Sonntag, 31. August 2008

Mission 40/3:
Wenn Aberglaube Bremer versetzt

Literweise Schweiß in den Klamotten, aufopferungsvoller Kampf auf dem Platz und auf den Rängen, Nervenkitzel bis zum Schluss – Gladbach hat sich den ersten Sieg der Saison redlich verdient. Gegen enttäuschende Bremer reichten drei Tore Vorsprung am Ende für einen Erfolg per Fotofinish.

Omen sind die Evangelien des Aberglaubens. Ereignisse, Geschichten und Zusammenhänge, die uns ans scheinbar Unmögliche glauben lassen. Sie bestärken uns in dem Glauben, dass das, was wir tun, genau richtig ist. Vom Fußballgott gesegnet sozusagen.

Läuft es wie am Schnürchen, werden akribisch alle noch so nebensächlichen Umstände analysiert, die irgendwie mit dem Erfolg in Verbindung stehen könnten. Im Umkehrschluss leitet andauernder Misserfolg ebenso sorgfältige Ermittlungen ein. Mit dem Unterschied, dass nicht hinterfragt wird, wie genau das altbewährte Netz der Rituale aussah, sondern vielmehr wie es auszusehen hat.

Und so bedurfte es vor Spiel Nummer drei der Mission 40, dem zweiten Heimspiel gegen Bremen, eines tiefgehenden Brainstormings. Omen numero uno schien eigentlich schon auszureichen: Im Borussia-Park hatte es noch nie eine Pleite gegen Werder gegeben. Aber der Abergläubige gibt sich hier traditionell längst nicht zufrieden. Denn auf irgendwelche Serien, die vor Jahren begannen, hat er gemeinhin wenig Einfluss gehabt. Es sei denn, und hier beginnt Punkt Nummer zwei, er hat bei vorhergehenden Erfolgen in Form von raffinierten Ritualen mitgewirkt. Das heißt, er muss in seinem Gedächtnis wälzen und sich erinnern, wie das damals war, als es noch wie am Schnürchen lief.

Ein vier Jahre altes, weißes Jever-Trikot, das sich stets mit dem neusten Trikot darüber blicken ließ, hatte letztes Jahr bekanntlich maßgeblichen Anteil am Wiederaufstieg. Erstmals eingesetzt wurde die lange bewährte Glückskombo im zweiten Heimspiel der Saison 2007/2008, nachdem die Partien zuvor allesamt keinen Dreier gebracht hatten. Hieß für das Spiel gegen Bremen, das zweite Heimspiel dieser Spielzeit: Jever-Trikot raus, das neue Heim-Dress im 70er-Look drüber.

Da ganz und gar nichts dem Zufall überlassen wird – Fußball ist zwar keine Mathematik, aber ebenso wenig Spiel 77 oder 6 aus 49 – ist die letzte Schlaufe jenes Netzes der Rituale an dieser Stelle längst noch nicht gehäkelt. Weiter geht’s mit Punkt drei, den kleinen, aber feinen Gewohnheiten. Erstens wird das Stadion durch den dritten oder auch vierten Ticketautomaten von links betreten (beide haben sich bewährt, ganz so eng wird das nun auch wieder nicht gesehen). In den Block selbst geht es durch den Eingang des Nebenblocks. Zweitens, jetzt wird’s kulinarisch, gilt es, jegliche Fisch- und Pizzabuden genauso wie den Stand einer rheinländischen Großbäckerei elegant zu umkurven. Irgendwann hat Oma schließlich wieder Geburtstag, dann bleibt genug Zeit für Streuselkuchen. Der Gaumen verlangt indes nach einer traditionellen Bratwurst mit Senf. Zu guter Letzt, nihilistisch veranlagt ist der Fan bisweilen auch, wird vehement ein Unentschieden oder gar eine Niederlage vorausgesagt, um das Gegenteil eintreten zu lassen.

Fertig ist ein verflochtenes, verworrenes und verwirrtes Netz der Verrücktheiten. Kostprobe gefällig, dass wirklich kein Weg dran vorbeiführt? Im Aufstiegsjahr setzte es genau zwei Heimniederlagen. Gegen Mainz war ich in zivil unterwegs, ohne Doppeltrikot. Gegen Freiburg war mir alles egal, gefressen wurde wie an Thanksgiving. Gegen Stuttgart hatte ich blasphemistisch daran geglaubt, Aberglaube sei Schwachsinn und egal, was ich auch täte, es würde sowieso nichts bewirken. Die Strafe folgte innerhalb von 90 Minuten.

Um halb vier wird tatsächlich angepfiffen und Fußball gespielt. Wobei das Spektakel da unten auf dem Platz längst nur noch für die Galerie stattfindet. Zumindest die Frage nach Sieg, Remis oder Niederlage ist bereits beantwortet worden. Der Borussia-Park ist ausverkauft, nicht nur das Wetter heiß, sondern alle 54.067 Zuschauern im Stadion. Keine Spur mehr von Anfeindungen, wie sie in Mannheim bei Hoffenheim für Aufsehen gesorgt hatten. Sogar Tim Wieses Haare kommen unbesungen davon.

Allein Jos Luhukays Taktik sorgt für Verwirrung. Allem Anschein nach lässt er drei Dreierketten plus Rob Friend im Sturm auflaufen. Nach dem „Mainzer Tannenbaum“ wird das Verzeichnis der Fußballsysteme um das „Empire State Building“ bereichert: gerade und gleichmäßig hoch, mit Spitze drauf.

Nach zwölf Minuten versetzt die 64. Etage des Gladbacher Wolkenkratzers die Masse erstmals in Wallung. Nach einem feinen Pass von Marin aus den unteren Stockwerken taucht Matmour frei vor dem unbesungenen Wiese auf. Der ist gegen den wuchtigen Schuss des Algeriers machtlos. Gladbach führt, der Borussia-Park bebt. Unter meinen Trikots fließt mittlerweile ein reißender Strom voller Schweiß. Doch das ominöse frühe Tor bestärkt mich in meinem Glauben, dass doppelt nunmal besser hält.

Bremen spielt wie wir in den ersten beiden Partien. Wir dagegen treten auf, wie man es eigentlich von Bremen gewohnt ist: Technisch hochwertig, mit blitzschnellen Kombinationen und der nötigen Portion Leidenschaft. Eine knappe Stunde ist vorbei, als Rob Friend zweimal allein aufs Tor zuläuft. Beide Male reckt der Linienrichter seine Fahne in die pralle Mittagssonne. Zweimal hat er Recht, wie mir mein Vater per SMS bestätigt. So sieht er aus, der Stadionfußball anno 2008. Ich habe das Handy noch in der Hand, als die Nordkurve zum zweiten Mal eine emotionale 360°-Drehung vollführt. Wiese wirft Matmour den Ball genau vor die Füße. Den Pass des Algeriers auf die rechte Außenbahn bringt Ndjeng hoch in den Strafraum, wo Friend mit seiner Stirn als erster am Ball ist und die Kirsche zum 2:0 in die Maschen wuchtet.

Langsam wird es unheimlich. Bremen versprüht noch immer den Elan einer rüstigen Rentnertruppe auf der städtischen Bouleanlage in Avignon. Eine erste Halbzeit wie aus dem Bilderbuch geht zu Ende und ich frage mich, ob ich es mit dem Aberglauben nicht fast schon übertrieben habe. So verdammt gut sieht es derzeit aus. Konsterniert schreite ich in der Pause zum Getränkestand – besorgt, dass mir plötzlich ein brennender Dornbusch erscheint oder sich vor mir die Warteschlange teilt.

Nach der Halbzeit lässt die Wirkung von Bremens Narkosemittel stetig nach. Die Schüsse der Norddeutschen fliegen Heimeroth nicht mehr genau in die Arme. Gladbachs Schlussmann muss sich sogar bewegen und gibt dabei erneut eine klasse Figur ab, so dass ich nach einer Stunde mit dem Gedanken spiele, ein Entschuldigungsschreiben an unseren Keeper zu verfassen. Und wenn Heimeroth einen seiner augenscheinlich acht Arme einmal nicht am Ball hat, steht noch immer ein Borusse auf der Linie und klärt die brenzlige Situation.

In Minute 70 vertändelt Bremen wie so oft an diesem Nachmittag den Ball. Baumjohann schnappt sich das Leder und weckt innerhalb der nächsten neun Sekunden Reminiszenzen an einen gewissen Diego Armando Maradona. Siebzig Meter nach der Eroberung schlägt der Schuss des 21-jährigen zum 3:0 ein. Mehrmals war er schon so gut wie weg (sowohl der Ball als auch Baumjohann selbst, schließlich sollte er im Sommer verkauft werden). Am Ende bleibt eine unmissverständliche Bewerbung fürs Tor der Woche/des Monats/des fügen-sie-beliebige-Zeiteinheit-ein. Auf der Anzeigetafel erscheint ein Einspieler, in dem Baumjohann ganz cool einen Schuss versenkt und daraufhin ebenso lässig den Rauch vom Gewehrlauf des Zeigefingers pustet. „Was war das denn?“, fragt Stadionsprecher Knippertz ungläubig. Ich wünschte, ich könnte dem Mann eine brauchbare Antwort geben.

‚Wow, was ein Spiel‘, denke ich mir. ‚Und anders als damals in Liga Zwei, beim ersten Heimsieg gegen Osnabrück, sparen wir uns sogar die nervenaufreibende Schlussphase‘. Sekunden danach segelt ein Eckball in den Gladbacher Strafraum. Nach einer kleinen Runde Dreiband fällt Pizarro der Ball vor die Füße. Der Rückkehrer netzt ein zum 1:3. Noch nicht der Anschlusstreffer, aber an den will ich da gar nicht denken.

