief. Aber irgendwie muss man ja austesten, welches der spieltäglich angewandten 94 Rituale überhaupt eine siegbringende Wirkung besitzt. Das Pensum kann man ja kaum eine ganze Saison durchhalten. Deshalb zeige ich dem Pizzawagen vor dem Spiel die kalte Schulter und probiere es ausnahmsweise mit einem köstlichen Backfisch-Brötchen von Fischkönigin „Heidi“. Meinem Freund Nils scheint aufgrund dieser Abwendung von gleich zwei Ritualen ein kalter Schauer über den Rücken zu laufen. „Wenn das mal gut geht“, schwant ihm schon Böses.

Coulibaly, der sich zuletzt bei seinen Kurzeinsätzen als Joker durchaus empfohlen hatte, ersetzt den kranken Rösler. Marin darf auf links wieder für den in München weniger überzeugenden Touma ran. Bei Offenbach feiert Ex-Nationalspieler Marco Reich sein Comeback in der Startelf. Einst gestand er, sich über die Euro-Einführung zu freuen, da er dann nur noch der „3-Millionen-Euro Fehleinkauf“ sei. Reich nähert sich mittlerweile der 30 und besitzt einen Eintrag im Brockhaus beim Stichwort „ewiges Talent“.

Die Partie will zunächst nicht so richtig Fahrt aufnehmen. Die Borussia dominiert zwar mit geschätzten 80 Prozent Ballbesitz, kann die Feldüberlegenheit jedoch kaum in Torchancen ummünzen. Nach einer Viertelstunde hat Ndjeng sich eigentlich schon in der Mitte festgelaufen. Doch dann lässt er drei dilettantische Offenbacher wie Slalomstangen stehen. Marin steht mehr im Weg und spielt scheinbar ungewollt den öffnenden Doppelpass, den Ndjeng in einer flüssigen Bewegung an César Thier vorbeilegt und im Netz unterbringt. 36.000 freuen sich über das wichtige frühe Tor – die Zuschauerzahl ist bei dieser Anstoßzeit und diesem Gegner äußerst passabel. Bielefeld und Cottbus hätten eine Liga höher kaum mehr Fans angelockt.

Offenbach besinnt sich trotz des Rückstandes nicht einmal aufs Kontern. Die Hessen sind in der Folgezeit froh über jeden Befreiungsschlag, der die Mittellinie überquert. Die Borussia hat in der Offensive jedoch kein leichtes Spiel und findet gegen das Abwehrbollwerk von Trainer Jörn Andersen, der bei Amtsantritt noch angriffslustigeren Fußball versprochen hatte, kein bewährtes Mittel. Und so ergeben sich die besten Gladbacher Möglichkeiten, wenn sich der Gast dazu hinreißen lässt, das Offensivspiel einmal zu beleben und sich so Konterchancen ergeben. Neuville und Ndjeng lassen jeweils eine davon ungenutzt. Friend währenddessen offenbart wenig von seiner bisher gezeigten Stärke und macht technisch einen ziemlich ärmlichen Eindruck.
Coulibaly sorgt mit seiner linken Klebe noch für ein Highlight der ersten 45 Minuten: Einen Abpraller katapultiert er aus 20 Metern fulminant in den Winkel des leeren Tores. Der Mann an der Pfeife hatte irgendwo eine Behinderung des Torwarts gesehen. Es bleibt vorerst beim 1:0 und alle, der Stadionsprecher eingeschlossen, plädieren dennoch dafür, dass auch nicht gegebene Tore den Titel "Tor des Monats" erhalten dürfen.

Zur Halbzeit sind alle zufrieden. Der Schokoriegel in der Jackentasche ähnelt inzwischen zwar mehr einem Eiskonfekt, beruhigt aber dennoch die Nerven, die vom Geschehen auf dem Platz bisher wenig strapaziert wurden. Als der Ball wieder vom unsicheren Schiedsrichter Frank Willenborg freigegeben wird, den der Kicker nicht sehen will, „wenn er einmal eine brisante und nicht so einfache Partie wie diese pfeifen muss“, drängt die Borussia sofort auf die Vorentscheidung. Ndjeng lässt frei vor dem Tor nach einer Traumkombination die nötige Konzentration vermissen. Brouwers semmelt eine flache Hereingabe aus vier Metern über das Tor. Offenbach kommt sogar zur ersten Torchance, die Sieger allerdings nicht zum Ausgleich verwerten kann.

Roel Brouwers löst in der 63.Minute alle kurzfristigen Sorgen mit seinem zweiten Saisontor in Luft auf. Er selbst initiiert den Angriff, als er aus der eigenen Hälfte startet und Coulibaly an den Ball kommt. Der Mann aus Mali schickt einen seiner gefürchteten Distanzschüsse flach aufs Tor, Thier kann den Ball nicht festhalten. Der durchgelaufene Brouwers kommt gerade richtig, um das Leder über die Linie zu drücken.

Sieben Minuten vor dem Ende setzt Paauwe mit seinem dritten Saisontor einen Schlusspunkt unter die insgesamt gute Leistung des Tabellenführers. Gegen den blassen Gegner vom Bieberer Berg sei höchstens zu bemängeln, dass noch mehr drin gewesen ist, als das deutliche 3:0. Aber wir wollen ja nicht vermessen werden. Der Niederländer Paauwe schwingt sich langsam auf zu einem großen Schlüsselspieler in Jos Luhukays Konzept. Defensiv fängt er viele Angriffsversuche des Gegners schon früh ab, im Spielaufbau erweist er sich als unverzichtbar und vor dem Tor blitzen zumindest nach Standards von Zeit zu Zeit Torjägerqualitäten auf. Eigentlich lassen alle Neuzugänge die Gladbacher Transferpolitik in einem ungekannt guten Licht dastehen. Christian Ziege hat im Sommer ganze Arbeit geleistet und zusammen mit Luhukay eine Menge großartiger Entscheidungen getroffen.

Freiburg, Fürth, Mainz, Köln und München streiten sich unmittelbar mit der Borussia um die Aufstiegsplätze, von denen die Elf vom Niederrhein mit einem Polster von sieben Punkten auf Platz vier derzeit den lukrativsten innehat. Bis auf die Aufsteiger Hoffenheim und Wehen, die sich noch in Schlagdistanz befinden, tummeln sich oben ausschließlich die Vereine, denen man im Vorlauf ohnehin eine bedeutsame Rolle im Kampf um einen der drei Aufstiegsplätze zugerechnet hatte.

Gewonnen ist noch nichts. Selbst wenn Gladbach ab jetzt ausnahmslos jedes Spiel gewinnt und die anderen Teams sich stets die Punkte teilen, kann der Aufstieg nicht vor dem 25.Spieltag besiegelt werden. Das zeigt: Der Weg ist noch lang. Mein Aberglaube wird dabei dennoch gerne behilflich sein. Auch wenn ich am Saisonende in den Gästeblock strafversetzt werde, weil meine Montur bis zur Südkurve mit dem Riechorgan wahrgenommen werden kann. Eine Nachricht kann ich zum Schluss an den Pizzawagen und Lachs-Heidi senden: Ich brauche Euch anscheinend nicht. Leider…

Sonntag, 25. November 2007

Die Angst vor dem Super-GAU

Die Diskrepanz zwischen Zielsetzung und Realität ist bei der WM 2010 in Südafrika unvorstellbar groß. Ein tragischer Zwischenfall hat heute neue Diskussionen ausgelöst, ob das Land am Kap der guten Hoffnung überhaupt schon in der Lage ist, die Last des zweitgrößten Sportereignisses der Welt zu stemmen. Ausgerechnet, als der Gastgeber zum ersten Mal richtig im positiven Rampenlicht stehen sollte.

Die Zahl auf der Countdown-Uhr für die WM 2010 in Südafrika hat die Tausendermarke erst vor kurzer Zeit unterschritten. Noch bleiben der Nation am Kap der guten Hoffnung zweieinhalb Jahre, um die Basis für die „beste WM aller Zeiten“ zu schaffen. Ein Traum, den ihr Präsident Thabo Mbeki unermüdlich in den Vordergrund stellt, ein Traum, der ihr vom „letzten Diktator Europas“, von FIFA-Präsident Joseph Blatter, geradezu aufgezwungen wird.

Dabei hat Südafrika derzeit eigentlich ganz andere Sorgen. Im Prinzip sind es Sorgen, die die Geschichte dieses Landes, das als am weitesten entwickeltes in ganz Afrika gilt, seit Jahrzehnten prägen. Eines ist ausgerechnet an diesem Wochenende wieder erschreckend deutlich zum Vorschein gekommen und hat weltweite Aufmerksamkeit auf sich gezogen – die immens hohe Kriminalitätsrate.
Peter Burgstaller, der auf einem Golfplatz in der Hafenstadt Durban bei einem Raubüberfall erschossen wurde, war kein Mitglied der österreichischen Delegation, die zur Auslosung der WM-Qualifikationsgruppen nach Südafrika gereist war, wie Blatter heute vehement betonte. Deshalb werde die FIFA den Tod des 43-jährigen Ex-Torwarts aus Salzburg beklagen, „so wie wir in unserer Organisation jeden Tod beklagen“.

Pauschalisierend, vorbei an jeder Realität und den Opfern absolut unwürdig verweist das Fußballoberhaupt auf den Mord an einem 16-jährigen Mädchen in seiner Schweizer Heimat. Damit schiebt er beide Ereignisse willkürlich in die Schublade mit der Aufschrift „Passiert überall, heult nicht rum“. Gut, Morde passieren in der Tat überall. Egal ob in Durban, Zürich oder sonst wo. Und vielleicht war es auch wirklich ein tragischer Zufall, dass ausgerechnet ein ehemaliger Fußballer zu einem der jährlich 19.200 Mordopfer in Südafrika wurde – am selben Tag, an dem der Gastgeber der WM 2010 zum ersten Mal im vollen Scheinwerferlicht der Fußballwelt stand.

Genauso wird es dann Zufall gewesen sein, dass ein junges Mädchen fast zeitgleich an einer Straßenbahnhaltestelle im friedlichen Zürich getötet wird. Nur Zufall ist nicht gleich Zufall. Zufälle treten mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten und Häufigkeiten ein. Das weiß jeder halbstarke Mathematiker. Das sollte deshalb auch Herr Blatter nicht dementieren.
Dass dem DFB-Manager Oliver Bierhoff beim Frühstück im Hotel seine Tasche samt Handy und Reisepass entwendet worden ist, erscheint im Vergleich dazu wirklich „nicht weiter tragisch“, wie der Bestohlene selbst beteuerte. Denn alles sei schließlich "ersetzbar". Im Gegensatz zu einem Menschenleben. Doch der kleinere Zwischenfall fügt sich nun einmal nahtlos in das Bild.

