Dienstag, 30. September 2008

Die Ost-Karte spielen

8+1 Spielorte für die Frauen-WM 2011 stehen fest. „Bunt gemischt" lautet die Devise.

Hauptstadt: Berlin

DFB-Stadt: Frankfurt

Traditionsverein: Mönchengladbach, Frankfurt

Wir-sind-2006-leer-ausgegangen-und-die-ärmsten-Schweine: Leverkusen, Mönchengladbach

Werksklubs: Leverkusen, Wolfsburg

Quoten-Ruhrpötter: Bochum

Fußball-Romantik: Bochum

Mäzenklub: Sinsheim

Quoten-Ossi: Dresden

Hey-wir-haben-zwei-Weltklassespieler-herausgebracht-Stadt: Augsburg

Die Entscheidung kann man also relativ schnell abhaken. Allein zu Dresden bzw. zu Nicht-Magdeburg kann man noch ein paar Worte verlieren. Klar, es kommt die Frage auf, warum mit Sinsheim eine Kleinstadt ohne Fußball-Erfahrung oder mit Bochum ein altes Stadion ohne internationales Flair dabei ist, während in Magdeburg ein nicht zu verachtender Neubau steht.
Der Oberbürgermeister des geschassten Magdeburgs äußerte sich folgendermaßen:

"Die Enttäuschung ist riesengroß. Wir haben alle Bedingungen erfüllt. Ich bin darüber enttäuscht – und da kann man sich abrackern wie man will, dass man im Osten keinerlei Chance hat, wahrgenommen zu werden."

Der Engländer würde das „to play the east card“ nennen, auf gut Deutsch „die Ost-Karte spielen“, die immer dann rausgeholt wird, wenn eine Entscheidung vermeintlich mit Absicht zu Ungunsten einer beleidigten Leberwurst getroffen wurde. Dabei kann sich der Osten glücklich schätzen, überhaupt mit von der Partie zu sein. Bekanntlich ist Cottbus der einzige Bundesligaklub aus den „Neuen Ländern“. Traurig genug, dass wir dieses Thema überhaupt immer wieder anreißen müssen, nach 18 bzw. 19 Jahren noch immer von „neuen Ländern“, von Ost-West sprechen. Wer daran mehrheitlich die Schuld trägt, zeigt das Statement von Magdeburgs Stadtoberhaupt.

Bei der Stadion-Entscheidung im Vorfeld der WM 2006 gingen beispielsweise drei von sechs Bewerbern aus NRW leer aus – Gladbach, Leverkusen und Düsseldorf. Der Osten war dabei, die Quote 1 aus 12 absolut gerechtfertigt. Auch wenn Leipzig fußballerisch längst nur noch die Tatsache zu bieten hat, dass der heimische VfB erster Deutscher Meister war. Rein quotenmäßig also sogar eine Verbesserung – von 8,3 auf 11,1%. Bei der FDP köpft man da ‘ne Flasche Sekt.

Freitag, 26. September 2008

Everyone's a winner!

Der Putz der vielzitierten Weisheit von den "Kleinen", die es "nicht mehr gibt" bekommt einen frischen Anstrich: Das Teilnehmerfeld der Europameisterschaft wird aufgestockt. "Aus 16 mach 24" oder auch "24 aus 53" heißt die neue Formel. Hoffentlich ist sie keine Ungleichung, die den Reiz einer EM gegen Null laufen lässt.

Im Licht der Weltöffentlichkeit genießen die Amerikaner häufig den Ruf eines engstirnigen, rücksichtlosen und erfolgsorientierten Volkes. Dabei tragen viele in sich eine gewisse Mentalität, die besagt: "Everyone's a winner!".

Da werden auf der High School solange Awards für teils große teils weniger große Leistungen vergeben, bis am Jahresende jeder Schüler wenigstens eine Urkunde an der Wand hängen hat. Oder eine hässliche Plastiktrophäe, die in der elterlichen Vitrine gleich neben der Windel einen Ehrenplatz erhält, in die das Kind die erste Wurst seines Lebens gesetzt hat. Irgendeine ehrbare Fähigkeit muss schließlich jeder besitzen. Und sei es nur das Talent, verdammt untalentiert zu sein.

Eine neuartige Mentalität, vergleichbar mit dem Everyone's-a-winner-Prinzip, grassiert scheinbar in der UEFA. Das Teilnehmerfeld wird ab 2016 auf 24 Mannschaften aufgestockt. Eigentlich eine logische Konsequenz aus der Geschichte dieses Turnier. Aber dennoch großer Humbug. Einst begann es mit vier Teilnehmern, die die offizielle Endrunde spielten. Es wurden acht, dann schließlich im Jahr 1996 sechzehn Teams.

Geht es in Zukunft munter so weiter, werden in 30 Jahren alle UEFA-Mitglieder Fixstarter sein. Kurz darauf wird sich der Kontinentalverband dann in diplomatische Geschicke einmischen, um neue Mitglieder zu werben. Südossetien und Abchasien gehören derweil längst zu den Etablierten. Die Unabhängigkeitsbewegung der Katalanen und Basken hat endlich ein schlagkräftiges Argument. Bayern erhält großzügig die Freigabe, während Liechtenstein sich gar in die Landesteile Oberland und Unterland aufspaltet.

Ok, mal Spaß beiseite. Ganz so krass wird es mit Sicherheit nicht kommen, dennoch ist die aktuelle Entwicklung möglicherweise schon ein Schritt zu weit, unter dem die Qualität der Europameisterschaft leiden kann und – da bin ich mir sicher – leiden wird. Bislang lag der Schlüssel zum Erfolg in der Kompaktheit des Turniers mit seinen 16 Teilnehmern, von denen stets die Hälfte auf der Favoritenliste stand. Das Niveau war dementsprechend hoch, die Anzahl der Spiele noch überschaubar.

Die UEFA zählt momentan 53 Mitglieder, von denen erst 28 mindestens einmal die Quali für eine EM gepackt haben. Noch nie bei einem großen Turnier dabei waren folgende 21 Länder:
Albanien, Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Estland, Färöer, Finnland, Georgien, Kasachstan, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, San Marino, Slowakei, Weißrussland, Zypern.

Zumindest an einer WM teilgenommen haben Israel, Nordirland, die Ukraine und Wales.

Nächstenliebe, Kreativität und Rücksicht auf die Kleinen können durchaus nützliche Tugenden sein. Wenn sie einen gewissen Punkt jedoch überschreiten und unter anderem dazu dienen, auf Stimmenfang zu gehen, geht der Schuss gnadenlos in die falsche Richtung: Mitten ins Herz des europäischen Fußballs, dessen liebstes Kind ab 2016 wohl zur endgültigen Kommerz- und Marathonveranstaltung verkommt.

Donnerstag, 25. September 2008

Wenn Wolfsburg sich Weltmeister gönnt

Cristian Zaccardo ist Weltmeister. Günter Hermann wohlgemerkt auch. Mit dem Unterschied, dass für den niemand sieben Millionen Euro bezahlt hat. Geschweige denn sieben Millionen Mark.

Gott sei Dank hat Felix Magath zur Sicherheit gleich zwei Italiener ins Boot geholt. Backup-Weltmeister Barzagli schlägt sich bislang weitaus besser, zumindest spielt er.

Mittwoch, 24. September 2008

Pokal-Protokoll vom Mittwoch

Der DFB-Pokal auf Entscheidend is auf'm Platz: In der Konferenz, von Strafraum zu Strafraum, von Anpfiff bis Abpfiff, von Favorit bis Pokalschreck, von Oberneuland bis München, von Dortmund bis Jena.

19:00 Uhr:

Kickers Offenbach - Karlsruher SC 0:2 (0:1)
FC Oberneuland - VfL Wolfsburg 0:7 (0:3)
SV Wehen Wiesbaden - Alemannia Aachen 1:0 (0:0)
Hamburger SV- VfL Bochum 2:0 (1:0)
Borussia Dortmund - Hertha BSC Berlin 2:1 n.V., 1:1 (1:1)

20:30 Uhr:

FC Carl-Zeiss Jena - FSV Frankfurt 1:0 (1:0)
VfB Stuttgart - Arminia Bielefeld 2:0 (1:0)
SC Freiburg - 1899 Hoffenheim 3:1 (0:1)
Bayern München - 1. FC Nürnberg 2:0 (1:0)
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LIVE-TICKER

18:51: Nabend zusammen!
Könnte jetzt sagen: Premiere auf Entscheidend is auf'm Platz. Wollen wir aber jetzt mal nicht an die große Glocke hängen - ist schließlich nur Pokal. Kommen, wie gestern gezeigt hat, ja nicht mal mehr Zuschauer (gut 5000 in München).