Gladbach versäumt es in der Folge, endgültig für die Entscheidung zu sorgen. Luhukay bringt Levels und Coulibaly, die nicht wirklich ins Spiel finden. Eine Minute vor dem Ende bekommt Werder einen Freistoß. Ein entnervter, verwarnter und scheinbar ge-jetlag-ter Diego zeigt zum ersten Mal seine immense Klasse und setzt den Schuss so nah an den Pfosten heran, wie es nur irgendwie geht. Heimeroth hat keine Chance und schon ist sie da, die Zitterpartie, die keiner mehr brauchte.

Die Sekunden verrinnen anschließend im Minutentakt. Drei Minuten gibt es oben drauf. Die Nachspielzeit wird zum Drahtseilakt. Werder drückt unermüdlich. Die Borussia erhöht durch Matmour zwar fast noch auf 4:2. Doch am Ende erscheint die Spielzeit von 90 Minuten für ein Fußballmatch goldrichtig gewählt. Fünf bis zehn Minuten länger und am Ende hätte Gladbach den ersten Punktegewinn anstelle des ersten Dreiers gefeiert. Wobei sich die Feierstimmung dann mit Sicherheit in Luft aufgelöst hätte.

Gladbach schlägt am Ende schwache Bremer mit seinen vereinstypischen Tugenden, mit Kombinationsspiel, Konterfußball, Leidenschaft und keinem Erbarmen bei Patzern des Gegners. Die ersten beiden Saisonspiele hatten beinahe vergessen lassen, dass die Nachfolger einer gewissen Fohlenelf am Ball sind.

Erschöpft falle ich nach La Ola und Humba in den Shuttle-Bus. Der reißende Fluss an Rücken und Beinen hat längst die Ausmaße eines Jahrhunderthochwassers angenommen. Schweiß, Müdigkeit – alles liebend gerne geduldete Umstände ein einem Tag, wie er nicht besser hätte laufen können. Am Ende bleibt neben einer Borussia, die endlich im Oberhaus angekommen ist, vor allen Dingen eines zu vermerken: (Aber-)Glaube kann nicht nur Berge, sondern manchmal sogar Bremer versetzen.

Donnerstag, 28. August 2008

0 - 1 + 2 = 1

Lehmann nach Stuttgart, Borowski nach Bayern - Marcell Jansen ist der dritte EM-Fahrer im Bunde, der den Verein und die Fronten gewechselt hat. 17-mal hat er für den Rekordmeister in der Bundesliga gespielt, durchgesetzt hat er sich nie. Nach der verpatzten EM und der Degradierung zum Ersatzspieler ist der Wechsel nach Hamburg ein weiterer Schritt zurück, ein Eingeständnis, dass es für die großen Bayern nicht ganz gelangt hat. Noch bleibt den 22-jährigen Gladbacher die Chance, auf den einen Schritt zurück zwei nach vorne folgen zu lassen.

Aus gegebenem Anlass heute ein Eintrag aus dem "Wörterbuch der Sport-Anglizismen":

overrated: eng. überschätzt, überbewertet (vgl. "auf dem absteigenden Ast")

Mittwoch, 27. August 2008

"Das Geld, sie wissen schon, das Geld"

"Einige Leute halten Fußball für einen Kampf um Leben und Tod." - Andere augenscheinlich für ein Gewinnspiel, bei dem der Sieger finanziell absahnt und der Verlierer seinem Namen alle Ehre macht.

Plötzlich wird das Flutlicht im Vicente Calderón gedimmt. Ruhige, aber dennoch schwere Töne drücken aus den Boxen aufs Trommelfell. Der vierte Offizielle zeigt die Nachspielzeit an – zwei Minuten zu gehen. Atlético Madrid führt mit 2:0, Schalke wäre draußen. Dann ertönt ein Pfiff, Rakitic ist kurz vor dem Sechzehner gelegt worden. Der Kroate legt sich gerade den Ball zurecht, als auf einmal Günther Jauch erscheint. Er hat zwei Sessel mitgebracht.

„Sie wissen, es geht um alles“, versichert der Quizmaster in bewährter Manier. „Ich fasse noch einmal zusammen: Wenn sie treffen, gewinnen sie 15 Millionen Euro. Ansonsten bleibt ihnen unser Trostpreis, der UEFA-Cup.“

Da greift Rakitic zum letzten Joker. Jauch reicht ihm ein Handy, schnell haut der Schalker Youngster in die Tasten. Bruchteile später ertönt eine tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung. „Eine Sekunde“, vertröstet der Telefonjoker den nervösen Kandidaten. Im Hintergrund zischt eine Bierflasche, zwei kurze Schlücke, dann ist Rudi Assauer wieder da.

„Nabend, Herr Assauer“, begrüßt Jauch den alten Reliefflaschen-Vergötterer. „Bei mir sitzt der Rakitic, kurz vor dem Sechzehner. Sie ahnen es vielleicht schon, es geht um eine Frage aus dem Gebiet der Freistoßschützen.“
„Um wie viel geht’s denn?“
„Fünfzehn Millionen“, wiederholt Jauch die ominöse Summe. „Sie sind seine letzte Chance.“
„Fuffzehn Millionen Ocken? Manno man, dann schieß‘ mal los, Jung.“
„Ok, Herr Rakitic wird ihnen jetzt die Frage stellen. Gut zuhören, wie immer 30 Sekunden und die laufen ab… jetzt!“
„Hallo Rudi, hier is‘ Ivan. Also: Wer soll den alles entscheidenden Freistoß für Schalke in der zweiten Minute der Nachspielzeit schießen, aus halblinker Position 17 Meter vor dem Tor? – A: Ich selbst, B: Stan Libuda, C: Josef Schnusenberg, D: Marcelo Bordon.“
„Och komm, willste mich auf’n Arm nehmen, Jung? Dat is' ganz klar der Marcelo. Boah, der Wumms, unfassbar, lass den bloß schießen. Weiße noch dat Ding damals, als der noch in Stuttgart war, gegen Bremen? Ach quatsch, bisse viel zu klein für. Aber der Mann hat ‘ne Keule wie’n…“

Dann macht es „möp-möp“. Die Zeit ist um, die Würfel gefallen. Der Lichtstrahl auf der Ehrentribüne ist auf Andreas Müller gerichtet. Angstschweißperlen kullern seine Schläfen hinunter. Es riecht nach UEFA-Cup.

„Ich schaue noch einmal, was ihre Begleitung meint“, sagt Jauch. „Herr Müller, was denken Sie?“

Von rechts fährt ein Ellbogen dem Schalker Manager erbarmungslos in die Rippen. Müller signalisiert hörig ein spiegelverkehrtes C und ringt mit den Schmerzen.

„Interessant. Wie auch immer, ich brauche eine Entscheidung, Herr Rakitic. Antworten oder Aufhören?“, lässt Jauch nicht locker.
„Ich nehm D, der Rudi wird schon Recht haben“, antwortet Rakitic. „Der Fall in den UEFA-Cup ist zwar tief. Auf Kayserispor, Setúbal und Nordsjaelland hab' ich keinen Bock. Ich geh' aufs Ganze.“

Dann läuft Bordon an. Wie ein Strich bahnt sich der Ball seinen Weg. Ujfalusi, ausgerechnet Ujfalusi, der Ujfalusi mit dem Rückpass dreht sich ein wenig ab. Der Schuss streift haarscharf an seiner Hüfte vorbei, genau durch die Mauer. Dann schlägt er ein.

Goldener Konfettiregen verwandelt das Spielfeld in El Dorado. Auf dem Fernsehbildschirm erscheint die Zahl 15.000.000, hell leuchtend, goldig umrandet.

Andreas Müller stürmt den Platz, bildet das Gipfelkreuz auf einem schier unendlich großen Haufen Schalker Spieler, die den großen Hauptgewinn feiern. Dann kommt Schnusenberg angetapst. Plötzlich ist die Spielertraube verschwunden.

Was er nun mit dem Geld anstellen wolle, fragt ein Reporter den Schalker Manager. Gute Frage. Müller stutz, faselt dann irgendetwas von „den Rückstand auf die anderen Ligen reduzieren… in die Jugend investieren… Schulden an-… äh, pardon, abbauen.“

Zu guter Letzt möchte der Reporter wissen, was denn jetzt aus der Reise nach Manchester, Madrid oder Mailand werde. „Ach ja, stimmt“, erinnert sich Müller. „Ganz vergessen. Vor lauter Aufregung. Das Geld, sie wissen schon, das Geld…“

Jaja, wir wissen schon. Das Geld.

Dienstag, 26. August 2008

Mission 40/2:
Vor die Hunde gegangen

Eine Serie reißt, eine andere hat Bestand. Auch der zweite Spieltag mit dem ersten Auftritt auf fremdem Platz sorgt für wenig Erheiterung. Letztes Jahr noch Leidgenossen im Unterhaus, drei Monate später spielt Hoffenheim scheinbar in einer anderen Liga.

Keine Abiturprüfung hatte das vollbracht, keine Sportstunde bis viertel nach fünf, kein 18. Geburtstag. Und jetzt, nach fast zwei Jahren und 65 Ligaspielen in Folge, sorgte ausgerechnet ein Haufen herumtobender Hunde dafür, dass ich ein Spiel der Borussia erstmals nicht über 90 Minuten verfolgen konnte. Gut, das waghalsig gesetzte Ziel, mit der Schreiberei oder dem Reden über Sport später Geld zu verdienen, sprich Sportjournalist zu werden, sollte man auch nicht außer Acht lassen. Die agilen Vierbeiner auf der Wiese vor der Grundschule im illustren Örtchen Oedt waren da eher Mittel zum Zweck. Aber ausgerechnet Hunde halten mich vom Fußballgucken ab. Ich kann’s noch immer nicht fassen. Wenn ich Hunde wenigstens gut leiden könnte. Doch nicht einmal das ist ja der Fall.