Die südafrikanische Regierung um Präsident Thabo Mbeki besteht allem Anschein nach aus einem Haufen von Schönrednern und Verdrängungskünstlern. Wobei ihr dieser Kurs in Bezug auf die Weltmeisterschaft 2010, man kann es fast als Entschuldigung gelten lassen, im Prinzip von Joseph Blatter vorgelebt wird. Das Volk selbst hat von der Politik des Staates und seinen fehlgeschlagenen bzw. teilweise gar nicht unternommenen Versuchen, die Probleme zu bewältigen, inzwischen die Nase voll.
Von der „besten WM aller Zeiten“ wird da offen geträumt, während draußen die Arbeiter auf den Baustellen der WM-Stadien streiken, weil sie nur 150€ und weniger im Monat verdienen. Mbeki will den gesamten Kontinent „von den Goldminen Südafrikas bis zu den goldenen Stränden Tunesiens nach vorne bringen“, während der Erzbischof von Johannesburg beklagt, dass „die Kriminalität zunehmend Teil des südafrikanischen Landschaftsbildes wird“. Ungefähr 2,5 Milliarden US-Dollar wird die WM das Land kosten, während die Hälfte der Bevölkerung in Armut lebt.

Die Südafrikaner zeigen sich dennoch voller Leidenschaft und Vorfreude – obwohl sie die Spiele größtenteils außerhalb der Arenen verfolgen werden müssen. Bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 3000€ ist da kaum ein Ticket drin. Immerhin sollen im Vorfeld 120.000 Eintrittskarten an Bedürftige verschenkt werden.

Die Politik Südafrikas im Hinblick auf die WM 2010, der ersten auf afrikanischem Boden, ist eine Politik der Diskrepanzen. Die bestehenden Probleme – Kriminalität, Rassismus, Armut, Aids – können in der verbleibenden Zeit wohl kaum aus der Welt geschafft werden. Es bleibt nur die Hoffnung, dass zumindest die Stadien fertig werden und das Turnier irgendwie ohne größere Zwischenfälle über die Bühne gehen kann. Von der „besten WM aller Zeiten" ist Südafrika so jedoch Lichtjahre entfernt.

Deutschland trifft in seiner Quali-Gruppe übrigens auf Russland, Finnland, Wales, Aserbaidschan und Liechtenstein – fünf Gegner, die allesamt keine Schweißperlen auf unserer Stirn erzeugen müssen. England muss sich erneut gegen Schreckensgegner Kroatien durchsetzen. Südkorea gegen Nordkorea ist zweifelsohne das brisanteste Duell überhaupt. Asienmeister Irak peilt derweil die erste WM-Teilnahme seit 24 Jahren an.
All dies sind Nachrichten, die eigentlich primär von diesem Tag haften bleiben sollten. Sie sind jedoch etwas in den Hintergrund gerückt. Das hat man auch der ARD-Berichterstattung angemerkt, die sich (zu Recht) mehr um den Mord an Peter Burgstaller und die Stolpersteine der südafrikanischen Ausrichter drehte, als um das Öffnen kleiner, blauer, banaler Plastikkugeln.

Es bleibt die graue Hoffnung, dass Sepp Blatter und die südafrikanischen Organisatoren die Fußball-WM letztendlich doch nicht in ihr dunkelstes Kapitel reiten. 2010 würde ich ehrlich gesagt viel lieber als der Dumme dastehen und feststellen, dass alle Sorgen und Ängste im Prinzip fehl am Platze waren. Nur irgendwie glaube ich nicht daran, dass es so kommen wird.

Donnerstag, 22. November 2007

Von ominösen Töpfen, abtrünnigen Österreichern und Lehmanns Pläte

Die 16 Teilnehmer der EM 2008 stehen fest. Und mit ihnen die Besetzung der Lostöpfe am 2.Dezember bei der Auslosung in Luzern. Doch ich denke einen Schritt weiter. Exklusiv hier: Die EM-Gruppen und das Abschneiden der deutschen Elf in Österreich und der Schweiz.

Die Angst vor Topf 1, die Furcht vor dem Gruppenkopf - halb Europa wähnte sich am Mittwochabend in ihrem Bann. Einen hat es letztendlich getroffen. Ausgerechnet unsere Nachbarn in Oranje, die Niederlande, nehmen neben Österreich, der Schweiz und Griechenland Platz in "Bombo Uno", wie die Spanier den Lostopf fast liebevoll nennen. Und das trotz einer mauen 1:2-Niederlage im weißrussischen Minsk. Alle Mühe, dem vermeintlichen Unglück zu entgehen, sind ohne Erfolg geblieben.
"Flop" oder "top" hieß es derweil für die deutsche Nationalmannschaft. Ein Sieg gegen Wales hätte gereicht für Topf 1, doch "dank" des torlosen Remis in Frankfurt liegt die Kugel mit der Aufschrift "Germany" nun lediglich im dritten Lostopf.
An einer drohenden Hammergruppe hat das nichts geändert. Holland, Italien, Frankreich sind drin als EM-Gegner, genauso jedoch Österreich, Schweden und Polen.

Hier die vier Lostöpfe:



In 10 Tagen rollen in Luzern die Kugeln. Am 2.Dezember steht fest, wen die deutsche Nationalmannschaft aus dem Weg räumen muss, um zum vierten Mal Europameister zu werden. Und weil wir nicht mehr warten können, heute schon exklusiv die Ergebnisse der Auslosung:


Weil die Wartezeit bis zum 7. Juni so unfassbar lang ist, hier auch noch der genaue Verlauf des EM-Turniers aus deutscher Sicht. (Achtung, Spoiler!)

Ein lupenreines 5:0 gegen Co-Gastgeber Österreich hatte im Februar zunächst auf ein großartiges EM-Jahr hingedeutet. Miro Klose steuerte alleine vier Treffer bei. Doch nach dem kläglichen 0:2 in der Schweiz schwante der Fußballnation schon Böses. Jogi Löw versuchte vehement zu deeskalieren: "Warten Sie ab, zur EM sind wir in Topform." Die unmittelbareVorbereitung, die mit dem Trainingslager auf Mallorca begann, verlief zufrieden stellend. Gegen Ungarn gab es einen ungefährdeten 3:1-Erfolg. Gegen harmlose Engländer, die das Freundschaftsspiel zur Einstimmung auf die eigens ins Leben gerufene BM (Britische Meisterschaft) nutzten, stand am Ende ein 1:0 zu Buche. Im Finale der BM besiegte Schottland die Kollegen aus Nordirland übrigens mit 2:1. Und so begann die EM frohen Mutes mit dem Auftaktspiel gegen Top-Favorit Frankreich.

7. Juni 2008 - Genf: 1. Vorrundenspiel
Deutschland spielt zum Auftakt gleich gegen den ärgsten Konkurrenten in Gruppe A - den zweimaligen Europameister Frankreich. Die Schweiz hat gegen Kroatien ein paar Stunden zuvor im Eröffnungspiel 1:1 gespielt. Das Team von Jogi Löw beginnt furios und führt nach sechs Minuten mit 1:0 - Michael Ballack hatte den Ball aus 18 Metern mit einem satten Schuss ins rechte untere Eck gesetzt. Kurz vor der Pause gleicht Samir Nasri verdient aus. Mit einem Remis geht es in die Halbzeit.
Die zweite Hälfte verläuft über weite Strecken ereignisarm. Allein der eingewechselte Neuville hat in der 78.Minute das goldene Tor auf dem Fuß, vergibt jedoch aus kurzer Distanz. Aufregung in der Nachspielzeit: Ribéry trifft mit einem genialen Freistoß den Pfosten. Glück gehabt. Das Unentschieden geht jedoch in Ordnung.

11. Juni 2008 - Genf: 2. Vorrundenspiel
Nach dem Hammer zum Auftakt wartet im zweiten Spiel der Angstgegner aus Kroatien. Das bittere 0:3 im WM-Viertelfinalspiel 1998 liegt noch immer schwer im Magen und irgendwie merkt man der Löw-Elf das zu Beginn fast an. Petric scheitert per Kopf an Jens Lehmann, der das sichere Tor mit einem Weltklasse-Reflex verhindert.
Allmählich kommt Deutschland besser ins Spiel. Klose passt in der 32. klasse auf den freistehenden Kuranyi, der jedoch leichtfertig vertändelt. Torlos geht es in die Pause.
In der zweiten Hälfte legt Deutschland los wie die Feuerwehr. Podolski lässt im Mittelfeld drei Kroaten stehen und hat in vollem Lauf noch das Auge für Klose, der Pletikosa ausspielt und einschiebt zum erlösenden 1:0. Das zweite Tor lässt nicht lange auf sich warten: Nach einer scharfen Hereingabe von Bernd Schneider ist erneut Klose mit dem Kopf zur Stelle und zieht durch sein 43. Länderspiel mit Uwe Seeler gleich.
Die Jungs von Jogi Löw spielen wie im Rausch und könnten, nein müssten, eigentlich 5:0 führen. Zehn Minuten vor dem Ende sorgt der eingewechselte Gomez für Entscheidung. Trotz des Gala-Auftritts nach der Pause gibt es einen Wermutstropfen: Bernd Schneider fällt mit einem Riss des Syndesmosebandes für den Rest des Turniers aus. Frankreich unterliegt überraschend der Schweiz mit 0:1. Deutschland reicht damit ein Punkt gegen die Gastgeber im abschließenden Gruppenspiel.

15. Juni 2007 - Basel: 3. Vorrundenspiel
Die Angst vor der "Schmach von Basel" geht durchs Land. Beiden Teams würde ein Punkt reichen, doch Jogi Löw beruhigt die Nation und verspricht, dass seine Mannschaft "motiviert wie immer an die Sache herangehen wird". Das nimmt man dem Bundestrainer nach einer Viertelstunde voll ab. Die Jungs hängen sich rein. Clemens Fritz, der für den verletzten Schneider spielt, macht mächtig Dampf auf rechts. Bastian Schweinsteiger ersetzt auf links den mit gelb vorbelasteten Podolski. Frankreich führt derweil schon mit 2:0 gegen Kroatien.
In Basel bleibt es bis kurz vor dem Ende torlos. Fünf Minuten vor Schluss wird es dann dramatisch: Schweinsteiger trifft per Freistoß zur deutschen Führung. Die DFB-Elf zu dem Zeitpunkt mit 7 Punkten auf Platz eins, Frankreich führt nur noch 2:1 gegen Kroatien, ist punktgleich mit den Schweizern aber trotzdem Zweiter mit einem ausgeglichenen direkten Vergleich. Das Torverhältnis (der Eidgenossen (2:2) ist nur einen Hauch schlechter, als das der Franzosen (3:3).
Die Partie in Basel ist schon abgepfiffen, die deutsche Mannschaft feiert den sicheren Einzug ins Viertelfinale, die Schweizer sitzen bedröppelt auf dem Rasen, als Kroatien gegen Frankreich in letzter Sekunde ausgleicht. Der Baseler St.Jakob-Park explodiert, der Gastgeber hat sich in letzter Sekunde eine Runde weiter geduselt.