Hamburg rotiert fleißig, Effenberg findet's verfrüht. Klopp beweint derweil, dass dem BVB "beide Flügel weggebrochen" seien. Kein Wunder, bei der Bruchlandung in Hoffenheim.

18:55: Auf dem Programm stehen zwei Bundesligaduelle, ein Zweitligaduell, ein Aufeinandertreffen 1.Liga-3.Liga und der Auftritt von Wolfsburg in Oberneuland, beim unterklassigsten Team dieser 2. Runde.

18:58: Eine Frage, die heute morgen beim Redaktionsmeeting aufkam, ist nun auch geklärt: Oberneuland hat weder Flutlicht noch spielt Oberneuland in Oberneuland. Die Partie gegen die Wölfe wird auf dem Nebenplatz des Weserstadions ausgetragen. Sind ja auch nur die Wolfsburger, da lohnt sich der Umzug ins große Weserstadion nicht.

19:01: Gut 40.000 in Dortmund - so viele hätten die 60er in 10 Pokaljahren nicht zusammengekriegt. Dennoch eher enttäuschend für den BVB.

19:03: Der BVB spielt in den Negativen der traditionellen River Plate-Trikots: Schwarz mit gelbem Diagonalstreifen, der an die bunte Scherpe erinnert, die I-Dötzchen auf dem Schulweg tragen.

19:07: ELFMETER IN DORTMUND - für Dortmund.
Valdez wird von Kaká - naja, wie soll man's nennen? Wie auch immer- Elfmeter.

19:08: Dortmund - Hertha 1:0
Frei setzt den Ball wuchtig nach links unten, Drobny verladen, 1:0.

19:11: Tor in Hamburg!
Freistoß Trochowski von rechts, mit Schnitt auf Petric' Kopf, der Ball schlägt rechts oben ein. 1:0. Hamburg führt - wo ist der Fehler?

19:14: Bei Oberneuland stürmt ein DFB-Rekordspieler - Erdal Kilicaslan. Keiner hat mehr Tore für diverse Jugendnationalmannschaften erzielt. Merken, der nächste Stammtisch kommt bestimmt.

19:16: Tor in Bremen/Oberneuland!
Die Wölfe führen. Dzeko trifft mit Turban. Premiere hätte sich die Schaltung eigentlich sparen können - der lethargische TOR-Schrei konnte nur für Wolfsburg sein.

19:21: Tor in Bremen/Oberneuland!
2:0 für Wolfsburg nach einem Konter. Schäfer legt quer, Dzeko trifft erneut. Herr Seidler am Mikro muss an seiner Motivation arbeiten. Na gut, könnte mir auch Schöneres vorstellen.

19:23: Tor in Dortmund!
Pantelic gleicht aus, Cicero haut den Ball einfach vorne, da steht Pantelic und netzt mit dem ersten Torschuss ein. Subotic kämpfte mit dem Metzelder-Syndrom, im Innenministerium hat Wolfgang Schäuble gerade den Einbürgerungsantrag des Bosniers zerrissen.

19:26: Tor in Bremen/Oberneuland!
3:0 Wolfsburg, ich warte gar nicht erst ab. Torschütze kommt gleich.

19:27: Marcel Schäfer war's.

19:32: Offenbach soll hier auch mal auftauchen - erst dicke Chance für den KSC, im Gegenzug läuft Baier allein aufs Tor zu. Miller nimmt ihm den Ball wie ein Schäferhund vom Fuß.

19:36: In Hamburg dreht sich langsam das Blatt. Bochum wird besser. Der HSV wird sein eigenes Erfolgskonzept doch wohl nicht an den VfL verkauft haben?

19:37: Wehen spielt übrigens gegen Aachen.

19:39: Voronin trifft die Latte, Subotic fährt weiterhin Geisterbahn. Was ist los mit dem Westermann von Dortmund?

19:41: In Dortmund beschwert sich Kommentator Marco Hagemann über das Niveau des Spiels. Der war wohl gestern von 19:00 bis 20:45 Uhr mit seiner Freundin beim Italiener. Werd' ihm mal ein Band von Cottbus-Gladbach zusenden.

19:43: "Das ist eine Großchance gewesen", konstatiert Matthias Stach in Hamburg nüchtern-realistisch. War's auch - für Bochum. Mieciel und Konsorten verpassen eine scharfe Freistoßflanke.

19:46: Tor in Offenbach!
Iashvili bringt den KSC in Front. Schöner Doppelpass mit Da Silva, dann eiskalt eingeschlagen. Und das auch noch zum "psychologisch wichtigen Zeitpunkt vor der Halbzeit".

19:48: Ende der ersten Halbzeit, in 15 Minuten geht's weiter. Wenn man bei Werder nachfragt, heißt es demnächst "bis in 20 Minuten".

19:59: Dann wollen wir mal wieder. Mir fiel gerade auf: Jetzt heißt es 75 Minuten Dauerbloggen. Kein Problem, bei 90elf.de labern die 90 Minuten am Stück.

20:01: Wolfsburg packt zur zweiten Hälfte sogar schon die Reserve der Reserve aus. Daniel Adlung kommt rein. Für die, die sich fragen, wer's'n das? Ist aus Fürth gekommen. Für die, die das wussten und beim Wolfsburger Transferbohei nicht den Überblick verloren haben: Er feiert Pflichtspielpremiere.

20:05: Wir erfahren, dass die Hertha nur zwei der letzten 29 Pokalspiele zuhause bestritten hat. Gefühlte 80% aller Pokalspiele, die das Olympiastadion gesehen hat, waren demnach Endspiele.

20:08: Auch Wehen-Aachen läuft wieder. Tut schon weh, wenn man weiß, dass einer der beiden ins Achtelfinale einziehen wird.

20:12: Der Gästeblock am Bieberer Berg ist nahezu leer. Meine Fußabdrücke sind deutlich im Moos auf der Tribüne zu erkennen.

20:16: Hamburg läuft einen gefährlichen Konter, dann heißt es "Tor in Bremen!" Guerrero stoppt ab, Oliver Seidler darf uns Wolfsburgs 4:0 verkünden - Dzeko zum dritten. Die gähnende Langeweile treibt den Kommentattor mittlerweile zum Reimen: "Der Stach der ist vom Fach".

20:17: Ein "Tor in Offenbach" beendet Seidlers Poesievortrag. Der KSC erhöht auf 2:0. Nach Eichner-Flanke hat Porcello viel Zeit und Platz. Das zweite Tor reine Formsache.

20:20: Hertha verpasst die Führung nur knapp. Ein Tor wäre ein ernstzunehmender Schritt in Richtung Heimspiel im DFB-Pokal - zumindest die Fahrkarte zur Auslosung, der Rest ist Schicksal.

20:24: Tor in Bremen/Oberneuland!
Oliver Seidlers Stimme versprüht Euphorie. Dejagah ignoriert Dzeko, erzielt das 5:0. Ende der Ansage.

20:31: Tor in Wehen - für Wehen!
Diakité flankt, Aachens Keeper Stuckmann schaut sich den Ball von unten an und König ist derselbige unter den Blinden - 1:0.

20:33:
Tor in Bremen/Oberneuland!
6:0, Dzeko erzielt Nummer vier des Abend. Ende der Ansage.

20:34: Die restlichen vier Partien sind angepfiffen. Bei der ersten Einblendung einer kleinen Zuschauergruppe waren mit Sicherheit mehr Leute im Bild als gestern in der gesamten Allianz-Arena.
Derweil kann man schonmal auf eine etwaige Verlängerung linsen. Derzeit steht's nur in Dortmund unentschieden.

20:37: In der Allianz-Arena scheint man die Führungskamera in der Tat ein paar Etagen nach oben verfrachtet zu haben. Vorbei das Fußballgucken auf Grasnarbenhöhe, zurück das Bild der WM 2006. "Philipp Lahm... *potsch* Tooooor für Deutschland!!!" - Sorry, falscher Film.

20:39:
Tor in München!
Die Premiere-Kommentatoren müssen an ihrem Torschrei arbeiten - das ist so spannend wie die Bahnstrecke Bitterfeld-Muldenstein bei Nacht. Schließlich hat Miro Klose getroffen, das hat ein paar Dezibel mehr verdient. Zumal seine Annahme und der anschließende "Löffler" in den Winkel ziemlich ansehnlich gewesen sind.