Wie auch immer, die Vierbeiner ließen mich in Ruhe meine „Arbeit“ verrichten. Nicht unklug von ihnen, schließlich ging es ja um ihre Sportart Agility, das Vielseitigkeitsreiten für Hunde – freilich ohne Reiter auf dem Rücken. Seit April bin ich öfter fürs Radio unterwegs, arbeite an einer Sendung mit, die im Bürgerfunk auf Welle Niederrhein läuft. „InForm“ heißt das Magazin der Sportjugend Viersen – erst ein Interview mit Ex-Eisschnellläufer und Olympiateilnehmer Christian Breuer, jetzt innige Gespräche mit und über Hunde, so läuft das Geschäft.

Als ich die nette Dame von der Hundeschule gerade über Kontaktzonenfelder, Spaß an der Freud‘ und Doping im Hundesport ausquetsche, vibriert auch schon das Handy in meiner Hosentasche. Ein paar Fragen und Antworten später bekomme ich dann endlich die Gelegenheit, die frohe oder unter Umständen weniger frohe Botschaft zu lesen: „1 0 Hoffenheim Ibisevic“ schreibt der notariell geprüfte Ergebnisdienst von der Wohnzimmercouch, der mich schon vor zwei Jahren in der Berliner U-Bahn auf dem Laufenden hielt und auch damals wenig Erfreuliches zu vermelden hatte (Gladbach verlor 2:4 in Aachen). Ernüchtert wende ich mich wieder den Hunden zu und nehme noch ein paar Bellgeräusche für die Hintergrundbeschallung des Beitrages auf. Irgendwann haben sich die Fellknäuel dann ausgebellt. Ich mache mich vom Acker, in der Hoffnung, das Grauen von Hoffenheim noch für ein paar Minuten miterleben zu dürfen.

Auf der Heimreise werde ich im Namen der Borussia einmal mehr "kriminell". Mit ein paar Stundenkilometern zu viel auf dem Tacho vorbei an Clörath und Vennheide, die Kühe sind brav und bleiben da, wo sie sind und hingehören. In der 67. Minute betrete ich das Wohnzimmer. Die Stimmung erinnert an Barcelona im Mai 1999, eine Minute nach Abpfiff - und das schon am zweiten Spieltag (zugegeben, der Gladbach-Bezug fehlt, aber warum einfach sagen, dass die Stimmung "gedrückt" ist?). Sheringham heißt Demba Ba, zum Glück stellt er sich vor dem Tor etwas ungeschickt an. Und während vorne trotz Ollis Rückkehr rein gar nichts zusammenläuft, erhält Keeper Heimeroth zahlreiche Gelegenheiten, sein scheinbar doch vorhandenes Können zu zeigen. So oft kann man sich nicht innerhalb weniger Minuten anschießen lassen, so viel Zufall kann und darf es nicht geben – der Mann hat sich seine 2 vom kicker redlich verdient. Der Rest der Truppe schlittert gerade so am Sitzenbleiben vorbei – oder eben auch mitten hinein. Zum Glück werden die Abschlusszeugnisse nicht gleich nach dem ersten Vokabeltest vergeben.

Hoffenheim müsste längst mit drei oder vier Toren führen. Um das sagen zu können, reichen Eindrücke aus 15 Minuten. Gladbach spielt bis zum Ende des Spiels einen einzigen vernünftigen Angriff. Ausgerechnet der feinfüßige Tobias Levels ist daran beteiligt – Ironie pur. Im Prinzip hätte es ausgereicht, nur die Nachspielzeit anzugucken. Sinnbildlicher können drei Minuten kaum sein. Hoffenheim führt jede Ecke kurz aus, die Borussen machen nicht einmal Anstalten, sich nur annähernd in die Klimazone des Balls zu bewegen und die Sekunden verrinnen. Irgendwann sieht Hoffenheim dann ein, dass das so auch keinen Spaß macht und bugsiert den Ball scheinbar unabsichtlich ins Toraus. Es hatte den Anschein, da wäre eine Portion Mitleid im Spiel gewesen. Im Anschluss bekommt Gladbach den Ball noch immer nicht aus der eigenen Hälfte, verliert ihn ein weiteres Mal. Erneut zeigt ein Hoffenheimer seine soziale Ader und läuft ins Abseits. Der fällige Freistoß landet im Seitenaus. Kurz danach ist Spiel aus. Zwischen Ring- und Mittelfinger sehe ich, wie der Schiedsrichter den Spielball einkassiert und fleißig Hände schüttelt. So ganz wollte ich mir die Augen dann doch nicht zuhalten.

Mittlerweile weht mir schon der Wind des Mitleids kräftig ins Gesicht. Wäre Gladbach ein chronisch verhasster Verein, würde die Fußball-Welt mich bereits mit Häme überschütten. Stattdessen heißt es von allen Seiten „40 Punkte braucht ja keiner mehr“ – alles schön und gut, aber bis zum Erreichen der 36 sind es auch noch stolze 36 Punkte. Für Schwarzmalerei ist es dennoch wohl etwas zu früh. Letztes Jahr standen wir nach drei Spieltagen und einem Debakel in Mainz mit einem Fuß in der Dritten Liga. Wir erinnern uns an das Ende. Im Abstiegsjahr war nach sieben Spieltagen und vier Heimsiegen der Europacup so gut wie unter Dach und Fach. Wir erinnern uns an das Ende.

Diese ersten beiden Spieltage sind also ein wahres Exerzierfeld für all die, die verbissen an Omen glauben, besonders an die gute Sorte. Da will ich mich nicht ausschließen. Und wo wir schon bei Omen sind: Gladbach hat im Borussia-Park noch nie gegen Bremen, den nächsten Gegner, verloren, zwei Siege und ein Remis auf dem Konto. Der erste Erfolg war gleichzeitig der erste im Borussia-Park überhaupt. Einer Jahr später dann drehten Broich und Baumann, mit einem Eigentor, eine Bremer Führung. Gladbach startete eine Serie und belegte aufgrund dieser angesammelten Platz zehn. Andernfalls wäre die Borussia wohl schon 2006 abgestiegen. Zu guter Letzt weckte ein 2:2 im März des Abstiegsjahres vage Hoffnungen auf den Klassenerhalt. Nando Rafael traf in der 94. Minute zum Ausgleich (ok, der Torschütze versaut selbst das beste aller Omen).

Doch kein Omen dieser Welt wird uns da unten herausholen. Nur ein schleunigstes Abstellen der haarsträubenden Fehler und vor allem Tore können Abhilfe schaffen. Die zwei Euro fürs Phrasenschwein werden nachgereicht. Derweil hat eine leidige Serie weiterhin Bestand. In Liga Eins ist Gladbach seit sieben Auswärtsspielen ohne Punkt und – noch gravierender – ohne Torerfolg. Eine neue Liga ist wie ein neues Leben? Oberhaus ist nicht mehr Unterhaus? So wird es sein, aber hoffentlich nicht bleiben.

Montag, 25. August 2008

Olympischer Vierkampf

Seit 1900 ist Fußball olympisch - an Weltmeisterschaften war damals noch gar nicht zu denken. Und dennoch gehört Fußball bei den Spielen zu den vergleichsweise wenig beachteten Entscheidungen. Gold in Peking ging übrigens an Argentinien - vielleicht hat's ja jemand mitbekommen. Aus Mitleid bekommt das olympische Fußballturnier hier einen eigenen Post, fünf Minuten Aufmersamkeit und dann geht's ab ins Körbchen für die nächsten vier Jahre.

1) Die erste Goldmedaille im Fußball ging einerseits an Großbritannien, andererseits aber auch an den Upton Park FC. Der Londoner Klub trat stellvertretend als britisches Team an, weil er zwei wichtige Voraussetzungen erfüllte: Erstens beheimatete er ausschließlich britische Spieler und zweitens hatte das Profitum beim UPFC noch nicht Einzug gehalten.
Upton Park trug seine Heimspiele übrigens im West Ham Park aus, während West Ham United bekanntlich im Upton Park spielt. Klingt komisch, is' aber so.

2) (West-)Deutschland und Brasilien konnten in 108 Jahren nie den Titel erringen - die beiden tragen zusammen immerhin acht Weltmeistersterne auf der Brust. Rekordolympiasieger ist analog dazu das chronisch erfolglose Ungarn, knapp vor den Briten.

3) Ottmar Hitzfelds Spielerkarriere ist irgendwie höchst merkwürdig verlaufen: Titel gewann er ausschließlich in der Schweiz, Tore in Deutschland erzielte er fast nur in Liga Zwei (33 von 38), davon gleich sechs in einem Spiel, was bis heute unerreicht ist. Ein A-Länderspiel kann Hitzfeld nicht aufweisen, dafür fünf Auftritte in der Olympiaauswahl bei den Heimspielen in München '72 - und ebenso viele Tore, in jedem Spiel exakt eins. Gold holte die DDR, Torschützenkönig wurde wie zwei Jahre danach bei der WM im eigenen Land ein Pole. Kazimierz Deyna heißt der Gute.

4) Anders als bei Weltmeisterschaften hat der schwarze Kontinent Afrika bei Olympia längst den vielmals prognostizierten Durchbruch gepackt - 1996 ging der Titel an Nigeria, vier Jahre später hieß der Sieger Kamerun. Ghana holte immerhin einmal Bronze.


PS: Der Post fällt passenderweise in die Kategorie "Sonstiges".