19. Juni 2007 - Basel: Viertelfinale
Der Gegner heißt nicht Italien, nicht Spanien, sondern Polen. Die haben sensationell den favorisierten Weltmeister ausgeschaltet, Spanien Gruppensieger, Österreich mit 0:9 Toren auf dem letzten Rang.
Oliver Neuville kündigt für die Nachspielzeit den Siegtreffer an, fügt jedoch hinzu: "Hoffentlich ist das gar nicht mehr nötig, weil wir bis dahin hoch führen."
Die deutsche Nationalelf tut sich zunächst schwer. Gomez spielt für Kuranyi, der bisher vollends enttäuschte. In der 28.Minute pfeift Schiedsrichter Peter Rasmussen Elfmeter für Deutschland, nachdem der polnische Keeper Boruc Miro Klose von den Beinen geholt hatte. Michael Ballack versenkt den Ball wuchtig im Tor und krönt sein bisher überragendes EM-Turnier.
Jens Lehmann vereitelt im Gegenzug eine polnische Doppelchance. Ebi Smolarek schießt den Ball frustriert in die Wolken und sieht gelb.
Nach der Pause erhöht die Elf von Wandervogel Leo Beenhakker den Druck. Die deutsche Abwehr wankt, fällt aber nicht. Nach einer Stunde bremst Smolarek den gestarteten Philipp Lahm unsanft mit einer Grätsche und fliegt vom Platz. Polen riskiert trotzdem immer mehr, Podolski nutzt die Überzahl und verwertet einen großartigen Konter zum 2:0. Dabei bleibt es am Ende.
Euphorisch pilgern bis zum Halbfinale 60.000 Deutsche über die Grenze nach Basel. Auf den Autobahnen staut es sich bis Karlsruhe.

25. Juni 2007 - Basel: Halbfinale
Im Halbfinale geht es erneut gegen die Schweiz, die sich im Viertelfinale mit 1:0 im Elfmeterschießen gegen die bisher überragenden Spanier durchgesetzt hatten. Basel war bisher ein gutes Pflaster für die Löw-Elf. Nun geht es bereits zum dritten Mal im St.Jakob-Park um die Wurst. Die Schweiz spricht inzwischen selbstbewusst vom Titel, in Deutschland ist man spätestens seit dem furiosen 3:0 gegen Kroatien überzeugt vom vierten EM-Erfolg.
Die Anfangsphase verläuft äußerst mau. Allein Alex Frei hat in der 13.Minute eine gute Chance für den Gastgeber. Dann nimmt das Spiel langsam Fahrt auf. Nach einer halben Stunde erzielt Ludovic Magnin das verdiente 1:0 für die Schweiz. Béla Réthy konstatiert im Fernsehen schon einen "Linksverteidigerkomplex der deutschen Elf in Halbfinalspielen". Philipp Lahm lässt den immer noch freudetrunkenen Magnin nach dem Wiederanpfiff eiskalt stehen, zieht in den Strafraum und anstatt den Ball auf den wild gestikulierenden Gomez abzulegen, schießt der kleine Münchener von der Grundlinie den Ball unter die Latte, von wo aus die Kugel zum 1:1 ins Netz springt. Nun konstatiert Béla Réthy ein "Weltklassetor à la Marco van Basten".
Kurz nach der Pause geht die Schweiz erneut in Führung. "Oiropamaischter" hallt es von den Rängen. In der 68.Minute bringt Jogi Löw seinen WM-Helden Neuville, der den glücklosen Fritz ersetzt. Deutschland setzt alles auf seine Karte, was anscheinend nicht belohnt werden soll. Der vierte Mann an der Linie zeigt mit seiner LED-Tafel zwei Minuten Nachspielzeit an, als Thorsten Frings den Ball in die Gasse auf den startenden Neuville spielt. Der lässt Diego Benaglio keine Chance und rettet die deutsche Elf in die Verlängerung. Béla Réthy konstatiert ein "Déjà-Vu-Erlebnis".
Deutschland zeigt sich keineswegs müde und stürmt entschlossen aufs Schweizer Tor. Klose, Ballack, Mertesacker und Podolski haben die Führung auf dem Fuß, doch es bleibt beim Unentschieden.
In der 119. Minute gibt es Eckball, Neuville zieht den Ball von rechts vom Tor weg. Per Mertesacker stürmt heran und wuchtet den Ball zum goldenen 3:2 ins Tor. Die deutsche Bank, der deutsche Block, die Massen vor dem Basler Rathaus (zumindest die mit dem Adler auf der Brust)überschlagen sich. Allein Andi Köpke ist gefrustet und wirft den mühsam fürs Elfmeterschießen verfassten Zettel mit der Aufschrift "Hotel Giardino Relais & Chateaux" auf den Rasen.

29. Juni 2007 - Wien: Finale
Zehntausend deutsche Fans haben die Mannschaft drei Tage zuvor zusammen mit 5.000 Österreichern am Wiener Flughafen empfangen. Bundeskanzler Gusenbauer verkündet feierlich: "Heute drückt ganz Österreich unseren Freunden aus den Nordalpen die Daumen". Fast 10.000 seiner Landsleute haben die Alpenrepublik inzwischen verlassen und ihren Wohnsitz nach Bayern verlegt. "Ist doch fast wie zuhause - nur eben mit einer richtigen Fußballmannschaft", begründet ein Abtrünniger seine Entscheidung. Uli Hoeneß leckt sich die Finger. Diese frustrierten Ösis sind mit Sicherheit bereit, mehr als sieben Euro für einen Platz in der Südkurve hinzublättern, um endlich wieder ein gutes Fußballspiel zu sehen. Die österreichische Hoffnung Martin Harnik wird umgehend von Werder Bremen verpflichtet, im Tausch gegen Lukas Podolski. Toni Polster übernimmt den vakanten Cheftrainerposter beim deutschen Rekordmeister.
Finalgegner sind übrigens Ottos Griechen, die mit 2:0 Toren ihre Vorrundengruppe als Sieger abgeschlossen hatten. Im Viertelfinale bissen sich offensive Holländer am Rehhagel'schen Abwehrbollwerk die Zähne aus. In der Vorschlussrunde waren die Portugiesen machtlos. Deren Präsident brach daraufhin alle diplomatischen Verbindungen zu Griechenland ab, nachdem die Hellenen schon 2004 auf dem Weg zum EM-Titel zweimal die Oberhand gegen sein Nationalteam behalten hatten.
Das Ernst-Happel-Stadion ist natürlich ausverkauft, vor dem Anpfiff spielen die Sportfreunde Stiller ihren Nummer-eins-Hit "72, 19-80, '96 und '08".
Bernd Schneider hat eine wunderhafte Rekonvaleszenz hinter sich, sitzt zumindest wieder auf der Bank. DFB-Arzt Müller-Wohlfahrt erhält als Anerkennung eine eigene Gesundheitssendung im Bayerischen Rundfunk mit dem Titel "Bayernspieler bekommen die Praxisgebühr geschenkt".
Die Partie verläuft in den ersten Minuten wie so viele Endspiele zuvor: Beide Mannschaften spielen verhalten, keiner will den berühmten ersten Fehler machen. Der griechische Bundesliga-Liga Sturm mit Charisteas in der Mitte, Gekas und Amanatidis als hängenden Spitzen, bleibt blass. Auch das deutsche Erfolgsduo Klo-Go kommt noch nicht zum Zuge.
Das Finale geht torlos in die Halbzeit. Hansi Flick gibt im Pausen-Interview bekannt, dass Michael Ballack leider verletzt passen müsse. Lukas Podolski ersetzt ihn und spielt im Mittelfeld erstmals in diesem Turnier Seite an Seite mit Kumpel Schweinsteiger. Bisher hatte Jogi Löw die beiden munter rotieren lassen.
Die DFB-Elf findet aber immer noch kein bewährtes Mittel gegen die hellenische Betondefensive. Schneider feiert kurz vor Schluss sein Comeback, kann jedoch keine entscheidenden Akzente mehr setzen. Ein an Höhepunkten armes EM-Endspiel wird frühestens nach 120 Minuten entschieden.
In der Verlängerung offenbart sich dasselbe Bild wie über 90 Minuten zuvor. Dellas trifft mit dem Kopf die Latte, die deutschen Titelträume schienen beinahe zu zerplatzen. Vier Minuten vor dem Ende fordert die deutsche Mannschaft vehement einen Elfmeter. Die Fernsehbilder zeigen, dass Miro Klose den Strafstoß "zu sehr wollte", wie auch Reinhold Beckmann findet.
Andi Köpke steht verdutzt am Spielfeldrand, als die Verlängerung vorbei ist. Einen Zettel hat er diesmal nicht im Petto. Schweinsteiger und Schneider verwandeln zum Auftakt für Deutschland, auch die Griechen treffen sicher. Als dritter deutscher Schütze schreitet Thorsten Frings selbstbewusst zum Elfmeterpunkt. Genauso selbstbewusst landet der Ball im Wiener Abendhimmel. Frings sichert sich einen Platz in den Geschichtsbüchern, als zweiter deutscher Spieler nach Uli Hoeneß, der bei einer EM vom Punkt verschießt.
Amanatidis scheint das EM-Finale von 1976 gut zu kennen und mimt den Panenka, was Lehmann, der '76 schon eingeschult wurde, jedoch antizipiert. Der EM-Ball mit dem Namen "Hoffnung" landet in den Armen des 38-jährigen Torhüters von Aston Villa. Podolski und Ballack für Deutschland, Basinas für Griechenland erhöhen auf 4:3. Gekas muss treffen, um den Traum von der Titelverteidigung am Leben zu halten.
Starr schaut Lehmann dem Leverkusener in die Augen, der zeigt sich wenig beeindruckt und bringt den Ball hart und platziert aufs Tor. Lehmann ahnt die Ecke, der Ball prallt vom Pfosten an seinen fast haarlosen Hinterkopf und von da aus ins...Feld.
Deutschland ist Europameister!
Jens Lehmann dankt Oliver Kahn über die Stadionmikrofone für "alles, was er mir beigebracht hat". Jogi Löw verkündet seine Hochzeit mit Monika Lierhaus. Philipp Lahm seinen Wechsel zu Real Madrid.
Am nächsten Tag feiern 80.000 Menschen die siegreichen 23 auf dem Frankfurter Römer, darunter geschätzte 4.000 Österreicher.

Mittwoch, 21. November 2007

Rechenspiele

Zugegeben: Es gibt Schöneres als Spiele in Weißrussland an einem kalten Novemberabend. Aber irgendwie riecht das Resultat der Niederlande verdächtig.