20:43:
Hamburg scheint sich ins Achtelfinale zu verwalten. Petric' Führungstor hat noch immer Bestand. Dabei ist Bochum mindestens gleichwertig.

20:46: Tor in Bremen/Oberneuland!
Herr Seidler meldet sich wohl zum letzten Mal. 7:0 für Wolfsburg, Cauiby war's. Egal, denn kurz darauf heißt es "Tor in Stuttgart!". Cacau erzielt die VfB-Führung.

20:48: Tor in Hamburg!
Der HSV schließt die Akte mit dem 2:0 durch Petric, der langsam warm wird. Bochum raus, Hamburg weiter. Ende in der HSH-Nordbank-Arena.

20:54: Die ersten Würfel sind also gefallen - Wehen, Karlsruhe, Hamburg und Wolfsburg weiter; Aachen, Offenbach, Bochum und Oberneuland draußen. Keine Überraschungen.

20:55: Jena meldet sich direkt mit einem Tor zu Wort in der Konferenz. Carl-Zeiss führt durch Petersens Tor mit 1:0 gegen den FSV Frankfurt und ist ein heißer Kanditat, den Amateurfußball als letzter Vertreter im Achtelfinale zu repräsentieren. Wobei das mit dem Amateurstatus seit Einführung der 3.Liga ja so eine Sache ist.

21:00: Mal eben durchgezählt. 7 Bundesligisten und 4 Zweitligisten haben bisher das Ticket für die nächste Runde gelöst. Überraschungen hielten sich dabei in Grenzen.

21:05: Toooor in Dortmund!!!
Nuri Sahin mit einem Freistoß aus der Mitte in die Mitte, Edeljoker Klimowicz macht das lange Bein, der Ball geht Drobny durch die Beine. Dortmund geht in der 103. Minute in Führung.

21:07: Elfmeter in Freiburg!
Obasi wird gelegt, Salihovic in Ballack-Manier mit dem Wumms in die Mitte. 1:0 für Hoffenheim.

21:11: Nur 13.000 Zuschauer in Stuttgart. Da bekommt dieses Niersbach-Interview bei FAZ.net langsam einen peinlichen Anstrich - es geht um den vermeintlichen "Popularitätsschub" des DFB-Pokals.

21:14: In München gibt der Club aus Nürnberg ein Lebenszeichen von sich. Ein Konter über Pinola bringt keinen Ertrag, aber immerhin verpasst Mintal den Querpass des Argentiniers nur knapp.

21:24: Alle Spiele, die um 20:30 Uhr angepfiffen wurden stehen 1:0 bzw. 0:1. Dort ist Halbzeit. Währenddessen geht Dortmund gegen Hertha zu Ende - der BVB gewinnt. Weder gücklich noch verdient. Zwei Joker entscheiden das Spiel. Sahins Freistoß fand den Fuß von Klimowicz. So einfach kann das sein.

21:31: Ich gönne mir zwei Penny-Schokowaffeln aus Holland - verdammt billig, aber verdammt gut. Ansonsten keine nennenswerten Vorkommnisse in der Pause. Auf geht's in die letzten 45+x Minuten.

21:35: Kleiner Geografie-Exkurs zur Abwechslung - in Freiburg ist heute Bade(n)tag. Die Südbaden aus dem Breisgau empfangen die Nordbaden aus dem Kraichgau.

21:46: Boy George ist heute mit Culture Club zu Gast in Jena - von den Rängen schallt "Karma Chameleon". Es sind die Jena-Fans, die ihren "Eeef, zeh, zeeeh" besingen.

21:51: Nix los in der Konferenz. Ich schrecke hoch, als ich höre, wie eine Stimme sagt: "Ellbogen ins Gesicht - und das im Rücken des Schiedsrichters". War gerade dabei, die Sitzschalen in Block C4 der Mercedes-Benz-Arena zu zählen. Bei 124 kam die Unterbrechung. Jetzt sind wird in Jena, da sieht man dank Laufbahn gar nichts von der Gegentribüne.

21:52: Muss man denn immer erst patzig werden? Stuttgart erhöht auf 2:0. "Da fliegt erstmal Cacau", observiert Kommentator Hindelang leicht beeindruckt. Die Bielefelder Abwehr hat augenscheinlich eine dicke Prise vom Pulver in die Augen bekommen. Magnin flankt mit so viel Platz wie in der Area 51. Marica schiebt ein.

21:54: Kein Tor in München, aber - Ribéry is back. Ohne Lederjacke.

21:56: Freiburg und Hoffenheim machen heute einen auf Cottbus. Diesmal Elfer auf der anderen Seite. Schwaab trifft zum Ausgleich. Mir schwant Böses. Verlängerung?

21:58: Ribéry hat derweil den PlayStation-Controller in die Hand genommen und steuert Ottl sicher durch den Nürnberger Sechzehner. Der Gegenpol von Agressive Leader van Bommel schiebt rüber zu Borowski, der momentan vor dem Tor der bessere Toni zu sein scheint. 2:0 für Bayern.

22:02: Statistisch gesehen ging heute Abend jede Partie in die Verlängerung, in der beide Mannschaften ein Tor erzielt haben. Heißt: In Freiburg wird das Flutlicht wohl noch was länger anbleiben. Und: Nürnberg braucht nur ein Tor, dann kommt das zweite von alleine. Doch das mit dem ersten Treffer gestaltet sich offenbar schwierig genug.

22:06: Michael Rensing wird diesen Tag preisen. 78 Minuten rum und noch kein Gegentor (in Sicht). Aber als meine Finger diese Worte in die Tasten hauen, wär' es fast so weit gewesen. Doch Rensing ist eben ein Klasse-Mann.

22:11: Wollte grade schreiben, dass sich in Freiburg Überstunden anbahnen. Doch da fällt Türker der Ball auf den Kopf. Idrissou stochert herum wie ein Storch auf LSD. Trotzdem isser drin. Hoffenheim liegt hinten.
Dietmar Hopp enthüllt in diesem Moment ein Plakat, auf dem der DFB-Pokal im Fadenkreuz abgebildet ist.

22:17: Verwirrung in Freiburg
Die Breisgauer treffen - nichts da, Tor wird nicht gegeben. Meine Augen werden einen Moment vom Kiemenmuster der Raufaser-Tapete abgelenkt. Da ruft plötzlich einer "Tor". Idrissou hatte den orangen Schnabel abgelegt und vollkommen clean das 3:1 erzielt. Natürlich vom Elfmeterpunkt - wie auch sonst. Wo der Strafstoß herkam, wird das FBI beschäftigen.

22:21: Vorbei ist der Spaß. Alle Spiele sind durch. Überstunden bleiben allen Beteiligten erspart. Die Enttäuschung hält sich in Grenzen. Nachher wären mir morgen im Altenheim beim Rummikub wieder die Augen zugefallen.

Zehn Bundesligisten, fünf Zweitligisten und ein Drittligist kämpfen am 27./28. Januar um den Einzug in die Vorschlussrunde der Vorschlussrunde. Damit sind zwei direkte Bundesligaduelle in der nächsten Runde garantiert. Jena wird als Amateur natürlich Heimrecht haben. Freiburg, Mainz, Wehen, Rostock und 1860 heißen die fünf verbliebenen Teams aus dem Unterhaus.

Ich sage "Gute Nacht". Man liest sich.

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Dienstag, 23. September 2008

Drei Elfer, ein Untergang

Noch vor ein paar Wochen war der Weihnachtsmann der Sündenbock. Ausgerechnet eine verheerende Pokalpleite in Cottbus, die ein Heimspiel weiterhin vertagt, sorgte jetzt für geglättete Wogen. Zu spät für den Weihnachtsmann.

Bis heute Abend ging ich davon aus, genug fußballerisches Elend gesehen zu haben. Doch so kann man sich täuschen. Es ist mit der Borussia, als ob man sich Heiligabend Jahr für Jahr in froher Erwartung ans Wohnzimmerfenster stellen würde, um einen Blick auf den vorbeifliegenden Weihnachtsmann zu erhaschen. Dann erscheint auf einmal tatsächlich sein Schlitten am Himmel, die Welt ist mit sich im Reinen, das Weinachtsfest gerettet. Doch Sekunden später rauscht ein Meteorit heran und man muss hilflos zusehen, wie 11 Rentiere und der rote Mann mit Bart in einem Feuerball ihr Leben verlieren. Und trotzdem steht man im Jahr danach erneut am Fenster – in froher Erwartung, als sei nichts geschehen.