Nächster Halt: Cottbus

Der Weihnachtsmann ist taub, Analphabet oder sogar beides. Wenigstens herrscht jetzt Gewissheit.
Letzte Hoffnung: Christkind.


Freitag, 22. August 2008

Kehrtwende zur Romantik?

Kaum hat der Streit um die Abstellungen von Nationalspielern in Richtung Peking zumindest ein kleines Nickerchen eingelegt, schon meldet sich das Geltungsbedürfnis der FIFA wieder zu Wort. Die Herren können es einfach nicht lassen. Jetzt haben sie der Arithmetik den Kampf angesagt, stürzen sich auf die Unendlichkeit: Rückennummern jenseits der 20 gehören in internationalen Spielen vorerst der Vergangenheit an.
1 bis 18 – mehr geht nicht in Pflichtspielen.

Bezüglich der Spielernamen in Höhe des dritten Brustwirbels äußert die FIFA jedoch gar keine Einwände. Beim DFB laufen die Beflockungsmaschinen demnächst wohl dennoch auf Sparflamme. Für jedes der circa 12-15 Länderspiele einen Trikotsatz bedrucken, das ist dem Verband augenscheinlich zu viel. Wobei es ja keineswegs so ist, dass das Trikot von Marko Marin jedem beliebigen anderen Spieler passt. Und dass in gut zwei Wochen ein Trikot im Einsatz sein wird, das bereits Mittwoch gegen Belgien getragen wurde, das soll mir mal jemand erzählen.

Was die FIFA zu dieser Entscheidung getrieben hat, bleibt weiter offen. Falls der Weltverband nun tatsächlich einen Feldzug in Sachen Dekommerzialisierung starten sollte, frage ich mich jedoch, warum er ausgerechnet bei den Rückennummern ansetzt. Zu den Romantikern wird man in Zürich wohl kaum übergesiedelt sein.

Das Trikot der eigenen Nationalmannschaft samt Rückennummer zu besitzen, kann nicht gerade als Essenz des Fandaseins bezeichnet werden. Doch es gehört für viele einfach dazu wie Bratwurst und Bier. Warum sollte man sich mit der Nationalmannschaft nicht identifizieren dürfen, wie man es seit mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt mit seinem Verein des Vertrauens tut? Schließlich ist die DFB-Elf für viele das Nonplusultra in Sachen Fußball. Nicht jeder läuft samstags um halb vier Amok, weil "sein" Klub in der Bundesliga unterwegs ist.

So ein Trikot ist nicht billig. 85 Euro muss man für ein Exemplar samt Beflockung hinblättern – es gibt Kinder, die dafür einen erheblichen Teil ihres Taschen-, Geburtstags- oder Weihnachtsgeldes opfern. Das ist jetzt keineswegs ein Pochen auf den ominösen Kindereffekt, der ja angeblich das Herz eines jeden erweichen soll. Doch auch die Fankultur besitzt einen Nachwuchsbereich, ob wir wollen oder nicht – die gehören dazu wie Trainingskiebitze und wir selbst. Und die Kinder zu vergraulen, ist nicht unbedingt Priorität.

Möglicherweise wäre mir dieses Thema schnuppe, wenn ich jene Zeit annodazumal erlebt hätte, als Spielernamen auf Trikots so fremd waren wie Elche in der Sahara. Vielleicht würde ich sogar laut „Hurra!“ schreien. Und ich bin ja nicht gerade unromantisch in Sachen Fußball - was Sepp Blatters Hirnsynapsen da wieder angestellt haben, darauf kann ich mir trotzdem keinen Reim bilden. Seine kleinen Brüder vom DFB stellen sich auch keinen Deut besser an.

Donnerstag, 21. August 2008

LinienUNtreu

Beim DFB-Schiedsgericht wird bisweilen mit zweierlei Maß gemessen, das lässt sich nicht anders sagen. Notbremse, einmal den Ball mit der Grätsche verfehlen, nur das Bein des Gegners treffen – das wird mitunter auf eine Stufe gestellt mit Tätlichkeiten, die niemand sehen will und die dennoch im Landschaftsbild verankert sind.

Die Saison 95/96 war das Beste, was Gladbach in den letzten 20 Jahren gesehen hat. Platz vier bedeutete die Qualifikation für den UEFA-Cup. Im Europapokal der Pokalsieger kam erst im Viertelfinale gegen Feyernoord Rotterdam das Aus. Einer der Hauptakteure im Erfolgsensemble der Fohlen hieß Martin Dahlin, damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Wobei er das tragischerweise erst kurze Zeit später einsehen musste.

Nach dem 28.Spieltag stand die Borussia auf Rang drei, der Konkurrenz weit enteilt und mit einem Spiel in der Hinterhand. Dahlin hatte in den ersten 20 Saisonspielen 14-mal getroffen. Dann fiel er vier Partien aus, blieb drei Spiele ohne Erfolgserlebnis. Es folgte das Nachholspiel gegen Kaiserslautern am heimischen Bökelberg. Der Schwede erzielte das 1:0. Es war sein Geburtstag und nach einer halben Stunde ein rundum gelungener Abend.

Doch dann gingen die Pferde mit ihm durch, brannten auf einmal die Sicherungen durch. Ein wuchtiger Ellbogencheck war zu viel für Axel Roos‘ Nasenbein. Dahlin flog folgerichtig vom Platz. Die Tätlichkeit war vorerst seine letzte Amtshandlung beim VfL. Der Stürmer wurde bis zum Saisonende gesperrt, musste sechs Spiele aussetzen und verließ Gladbach in Richtung Rom. Nach einer verkorksten Hinserie in Italien kehrte er zwar zurück an die alte Wirkungsstätte, war in der Rückrunde in der Bundesliga noch zehnmal erfolgreich. Doch seine Tage auf dem Fußballplatz waren bald gezählt. 1999 endete das Kapitel Profifußball für Dahlin, den schwedischen Helden der WM 94, der mit 31 den bitteren Weg in die Sportinvalidität antreten musste.

Warum ich die Geschichte ausgerechnet jetzt hervorkrame? Letzten Samstag sorgte Pierre Womé für Aufruhr in der jungen Saison, als er Ashkan Dejagah, selbst beileibe kein Kind von Traurigkeit, mit einem selten so gesehen, brutalen Ellbogencheck niederstreckte. Allein der Schaum vorm Mund fehlte, um das Bild des heran rauschenden Womés noch zu verstärken. Dejagah erlitt eine Schädelprellung, musste kurz zur Behandlung ins Krankenhaus – es gibt mit Sicherheit angenehmere Verletzungen. Womé spielte die Partie unbestraft zu Ende – Schiri Brych hatte nichts gesehen. Noch das kleinste Übel, im Gegensatz zur Entscheidung des DFB-Schiedsgerichts, den Ex-Bremer Womé für nur drei Spiele aus dem Verkehr zu ziehen.

Notbremser bekommen in der Regel ein oder zwei Spiele, wer – nicht einmal in böser Absicht – schlichtweg zu spät kommt, riskiert per „grobem Foulspiel“ ebenso eine Drei-Spiele-Sperre. An Tagen wie diesen denke ich unweigerlich an jenen Ellbogencheck im April ’96, der Gladbachs Höhenflug stoppte – die Borussia holte nur noch fünf Punkte aus den letzten sechs Spielen – und Martin Dahlins Karriere auf den Scheideweg brachte. Drei Spiele für Womé sind schlichtweg lächerlich. Und im Hinblick auf all die Jugend- und Amateurspieler, die sich irgendwo in Deutschland fast jedes Wochenende gegenseitig auf die Mappe hauen, zudem höchst fahrlässig.

Montag, 18. August 2008

Mission 40/1:
Lehrgeld in Millionenhöhe

Der Wiederaufstieg ging weitaus einfacher über die Bühne, als vorher angenommen. Jetzt hat sich die Borussia offiziell im Oberhaus zurückgemeldet - mit einem ernüchternden 1:3 gegen den VfB Stuttgart, der schlechtesten ersten Hälfte seit 10 Jahren, dennoch guten Ansätzen vorne und einer Großbaustelle hinten.

Der Borussia-Park und das Areal rundherum haben sich extra fein herausgeputzt für den Tag, an dem der fünfmalige Deutsche Meister offiziell wieder nach Hause zurückkehrt. Die Trampelpfade auf dem Weg zum Stadion schnell noch gepflastert, die Bushaltestelle mit neuen Wartegittern versehen, wie man sie eher aus den Freizeitparks dieser Welt kennt, als wolle man zeigen: Bundesliga ist nicht Zweite Liga – Bayern statt 1860. Alleine der Pinkelwald steht weiterhin in all seiner Pracht – gedüngt von hektoliterweise Urin aus den Blasen Tausender Borussen.

Unter der Nordkurve herrscht bereits reges Treiben. Gut 47.000 sind gekommen, davon so viele mit neuen Trikots, wie ich es noch nie gesehen habe zu Beginn einer Saison. Männer in ihren Vierzigern und Fünfzigern laufen mit der 11 auf dem Rücken durch die Gegend. Auf dem Platz gehört die zu Marko Marin. Er könnte ihr Sohn sein. Das Retrodesign hat diesmal selbst die großen Nostalgiker vom Trikotkauf überzeugt. 1973 wurde Gladbach in einem ähnlichem Dress Pokalsieger. Günter Netzer traf nach der vielzitierten Selbsteinwechslung in seinem letzten Spiel für die Borussia zum 2:1 gegen Köln. 35 Jahre später dürfen sich die erwähnten 40er und 50er fühlen wie ihre Idole von damals. Jaja, damals, was muss das schön gewesen sein.