Die Rechenspiele, wer letztendlich wo Platz nehmen wird, in welchem der vier Lostöpfe, wenn am 2.Dezember die EM-Gruppen ausgelost werden, sind so ziemlich das einzig bewegende Thema rund um die letzten Spiele der Qualifikation. Ok, England kämpft noch um sein Ticket, Portugal auch. Aber das ist ja nicht unser Problem.
Unser Problem könnte heute um 23 Uhr ganz anders aussehen und den Namen "Topf 1" tragen. Die Spanier fürchten indes "Topf 4" und wir haben Angst an Nummer eins gesetzt die EM in Österreich und der Schweiz zu bestreiten. "Geht es uns zu gut?", möchte man fast fragen. Es droht jedoch eine Todesgruppe, Hammergruppe, jedenfalls nichts Gutes. Es drohen Holland, England und Frankreich - das wären dann nicht weniger als 5 Weltmeister- und 6 Europameistertitel in einer Vorrundengruppe. Gleichzeitig "droht" uns jedoch auch ein Warm-Up für den Titel gegen Kroatien, Rumänien und die Türkei. Auch dieses Schwert ist also ein zweischneidiges.

Die werten Nachbarn aus den Niederlanden wollen, so scheint es, indes partout nicht als Gruppenkopf gesetzt werden. Schon gegen Luxemburg schmeckte der 1:0-Sieg schwer nach Arbeitsverweigerung, die heute in Weißrussland anscheinend Erfolg hatte: 2:1 unterlag die "Elftal" dort. Dass die Jungs von Marco van Basten eigentlich mehr können, wissen wir. Oder nicht?
Damit wäre die erste Voraussetzung geschaffen, um der DFB-Elf doch noch das Übel von "Topf 1" aufzuerlegen. Wenn Kroatien jetzt noch ohne drei Punkte die Heimreise aus England antritt, wäre das Unheil perfekt, das wie gesagt nicht unbedingt ein Unheil sein muss.

Gerhard Delling hat mir gerade jedoch Mut gemacht. Vor der EM 1980, '92 und '96, und vor dem Weltturnier 1990 in Italien hieß einer unserer Quali-Gegner... Wales. In drei Fällen stand am Ende der Titel, einmal zumindest das Finale. Also, alles halb so schlimm...

Dienstag, 20. November 2007

Einmal Wien und zurück – wer nimmt Platz im EM-Zug? (1)

Noch sind es geschlagene 178 Tage bis 23 deutsche Nationalspieler und damit designierte Helden in den Flieger steigen, der sie zum Trainingslager nach Mallorca bringt. Was sich nach Urlaub anhört ist der Beginn des "Unternehmens EM-Titel".
Langsam nimmt die genaue Zusammensetzung des Kaders klare Züge an. Wer wäre mit Sicherheit oder zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit dabei, wenn Jogi Löw heute seine Nominierungen verkünden würde? Ein Herz-und-Nieren-Check in vier Teilen.


Wer tritt in die Fußstapfen eines Fritz Walter, eines Franz Beckenbauer, eines Kalle Rummenigge oder eines Jürgen Klinsmann und vertritt den DFB bei einem großen Turnier? Diese Frage besitzt alle zwei Jahre im Mai, wenn die Blumen blühen und der Ligaalltag für drei Monate ruht, einen ähnlichen Status wie die Zusammenstellung einer neuen Bundesregierung – und wird traditionell mindestens so heiß diskutiert. Es hängen draußen zwar noch nicht einmal die Lichterketten und Sankt Martin hat gerade erst seinen Mantel geteilt. Aber der deutsche Kader für Österreich und die Schweiz nimmt für diesen Zeitpunkt überraschend exakte Konturen an.
Bundestrainer Jogi Löw, der neunte in einer langen Ahnenreihe deutscher Trainergrößen, von denen viele zu den größten der weltweiten Fußball-Historie gehörten und nur wenige eine Ausnahme bildeten, kann aus einem Pool von ungefähr 40 Spielern schöpfen, der sich selten zuvor so üppig präsentiert hat. Löw kann den EM-Kader genau auf die Bedürfnisse und Ansprüche des „Unternehmens EM-Titel“ abstimmen und letztendlich wird er die 23 Spieler auswählen, die dieses Ziel seiner Meinung nach am ehesten in die Tat umsetzen können.
Wie gesagt, 23 Tickets sind zu vergeben. Drei davon sind für die Torhüter reserviert, jeweils sieben für Abwehr und Mittelfeld, fünf für den Sturm und eines wird auf jemanden fallen, der als Allrounder vielseitig einsetzbar ist.
Wem das Ticket für einen erholsamen Mallorca-Trip und eine vierwöchige Reise durch die Alpen sicher ist, wer hoffen darf und wer nicht:

Die Hüter des Tores (3 Plätze)

  • Jens Lehmann (38) – Ein Nationaltorwart, der in seinem Klub nur zweite Wahl ist? Für viele ist das unvorstellbar und deshalb hört Jens Lehmann derzeit aus allerlei Ecken, dass er sich entweder den Platz im Tor des FC Arsenal zurück ergattern müsse oder ein Vereinswechsel unumgänglich sei. An seiner Reservistenrolle in London trifft ihn selbst wohl die geringste Schuld. Am Samstag gegen Zypern hat der 38-jährige erneut unter Beweis gestellt, dass er auch ohne Spielpraxis zu den besten seines Fachs gehört und ihm die „Eins“ bei der EM kaum zu entreißen sein wird. Und jetzt mal ehrlich : Wen sollten wir den sonst ins Tor stellen? Womit wir bei den anderen Alpenurlaubern wären…
  • Timo Hildebrand (28) – Hat in Valencia zuletzt meist den Vorzug vorm alternden Cañizares erhalten. Sein Ticket für die EM dürfte ihm fast sicher sein. Denn in der EM-Quali gehörte er immer zum Kader. Ob der 28-jährige ernsthaft Perspektive für die Zukunft besitzt, ist eine andere Frage. Die nahe Zukunft heißt EM 2008 und die wird Hildebrand mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest von der Bank aus beobachten.
  • Robert Enke (30) – Die Fans in Hannover hätten den 30-jährigen am liebsten sofort im DFB-Tor gesehen. Doch es bleibt zunächst bei einem Länderspiel für Robert Enke. In den Kreis der potentiellen Lehmann-Nachfolger hat er sich tapfer vorgekämpft, über seine wahren Chancen scheiden sich jedoch die Geister. Klasse besitzt der Thüringer zweifellos, nur international bekam er in seiner Karriere bisher wenig Gelegenheit sich auszuzeichnen. Da haben ihm selbst die Jungspunde Wiese, Neuer und Adler etwas voraus.

Dass die junge Garde bei der Vergabe der EM-Tickets berücksichtigt werden könnte, ist eher unwahrscheinlich, aber nie auszuschließen. Löw könnte einen der Youngster höchstens einladen, um ihn etwas am großen Geschäft Nationalelf schnuppern zu lassen. Enke oder Hildebrand – einer müsste dann weichen. Mit der Nominierung von David Odonkor hätte 2006 auch niemand gerechnet…

Sonntag, 18. November 2007

Eine gebrochene Lanze für Lehmann

Genitalien, Mittelfinger – jedes Wochenende sorgt ein neues Körperteil für Trubel. Obwohl beide beim Fußball in der Regel eine untergeordnete Rolle spielen. Egal ob Juckreiz oder Unmutsbekundung – Jens Lehmann verdient Rückendeckung.

Es war zunächst über weite Strecken ein ruhiger Abend für Jens Lehmann in der AWD-Arena zu Hannover. Chronische Unterbeschäftigung in Hälfte eins, aber aus der Ferne konnte er wenigstens eine spielfreudige und rehabilitierte deutsche Nationalmannschaft beobachten, die nach zwanzig Minuten schon mit 2:0 gegen überforderte Zyprer, Zyprioten, wie auch immer sie nun heißen mögen, in Führung lag. Man spricht in diesem Zusammenhang traditionell von einem „undankbaren Spiel“: Bleibt der Kasten sauber, sagt jeder „klar, gegen Zypern kann ich das auch“. Läuft es anders, bleibt nur die Rolle des Blöden.
Lehmann wird vor der Pause fast dankbar gewesen sein, dass Arne Friedrich mit Blei in den Schuhen spielte und sich nicht das einzige Mal vom schnellen Cottbusser Aloneftis überlaufen ließ. Der 38-jährige klärte per Fußabwehr und durfte beweisen, dass er trotz ominösen Mangels an Spielpraxis weiterhin ein verdienter Nationaltorwart ist.

Nach der Halbzeit sorgt Lehmann dann selbst dafür, dass sein 50.Länderspiel im Nachhinein mehr Staub aufwirbelte, als die Diskussionen um seine Zukunft bei Arsenal London und im deutschen Tor unter der Woche.
Ein Zyprer steht frei im Strafraum, Lehmann stürmt aus seinem Kasten. Beherzt, aber mit angezogener Handbremse will er keinen Elfmeter riskieren und bleibt standhaft auf den Beinen. Die Szene kann er jedoch nicht entschärfen, aus dem Strafraum will er nicht, weil der Torwart dort bekanntlich seine Handschuhe bildlich ablegt und zum Feldspieler mutiert. Der Zyprer passt in die Mitte und sein frei stehender Kollege vergibt Gott sei Dank kläglich. Eigentlich eine Szene der Kategorie „nicht falsch, nicht richtig verhalten“, die in der Nachbetrachtung lediglich den Status einer Randnotiz verdient hätte. Wäre da nicht das Hannoveraner Publikum gewesen, das diesen Anflug seiner Unsicherheit mit "Robert Enke"-Rufen quittierte.
Das juckte Jens Lehmann offenbar gewaltig, besonders in der Schläfengegend und weil der Mittelfinger am größten ist, dient er am besten zur Beseitigung des lästigen Juckreiz.
Und schon hat Fußball-Deutschland einen vermeintlichen Stinkefinger-Skandal. Was den Herren beim ZDF entgangen war und für den Bruchteil einer Sekunde über den Bildschirm flackerte, schleudert heute nicht nur die Boulevard-Presse in die Medienlandschaft. DFB-Präsident Zwanziger bricht derweil entschlossen eine Lanze für Lehmann. Der selbst beteuert, er habe „so etwas noch nie gemacht“.