An Tagen wie diesen – Weihnachtsgeschichte endet hier, wir sind wieder beim Fußball – möchte ich mich stets auf BILD-Niveau begeben, die Elf benoten und pauschal für alle Feldspieler die Note 6 auspacken - die Rute sozusagen. Nur der Torwart kommt mit einer 4 halbwegs ungeschoren davon. Die arme Sau kann bis auf den verschuldeten Elfer ja nichts dafür. Aber im Fall der Borussia wäre das viel zu einfach. Wer sich das Kunststück leistet, mit drei Elfern gegen sich und ohne nennenswerte Torchance in Cottbus mit 0:3 unterzugehen, der hat dieses Quäntchen Aufmerksamkeit, diese Zeilen vielleicht sogar verdient.

Auch wenn Jos Luhukay von dem Elend über 90 Minuten nicht viel gesehen haben will, gänzlich abstreiten kann er es nicht. Zumal sein Deutsch die innere Gemütslage gnadenlos offenbarte. Im Prinzip beherrscht Jos Luhukay die deutsche Sprache perfekt, was als Niederländer nicht gerade eine Kunst ist. Aber selbst die größten Tücken des Satzbaus sind für den Konjugationskönig in der Regel keine Hürden. Anders heute Abend, als der Gladbacher Coach in nahezu jedes sprachliche Fettnäpfchen trat, „kommen“ sagte, wo er „gehen“ meinte und die Sätze verdrehte, wie es nur irgendwie ohne Knoten in der Zunge möglich war. Gefühlschaos gnadenlos offenbart – ich würde es Realitätsverkennung in Tateinheit mit Hilflosigkeit nennen.

Wer den Mut hat, nach einem Spiel ohne Torchance, Biss und Überschreitung der 10-Km/h-Marke im Interview das Wort „Sieg“ in die Redewendung „auf Sieg spielen“ zu packen, dem ist ohnehin alles zuzutrauen. (Übrigens hat Luhukay nicht wortwörtlich gesagt „wir haben auf Sieg gespielt“. Ähnliches konnte ich jedoch dank meines Handwörterbuchs „Luhukay-Deutsch, Deutsch-Luhukay“ interpretieren.)

Gladbach hat kein Problem. Gladbach hat viele Probleme. Vor allen Dingen aber hatte Gladbach Glück, dass der Gegner – ohne despektierlich zu sein – „nur“ Cottbus hieß. Drei Elfertore kriegen viele nicht einmal in einem Elfmeterschießen hin. Doch da hilft der Gegner auch nicht mit. Falls Energie im Training vom Punkt geprobt hat, werden sie sich gewundert haben, dass sich die Extraschichten schon in der regulären Spielzeit bezahlt gemacht haben.

Die Parallelen zum Abstiegsjahr nehmen langsam Überhand. Damals wurde das Pokalaus in Osnabrück zum Charaktertest, den die Borussia verheerend in den Sand setzte. Heute Abend war ebenso Charakter gefragt. Die Testfragen waren diesmal andere, das Resultat dasselbe.

Das Warten auf ein Heimspiel im DFB-Pokal wird also vorerst kein Ende nehmen. Spätestens jetzt leuchtet mir ein, dass daran keineswegs die transparenten Plastikkugeln Schuld sind. Denn „entscheidend is auf’m Platz“. Nicht nur hier.

Mannschaft der Stunde (12)

Olympique Lyon: Das halbe Dutzend an Spieltagen ist gerade erst voll in Frankreich, schon scheint der Kuchen in Sachen Meisterschaft gegessen. Ein alter Bekannter führt die Tabelle bereits mit vier Punkten auf den ärgsten Verfolger an: Olympique Lyon, mit sieben Titeln in Folge der Serienmeister schlechthin. So sehr die Konkurrenz jeden Sommer auch aufrüsten mag, den Klub von der Rhône lässt das alles kalt.

Vier Siege in Serie stehen derzeit zu Buche. Zu Lyons Entschuldigung sei daran erinnert, dass erst sechs Spieltage rum sind. Mehr geht da nunmal nicht. Fünfmal blieb OL derweil ohne Gegentor, insgesamt fünf Siege und nur ein Remis zum Auftakt in Lorient. Selbst in Lyon ist man vor Schwächephasen nicht gefeit. Doch falls der Serienmeister sein Tief irgendwann in der Saison dann endlich erreicht hat, bleiben die Pleiten meist ohne Folgen. Zu weit ist man der Konkurrenz enteilt. Die sitzt in der Regel schon lange nicht mehr im Nacken, sondern gefühlt im Lendenwirbelbereich.

In den europäischen Topligen scheinen sieben Meisterschaften in Serie für mich immer noch utopisch - obwohl Lyon ja genau das Gegenteil bewiesen hat. Rosenborg Trondheim, der FC Porto und die Glasgower Vereine hatten in dieser Disziplin bislang eher zu den namhaften Beispielen gehört.

Doch so sehr Olympique die Ligue 1 Jahr für Jahr dominiert, in Europa sieht es dafür nicht allzu gut aus. Zwar gehört OL seit einigen Spielzeiten zu den Dauergästen in der K.o.-Runde. Mehr als das Viertelfinale in den Jahren 2004-2006 war bislang jedoch nicht drin. In Anbetracht der heimischen Dominanz und dieser europäischen Allergie stellt sich zwangsläufig die Frage, wie man sich dennoch immer wieder so motivieren kann, dass das Resultat am Ende dasselbe bleibt. Kein Wunder, dass in Lyon mittlerweile die Trainer reihenweise gehen mussten. Für Alain Perrin war trotz Meisterschaft und Pokalsieg bereits nach einem Jahr Dienstende.

Lyons acht Meisterschaften wurden unter vier verschiedenen Trainern eingefahren. Ebenso bezeichnend ist es, dass Lyon nicht nur allergisch gegen Erfolge in Europa ist. Auch im heimischen Pokal sieht es düster aus. 2008 holte man das erste Double überhaupt – und das, obwohl Frankreich mit dem Coupe de France und dem Coupe de la Ligue gleich zwei renommierte Wettbewerbe austrägt.

Dennoch ist und bleibt Olympique eine Macht in Frankreich. Wie lange noch, wird sich zeigen. Wer es bis zum siebten Titel in Serie geschafft hat, der wird mit Sicherheit keine Scheu haben vor zweitstelligen Zahlen.

Montag, 22. September 2008

Wie man in den Wald hineinruft,
so schallt es heraus

Nachdem Trainer Baade sich heute bereits um diejenigen gekümmert hat, die so lautstark in den Wald hineingerufen haben, sind nun die an der Reihe, die es in der Folge laut heraus schallen ließen.

Dietmar Hopp lieferte laut Spox.com folgenden Konter auf die beleidigenden Dortmunder Plakate und Gesänge:

"Unfassbar, dass ausgerechnet die Dortmunder so auftreten, wo ihr Verein doch in der jüngeren Vergangenheit 100 Millionen durch Misswirtschaft verpulvert hat. Ich gönne diesen Fans von Herzen, dass sie sportlich von uns so gedemütigt wurden."

Eines muss man dem Mann lassen: Recht hat er. Und so sehr es mich weiterhin ärgert, dass ein Verein von einem Mäzen auf die Spitzenränge der Bundesliga gepumpt, muss ich dennoch zugeben, dass das Modell Hoffenheim einfach anders ist und mich längst nicht mehr so wurmt wie noch vor ein paar Monaten.

Es gibt keinen totalen Aufkauf des Vereins wie bei Chelsea oder City, sondern ein konstruktives, durchdachtes und keineswegs größenwahnsinniges System. Bei all den Obasis, Eduardos und Gustavos sei zudem nicht außer Acht gelassen, dass derzeit ein gewisser Vedad Ibisevic die Torschützenliste anführt. Jener Ibisevic, der ein Aachen einst ein Ansehen à la Kuranyi genoss und in 24 Partien für die Alemannia exakt so oft traf wie in den ersten fünf Saisonspielen für die TSG Hoffenheim.

Na gut, selbst ihn hat nicht die Kraichgauer Landluft nach Hoffenheim gelockt. Bei seiner Verpflichtung gehörte er jedoch noch dem Kaliber "kann vielleicht was, wird es wohl nicht zeigen" an. Von solch einer Explosion war nicht auszugehen. Auf die Konten der millionenschweren Obasi und Carlos Eduardo geht je ein Tor. Die restlichen zwei hat Sejad Salihovic erzielt – bezeichnenderweise eines der zig verschmähten Hertha-Talente, das jetzt woanders für Furore sorgt.