Rob Friends Name prangt derweil unter anderem auf meinem Kreuz. Der 1,95 Meter große Kanadier hat in etwa meine Statur, braucht viel zu viele Chancen, wurstet aber immer wieder einen rein – der Mann könnte mein Bruder sein. Über meine Eleganz bei Fallrückziehern lässt sich streiten, aber ich sagte ja: Er könnte mein Bruder sein.

Neben der Vorfreude regiert vor allen Dingen die Aufregung im weiten Rund: Wippende Beine, nervöses Nägelkauen überall. Nach dreimonatigem Warten sind alle einfach nur heiß auf Bundesligafußball. Tatsächlich liegt an diesem Nachmittag eine gewisse Aura von Erstklassigkeit in der Luft. Jens Lehmann wird ausgepfiffen – keine Khamoutovskis, Thiers und Kruses mehr. Das Stadion ist nicht nur besser gefüllt, es fühlt sich nicht nur anders an, man sieht auch alte Bekannte aus Bundesligatagen wieder. Es sind nicht unbedingt jene untreuen Seelen, die sich Osnabrück, Aue und Offenbach gespart haben. An deren Gesichter kann man sich eh nicht erinnern. Vielmehr kehren all die zurück, für die Freitags- und Montagsspiele einfach mörderisch waren, die alle zwei Wochen aus Karlsruhe oder Berlin anreisen.

Zu meiner Linken ist vor Spielbeginn schon mächtig was los. Die Ultras, beziehungsweise das, was sich einst so nannte, haben sich den Mittelblock im Oberrang unter den Nagel gerissen – die Schnauze voll „vom zunehmenden Event- und Erfolgspublikum“, schreibt einer der Anhänger im Forum. „Block 1900“ heißt das Projekt zur Wiederbelebung der Stimmung in Anlehnung an das Gründungsdatum des Vereins. Es gehe „nicht darum, einen separaten Block zu schaffen, der durchweg sein eigenes Süppchen kocht, sondern viel mehr darum, den Motor der Kurve an die richtige Position zu setzen, um eine volle Kraftentfaltung möglich zu machen“, heißt es weiter in der Erklärung. Klingt nach Windkraftwerk, ist meines Erachtens aber kein schlechter Ansatz. Zumal Ober- und Unterrang unter Umständen wirklich zur Einheit verwachsen. Die einzige Gefahr besteht darin, dass der Unterrang nun endgültig einschläft, weil die verschworene Truppe darüber den „Motor“ nicht auf Touren bekommt.

Wie auch immer, ein paar Minuten vor Anpfiff ist es dann so weit: Das Vorspiel, ritualisiert von vorne bis hinten, nimmt seinen Lauf. „Seid ihr bereit?“, fragt unser Stadionsprecher, der sich in der Obi-Werbung neuerdings von Frauen mit russischem Einschlag durch die Blume zum Sex einladen lässt. Die Antwort fällt unmissverständlich aus – die auf die Frage nach der Bereitschaft natürlich. „Die Elf vom Niederrhein“ erklingt verdammt spät. Herbert Fandel, der kurz zuvor für ein lautes Raunen gesorgt hatte, führt die Mannschaften bereits aufs Feld, als 47.000 noch den „Samstachmiddach“ und „Netzers Zeiten“ preisen. Irgendwie läuft es schon nicht ganz so rund, bevor das Spiel überhaupt angefangen hat. Wobei das Spektakel an Lautstärke und Gänsehauterregung kaum zu überbieten ist.

Diese Zweischneidigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die erste Hälfte. Gladbach ist keineswegs chancenlos, womit wir schon beim ersten Vorwurf angelangt wären: Die Borussia versäumt es, einen Treffer zu erzielen. Nach 15 Minuten, Rösler wird gerade nach einem Ellbogencheck draußen behandelt und wird später endgültig passen müssen, trifft Hitzlsperger zum 1:0. Heimeroth sieht verdammt schlecht aus. Über dem Spielfeld weht ein einziger Satz: „Willkommen in Liga Eins!“

Die Borussia zeigt sich zunächst wenig geschockt vom derben Willkommensgruß. Matmour stolziert durch die gesamte VfB-Abwehr und scheitert erst am gut aufgelegten Jens Lehmann, der seinen Flachschuss klasse entschärft. Der 2-Millionen-Neuzugang der Borussia rechtfertigt seinen Preis in Hälfte eins durchaus eindrucksvoll – scharfe Flanken, beherzte Soli, so darf der Algerier weitermachen.

Wenige Minuten danach fügt sich einer der drei Neuzugänge auf dem Feld nicht ganz so gut ein. Jaurès lässt sich an der Eckfahne von Simak düpieren, gibt den Ball leichtfertig ab. Marica zieht nach dem Querpass des Tschechen ab, Heimeroth und Ndjeng behindern sich beinahe auf der Linie und schon hat sich die Ernüchterung verdoppelt – 2:0 für Stuttgart. Doch noch immer lassen die Borussen die Köpfe nicht hängen. Nach einem blitzschnellen Angriff und ansehnlichem Direktfußball taucht Friend frei vor Lehmann auf. Der Nationalkeeper a.D. ist erneut auf dem Posten, verhindert den Anschlusstreffer vor der Pause. Gleiches bleibt seinem Gegenüber Heimeroth versagt. Eine Minute vor der Pause entwischt Gomez seinen Bewachern zum ersten Mal richtig. Erbarmungslos netzt der 19-fache Torschütze der vergangenen Saison ein. Aus spitzem Winkel hat Heimeroth zum dritten Mal das Nachsehen.

Die erste Halbzeitpause nach der Bundesligarückkehr wird mit einem gellenden Pfeifkonzert eingeläutet. Mich interessiert brennend, wie viele Pfeifer zum ersten Mal seit langer Zeit im Stadion sind. Ein kleiner Junge schafft es derweil, die verfrühte Untergangsstimmung in der Halbzeit zu lindern. Vom Strafraumeck schießt er einen Ball in die Mitte des Mittelkreises, der zweite wird von einem Gegenspieler wie beim Curling rausgekickt. Die Nordkurve johlt und der kleine Junge hat einen Kasten Jever gewonnen, den er seinem Vater vermacht – nicht gerade die schlechteste Entscheidung des Abends.

In Hälfte zwei gießt Marko Marin erstmals Wasser auf die Mühlen derer, die fest daran glauben, dass der Junge sich seinen Weg auch eine Klasse höher konsequent bahnen wird (ich gehöre dazu). Erst trägt er den Ball über den halben Platz und hat dann noch die Kraft und das Auge für einen Querpass auf Friend. Doch der Kanadier scheitert auch im dritten Versuch an Jens Lehmann. Kurz danach ist der Bann gebrochen. Brouwers verlängert per Kopf auf Du-weißt-schon-wen. Diesmal zappelt der Ball im Netz – Friend erzielt endlich (die Formulierung ist nach 60 Minuten Bundesliga bereits mehr als gerechfertigt) sein erstes Bundesligator und schlägt denselben Weg ein wie einst Arie van Lent. Der hatte 2001 als bester Torschütze im Aufstiegsjahr den Siegtreffer zum Auftakt gegen die Bayern geschossen, das erste Tor nach dem Wiederaufstieg. Mit dem Unterschied, dass damals ein gewisser Jörg Stiel seinen Kasten sauber hielt – Gladbachs Probleme gegen den VfB liegen und lagen, trotz der miesen Chancenverwertung, nicht unbedingt im Angriff.

Die Borussia hat das Lehrgeld in der Pause allem Anschein nach schön brav säckeweise vor der Stuttgarter Kabine abgestellt. Die Nervosität macht sich allmählich aus dem Staub, die Jungs von Jos Luhukay stürmen auf die Nordkurve, die mittlerweile nicht mehr pfeift, sondern den Aufsteiger gnadenlos nach vorne peitscht. Für ein paar Minuten hat es den Anschein, Gladbach könne noch einmal zurückkommen. Marin verfehlt den Kasten nach einer erneut überragenden Einzelleistung nur knapp. Ob der 19-jährige den Sprung in die Bundesliga packen wird? Die Frage dürfte sich gestern bereits von selbst beantwortet haben. Der Junge ist ein Juwel – unbekümmert, technisch überragend, wieselflink, mit dem Auge für den Nebenmann, allein am Abschluss hapert es von Zeit zu Zeit noch.

Die Hoffnungen auf ein Comeback, wie es Kaiserslautern Freitag in Mainz gelungen war, verpuffen jedoch schneller als allen lieb ist. Stuttgart trifft zwar nicht mehr, aber nach wenigen Minuten hat der Sturmlauf ein Ende. Die Borussia scheint ihr Pulver verschossen zu haben, wird langsam müde. Luhukays Einwechslungen bleiben wirkungslos – Colautti bekommt kaum einen Ball, was Svärd bewirken sollte, ist sowieso fraglich. So sehr ich unserem Coach auch vertraue, nachdem er eine todgesagte Mannschaft runderneuert und zum Aufstieg geführt hat, an seinen Ein- und Auswechslungen darf er ruhig noch feilen.

Christofer Heimeroth verdient sich wenigstens eine positive Erwähnung: Das 4:1 durch Gomez verhindert er mit seinem Reflex hervorragend. Trotzdem hat Gladbach meines Erachtens ein Torwartproblem: Keine Ausstrahlung, kein Mitspielen, Mängel bei Weitschüssen und beim Festhalten von Bällen, eigentlich keine nennenswerten Vorzüge bis auf eine stoische Ruhe, die ihm dennoch eher nachteilig ausgelegt werden kann.