Jetzt wollen wir es mal so sehen: Egal ob beabsichtigt oder nicht, das sei erst einmal dahin gestellt - irgendwie wäre eine Reaktion dieser Art nachvollziehbar. Und damit schließe ich mich dem DFB-Präsidenten beim Rücken stärkenden Lanzenbrechen an. Ohne eine obszöne Geste wie diese, die dem ein oder anderen Fußballer in der Vergangenheit schon den Kopf gekostet hat, generell zu verteidigen.
Er hat es in letzter Zeit eben auch nicht leicht, der Herr Lehmann. In der zweiten Hälfte hat er das „zu Null“ mit zwei guten Paraden gerettet, ansonsten – bis auf die einzelne Szene beim Herauslaufen – war sein Auftritt eigentlich souverän, irgendwo im Bereich einer 2- oder 3+ anzusiedeln. Im Prinzip saßen die wahren Übeltäter also auf der Tribüne der AWD-Arena.
Neunzig Minuten lang machten die Fans in Hannover meist nur durch lautes Geraune bei deutschen Torchancen und ebenso lautem Jubel bei den vier Treffern auf sich aufmerksam. Ansonsten blieb es trotz des guten Auftritts der DFB-Elf vergleichsweise ruhig. Eine neu entfachte WM-Stimmung sieht anders aus. Aber die Kritik an mangelnder Stimmung bei Länderspielen ist ein anderes Paar Schuhe.

Sie hallten nur kurz durchs weite Rund, die „Robert-Enke“-Rufe. Trotzdem sind sie zusammen mit dem Pfeifkonzert gegen Tschechien das sinnloseste, was deutsche Fans lange Zeit von sich gegeben haben. Klar, als Anhänger der Roten aus Hannover hält man vom seinem Keeper, der in Deutschland zweifelsohne zu den Besten seines Fachs zählt, automatisch einen Tick mehr, als der Rest der Republik. Doch was Jens Lehmann auf internationaler Ebene geleistet hat, ist Enke bisher schuldig geblieben, weil er noch nicht die Gelegenheit dazu erhalten hat – er selbst wird das wohl bestens wissen. Und in Hannover wird er diese Bewährungschance im Rampenlicht des europäischen Fußballs in geraumer Zukunft wahrscheinlich nicht erhalten.

„Warum drücken sie in London die Bank, Herr Lehmann?“
„Wechseln sie jetzt im Winter den Klub, Herr Lehmann?“
„Sehen Sie ihren EM-Platz durch ihre Reservistenrolle gefährdet, Herr Lehmann?“
Irgendwann hat man von den ewig gleichen Fragen die Nase voll. Und so bleibt dem 38-jährigen derzeit nichts anderes übrig, als munter Durchhalteparolen und Eigenwerbung in die Mikrofone zu säuseln. Verständlich.
Sein Konkurrent bei den Gunners, Manuel Almunia, verbrachte den gestrigen Abend übrigens vorm Fernseher – seine Telefonnummer hat Spaniens Coach Aragonés vermutlich nicht einmal im Notizbuch notiert. Und welches Land, Spanien oder Deutschland, in der Geschichte dieses Sports naturgemäß die besseren Torhüter aufgeboten hat, bedarf eigentlich keiner Diskussion. Eigentlich.

Donnerstag, 15. November 2007

Wie die Faust aufs Auge (4)

"Wenn ich pfeifen könnten, würde ich auch pfeifen." - Duisburgs Keeper Tom Starke über die Unmutsbekundungen der Fans des MSV Duisburg beim 0:2 im Heimspiel gegen den VfL Bochum. Insgesamt war es schon die zehnte Saisonpleite des Aufsteigers aus Meiderich. Pfeifen können, das habe ich mir im letzten Jahr allzu oft gewünscht. Aber inzwischen ist das ja alter Tobak.

Dienstag, 13. November 2007

Fohlengeflüster (8): Durch die Mitte

Nach einem vergleichsweise nichtssagenden 0:0 gibt es keinen Grund extrem in irgendeine Richtung zu tendieren und in Miesmacherei oder Schönrederei zu verfallen. Der Weg durch die Mitte, er könnte auch auf anderen Schauplätzen dieser Tage der richtige sein.

Wenn in Italien ein Fußballfan (egal ob nun tragisch, willkürlich oder begründet) von einem Polizisten erschossen wird, wütende Fans wiederum in Bürgerkriegsszenarien römische Polizeistationen stürmen, dann mutet ein Montagabendspiel der Zweiten Bundesliga schon beinahe eklatant bedeutungslos an. Aber geben die Ereignisse in Italien wirklich Anlass dazu, zum wiederholten Male den Sinn und die Bedeutung eines einfachen Ballsports zu diskutieren? Aus der Sache kommen wir doch sowieso nicht mehr raus. Nur ist das genau der Grund, warum wir trotzdem darüber debattieren.
Nachrichten dieser Art, über Ausschreitungen im Land des Weltmeisters, haben heutzutage in den Nachrichten den Stellenwert eines Rücktritts von Franz Müntefering. Was wirklich wichtiger ist, sei jedem selbst überlassen.

Auf jeden Fall dient der Fußball als Spiegel unserer Gesellschaft. Randalierende Rechtsextreme in ostdeutschen Oberligastadien – das ist alles andere als Zufall, so traurig es ist. Da Rassismus und Randale in Deutschland genauso ein Problem sind wie in der Serie A, verbietet sich der Fingerzeig von oben herab auf den scheinbar untätigen italienischen Verband ohnehin. Der DFB ist alles andere als untätig. Im Griff hat er das Problem trotzdem nicht.

Eine heimische Fußball-WM wird zum Rettungsanker des verloren geglaubten Patriotismus. Die Vergabe der Fernsehrechte wird ähnlich kontrovers diskutiert wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Ein Teil der deutschen Bevölkerung bekommt dabei Wahnzustände am Rande des Zumutbaren, weil ihr dafür jegliches Verständnis abhanden gekommen ist. Der Rest steht in vorderster Front und sorgt persönlich dafür, dass eben dieser Status des Sports und insbesondere des Fußballs bloß keinen Zentimeter an Boden verliert – weil er für viele eben genauso wichtig ist wie Politik und Aktienkurse. Man ist geneigt zu behaupten, er sei „lebenswichtig“.

Und so wäre es auch für mich unvorstellbar gewesen, aufgrund der erschreckenden Ereignisse des Sonntags und schon gar nicht wegen einer bevorstehenden vierstündigen Matheklausur das eigentlich – wie oben schon erwähnt – bedeutungslos anmutende Spiel der Borussia in München vorm Fernseher sausen zu lassen. Aber irgendwie ist etwas anders an diesem Abend. Das Bauchgefühl verheißt wenig Positives. Die 12-Grad-bewölkt-grauen Sitze in der Allianz-Arena sind nicht nur immer noch da, sondern auch zu fast 50 Prozent während des ganzen Spiels unbesetzt. Und selbst die angereiste Gladbacher Fangemeinde ist in ihrer Größe fast ungewohnt klein. Es sei ihnen, uns und mir verziehen – wer kann es sich denn ernsthaft erlauben, zwei Tage frei zu nehmen, um für 90 Minuten mehr als 600 Kilometer in den Süden zu fahren? Aber ich glaube, dass ich mich in dieser Hinsicht langsam wiederhole.

Das Grummeln im Magen spiegelt in der ersten Hälfte relativ realistisch wider, was sich auf dem Platz abspielt. 60 taucht häufiger an der Grundlinie auf und die von dort aus geschlagenen Flanken bereiten der Gladbacher Innenverteidigung und einem unsicher wirkenden Keeper Heimeroth das ein oder andere Mal Probleme. Hinten rechts wird Levels schon früh vom agilen Bierofka in einen albtraumähnlichen Zustand versetzt, dem er bis zu seiner Auswechslung in der Schlussviertelstunde kaum entkommen kann. Vorne spielt Touma erstmals von Beginn an für den kranken Van den Bergh, der eigentlich für den müden Marin auflaufen sollte. Der Schwede mit libanesischen Vorfahren, immerhin zweifacher Nationalspieler, macht über weite Strecken den Eindruck, er leide sowohl an Fieber als auch an Müdigkeit. Wie ein Fremdkörper wirkt der Neuzugang in einer eigentlich gut funktionierenden Gladbacher Elf. Und ausgerechnet Touma ist es, der nach einer guten Einzelleistung den linken Pfosten trifft und in dieser Situation einfach nur Pech hat.

Technisch und spielerisch hat es schon schlechtere Halbzeiten in der Fußballhistorie gegeben. Arm an Szenen, die den Blutdruck merklich erhöhen, ist der erste Durchgang trotzdem. Wolff erzielt kurz vor dem Pausenpfiff das 1:0 für die Löwen, war jedoch den berühmten Tick zu früh gestartet. Die Fahne des Linienrichters ist sofort oben.

Ghvinianidze lässt die Gladbacher Fans aufschrecken, als er Sascha Rösler mit gestrecktem Bein am Oberschenkel regelrecht rasiert. Der Ex-Löwe Rösler kann jedoch weiter machen. In den USA buchstabieren alljährlich Schulkinder bei der „Spelling Bee“ um die Wette, der Name des Georgiers wäre selbst für die amerikanischen Buchstabierkönige eine echte Herausforderung.

Hälfte zwei bietet ein ähnliches Bild wie die ersten 45 Minuten. 1860 München hat unterm Strich mehr und bessere Möglichkeiten. Das 0:0 ist jedoch weiterhin ein gerechtes Ergebnis. 12:9 – um die 75.Minute wird die Torschussstatistik eingeblendet, die genau diesen Eindruck unterstreicht. Geschätzte sechs Schüsse gehen dabei auf das Konto von Berkant Göktan, der Gott sei Dank mit wenig Zielgenauigkeit an die Sache heran geht.
Friend kann kurz vor Schluss aus einem torlosen Remis, das man gerne mitnimmt, einen knappen Sieg machen, mit dem man sich noch lieber auf die Heimreise begeben würde. Doch der Kanadier vergibt die sehr gute Kopfballmöglichkeit und bleibt wie zuletzt gegen Köln, Bayern und Jena weit unter seinen Möglichkeiten.

Am Ende bleibt es beim 0:0. Im Gegensatz zum Euphorie entschärfenden Unentschieden gegen Köln und dem wichtigen Erfolg gegen Jena trotz schwacher Leistung fällt es schwer dieses Ergebnis irgendwie einzuordnen. „Letztes Jahr hätten wir so ein Spiel mit Sicherheit verloren“, geht einem spontan durch den Kopf. Aber insgesamt ließ die Borussia auch ein wenig die Leichtigkeit vergangener Spiele und den berüchtigten Zug zum Tor vermissen. Nach dem Spiel gegen Fürth und zu dem Zeitpunkt 24 Punkten auf dem Konto hieß die Rechnung bis zur Winterpause: Zuhause gegen Jena, Offenbach, Paderborn gewinnen, auswärts insgesamt noch drei Punkte mitnehmen und mit 36 Punkten gebührend Weihnachten feiern. Das ist alles weiterhin möglich.