Während die anderen beiden Aufsteiger zumindest im halben Dutzend einkauften, reichten dem Hopp-Klub gerade einmal zwei Neuzugänge. Andreas Beck gehört mit seinem Notenschnitt aus den ersten Partien zu den besten Verteidigern der Liga. Und Stürmer Wellington hat bisher nicht einmal spielen können. Hoffenheim steht demnach Wochenende für Wochenende fast mit seiner Aufstiegself auf dem Platz. Hat der Trend bestand, wird diese Elf unter Umständen schon nächste Saison „unter der Woche“ zu bestaunen sein – im Europacup.

Weiß gerade selbst nicht, was mich auf einmal dazu bewegt, eine derartige Lobeshymne anzustimmen. Es wird wohl an einer Erkenntnis liegen, die mir diese ersten Wochen back to bundesliga gebracht haben: Echte Rivalität fußt nicht auf einem Haufen Geld, sondern wird über Jahre gesät und steht dann auf ewig in voller Blüte. Danke, ihr Kölns, Dortmund, Schalkes und Bayerns, dass es euch gibt.

Äpfel mit Birnen

Nahrungskette statt Viererkette?

Leverkusen - Hannover 4:0
Hannover - Gladbach 5:1
Gladbach - Bremen 3:2
Bremen - Bayern 5:2
Bayern - Hertha 4:1

Bayern kann sich offensichtlich glücklich schätzen, nächste Woche nach Hannover zu reisen. Simpel aufaddiert setzt es dort nur ein 5:13. Nicht auszudenken, wie hoch die Klatsche in Leverkusen ausfallen würde.

Fragt sich am Ende nur, warum Gladbach am Samstag gegen die Hertha verloren hat.

Sonntag, 21. September 2008

Pfiffe, Possen, Pokémonkarten

Der eine wird von den eigenen Fans ausgepfiffen, der andere von den gegnerischen - Kuranyi, Rafinha und das Ende der Nahrungskette.

Fußballfans sind nicht dumm – Ausnahmen wie in jedem Lebensbereich nicht ausgeschlossen. Vor allem aber sind sie mündige Menschen und lassen ihrer Meinung so unverblümt wie kaum eine andere Gruppe der Gesellschaft freien Lauf. Spielt ein Spieler über Wochen – beschönigend gesagt – „beschissen“, kann er keine stehenden Ovationen bei seiner Auswechslung erwarten, nicht einmal wohlwollende Stille. Kevin Kuranyi ist demnach kein armes Opfer, sondern ein Spieler, der lediglich die Audioversion seines Formtiefs von den Fans zu hören bekommt.

Eben jener Kuranyi hat jüngst einen viel gescholtenen Kollegen in Schutz genommen, dessen Verhalten auf und neben dem Platz derzeit gleichermaßen auspfeifenswert erscheint. Erst Rafinhas Olympiaposse, dann das Fordern von Gelb für den Gegner in Personalunion mit Mimoun Azaouaghs „der Gnom nervt“. Es folgte das Derby, in dem Rafinha zweimal knapp einem Platzverweis entging und sich augenscheinlich – erst an dieser Stelle beginnt das von Manager Müller vermutete „Kesseltreiben“ – mit Jefferson Farfán um die Ausführung des Elfers stritt.

Stellt sich die Frage, ob Rafinha als Protegé von Kevin Kuranyi das unterste Ende der fußballerischen Nahrungskette erreicht hat. Wie auch immer, K.s Begründung für das angebliche „Kesseltreiben“ gegen den Quertreiber erinnert mich an die schlechten, alten Tage des Tauschens von Pokémonkarten auf dem Schulhof, als der mit der Glurak-Karte immer der Arsch war: „Die anderen sind einfach nur eifersüchtig, weil sie gerne so einen Spieler hätten."

Und mit Sand geworfen haben „die anderen“ natürlich auch zuerst. Wäre das wenigstens geklärt.

Mission 40/5: Es geht noch Hertha

Schadenfroh trudelt die Borussia dem Tabellenende entgegen. Doch Bayerns höchste Heimpleite der letzten 29 Jahre und Kölns Niederlage in Bielefeld können nicht wirklich über die eigene Misere hinwegtrösten. Über ein Spiel, in dem es Gladbach nicht einmal gelang, den einfachsten Blumentopf zu gewinnen.

0:1, 0:2, 0:3, 0:4, 0:5 – nach 70 Minuten hat es den Anschein, die Einblendungen auf der Videowand sind Teil des Deeskalationsprogramms, das auf den Rängen für Ruhe und Gelassenheit sorgen soll. Bremen verpasst den Bayern die höchste Heimniederlage seit 1979. Bei jedem Tor geht mehr als nur ein Raunen durch den gut gefüllten Borussia-Park. Spätestens als Köln fünfzehn Minuten vor dem Ende in Bielefeld baden geht, kennt die (Schaden-)Freude keine Grenzen mehr – obwohl die Borussia selbst auf dem Platz gerade Reminiszenzen an die Abstiegssaison 06/07 weckt. Erst zuhause und zumindest beim ungläubigen Telefonieren nach dem Spiel wird allen klar: Alles doch nicht fake, Bayern und Köln sind tatsächlich die Deppen des Tages. Nicht mal ein Blumentopf, den sich die Fohlenelf gegen die Hertha sichern kann.

Zurück also zu den erwähnten Erinnerungen ans triste Jahr des Niedergangs. Nach elf Minuten geht Berlin mit seinem ersten Torschuss in Führung. Kacar hatte sich einen Pass geschnappt, der so gar nicht für ihn gedacht war. Daems ist derweil genau in die andere Richtung unterwegs, Kacar hat freie Bahn, Heimeroth keine Chance. Fünfzehn Mal verlor Gladbach im Abstiegsjahr mit 0:1 oder 0:2. In acht Fällen fiel das erste Gegentor in Hälfte eins. Viermal bog die Borussia bereits in der Anfangsviertelstunde auf die Straße des Verlierers ein – genau wie gegen Hertha.

Doch nicht nur Statistik und Historie lassen früh Böses erahnen. Der Eindruck auf dem Platz spricht ohnehin schon Bände. Anders als beim fulminanten Heimerfolg gegen Werder vor drei Wochen, als Bremen den Ballbesitz mit fast 70 Prozent fast für sich beanspruchte, ist diesmal die Elf von Jos Luhukay öfter in der Hälfte des Gegners als in der eigenen. Dabei springt herzlich wenig heraus. Debütant Bradley bringt den Ball nach feiner Neuville-Flanke immerhin aufs Tor. Danach taucht Gladbach erneut nach Vorarbeit des EM-Fahrers gefährlich vor dem Tor der Hauptstädter auf. Friend nimmt den Ball zwar klasse an. Im Abschluss fehlen ihm dann aber der Biss und die Durchschlagskraft. Drobny dürfte sich innerlich ins Fäustchen gelacht haben. Bei Gladbachs nächster Gelegenheit hat der dann weitaus weniger zu lachen. Mit Glück springt ihm Neuvilles Pfostenknaller nach einer Ecke an die Schulter und von dort ins Aus. Wer sich die Spielernamen in diesem Abschnitt ansieht, dem wird auffallen, dass Neuville, Gladbachs Rückkehrer in die Startelf, noch am meisten auf sich aufmerksam macht. Nach 64 Minuten ist das Spiel für ihn beendet. Warum, weiß keiner so richtig. Warum Luhukay den unbeweglichen Sascha Rösler für den immer noch wendigen Aufstiegshelden rein bringt, erst Recht nicht.

Gladbach ist unterm Strich im Chancenplus. Hertha mauert jedoch nicht wie wild. Doch die vereinzelten Torgelegenheiten resultieren zumeist aus Nachlässigkeiten der derzeit schlechtesten Hintermannschaft der Bundesliga. Heimeroth ist einmal mehr ein Garant dafür, dass das Spiel nicht schon vor der Pause endgültig verloren scheint.

Dem Ausgleich ganz nah ist Oliver Neuville bei einem Konter zu Beginn der zweiten Halbzeit. Matmour hatte klasse in den Lauf gepasst. Der Schuss des 35-jährigen Torjägers findet jedoch erneut ein ungeliebtes Ziel – den Pfosten. Friend ist vom Abpraller so überrascht, dass er in den Fünfmeterraum segelt, als habe der Spieler am Playstation-Kontroller aus Versehen die Taste gedrückt, mit der man Schwalben simulieren kann.