Die Borussia entscheidet wenigstens die zweite Hälfte für sich – nach dem Untergang im ersten Durchgang war dies das Mindestziel, genauso wie eine weiße Weste nach drei Gegentoren in 45 Minuten. Zum ersten Mal seit vier Jahren kassiert der VfL zuhause drei Gegentore in einer Hälfte – damals führte Dortmund im Premierenspiel des Borussia-Parks nach 45 Minuten mit 3:2. Einen Drei-Tore-Rückstand gab es seit fast zehn Jahren im eigenen Stadion nicht mehr. Im Oktober 1998 gewann Leverkusen mit 8:2 am Bökelberg. Zahlen wie diese untermauern eindrucksvoll, wie sehr die Borussia ihre erste Hälfte nach dem Wiederaufstieg verpennt hat. Die guten Ansätze, die nicht der Hand zu weisen sind, machen jedoch Mut auf baldige Besserung. So viele Tore zu erzielen, wie hinten fallen, wird kein Selbstläufer werden. Dass es zur Wiedergutmachung am Samstag ausgerechnet zum Spitzenreiter geht und der auch noch Hoffenheim heißt, ist eine andere Geschichte.

Sonntag, 17. August 2008

Alea iacta est

Heute noch ernüchternd, in neun Monaten pure Glückseligkeit: Der Blick auf die erste Tabelle der Saison.

Gladbach nimmt also Kurs auf Klassenerhalt. Abpfeifen, bitte!

PS: Stand ein Bundesliga-Neuling nach seinem Premierenspiel schon einmal auf Platz 1? Also dann doch nicht abpfeifen.

PPS: Schalke ist schon wieder Zweiter - und das nur, weil der Verein nicht unter Gelsenkirchen läuft (wir rufen uns das Alphabet in den Kopf).


Unter anderem Kevin Kuranyi führt die Torjägerliste an. So geht das alles nicht. Ich schlag' vor, wir spielen die Saison schön brav zu Ende.

Donnerstag, 14. August 2008

Stiftung Warentest (4)

Die Testspielergebnisse der 18 Bundesligisten auf den Punkt gebracht und in der Übersicht - wer schnitt am besten ab, wer hatte die schwersten Gegner, wer holte die meisten Punkte?

Werder Bremen hat dem ausgeklügelten Berechnungsverfahren zufolge also die stärkste Vorbereitung gespielt. Trotz meist gutklassiger Gegner stand am Ende der zweitbeste Punkteschnitt aller Bundesligisten. Den besten kann die Borussia aus Mönchengladbach vorweisen. Auch deshalb folgt der Aufsteiger gleich hinter den Bremern in der Vorbereitungstabelle.

Der VfL Bochum bewegt sich derweil an beiden Enden der Ranglisten, mit denen die Bewertung der Testspielphase ermittelt wurde. Einerseits trafen die Ruhrpötter auf die stärksten Gegner, holten gegen drei Vereine der Kategorie 1 und vier der zweiten andererseits aber auch nur drei Unentschieden. Aus diesem Grund der letzte Platz in der Vorbereitungstabelle.

Mit der TSG 1899 Hoffenheim und dem 1.FC Köln belegen die anderen beiden Neulinge ebenfalls einen einstelligen Tabellenplatz. Borussia Dortmund findet sich dank einer starken Gegnerschaft weit vorne wieder, obwohl nur die dürftige Ausbeute von 1,6 Punkten pro Spiel zu Buche steht. Arminia Bielefeld pickte sich die zweitschwächsten Gegner heraus, punktete dafür viel zu selten und steht auf einem Abstiegsplatz - genauso wie der KSC, der zwar 2,2 Zähler pro Partie aufweisen kann. Doch die Badener trafen im Schnitt nur auf Mannschaften mit dem Niveau deutscher Oberligisten.

Bemerkenswert ist die Vorbereitung des Rekordmeisters: Die Bayern tourten erst über Dörfer und Kleinstädte. Dann gab es gegen die Mit-Bundesligisten Köln und Dortmund nur einen Punkt. Nach dem Erfolg in Japan, folgte zum Schluss die zweite Vorbereitungspleite beim 0:1 gegen Inter Mailand. Macht unterm Strich nur Platz 14 für den FCB. Wenn das Uli Hoeneß hört...

Am häufigsten in den letzten Wochen testeten Felix Magaths Wolfsburger. Der ehemalige Bayern-Trainer wollte seine Mannen, darunter erneut etliche Neuzugänge wie die beiden Weltmeister aus Italien, Zaccardo und Barzagli, gleich 16-mal über 90 Minuten sehen. Nur Cottbus reicht mit 13 Tests annähernd an den VfL heran.

Dementsprechend ist die Wolfsburger Ausbeute von 65 Treffern auch Bestwert. Aufs einzelne Spiel gerechnet zeigte sich der KSC am treffsichersten - kein Wunder bei all den unterklassigen Gegnern. Am meisten hielt sich der BVB vor des Gegners Tor zurück - nur 12 Tore in 10 Spielen. Der KSC kassierte absolut und relativ die wenigsten Gegentore - kein Kommentar.

Doch alle diese Zahlen, man kann es ja ganz Trainer-like nicht oft genug wiederholen, sind ab morgen Abend nur noch Schall und Rauch. Dann geht es nicht mehr um virtuelle, sondern um waschechte Punkte. Und wo dieser Blog schonmal nach einer der meistzitiertesten Fußball-Floskeln überhaupt benannt ist, sei auch noch einmal daran erinnert: Entscheidend is ohnehin auf'm Platz.

Stiftung Warentest (3)

Wie gut war die "sagenhafte Vorbereitung" in Wirklichkeit? Wie schwer wiegt der "Sand im Getriebe" tatsächlich? Die Testspielergebnisse der Bundesligisten und ihre Aussagekraft.

Wie es funktioniert

Teil 3: Die Plätze 6-1 der vergangenen Saison


VfB Stuttgart

14:0 gegen FC Löffingen
8:0 gegen FV 08 Rottweil
3:1 gegen SG Sonnenhof Großaspach
4:1 gegen FC Augsburg
0:1 gegen Saturn Ramenskoje
3:0 gegen Saturn Ramenskoje
1:3 gegen Arsenal London
5:2 gegen FC St. Pauli

8 Sp. – 6S 0U 2N – 38:8 Tore – 18 Pkt.
Koeffizient: 3,63 – 2,25 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 6,20


VfL Wolfsburg

5:2 gegen VfR Eintracht Nord
5:0 gegen SV Greif Torgelow
9:0 gegen VFC Anklam
3:0 gegen VfB Lübeck
11:0 gegen VfB Fallersleben
1:1 gegen FC Aarau
1:0 gegen Vitoria Guimaraes
2:3 gegen Young Boys Bern
2:1 gegen Viktoria Aschaffenburg
2:1 gegen Red Bull Salzburg Juniors
1:0 gegen Real Mallorca
14:0 gegen FC Schöningen
2:3 gegen FC Ingolstadt
4:1 gegen SV Wehen-Wiesbaden
3:2 gegen Trabzonspor
0:1 gegen FC Palermo

16 Sp. – 12S 1U 3N – 65:15 Tore – 37 Punkte
Koeffizient: 3,63 – 2,31 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 6,36


Hamburger SV

6:0 gegen Amateurauswahl Pinneberg
1:2 gegen Slovan Liberec
8:0 gegen SV Raika Längenfeld
4:0 gegen WSG Svarovski Wattens
5:0 gegen VfB Lübeck
1:0 gegen Manchester City
1:2 gegen Real Madrid
3:0 gegen Juventus Turin


8 Sp. – 6S 0U 2N – 29:4 Tore – 18 Pkt.
Koeffizient: 3,25 – 2,25 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 6,92


FC Schalke 04

6:0 gegen SpVgg Erkenschwick
1:0 gegen SG Wattenscheid 09
11:0 gegen Victoria-Nationalelf
0:3 gegen Wuppertaler SV
1:0 gegen Glasgow Rangers
4:1 gegen Bahrain
1:2 gegen Besiktas Istanbul
4:0 gegen Alemannia Aachen

8 Sp. – 6S 0U 2N – 28:6 Tore – 18 Pkt.
Koeffizient: 3,38 – 2,25 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 6,66


Werder Bremen

5:1 gegen TSV Ottersberg
5:0 gegen VfL Oldenburg
3:1 gegen SC Fortuna Köln
3:1 gegen Kickers Emden
4:3 gegen Aris Saloniki
3:0 gegen Maccabi Netanya
4:0 gegen FC St. Gallen
5:1 gegen Hansa Rostock
1:3 gegen Trabzonspor
0:0 gegen Levski Sofia
3:0 gegen Esbjerg fB

11 Sp. – 9S 1U 1N – 36:10 Tore – 28 Pkt.
Koeffizient: 2,55 – 2,55 pro Spiel
Bewertung der Spiele: 10,00


Bayern München

7:1 gegen SV Lippstadt 08
8:0 gegen TSV Nördlingen
11:1 gegen Fanklub Nabburg
1:2 gegen Borussia Dortmund
0:0 gegen 1.FC Köln
4:2 gegen Urawa Red Diamonds
0:1 gegen Inter Mailand

7 Sp. – 4S 1U 2N – 31:7 Tore – 13 Pkt.
Koeffizient: 3,86 – 1,86 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 4,82

Sonntag, 10. August 2008

Sonniges Schattenspiel in Bielefeld

Niemand hat mit einem höheren Sieg die 2. Runde erreicht. Doch ebenfalls niemand hat gegen einen unterklassigeren Gegner gespielt. Hört sich schwer nach Pflichtsieg an - mit Licht zu Beginn und Schatten in Hälfte zwei.