Und wie gesagt – irgendwie sträube ich mich dagegen, aus solch einer Partie Schlüsse zu ziehen, die entweder zur Weltuntergangsstimmung tendieren oder im Gegenteil alles schön reden. Ich denke in dem Fall gilt: Einfach mal behutsam durch die Mitte spielen…

Montag, 12. November 2007

Mannschaft der Stunde (5)

Manchester United: Nein, auch nach dem vierten Sieg im fünften Spiel und einem herausragenden Erfolg gegen den seit April unbesiegten FC Bayern München hat sich der VfB noch keinen Eintrag in dieser Rubrik verdient.
Mit 13 Siegen aus den letzten 15 Pflichtspielen ist Manchester United derzeit nämlich die weitaus verdientere "Mannschaft der Stunde". Wie sagt man so schön? "Da wächst wieder was heran". In der Champions League ist das Team von Sir Alex Ferguson noch ohne Punktverlust und die Wiederholung des Titels von 1999 scheint möglich. Einziger Makel in einer fast perfekten Saison bisher: Die Ligapokal-Pleite bei Zweitligist Coventry City.

Sonntag, 11. November 2007

Sportliche Verbalerotik

Eine Frage, viele Antworten. Wie haben sie's denn jetzt gemacht, Herr Gomez?

ZDF-Videotext Seite 200. "Gomez-Tor mit dem Mittelteil", darüber soll Seite 205 berichten. Ein einfaches Tor erhält fast genauso viel Aufmerksamkeit, wie die erste Saisonniederlage des FC Bayern. Eigentlich kein Wunder. Wenn die Verantwortlichen des "krisengeschüttelten" Rekordmeisters so einheitlich schweigen, muss man schließlich nehmen, was man kriegt.

"Gomez nudelt sich zum Doppelpack" hatte ich persönlich als notgeile Überschrift in der BILD erwartet. Meine Befürchtungen, dieses Tor könne den Verbalerotikern unter den Wortspielkönigen ein gefundenes Fressen sein, bestätigen sich vollends beim Blick auf die BILD-Homepage.
"Gomez eiert Bayern in die Krise" heißt es da. Und es geht munter weiter: "Sein irres 1:0 – ein ganz krummes Ding." Aber das ist noch nicht alles: "Einfach geil, dieser Gomez!", hüpft der Verfasser immer noch auf der Spielwiese der Verbalerotik herum.

Das nächste Zitat ist wohl ein Fall für den BILDblog und zeigt, wie sehr der Stil des Arbeitsgebers einen Journalisten beeinflussen kann.
"Es war irgendwas dazwischen. Und es tat weh", beteuert Gomez "verschämt grinsend" im ZDF-Videotext. Der werte BILD-Mitarbeiter will dazwischen noch ein plötzlich nicht mehr verschämt grinsendes "es war groß" gehört haben. Lassen wir ihm die Freude, ihm bleibt ja nichts anderes übrig.

Der „Kicker“ diagnostiziert derweil ein Hüft-Tor, andere wollen den Ballkontakt etwas weiter unten am Oberschenkel gesehen haben und der Patient sagt selbst, es sei das "Mittelteil" gewesen.
Als ginge es um den Award für die „Skandalöseste Enthüllung in einem Interview 2007“ wird nachgefragt, bis Mario Gomez endlich die exakten Koordinaten des Körperteils bekannt gibt, das stellvertretend für die traditionellen Torschussutensilien Kopf und Fuß seinen Führungstreffer gegen den FC Bayern München erzielt hat. Doch mit schleierhaften Aussagen lässt Gomez die löchernden Reporter im Regen stehen. Gut so.

Denn eigentlich unterstreicht sein Treffer, der gestern allerorten anatomische Verwirrung auslöste, nur erneut seine Klasse. Der Mann trifft seit zwei Wochen aus allen Lagen, in allen Spielen und mit jedem seiner 189 cm Körpergröße. Ob Hüfte, Oberschenkel, Bauch oder was auch immer – auch Körperteile sind Schall und Rauch.

Donnerstag, 8. November 2007

Die Macht der Zahlen (und des Geldes)

Die finanzielle Unterlegenheit der Bundesliga beweinen und gleichzeitig vor Wut schäumen, weil John Terry im Monat so viel verdient wie die meisten in einem Jahr - passt das zusammen? Diese Diskussion nimmt absurde Züge an und vor allem nimmt sie kein Ende.

Nürnberger Frankenstadion - das passend zum Thema in Wirklichkeit EasyCredit-Stadion heißt. Es ist 22:49 Uhr. Der FC Everton geht per Strafstoß in Führung und macht diese Europacup-Woche noch schwärzer, als sie ohnehin schon war. Zwei Unentschieden, vier Niederlagen sind eine traurige Bilanz für die Bundesliga im internationalen Vergleich und somit nehmen die Diskussionen über die Konkurrenzfähigkeit der höchsten deutschen Spielklasse weiterhin kein Ende.

Der eine will das Wettmonopol stürzen, der andere fordert mehr Fernseheinnahmen – unterm Strich dreht sich alles ums Geld. Die Bundesliga sei von außen sehr gut verpackt, nur was sich unter der Verpackung verberge (die Finanzen) sei nicht ausreichend, findet Oliver Kahn. Wie wäre es denn, wenn wir den Spieß einfach umdrehen und der Bundesliga zwar eine schlampige Verpackung (die Finanzen), aber herausragenden Inhalt (Zuschauer, Tradition, Fairness, hervorragende Struktur) nachsagen?

Gleichzeitig werden allerorten die horrenden Gehälter beim FC Chelsea kritisiert. John Terry ist dort jeden Monat Gehaltsmillionär. Die meisten Bundesliga-Spieler sind schon froh, wenn innerhalb eines ganzen Jahres eine siebenstellige Summe auf ihr Konto überwiesen wird.

Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Echauffiert sich alle Welt über das blamable Abschneiden in der Champions-League, und mit Abstrichen auch im UEFA-Cup, weil die Leistungen dem deutschen Prestige nicht gerecht werden oder weil den Vereinen weitere Millionen durch die Lappen gehen – und die europäische Finanzelite somit in weite Ferne rückt?

Und eines darf man nicht vergessen: Obwohl in der Champions-League bisher nur zwei Spiele gewonnen wurden, haben die sieben deutschen Vertreter auf internationalem Parkett 4,928 Punkte für die Fünfjahreswertung eingefahren, immerhin mehr als in der gesamten Saison 2003/2004. Es ist der sechst beste Wert aller UEFA-Mitglieder – hinter Russland, Schottland, der Türkei, Spanien und England. Und damit steht die Bundesliga nämlich derzeit besser da als die direkte Konkurrenz aus Frankreich, Rumänien, Portugal und den Niederlanden.
Und wer schon einmal in die Zukunft sieht und auf das nächste Jahr blickt, stellt fest: Frankreich bekommt dann 13 Punkte gestrichen, während für Deutschland nur vier Zähler wegfallen. Das würde bedeuten, dass die Bundesliga, selbst mit solch schwachen Leistungen in der Champions League, ab der nächsten Spielzeit die französische Ligue 1 angreifen könnte.

Doch genau wie der allgegenwärtige Unmut, beruht auch diese Hoffnung auf spröder Mathematik. Das Prestige einer ganzen Fußballnation, die Finanzlage einer ganzen Liga, hängt ab von einem komplizierten Berechnungssystem, das am Ende eines Jahres Zahlen wie 7,982 und 11,397 ausspuckt. Merkwürdig. Und wenn für die Bundesliga am Ende ein Wert wie 12,790 dabei herausspringt, lösen sich dann alle „Probleme“ in Luft auf? Mehr Geld fließt dadurch immer noch nicht. Aber muss es das denn überhaupt? Ist es nicht in Wirklichkeit absurd im Zahlenraum von einer halben Milliarde über einzelne Millionen zu diskutieren? Darüber sollte mal nachgedacht werden.

Mittwoch, 7. November 2007

Fohlengeflüster (7):
Glühende Glückseligkeit

Für den Klimawandel mickrige sechs Grad auf dem Thermometer, die sich auch noch anfühlen wie vier. Novemberabende können ungemütlich sein, besonders wenn der Gegner so ungemütlich ist wie Carl Zeiss Jena. Wenn der Glühwein es schon nicht schafft zu erwärmen, dann bleibt eben alles an der Mannschaft auf dem Platz hängen. Doch die tat sich diesmal schwer.

Verdutzt betrachte ich zuhause ein weiteres Mal meine rechte Hand. Sie glüht noch immer wie eine rote Laterne und die Handfläche fühlt sich an, als wolle sie in der Mitte auseinander reißen. Aber ich sehe es optimistisch: Würde meine Hand nicht so schmerzen, hätte ich auch keinen Grund gehabt mich zu freuen. Klingt komisch, ist aber so. Später mehr dazu.

Montagabende im November können durchaus kalt sein, so dass das Verständnis für die wohlwollende Existenz einer Winterpause von Woche zu Woche, in der wir uns Weihnachten nähern, größer wird. Der geneigte Fußball-Fan muss in den Wintermonaten so einiges durchmachen. Denn Fußballfans sind in gewisser Weise auch eitel. Niemand zeigt sich in der Kurve gerne in Daunenjacke. Die sind außerdem äußerst trikot-unfreundlich. Schon einmal probiert ein XXL-Jersey über eine dicke Jacke zu bekommen, ohne dem Michelin-Männchen ernsthafte Konkurrenz zu machen?

Auch der DFB wird sich ausnahmsweise einmal etwas dabei gedacht haben, als er die Zeit von Weihnachten bis Ende Januar zur fußballfreien Zone erklärt hat. Eigentlich wollte er lästigen, wettbewerbsverzerrenden Spielabsagen vorbeugen, aber im Zeitalter der Rasenheizung wird mithilfe der Winterpause eher die Zahl der Erfrierungstoten gering gehalten. Wer jüngst die Abschaffung der Winterpause gefordert hat, ist entweder verrückt, hat einen Logenplatz oder beides. Aber sind wir mal ehrlich: Im Zuge des Klimawandels ist der Januar sowieso in den März gerückt, während der Sommer seinen Platz mit dem April getauscht hat. Also sparen wir uns das Philosophieren einfach.

Obwohl: Die Entscheidung der DFL, die Partie Gladbach gegen Jena auf einen Montagabend zu legen, kann eigentlich nur philosophische Beweggründe gehabt haben. Der erfolgsverwöhnte Borussenfan wird vielleicht behaupten, dass die Chancen auf ein zuschauerfreundliches Torfestival ganz gut stehen und dass das DSF sich darüber freut, aber letztendlich wird die Fußball-Liga den unter der Woche weit gereisten Gladbachern einfach einen zusätzlichen Ruhetag gegönnt haben.