Die größte Parallele zum Abstiegsjahr bildet am Ende das Ergebnis. Tore bleiben auf Borussenseite Mangelware. Neben den Galgenhumoristen und Schadenfrohen auf der Tribüne, gehört an diesem Nachmittag besonders eine Gladbacher Müllentsorgungsfirma zu den Glücklichen, die jedesmal auf der Anzeigetafel für sich wirbt, wenn eines der beiden Teams einen Eckball erspielt. 12:2 heißt es in dieser Statistik aus Sicht der Fohlenelf. Dabei rumgekommen ist außer heißer Luft, blauen Flecken beim Herthaner am kurzen Pfosten und Dellen in der gegenüberliegenden Werbebande herzlich wenig.

Jos Luhukay macht nach Spielende weder einen angefressenen noch einen verzweifelten Eindruck. Erklärungsnot scheint ihm fremd. Vielmehr verweist er auf die Vorteile seiner Mannschaft und darauf, dass Berlin nicht gerade das erwischt hatte, was man im Jargon einen Bilderbuchtag nennt. Doch kann man sich damit rühmen, dass der Gegner nicht besser, man selbst aber schlichtweg nicht in der Lage war, dies auszunutzen? Ist es nicht realitätsverkennend, ein Armutszeugnis als Gesellenprüfung zu beglaubigen?

Während das Spiel zeitweise vor sich hin dümpelte, ist mir einmal mehr aufgefallen, was für ein wenig liebenswerter Verein (Achtung: Euphemismus!) die Hertha eigentlich ist. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, ist beim Hauptstadtklub gar nichts echt: Cicero spielt im Mittelfeld, obwohl der gute Marcus Tullius seit mehr als 2000 Jahren unter der Erde weilt. Berlins Kaká hat einen Bruchteil dessen gekostet, was sein Namensvetter kosten könnte, wenn Milan so blöd wäre, ihn irgendwann abzugeben. Manager Hoeneß ist der kleine Bruder, den in Wirklichkeit noch weniger Leute mögen als Uli, den Großen. Dieter bringt es ja nicht einmal fertig, mit Reden über Populismus und Weinheim Geschichte zu schreiben. Und zu guter letzt trägt Herthas langhaariger Ostblock-Angriff scheinbar mehr Fett in seiner Mähne mit sich herum, als eine Frittenbude in einer Woche verbraucht. Jetzt noch kurz „die Stimmung“ und „das Stadion“ erwähnt, dann will ich auch Schluss machen mit Berlin-Bashing. Wollen ja nicht ablenken von der eigenen Misere.

Der Trainer sitzt fest im Sattel. Vier Niederlagen in fünf Partien sollen die Früchte seiner Arbeit nicht gleich verwelken lassen. Dennoch muss sich Jos Juhukay den Fragen stellen, was er mit seinen Systemänderungen, mit seinem System im Allgemeinen bewirken will. Da wird ein Linksverteidiger wie Jaurès erst verhätschelt, dann in Schutz genommen. Kurze Zeit später sitzt er auf der der Tribüne. Der lange verschmähte Voigt überlässt ihm seinen Logenplatz und hüpft vom Lachsbuffet gleich in die Startelf. Ein Levels wird plötzlich in die Startelf gespült, um kurz darauf wieder nahezu spurlos zu verschwinden. Doch eines beruhigt derzeit wahrlich in puncto Trainerdiskussion: Ziege und Co. sparen sich die üblichen Vertrauensbekundungen, lassen die Sache erst einmal laufen. Im Gegensatz zum Wir-stehen-zum-Trainer-Geplänkel wirkt das um einiges authentischer – das hat selbst der ARD-Kerner, Reinhold Beckmann, prächtig analysiert.

Zuhause sind noch 42 Punkte zu vergeben. Nach derzeitigem Stand müsste die Borussia 37 davon einfahren, um die „Mission 40“ zu erfüllen. Denn momentan glaubt man noch an so einiges. Doch am allerwenigsten an Auswärtspunkte. Gerade in Hamburg, wo eine 2:0-Führung so viel Sicherheit verleiht wie ein Regenschirm bei Gewitter.

Samstag, 20. September 2008

Im Zeichen der fünf Jahre

Über Dänemarks augenscheinliche Vormachtstellung in Europa, zyprische Vorteile, einen schweren Rucksack samt BVB und Herthas Höhenflug.

Dänemarks Fußball stand in letzter Zeit nicht besonders hoch im Kurs, egal ob auf Nationalmannschafts- oder Klubebene. Unter anderem fanden die WM 2006 und die EM 2008 ohne „Danish Dynamite“ statt, nachdem der Europameister von 1992 zuvor das Ticket für fünf große Turniere in Folge gelöst hatte.

Will man nun eine gewisse UEFA-Fünfjahreswertung zum allwissenden Formbarometer des europäischen Fußballs erklären, dann ist der dänische Fußball derzeit das Nonplusultra auf dem Kontinent. Die Skandinavier haben bislang 5,000 Punkte gesammelt. ‚Aha‘, werden sich da viele denken und gleichzeitig mit einem dicken Fragezeichen auf der Stirn zu kämpfen haben. Sehr vereinfacht gesagt: Für einen Sieg im Europacup gibt es zwei Zähler, für ein Remis standesgemäß einen. Die Gesamtpunktzahl eines jeden Landes wird durch die Anzahl seiner teilnehmenden Vereine geteilt. Hinzu kommen diverse Bonuspunkte für das Meistern bestimmter Hürden.

Doch spätestens bei Nennung des momentanen Zweitplatzierten in der Fünfjahreswertung werden die meisten den Glauben an jenes System verlieren. Knapp hinter Dänemark rangiert Fußballmacht Zypern mit 4,666 Punkten. Wie das kann? Auch die Tabelle, die für die Vergabe der Europapokalstartplätze herangezogen wird, folgt den Naturgesetzen von Fußballranglisten. Erst am Saisonende werden die Früchte der Arbeite verteilt. Zwischenstände sind mehr denn je Momentaufnahme.

Zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison belohnt die Fünfjahreswertung vor allen Dingen die Mittelgewichte im Geschäft wie eben Dänemark, Zypern oder ebenso die gut platzierten Ukrainer, Weißrussen und Kroaten. In der Champions-League- und UEFA-Cup-Quali sind sie von der ersten oder zumindest zweiten Runde an mit von der Partie. Das gibt mächtig Punkte, weil die Ergebnisse dort wenigstens zur Hälfte in die Wertung eingehen. Während die Großen noch am Strand Sandburgen bauen, scheffeln die kleineren Nationen schon Punkte.

Zudem profitieren die Kleinen, die es ja bekanntlich gar nicht mehr gibt, davon, dass sie anders als England und Co. nicht gleich in Scharen antreten. Das bedeutet: Famagustas Unentschieden in Bremen brachte 0,333 Punkte aufs zyprische Konto, der Bremer Punktgewinn gleichzeitig nur 0,125 für die Bundesliga. Jeder Punkt der Zyprer hat demnach also fast dreimal soviel Wertigkeit wie der eines deutschen Teams. Bloß nicht an Werder weitersagen. Denen wird das 0:0 zum Auftakt schon so ziemlich missfallen haben, Wiedergutmachung heute Nachmittag in München hin oder her.

So sehr sie in dieser Phase vom System profitieren, umso mehr werden die „Kleinen“ in den nächsten Monaten das Nachsehen haben. Denn irgendwann, spätestens nach der Winterpause, werden sich die zyprischen und dänischen Reihen im Europacup lichten. Mit jedem ausgeschiedenen Team schwinden die Möglichkeiten, Punkte einzufahren. Ein so frühes Scheitern von Borussia Dortmund wäre also fatal. Einerseits fällt der BVB als möglicher Punktelieferant weg. Andererseits verbleiben sie jedoch im schweren Rucksack der Bundesliga, denn über die Saison hinweg werden die gewonnenen Zähler stets durch die Anzahl der Teilnehmer zu Saisonbeginn. Besten Dank nach Dortmund.