Man geht eigentlich davon aus, dass ein fünfmaliger Deutscher Meister in der nunmehr 73-jährigen Pokalgeschichte wenigstens einmal ein zweistelliges Ergebnis gegen einen Amateurverein auf die Beine gestellt hat. Doch das höchste Ergebnis, auf das Borussia Mönchengladbach zurückblicken kann und konnte, ist ein 8:0 beim Nachbarn aus Viersen. Keineswegs eine Schande, aber wenn der Vereinsrekord sozusagen auf dem Präsentierteller liegt, dann will man ihn sich auch holen. Genau das hat die Borussia versäumt. Am Ende stand nur ein 8:1 beim Landesligisten Fichte Bielefeld.

Das Wörtchen „nur“ spiegelt auf keinen Fall Vermessenheit und Größenwahnsinn wieder. Wer gesehen hat, wie die Borussia den Siebtligisten in der Anfangsphase überrollte und im Nu fünf Tore erzielte, der wird diese Meinung teilen. Zwei Gänge runter hin oder – ein 1:1 in Hälfte zwei zeugt nicht gerade von Konsequenz beim Abschießen eines zunächst völlig überforderten Amateurvereins. Vielleicht hat mich das 7:1 damals in Offenbach auch nur teuflisch verwöhnt.

Phasenweise sah das gestern jedoch richtig gut aus. Baumjohann, Marin und Matmour hielten das Tempo lange Zeit so hoch, dass die Tore im Drei-Minutentakt fielen. Zwischenzeitlich lag Gladbach auf Kurs eines 27:0. Die Mannschaft strahlte einen unvergleichlichen Killerinstinkt aus, genau jene Durchschlagskraft gegen eine unterlegene Mannschaft, die man von ihr jahrelang nicht gewohnt war. Dann kam die Halbzeit und damit das Ende des Torreigens. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jos Luhukay seinen Jungs in der Halbzeit mitgeteilt hat, die Torfabrik auf Sparflamme runterzufahren. In seinen Aussagen nach dem Spiel lobte er ausschließlich die Anfangsphase bzw. die erste Hälfte. Vom Rest war keine Rede – als wolle er nach einem souveränen 8:1 nicht als Spielverderber dastehen.

Ohnehin gibt es in der ersten Runde rein gar nichts zu gewinnen. Verloren hat die Borussia jedoch genauso wenig, weshalb dieses Auftaktspiel allenfalls in die Kategorie „Pflicht erfüllt“ fällt. Trotz vieler Verletzungen verblüffte die Aufstellung dann doch. Spätestens jetzt darf man Jos Luhukay abnehmen, dass so etwas wie eine Stammelf in seinem Konzept tatsächlich nicht existiert. Nach den Glücksgriffen der vergangenen Saison lege ich unser Schicksal ganz vertrauensvoll in seine Hände. Der Mann scheint schließlich zu wissen, was er tut. Es gibt ein Saisonziel – und ob nun eine Doppel-Sechs, ein 4-2-3-1 oder eine Raute die nötigen 40Punkte einfährt spiel keine Rolle.

Apropos Saisonziel: Vor ein paar Wochen habe ich noch einen kleinen weiteren Wunsch drangehängt – ein Heimspiel im DFB-Pokal. Jos Luhukay wird in dieser Hinsicht nichts zu melden haben. Doch 50:50 ist keine ganz so schlechte Quote, dass Ende September der Borussia-Park im Flutlicht erstrahlt und 50.000 Zuschauern Pokalluft um die Nase weht. Es wäre das erste Mal seit Anfang 2004, was nicht unbedingt auf übermäßiges Lospech zurückzuführen ist. In der ersten Runde geht es ohnehin immer auswärts gegen einen unterklassigen Verein. Zuletzt kam dreimal das Aus auf fremdem Platz in Runde zwei. Zu losen gab es demnach nicht viel in den letzten Jahren. Auf dass es dieser Jahr anders werde.

Freitag, 8. August 2008

Heute nur das Billigste vom Flachsten

Auf gut Deutsch (DFB-Pokal-Edition)

Was heißt Urinprobe auf Polnisch und spielt bei der Hertha?

Piszczek ['piss-check]

PS: Man merkt, dass es immer noch nicht besser ist. Das Schlimmste: Es könnte heute wahrhaftig Verlängerung geben. Was freu' ich mich auf Bogenschießen und Degenfechten.

PPS: Für Lautschrift-Fetischisten und Hertha-Fans - es heißt korrekterweise natürlich [ˈpiʃtʃɛk].

Stiftung Warentest (2)

Wie gut war die "sagenhafte Vorbereitung" in Wirklichkeit? Wie schwer wiegt der "Sand im Getriebe" tatsächlich? Die Testspielergebnisse der Bundesligisten und ihre Aussagekraft.

Wie es funktioniert

Teil 2: Die Plätze 12-7 der vergangenen Saison


VfL Bochum

1:2 gegen Anorthosis Famagusta
2:3 gegen Besiktas Istanbul
1:3 gegen CFR 1907 Cluj
1:1 gegen FC Porto
0:0 gegen OFI Kreta
0:1 gegen FC Valencia
1:1 gegen Yokohama F. Marinos

7 Sp. - 0S 3U 4N - 46:11 Tore - 3 Pkt.
Koeffizient: 1,57 - 0,43 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 2,74


Karlsruher SC

4:0 gegen TuS Metzingen
13:0 gegen VfB Bühl
4:0 gegen Offenburger FV
10:0 gegen SV 1896 Schluchtern
14:0 gegen SV Büchenbronn
6:0 gegen SV 08 Küppenheim
1:0 gegen VfR Aalen
0:1 gegen Racing Strasbourg
0:2 gegen SC Freiburg
1:1 gegen FC Sochaux

10 Sp. – 7S 1U 2N – 53:4 Tore – 22 Pkt.
Koeffizient: 4,9 - 2,2 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 4,49


Hertha BSC

7:0 gegen SV Thal
0:0 gegen Hapoel Tel Aviv
0:0 gegen FC Kopenhagen
0:0 gegen FC Liverpool
4:2 gegen 1.FC Magdeburg
8:0 gegen Nistru Otaci
0:0 gegen Nistru Otaci
1:0 gegen Newcastle United
1:3 gegen Hannover 96


9 Sp. – 4S 4U 1N – 21:5 Tore – 16 Pkt.
Koeffizient: 2,44 - 1,78 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 7,30


Eintracht Frankfurt

11:0 gegen Hochtaunus-Auswahl
2:0 gegen WSG Wattens
1:1 gegen SV Seligenporten
4:0 gegen WAC/St. Andrä
2:0 gegen Wigan Athletic
1:1 gegen US Palermo
0:1 gegen FC Astoria Walldorf
19:1 gegen VFR 07 Limburg
x:x gegen Real Madrid

8 Sp. – 5S 2U 1N – 40:4 Tore – 17 Pkt.
Koeffizient: 4,63 - 2,13 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 4,60

Hannover 96

8:1 gegen Bad Pyrmont Regionalauswahl
23:0 gegen FC 08 Boffzen
0:0 gegen Rot-Weiß Erfurt
1:1 gegen FC Porto
2:2 gegen Wigan Athletic
2:4 gegen Real Mallorca
3:1 gegen Hertha BSC Berlin

7 Sp. – 3S 3U 1N – 39:9 Tore – 12 Pkt.
Koeffizient: 3,29 - 1,71 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 5,20


Bayer Leverkusen

8:2 gegen FC 08 Düren-Niederau
4:1 gegen SV Darmstadt 98
2:3 gegen FC St. Gallen
2:2 gegen Dynamo Minsk
0:1 gegen Alemannia Aachen
13:0 gegen Auswahl Groß-Gerau
2:0 gegen SC Freiburg
3:0 gegen Bahlinger SC


8 Sp. – 5S 1U 2N – 34:9 Tore – 16 Pkt.
Koeffizient: 3,75 - 2,00 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 5,33

Keine Kohlensäure in Zweibrücken

Teil 1 der Pokal-Orgie an diesem Wochenende ist vorüber. Noch 61 Spiele bis Berlin – Gott sei Dank dann ohne Niederauerbach (nichts für ungut, Niederauerbach).

Als ich mir gestern das Pokal-Programm fürs Wochenende zu Gemüte geführt habe, ging mir eine Frage durch den Kopf: Warum ist man erst im Jahr 2008 darauf gekommen, der Einfachheit halber einfach alle – und das heißt wirklich alle – 63 Spiele des DFB-Pokals live zu übertragen? Immerhin acht Jahre sind vergangen, seitdem die Konferenzschaltung die Fernsehübertragung im Pay-TV revolutionierte. Dass vorher niemand die Idee hatte, dem Ärgernis über die Bayern-Affinität der Öffentlich-Rechtlichen ein Ende gegen Bezahlung zu machen, ist angesichts der Schnelllebigkeit des Geschäfts im Fußball kaum zu erklären.

Seit gestern Abend, seit dem Spiel Niederauerbach gegen Köln, kenne ich den Grund für die bisherige Abstinenz des Pokals im Bezahlfernsehen: Das Duell eines Fünfligisten und eines Bald-wieder-Zweitligisten fesselt den gemeinen Zuschauer in einer Manier vors Fernsehgerät, wie es sonst nur BahnTV hinbekommt – gar nicht. Die Pokal-Orgie bekommt erst Substanz, wenn alle paar Minuten ein freudiges „Tooor in…“ ertönt. Wenn nicht der Favorit, sondern der Underdog den Torschrei hervorgerufen hat. Alles andere prickelt so sehr wie stilles Mineralwasser.

Morgen spielt zum Glück keine Mannschaft, die unter der Regionalliga hausiert. Nur Bochum und Berlin sind Bundesligisten, es gibt ein Zweitligaduell und drei Aufeinandertreffen Dritte-Zweite. Klingt schon um einiges verheißungsvoller. Trier, Unterhaching und Münster, ihr kennt Euren Auftrag: Projekt Weinheim reloaded.