Vor dem Spiel gehen die Meinungen weit auseinander: Vom öden 0:0 über den knappen 1:0-Sieg bis hin zum 5:1-Kantersieg sind eigentlich alle Tipps vertreten.
28000 treue Seelen haben den Weg ins Stadion gefunden. Der Minusrekord vom Spiel gegen Augsburg hat zwar weiterhin bestand, ist aber nur knapp verfehlt worden. Es wird die Angst vor solch einem Zuschauervakuum gewesen sein, die die Offiziellen der Borussia vor wenigen Wochen veranlasst hat, Protest einzulegen, als nur ein Spiel der Borussia bis Weihnachten von der DFL auf den zuschauerfreundlichen Sonntag gelegt wurde. Zum Vergleich: Selbst gegen die TSG 1899 SAP Dietmar-Hopp Hoffenheim kamen knapp 40000 an solch einem Tag.

Angenommen an einem Sonntag wären gegen Jena 36000 in den Borussia-Park gekommen. Der Verein hätte bei einem durchschnittlichen Kartenpreis von etwa zwanzig Euro 160000 mehr verdient. Das ist in Zeiten „obszöner“ Spielergehälter fast exakt die Summe, die John Terry in fünf Tagen verdient – eine ganze Menge also. Aber auch hier gilt: „Grau is alle Theorie, entscheidend is auf’m Platz.“

Denselbigen betreten die 22 Spieler um 20:14 Uhr, zur besten Prime Time sozusagen. Die Geräuschkulisse im halb vollen Borussia-Park (Kölner Fans werden ihn in ihrer derzeitigen Gefühlslage eher als halb leer bezeichnen) erinnert an ein frisch tapeziertes Wohnzimmer ohne Möbel, in dem die fleißigen Heimwerker nach getaner Arbeit mit einer Flasche Bier anstoßen: Es hallt aus allen Ecken, aber die Stimmung ist ziemlich gut.

Aus „ziemlich gut“ wird nach nur zehn Minuten „äußerst gut“, als Oliver Neuville mit seinem sechsten Saisontor die Borussia wieder an die Tabellenspitze schießt. Marin hatte den Ball gefühlvoll in den Strafrau gelupft, Neuville ihn, den Ball, technisch hochwertig angenommen und ebenso hochwertig per Volley im Tor versenkt. Die Vertreter der Zittersieg-Fraktion sehen sich zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Scheideweg und der ein oder andere schließt sich der Kantersieg-Partei an. Auch ich kann mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorstellen, wie der Vorletzte aus Jena uns hier ernsthaft in Bedrängnis bringen soll.

Aber alle Optimisten müssen wenig später erkennen, dass sie sich etwas zu früh mit einem sicheren Dreier angefreundet hatten. Carl Zeiss stürmt mit alten Bekannten – dem Ex-Hannoveraner Simak und dem Deutschland-Schreck Torghelle – und hat innerhalb weniger Minuten mehr Torschüsse, als für die gesamte Spielzeit eingeplant waren. Nach einer guten halben Stunde ist es eben jener Ungar, der 2004 die deutsche Nationalmannschaft im Alleingang besiegt hat, der eine Flanke von links mit seiner Halbglatze ins Tor befördert. So richtig will man es gar nicht glauben, aber im Prinzip hatte es sich sogar abgezeichnet.
Ein abgeblockter Schuss von Rösler und ein tolles Solo des 18-jährigen Marin sind noch am sehenswertesten aus Borussen-Sicht.

Doch erfolgsverwöhnte Fans können verzeihen und erfolgsverwöhnte Fans wissen, dass der VfL bis zu diesem Spiel neun seiner zehn Heimtore „auf die Nordkurve“ erzielt hat.
Jena nährt die Hoffnungen, weil es anfängt zu mauern, anstatt munter weiter zu spielen. Die Borussia kommt besser aus der Pause, findet jedoch kein bewährtes Mittel gegen den Jenaer Beton. Und so sind ein paar merkwürdige Freistoßentscheidungen noch Szenen, die die 28000 am meisten in Wallung bringen.
Die mitgereisten Anhänger von Carl Zeiss Jena dagegen tun zwischenzeitlich alles, um das Bild der ostdeutschen Fußballfans aus den letzten Wochen zu bestätigen. Zahlreiche abgeschossene Knallkörper verbreiten Silvesterstimmung und ein riesiges bengalisches Feuer weckt die Freude auf Sankt Martin. Andererseits frage ich mich aber auch, wie diese Bekloppten das ganze Arsenal ins Stadion bekommen haben. Wenn die Ordner bei den Gästen jeden so schlampig kontrollieren wie mich, überrascht das aber auch nicht mehr allzu sehr.

Apropos glühende Feuerwerkskörper: Anstatt eines Bieres gönne ich mir gleich zwei Glühweine, um das Innere und die Hände zu wärmen, da die Borussia auf dem Platz nicht viel zur Erwärmung beiträgt. Allein Neuville reißt alle von den Sitzen, sogar die Leute auf den Stehplätzen, als er eine glasklare Torchance über das Gehäuse setzt.

Innerlich mache ich mich schon auf ein Unentschieden gefasst und überlege mir, was ich davon zu halten habe, als in der Nordkurve endlich ein natürliches Feuerwerk entfacht wird: Marcel Ndjeng, Vorlagenkönig der Zweiten Liga, bringt von rechts einen Freistoß gewohnt scharf in den Strafraum, Rösler segelt in der Mitte vorbei, aber am langen Pfosten steht Neuville frei wie Frank Mill und bringt den Ball einmal mehr sehenswert im Tor unter.
Das Stadion bebt vor Freude, alle hüpfen durcheinander und im Trubel tauscht man ungewollt den Platz mit dem Nachbarn, weil Freude eben ihren Platz braucht. Der unbekannte Mann vor mir bringt seine Freude zum Ausdruck, indem er jeden in 1,50 m Reichweite weit ausholend abklatscht. Als ich an der Reihe bin, wird meine trotz Glühweinkonsums tiefgefrorene Handfläche fast in der Mitte durchgerissen und fängt sofort an zu glühen wie der Geißbock, der in eine Lichterkette beißt.
Aber im Freudenrausch kennt man erst Recht keine Schmerzen und so erhält Olli auch von mir seine verdienten stehenden Ovationen, als er kurz darauf ausgewechselt wird.

Am Ende sind sich alle einig: Solche Siege sind mindestens genauso wichtig wie ein Derbysieg gegen Köln. Denn am Ende einer Saison machen genau sie den Unterschied. Auf dem Papier sind es zwar nur drei Punkte. Aber im Kopf und im Herzen bringt dieser Sieg gefühlte sieben Zähler auf das Gladbacher Punktekonto.
Nicht gut bis schlecht spielen und trotzdem gewinnen – das kennt man doch eigentlich von einer anderen Mannschaft. Die wird auf diese Weise meistens Meister. Kann ja nur ein gutes Omen sein…

Sonntag, 4. November 2007

Nach der Flut kommt die Ebbe kommt die Flut

Erst 32, dann 12, dann 13 und urplözlich acht Treffer in einem Sonntagsspiel, dem man solch einen Torreigen niemals zugetraut hätte. Warum hat mir das vorher niemand gesagt?

Der Drohbrief an die Bundesligavereine war bereits fertig formuliert, der Sonntagnachmittag trotzig der morgigen Spanisch-Klausur gewidmet, da schießen die VfLs aus Bochum und Wolfsburg doch tatsächlich acht Tore in einem Spiel. Wer konnte das denn ahnen?

Neun Spiele am letzten Wochenende, sieben bis heute um 17 Uhr – macht unterm Strich 25 Tore. Tag der offenen Tür sieht anders aus.
Weil dieselben erlauchten 18 Vereine vor zwei Wochen gleich 32-mal in nur halb so vielen Partien ins Eckige trafen, ließ ich mich euphorisch dazu hinreißen, die Schönheit der Bundesliga hochleben zu lassen. Verschämt musste ich heute erkennen, dass die Trefferflut mich glatt geblendet hatte.

Aber dann kam Bochum und dann kam Wolfsburg. Ausgerechnet zwei Vertreter der Graue-Maus-Fraktion retten die Liga aus der fast chronischen Tor-Ebbe und beleben die Anzeigetafeln dieser Liga.
Ich bedanke mich recht herzlich und bitte demnächst, um genaue Infos, wie viele Treffer die Klubs denn diesmal zu schießen gedenken.
Hätte ich das gewusst. Ich hätte mir die Konferenz gespart und gestern Spanisch gelernt…

Samstag, 3. November 2007

Mannschaft der Stunde (4)

Hamburger SV: Zehn Siege aus den letzten elf Partien - die Bilanz des HSV liest sich hervorragend. Der Bundesliga-Dino tanzt noch auf drei Hochzeiten und zumeist halten Mathijsen, Reinhardt, Rost & Co. den Kasten dicht. In neun von 17 Pflichtspielen dieser Saison stand die Null, was vor allen Dingen Trainer Stevens optimistisch stimmen wird.
Die Seuchenhinrunde der letzten Saison ist längst vergessen. Der HSV macht sich indes die Saison 2005/06 zum Vorbild, als man erst am letzten Spieltag noch von Platz zwei gestoßen wurde. Mit jedem Erfolg der Hamburger steigt die Hoffnung auf eine Saison, die an der Spitze doch nicht so deutlich verläuft, wie zunächst befürchtet.

Freitag, 2. November 2007

Fohlengeflüster (6): Pilgerfahrt

"Wie ich einmal vergaß Schalke zu hassen" ist ein großartiges Buch von Christoph Biermann. Seit dem sieglosen, aber trotzdem erfolgreichen Ausflug nach München, weiß ich genau wie er sich damals gefühlt haben muss. Nur muss "Schalke" in meinem Fall gegen einen anderen Verein ausgetauscht werden.

Irgendwo auf der A3. Irgendwo im Niemandsland der Bundesrepublik zwischen Hadamar und Welschehahn. So eine Fahrt nach München ist lang und vor allen Dingen geht es meist nur geradeaus. Langsam ziehen weitere illustre Orte wie Geiselwind und Kitzingen vorbei.

Und das alles für einen einzigen Fußballverein, der am Abend mit großer Wahrscheinlichkeit dem schier übermächtigen und noch immer ungeschlagenen Rekordmeister in der 2.Runde des DFB-Pokals unterliegen wird. Trotz der schlechten Karten und dem nicht gerade verheißungsvollen Blick in die Geschichtsbücher, die erst einen einzigen Sieg bei den Bayern in 4,6 Milliarden Jahren Erdgeschichte verzeichnen, zieht es am Mittwochmittag 6000 Gladbacher aus allen Teilen des Landes und besonders vom Niederrhein in die bayerische Landeshauptstadt. Auf der A3 wimmelt es von Autos und Bussen mit den Kennzeichen MG, NE, VIE und HS. Je tiefer die Raute im Herzen sitzt, desto weiter fährt man ihr hinterher, um ihr zu huldigen.
Wenn heutzutage der Jakobsweg von vielen nur noch zur forcierten Partnersuche heimgesucht wird, dann fällt diese Art der fußballerischen Verehrung mit mehr Berechtigung unter den Begriff Pilgerfahrt.