So sieht die interne Tabelle der deutschen Mannschaften aus:

Berlin hat seine Führung natürlich den Auftritten in der UEFA-Cup-Qualifikation zu verdanken. Die Punkte dort wurden halbiert, daher der Kommawert. Noch folgen die beiden Champions-League-Teilnehmer und mit dem VfB der zweite Klub, der nicht gesetzt war für die erste Hauptrunde im UEFA-Cup. Logischerweise sind die Einsteiger dieser Woche - Wolfsburg, der HSV und Dortmund - momentan auf den hinteren Rängen zu finden. Habe vor, die Rangliste nach jeder Europacup-Woche zu aktualisieren, so dass am Saisonende so etwas wie der deutsche Meister auf internationalem Parkett gekürt werden kann.

Mittwoch, 17. September 2008

Kika kauft Sendeminuten auf Premiere

Lyon spielt in neongelben Trikots gegen Florenz in lila. Schiri Fröjdfeldt pfeift in grellem Rot. Das Geläuf leuchtet satt grün. Ein Traum.


Die Farbkombination kommt mir irgendwie bekannt vor.

Internet won't kill the ARD-radio star

90elf ist der erste Radiosender, der nonstop über Fußball berichtet. Nicht unklug und sicher wertvoll für die Alleshörer und -gucker. Doch die Innovation wird kaum an der Tradition der ARD-Radionkonferenz wackeln.

Seit nunmehr einem Monat ist der erste Radiosender „on air“, der sich ausschließlich dem Thema Fußball widmet – 90elf, erreichbar auf der gleichnamigen Seite. Irgendwie verrückt, 24/7 nur über die runde Neben-/Hauptsache zu berichten. Aber wir gediegenen Blogger machen im Prinzip nichts anderes. Mit dem Unterschied, dass wir das Gesprochene fein leserlich aufschreiben, jedoch nicht rund um die Uhr. Dafür läuft ja auch keine Musik zum Überbrücken längerer Kunstpausen.

Ganz nach dem Urprinzip von Angebot und Nachfrage werden sich mit Sicherheit genügend Abnehmer finden. Es bleibt zwar fraglich, ob sechs Reporter in schalldichten Kabinen mit ihrer Vollzeit-Reportage den authentischen Herren und der Dame von der ARD-Radiokonferenz den Schneid abkaufen können. Aber für all die Watch-aholics, die schon Amok laufen, wenn Schalkes Auftritt auf Zypern weder im Free- noch im Pay-TV läuft, ist 90elf wohl ein Segen. Moment: Lief das Spiel gestern überhaupt auf 90elf? Woher sollen die denn die Bilder bekommen haben? Hat 90elf etwa jeden Pay-TV-Sender der Welt abonniert, auch das zyprische LTV? I believe not.

Eine Sache geht mir weiterhin nicht aus dem Kopf: Was sendet 90elf in der Nacht? Ganz WDR-like bestimmt „Domian“ für gebeutelte Fußballfans, denen die Frau weggelaufen ist, da die Dauerkarte nun einmal Vorrang hatte. Dann ruft ab und zu einer an, der sein Herz ausschüttet, weil er sich unsterblich in die Verkaufsdame eines rheinischen Großbäckers verliebt hat. Und zu guter letzt finden geläuterte Randalierer ein offenes Ohr, die beichten, dass sie beim Auswärtsspiel in Erfurt einen Böller in der Unterhose ins Stadion geschmuggelt haben.

Dienstag, 16. September 2008

Mission 40/4: Auf die Mütze an der Leine

Als ob eine 1:5-Pleite in Hannover nicht schon bitter genug wäre. Doch dann heißt es aus Sicht der Sieger auch noch: „Der Erfolg ist am Ende zu hoch ausgefallen“. Vielen Dank. Über die Niederlage einer Samaritertruppe, die sich partout nicht an Gesetzmäßigkeiten halten will.

„Unter Wert geschlagen“, „der Sieg ist am Ende zu deutlich ausgefallen“, „Gladbach war nicht vier Tore schlechter“ – alles Floskeln, die nach einer 1:5-Offenbarung in Hannover wahrhaftig niemand braucht. Im Vergleich dazu besitzt die berüchtigte Wendung „hat sich stets bemüht“ in einem Arbeitszeugnis den Wert der blauen Mauritius.

Gegen eine sang- und klanglose Pleite gegen ein schier übermächtiges Team hätte man vermutlich weniger einzuwenden. Damals zuhause gegen Leverkusen beim 2:8 und bei der 1:7-Schlappe in Wolfsburg eine Woche später wusste man wenigstens: Da geht eine Mannschaft, ein ganzer Mythos den Bach runter. Denen ist nicht mehr zu helfen.

Und was haben wir jetzt? Weder die finale Gewissheit über Glück noch über Unglück. Nach dem Hurra-Spiel gegen Bremen haben sich die Gefühle eiskalt neutralisiert. Seit Sonntag wissen wir: Die Mitte zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt befindet sich auf Platz 15 mit drei Punkten und 5:11 Toren. Rückblickend war die Länderspielpause also Gold wert – immerhin zwei Wochen, genauer gesagt 15 Tage zum Schwelgen in Erinnerungen an einen grandiosen Tag im Borussia-Park, bevor Gladbach ausgerechnet in Hannover auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden ist. Bei einer Mannschaft, die zuvor noch nicht gewonnen, geschweige denn getroffen hatte.

Natürlich glaubt jeder, seine Mannschaft sei die Samaritertruppe der Liga, wenn es nicht nach Plan läuft und großzügig Geschenke verteilt werden. Aber wer schon so oft und inständig an Mutter Theresas Thron gewackelt hat wie die Borussia, der hat sich diesen Titel redlich verdient. Gegen uns sorgen gebeutelte Stürmer dafür, dass ihr Name wieder aus dem Lexikon gestrichen wird, wo er zuvor achtzehn Spieltage lang unter dem Stichwort „Chancentod“ zu finden war. Gegen uns schwimmen sich fast entlassene Trainer, denen das Wasser zuvor bis Oberkante Unterlippe stand, so sehr frei, dass sie zwei Wochen später verdursten. Gegen uns reißen Jahrzehnte alte Serien, über die Herbert Zimmermann anno dazumal höchstpersönlich berichtet hat.

Da ich auf beschwichtigende Floskeln wie „unter Wert geschlagen“ getrost verzichten kann, will ich jetzt auch gar nicht mit ebenso unnützen Phrasen wie „dabei ging es gar nicht so schlecht los“ anfangen. Luhukays Jungs begannen irgendwo zwischen „verhalten“ und „kontrolliert“. Hannover wirkte verunsichert. Doch die Borussia konnte daraus kein Kapital schlagen – im Gegenteil. Mitte der ersten Hälfte wurde der Ballbesitz eingeblendet: 64 Prozent für Hannover. Dass da nicht mehr viel für die andere Mannschaft übrig bleibt, kann sich jeder selbst ausmalen.

Sinnbildlich genug war es, dass Hannovers verschossener Elfer der moralische Schlüssel zum Sieg wurde (zur Erinnerung: Hannover, das sind die, die vorher weder gewonnen noch getroffen hatten und in der ersten halben Stunde über den Platz kauerten wie Neu-Gymnasiasten am ersten Schultag über den Schulhof). Jene Szene lieferte dem derzeit viertbesten Keeper der Liga, nach Kicker-Noten, zumindest eine Bühne, um sich erneut zu beweisen. Christofer Heimeroth hielt Husztis Elfer glänzend und war unterm Strich bester Borusse. So blöd das bei fünf Gegentoren auch klingen mag. Früher war er bei zwei Gegentreffern gefühlt schon an dreien Schuld. Jetzt beweist er in einer Truppe voller chronischer Lehrgeldzahler eindrucksvoll, dass das ewige Unken ungerechtfertigt war.

Heimeroths taktischem Gegenpol, Rob Friend, ergeht es derweil ähnlich gut. Er trifft nicht nur weiterhin, sondern benötigt dafür auch noch weniger Chancen. Gegen Hannover erspielte sich die Borussia insgesamt fünf Torchancen. Zuvor waren so viele allein aufs Konto des Kanadiers gegangen, der bislang in jedem Spiel, das er von Anfang an bestritt, ein Tor erzielt hat. Im Pokal war er 90 Minuten draußen geblieben, gegen Hoffenheim genau eine Stunde.