Donnerstag, 7. August 2008

Kölsche Rhetorik

Kleiner Exkurs zum Schulanfang: Kinder, das nennt man eine "Rhetorische Frage" par excellence

Stiftung Warentest (1)

Jahr für Jahr predigen Trainer die Bedeutungslosigkeit von Testspielergebnissen. Immer wieder wird der Mannschaft trotz einer Pleite bescheinigt, sie befinde sich "auf dem richtigen Weg". Läuft es allzu rund, heißt es wiederum ganz schnell, dass die guten Resultate "noch gar nichts zu bedeuten haben". Doch wer kann nun wirklich auf eine gelungene Testspielphase zurückblicken? Wer hat sich am besten geschlagen gegen Allemannia Jessen, MSK Zilina oder Juventus Turin? Ein Versuch, Licht ins Dunkel der Zahlen zu bringen.


So funktioniert die Einordnung der Ergebnisse:

(Punkte pro Spiel / Koeffizient) * 10

Da die Vereine unterschiedlich oft getestet haben und die Gegner aus allerlei Ländern und Ligen kamen, kann natürlich nicht einfach ihre Punkteausbeute aus den Testspielen in die Bewertung einfließen. Um die Stärke der Gegner zu berücksichtigen, wurde die Durchschnittspunktzahl durch einen Koeffizienten geteilt und zur „Verschönerung“ der Zahlen mit 10 multipliziert.

Deutsche Vereine erhielten einen Punkt als Bundesligist, zwei als Zweitligist, drei als Drittligist usw. – bis hinunter in die Kreisligen. Ähnlich funktionierte es bei ausländischen Klubs. Wobei der MSK Zilina selbst als letztjähriger slowakischer Meister nicht als Erstligist durchgehen kann, weshalb er den Koeffizienten 2 erhält (ich weiß, beim kicker würde das alles sorgfältiger zugehen, Stichwort Fünfjahreswertung).

Hierbei kann zugegebenermaßen nicht nach 100%-ig objektivem Empfinden bewertet werden. Doch obwohl Arminia Bielefeld somit auf eine Stufe mit Juventus Turin rückt, bleibt dieses System unterm Strich immer noch objektiver als beispielsweise eine Skala von 0 bis 10, auf der die Vereine eingeordnet würden. Der Maximalwert von 30 könnte also erreicht werden, wenn jedes Spiel gewonnen wird und der Gegner stets einer der Kategorie 1 ist.


Teil 1: Die drei Aufsteiger und die Plätze 15-13 der letzten Saison

1. FC Köln

3:2 gegen Rapid Wien
2:2 gegen SK Austria Kärnten
1:2 gegen MSK Zilina
1:1 gegen Wuppertaler SV Borussia
0:0 gegen Fortuna Düsseldorf
4:1 gegen West Bromwich Albion
3:3 gegen Standard Lüttich
0:0 gegen Bayern München
6:0 gegen SV Siegburg 04
1:1 gegen MSV Duisburg
x:x gegen Klafeld-Geisweid

10 Sp. - 3S 6U 1N - 21:12 Tore - 15 Pkt.
Koeffizient: 2,3 - 1,5 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 6,52


1899 Hoffenheim

9:0 FV Union 08 Böckingen
0:0 SV Waldhof Mannheim
6:1 gegen VfL Kirchheim/Teck
3:1 gegen Blackburn Rovers
2:2 gegen Hansa Rostock
2:1 gegen Galatasaray Istanbul
3:0 gegen 1. FC Kaiserslautern

7 Sp. - 5S 2U 0N - 25:5 Tore - 17 Pkt.
Koeffizient: 3,29 - 2,43 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 7,38


Borussia Mönchengladbach

4:0 gegen FC Wegberg-Beeck
2:1 gegen Arminia Bielefeld
7:0 gegen BV Bad Lippspringe
2:1 gegen West Bromwich Albion
3:1 gegen SC Heerenveen
0:1 gegen TuS Koblenz
7:1 gegen 1. FC Kleve

4:2 gegen FC Valencia

8Sp. - 7S 0U 1N - 29:7 Tore - 21 Pkt.
Koeffizient: 3,00 - 2,63 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 8,77


Arminia Bielefeld

1:1 gegen Kickers Emden
10:0 gegen FC Kreuztal 08
5:0 gegen VfB Fichte Bielefeld
1:2 gegen Borussia Mönchengladbach

16:0 gegen Lipperlandauswahl
11:0 gegen SpVg Steinhagen
1:1 gegen AEK Athen
0:2 gegen Hansa Rostock
1:2 gegen RW Ahlen
0:0 gegen Twente Enschede
x:x gegen Trabzonspor

10 Sp. - 4S 3U 3N - 46:8 Tore - 15 Pkt.
Koeffizient: 4,3 - 1,5 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 3,49


Energie Cottbus

5:0 gegen Döbelner SC
11:0 gegen BSG Stahl Altenberg
0:1 gegen FC Midtjylland
0:2 gegen SC Paderborn
18:1 gegen SV Allemannia 08 Jessen
3:0 gegen FK Jablonec

0:0 gegen FC Erzgebirge Aue
2:0 gegen FC Petrolul Ploiesti

4:1 gegen MKE Ankaragücü
1:1 gegen AEK Athen
1:6 gegen FC Augsburg
2:1 gegen FC Ingolstadt
2:1 gegen Willem II Tilburg


13 Sp. - 8S 2U 3N - 49:14 Tore - 26 Pkt.
Koeffizient: 3,46 - 2,0 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 5,78


Borussia Dortmund

6:7 i.E. (0:0) gegen Rot-Weiss Essen
4:5 i.E. (0:0) gegen MSV Duisburg
2:2 gegen FC Luzern
2:2 gegen FC Basel
1:0 gegen Rot-Weiss Essen
2:1 gegen SC Paderborn
2:1 gegen Bayern München
1:3 gegen Juventus Turin
2:1 gegen Feyernoord Rotterdam
0:3 gegen Tottenham Hotspur


10 Sp. - 4S 4U 2N - 12:13 Tore - 16 Pkt.
Koeffzient: 2,00 - 1,6 Punkte pro Spiel
Bewertung der Spiele: 8,0


Teil 2: Die Plätze 12-7 der vergangenen Saison

Montag, 4. August 2008

Auf Kriegsfuß mit dem Namensgedächtnis

Ein Interview mit Uli Hoeneß in der Badewanne zu bekommen oder ein Foto von Klinsmanns Buddhafiguren zu schießen - alles kein Problem und im Vergleich zum Setzen von Bildunterschriften eine journalistische Leichtigkeit.

Jean-Sébastien Jaurès mit Marcel Ndjeng zu verwechseln - das kann vorkommen. Schließlich sehen sich beide wirklich sehr ähnlich, sind jeweils Mischlinge. Von der Nummer auf der Hose war gerade einmal die 2 auszumachen - woher soll der werte Kicker-Redakteur da wissen, ob es sich bei dem Spieler mit dem erschwerend verkrampften Gesicht um Jaurès, die 20, oder um Ndjeng, die 23, handelt? Zugegeben, nur ausgemachte (bzw. verrückte) Borussenfans erkennen, dass die Oberschenkelmuskulatur des Mannes im Bild definitiv nicht der anatomischen Beschaffenheit eines Marcel Ndjeng entspricht.

Es gab schon einmal leichtere Zeiten für einen Redakteur seit Einführung der Bundesliga. Das muss man ihnen zugestehen. Salopp gesagt, hieß der einzige Ausländer in den Anfangsjahren damals Petar Radenkovic und der sang auch noch Lieder auf bayerisch. Heutzutage tummeln sich im Profifußball Spieler, die schier unüberwindbare Hürden in jedem Buchstabierwettbewerb darstellen würden. Hier ein C mit Haken dran, da ein E mit Akzent, vielleicht zu allem Übel ein durchgestrichenes O, das man hierzulande eigentlich nur als Synonym für "Durchschnitt" kennt - das Fußballalphabet umfasst beileibe nicht nur 26 Buchstaben plus 3 Umlaute. Ein Linguistikstudium ist Grundvoraussetzung.

Doch vielleicht liegt das profane Setzen von Bildunterschriften auch gar nicht im Verantwortungsbereich eines Sportredakteurs. Bei der Rheinischen Post beispielsweise bin ich fest davon überzeugt, dass entweder der Postbote oder die Putzfrauen jeden Tag im Vorbeigehen ihren Senf zu jedem einzelnen Foto abgeben. Der kicker scheint nun auch eine Delegation bestellt zu haben. Nur so wäre es zu entschuldigen und zu erklären, dass ein gewisser Nikolce Novakovic in der heutigen Ausgabe auftaucht. Seine Gesichtszüge erinnern sehr an den Mainzer Verteidiger Nikolce Noveski. Doch den müsste man in Nürnberg bestens kennen, schließlich taucht er immer wieder in den sagenumwobenen "Ranglisten" im Sommer und Winter in vorderen Gefilden auf.

Es stellt sich schlichtweg die Frage: Muss ein Kicker-Redakteur nicht selbst im stressigsten Stress, unter unmenschlichem Zeitdruck und wahlweise mit 1,4 Promille im Blut wissen, dass Novakovic Torschützenkönig im Unterhaus geworden ist, nicht Nikolce mit Vornamen heißt und in Köln unter Vertrag steht?

Zumal man im eigenen Hause jährlich ein dickes Sonderheft zum Nachschlagen rausbringt, in dem jeder einzelne Profi mit Foto abgebildet ist. Obwohl - keine gute Idee. Denn was passiert, wenn auch dort die Putzfrauen ihre Meister-Proper-getränkten Hände im Spiel hatten?