Um 17 Uhr ist Mekka - ’schuldigung – ist München erreicht. Meine Magen-Darm-Probleme, die mich am Morgen aus „heiterem Himmel“ überfallen hatten, haben sich mittlerweile gelegt. Diese Zweite Liga, diese Borussia - sie machen mich nicht nur zum Schwein, sondern auch noch zum Simulanten. Wo soll das hinführen?

Weil wir vier – meine Eltern, mein Bruder und ich – nach dem historischen Sieg gegen die Bayern, den es gegen Mitternacht zu bejubeln geben wird, und den anschließenden Siegesfeiern auf dem Marienplatz nicht nachts nach Hause fahren wollen, beziehen wir ein Hotel im schnuckeligen Aschheim im Nordosten der Stadt. Wobei zum Beziehen nicht viel Zeit bleibt. Schnell die Taschen und die Kühltruhe mit Schnitzeln, Frikadellen und Käsehäppchen aufs Zimmer gebracht, schon brechen wir auf in Richtung Allianz-Arena.

Vorher werde ich jedoch noch vom Blitz getroffen: Mein weißes Glückstrikot passt nicht über die Winterjacke, die bei null Grad aber vonnöten ist. Was ein großes Unglück für einen Fußballschamanen wie mich ist, der sich an jedem Spieltag die Fingernägel schneidet und zuerst die Unterseite eines Brötchens beschmiert, weil wir bei Beachtung dieses Ablaufs vier Spiele nicht verloren haben.
Also muss das kleine Weiße im Zwiebellook unter die Jacke. Das neue grüne Dress – Teil zwei der weiß-grünen und seit zwei Monaten ungeschlagenen Glückskombo – ist Gott sei Dank groß genug für „oben drüber“.

Der Weg zum Stadion über S- und U-Bahn zieht sich wie eine Physikstunde. Um viertel vor sieben ist das rote U-Boot erreicht. In der Bahn konnte man den Eindruck gewinnen, dass Gladbach heute ein Heimspiel hätte. Schwarz-weiß-grün so weit das Auge reicht. Das schöne Bild wird allein von ein paar roten Farbtupfern getrübt.

Die Bayern-Fans scheinen sich trotz hunderter Meisterschaften, DFB-Pokal-Siege und Erfolge im Europacup jedoch für ihren Verein zu schämen. Oder warum blitzt nur ab und zu ein Trikot unter einem Wintermantel hervor? Soll einer verstehen, diesen Verein.
Wobei ich für diese Art von Scham durchaus Verständnis habe.

Für ihr Stadion müssen die Bayern sich aber alles andere als schämen. Imposant, imposant. Allein die 12°-bewölkt-grauen Sitze werden dem Anmut der Allianz-Arena nicht gerecht. Und dann wäre da natürlich die Außenfarbe. Grün wäre freilich viel schöner.
Die anderen Fans aus MG, NE, VIE und HS haben mittlerweile ebenfalls ihre Reise beendet und machen schon vor dem Spiel mächtig Radau im Gästeblock. Beim Blick ins weite Rund fällt mir der merkwürdige Münchener Fanblock auf. Der 20 Meter breite Stehplatzabschnitt in der Südkurve erinnert an eine Kuhwiese mit der Zuschauerdichte eines Rockkonzertes. Soll einer verstehen, diesen Verein.

Komisch versucht auch der Stadionsprecher zu sein, meist gelingt es ihm nicht. 45 Minuten vor dem Anpfiff kann ich den Schmarrn nicht mehr hören und möchte ihm am liebsten das Mikro aus der Hand reißen und selber weitermachen. Geht aber schlecht, also stelle ich mich in den Katakomben mit einem Leberkäs-Brötchen zufrieden. Währenddessen fährt ein Wägelchen mit der Aufschrift „Tabakwaren“ an mir vorbei. Zigarren und Schnupftabak im Stadion? Soll einer verstehen, diesen Verein.

Um acht, bereits eine halbe Stunde vor Anpfiff, ertönt das Vereinslied mit dem Titel „Stern des Südens“ in der mittlerweile gut gefüllten Arena. Anders als bei der „Elf vom Niederrhein“ im Borussia-Park lässt dies die Bayern-Fans jedoch kalt wie ein Eiskaffee und so dient das (zugegebenermaßen) nette Lied mit dem blöden Text eher der Hintergrundbeschallung. Soll einer verstehen, diesen Verein.

Kurz vor dem Anpfiff wird die Tormusik schon einmal vorsorglich eingespielt. Als hätten sie Angst, dass es während des Spiels nicht dazu kommen könnte. Es ist der „Zillertaler Hochzeitsmarsch“, der Musikantenstadl- und Oktoberfeststimmung aufkommen lässt. Eigentlich dürften wir uns mit unserem tiefgängigen „Döp, döp, döp, dödö, döp, döp döp“ von Scooter nicht beschweren. Aber so kann eben auch Schmarrn Kultstatus erreichen. Soll einer verstehen, diesen Verein (hier sind immer noch die Bayern gemeint).

Fußball wird dann übrigens ab 20:30 Uhr ebenfalls gespielt, wobei die Betonung durchaus auf „gespielt“ gelegt werden darf. Die Borussia versteckt sich nicht, sondern beweist, dass sie auch gegen die großen der Bundesliga in der Lage ist, ihr neu gewonnenes Gesicht zu zeigen.
Bayern spielt zwar seine technische Klasse aus und kommt – der Gladbacher Offenheit sei Dank – früh zu Tormöglichkeiten. Aber Gladbach ist genauso gewillt, etwas zu der Partie beizutragen. Und so haben Paauwe und Marin gute Szenen, als sie es aus der Distanz versuchen. Auf der Gegenseite ist es erst Toni per Kopf, dann der für Miro Klose spielende Podolski, der alleine auf Heimeroth zuläuft und vergibt.

Das Aufeinandertreffen der beiden Klubs, die einst dafür sorgten, dass von 1969 bis 1977 kein anderer Vereinsname als Bayern oder Gladbach auf der Meisterschale eingraviert wurde, wird mit der Zeit immer hitziger. Munter geht es zur Sache, als Toni lauthals einen vermeintlichen Ellbogencheck von Friend reklamiert und im Eifer des Gefechts den Linienrichter wegschubst. Der Italiener sieht Gelb. Rot wäre nicht zwingend nötig gewesen, aber durchaus vertretbar.

Nachdem Neuville freistehend vor Rensing vergibt, geht es torlos in die Halbzeit. Die Haupttribüne gleicht in der Pause der russischen Taiga – weit und breit kein Mensch, nur triste graue Sitze. Die Scampi-Prosecco-Tribüne macht ihrem Namen alle Ehre.
Die werten Herren haben den letzten Schluck noch im Mund, als 6000 Gladbacher auf den Rängen und 11 auf dem Platz eiskalt erwischt werden. Podolski flankt von links, der Ball tippt auf, Heimeroth verlässt sich auf Voigt, der vertraut auf seinen Schlussmann und schon steht Toni mutterseelenallein am langen Pfosten und köpft ein.

60000 Verrückte in Rot und Weiß hüpfen auf einmal jubelnd um die Wette. Vom scheinbaren Winterschlaf, den die Münchener Anhänger in Halbzeit eins gehalten haben, keine Spur mehr.
Konsterniert und mit dem Kinn auf die Hand gestützt, lasse ich meinen Blick durchs weite Rund schweifen.
Wie in einem Film kommen alte Szenen wieder hoch, die mir einst beigebracht haben diesen Verein zu hassen: Manchester dreht vor meinen Augen das Endspiel in Barcelona ’99, Olli Kahn pariert den entscheidenden Elfmeter gegen Valencia und stürmt im selben Moment zur Eckfahne in der AOL-Arena und bejubelt die Last-Minute-Meisterschaft 2001. Vor Wut zerreiße ich das Mannschaftsfoto des FCB im damaligen Kicker-Sonderheft.
Mir wird klar, dass ich aufgrund unserer eigenen Bundesliga-Abstinenz und den starken Auftritten des FCB schlichtweg vergessen hatte, diesen Klub zu verachten. Und deshalb denke ich mir: Selbst wenn’s schief geht, hat dieser Ausflug wenigstens etwas Gutes.

Da kann ich ja noch nicht ahnen, dass Neuville im nächsten Angriff von Ndjeng geschickt und nur durch eine Glanzparade von Rensing auf dem Weg zum postwendenden Ausgleich gestoppt wird.
Die Jungs von Jos Luhukay geben nicht auf und probieren weiter Geschichte zu schreiben. Zehn Minuten später scheinen die Lichter für die Borussia jedoch zu erlischen. Toni nutzt eine schon fast vergebene Chance, um per Weitschuss das 2:0 zu erzielen. Der Ofen ist wohl aus.

Da kann ich ja noch nicht ahnen – man sieht, ich tappe von einer Ahnungslosigkeit in die nächste –, dass Marcel Ndjeng aus dem Nichts abzieht und in der 70.Minute aus gefühlten 37 Metern den Anschluss wieder herstellt.
Spätestens jetzt übertönt der Gästeblock den Rest der Allianz-Arena. Nachdem zuvor zum Zwecke der Solidaritätsbekundung schon Klassiker wie „You’ll never walk alone“ angestimmt wurden, glimmt die Hoffnung jetzt wieder ein wenig.
Doch der Borussia gelingt es nicht, den erhöhten Druck in Chancen und vor allen Dingen in Tore umzumünzen. Das 3:1 des eingewechselten Klose ist kurz vor Schluss die Entscheidung.

Ottmar Hitzfeld wird der Borussia nach dem Abpfiff bescheinigen, dass am Wiederaufstieg des fünfmaligen Deutschen Meisters Dank solcher Auftritte keine Zweifel bestehen. Und die Medien werden größtenteils feststellen, dass der VfL sich „teuer verkauft“ habe.

Ehrlichen Beifall hat eine Mannschaft nach einer Niederlage noch nie von mir erhalten, doch heute haben die Jungs es sich verdient. Auch wenn der Traum von einem historischen Abend ein Traum blieb.
Aber auf Pilgerfahrten gibt es schließlich selten etwas zu gewinnen. Pilgerfahrten sind dazu da, zu einer Erkenntnis zu kommen und etwas mitzunehmen. Und was ist meine Erkenntnis von diesem Ausflug gen Süden, was nehme ich mit?

Ich hatte tatsächlich vergessen, wie sehr ich den FC Bayern von ganzem Herzen verabscheue…