Am Ende war es wieder einmal eines dieser Spiele, nach denen man wenigstens einen Augenblick lang mit dem Gedanken spielt, das nächste Heimspiel zu boykottieren oder gar in Hungerstreik zu treten. Doch dann denkt man reflexartig ein paar Wochen zurück. An die ekstatischen Momente gegen Bremen, an das Hochgefühl in den Stunden danach. Und schon ein paar Minuten nach Abpfiff ist man sich sicher: Spätestens Donnerstag fängt die Dauerkarte im Portemonnaie vor Vorfreude an zu glühen. Freitag brennt sie ein Loch die Gesäßtasche, bevor sie dann Samstag endlich wieder, zum dritten Mal in dieser Saison, entwertet wird. Wobei kindliche Vorfreude bei Heimspielen ja eine Leichtigkeit ist. Mit der Anrüchigkeit eines Mode- und Eventfans kann man sich schließlich zumindest auf das Drumherum freuen. Und sei es nur ein Streuseltaler (quatsch, die sind doch gestrichen).

Bei Auswärtsfahrten – und die wird es in zwei Wochen mit dem Ziel Hamburg wieder geben – ist das Verhältnis von Entbehrung und Erfüllung weitaus weniger ausbalanciert. Für eine bittere Niederlage ist es da ein Leichtes, siebzehn Stunden der durchaus wertvollen Lebenszeit mal eben ins Jenseits zu befördern. Und wer weiß, wie bitter neunzig Minuten mit fünf Gegentoren in Hannover vor dem Fernseher sind, der wird verstehen, welch apokalyptisches Ausmaß eine Auswärtspleite nach siebenstündiger Zugfahrt annehmen kann.

Samstag, 13. September 2008

Wiedergeburt mit Ansage

Der FCK ist wieder da. Zehn Punkte aus den ersten vier Spielen stehen für einen gelungenen Umbruch in der Pfalz, der jedoch (noch) unter Vorbehalt steht.

Todgesagte leben länger. Das ist weder neu noch fühlt man sich in Sachen 1. FC Kaiserslautern dazu gedrängt, ein Sprichwort dieser Kategorie auszupacken. Zu oft hing das Leben des FCK schon am seidenen Faden, um den halbwegs Pfalz-neutralen, romantischen Fan jedesmal aufs Neue zu beunruhigen, weil er spürt, dass ein Stück Tradition mal wieder den Bach runter geht.

Es kommt selten vor, dass jener Bach auf einmal zurück in Richtung Quelle strömt. Doch das Wiedererstarken der Lauterer kann relativ getrost in diese Schublade gepackt werden. Noch unter Vorbehalt, weil erst vier Spiele über die Bühne gegangen sind.

Am Betzenberg scheint man ausnahmsweise mehr richtig als falsch gemacht zu haben. Zehn fundierten, gezielten Neuzugängen stehen dreizehn Abgänge gegenüber. Unter den Neulingen sind einige Bundesligaerprobte und Ex-U21-Nationalspieler wie Matthias Abel oder Martin Amedick. Die Truppe ist jung und trotzdem nicht allzu unerfahren. Die finanzielle Zwangsjacke, durch die man in den letzten Jahren zum Projekt "Jugend forscht" gezwungen wurde, scheint Früchte zu tragen. Die Ausgaben hielten sich in Anbetracht der Ausmaße des Umbruchs in Grenzen. Zudem ist es Milan Sasic gelungen, Sorgenkinder wie Erik Jendrisek aus dem Dauertief zu holen und auf den Erfolgsweg zu führen.

Wie gesagt, der FCK ist nicht unbedingt ein Lieblingskind. Man muss ihn nicht lieben, aber genauso wenig hassen. Dennoch darf man sich über den guten Start der Roten Teufel freuen. Es gibt Schlimmeres. Momentan dürfte der alte Fritz auch wieder Spaß haben an seinen Betzebuben. Ein endgültiges Ende der Possen und Kapriolen ist jedoch noch lange nicht in Sicht. Zumal sich der Bach naturgemäß ohnehin eher zur Mündung hingezogen fühlt.

Mittwoch, 10. September 2008

Sonnenfinsternis mit Abstrichen

Ein Dreierpack samt Wiedergeburt bleibt festzuhalten als seltener Lichtblick an einem ansonsten ziemlich dunklen Abend in Helsinki. Kerner als Priesteramtsanwärter, ein Verteidigungsminister auf verlorenem Posten und eine Abwehr auf Abwegen sorgten allein für Bluthochdruck vor dem Fernseher.

Johannes B. Kerner ist ein verdammt talentierter Mann. Journalistisch nicht gerade eine Augenweide, schafft er es dennoch immer wieder, Gesprächsthema zu sein. Heute Abend war es das undefinierbare Kleidungsstück über seinem Hemd, das ihn an Oliver Kahns Seite aussehen ließ wie einen Flüchtling vom Priesterseminar. Irgendwelche fachlichen Böcke, Plattitüden und emotionsbezogene Fragen wurden da genial kaschiert.

Doch all das übertüncht noch lange nicht die Tatsache, dass unsere Abwehr bisweilen san-marinesische Züge annahm. Unweigerlich stellt sich die Frage, warum der Name Westermann im Eifer des Gefechts ausgerechnet wie "bester Mann" klingen muss. Sein Nebenmann Tasci gab auf den ersten Blick eine bessere Figur ab. Aber irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass die vermeintlich gute Figur von chronischer Abwesenheit in brenzligen Situationen geformt wurde. Franz Josef Jung saß neben Theo Zwanziger auf der Ehrentribüne. Da fragt man sich, warum unsere Abwehrarbeit nicht in den Aufgabenbereich des Verteidigungsministers fällt.

Bei allem Grusel hinten muss man Miro Kloses Wiedergeburt in Form eines Doppelpacks ja nicht gleich unter den Teppich kehren. Seine Länderspieltore Nummer 42 bis 44 katapultierten ihn vorbei an "Uns Uwe" in der ewigen Torschützenliste. Der vierte Dreierpack seiner Länderspielkarriere bedeutet nun Gleichstand mit Gerd Müller - mit dem Unterschied, dass sich in dessen Bilanz noch vier Vierfacherfolge dazu gesellen. Nennenswert ist zudem noch ein gewisser Edmund Conen, der in 28 Länderspielen 27-mal traf - drei Dreier und zwei Vierer waren darunter.

Wenn es schon nur ein Punktgewinn nach dreimaligem Rückstand ist, über den man sich überhaupt freuen darf, dann nehmen wir wenigstens freudig zur Kenntnis, dass dieses Hals-über-Kopf-Spiel die Faktenmaschinen und Statistikbücher kräftig in Wallung gebracht hat.


PS: In Zagreb sorgt derweil Kommentator Wark für Verwirrung: „Leko... da ist der Anschlusstreffer. Die Engländer für einen Moment eingelullt. Und da ist das 3:0.“ Hä?
Das Internet schafft Gott sei Dank bei jeder Unklarheit Abhilfe. Wir atmen auf - ein 3:0 ist nun doch kein Anschlusstreffer.

Established in Helsinki

Falls ich jemals mit einer Affinität zum Operngesang geliebäugelt haben sollte, hat sich das um 19:33 Uhr MESZ für immer erledigt.

Da kann PISA auch nichts retten. Wer einem bärtigen Mann im Deutschland-Trikot und Fleece-Pullover a-cappella die Hymne schmettern lässt, der mag zwar gut rechnen, schreiben und lesen können. Aber anderweitig scheint da eine entscheidende Hirnsynapse unbezahlten Urlaub genommen zu haben.

Béla Réthy feuert derweil fleißig mit der Anglizismen-Kanone um sich. Wenn unser "Mittelfeld-Establishment" das hören könnte - da würde sogar der "One-touch-football" der Finnen ganz schnell aufhören.

Übrigens schickt Jogi Löw - wie wir gehört haben - zum dritten Mal in Folge dieselbe Startelf auf den Platz. Dabei war ich mir gegen Belgien noch sicher, dass diese Formation schnurstracks in die Schublade mit der Aufschrift "Sie spielten nie mehr zusammen" gehört.

PS: Jogi Löw ist Linkshänder - sei nur angemerkt, falls Freitagabend kurz nach Mitternacht an der Theke die Themen ausgehen.

Mittwoch, 3. September 2008

What bloody man is that?

Bundesliga-Fußball - they'd call it "soccer" - aus amerikanischer Sicht vom Sender GolTV.

Einer der beiden Kommentatoren hat offensichtlich gerade sein Gastspiel am Theater von Inverness beendet. Nun sitzt das Duo euphorisch in einem Trailer-Park östlich von Detroit (die Akustik lässt dies vermuten) und kommentiert mit bestem Macbeth-Akzent deutschen Fußball.

We will speak further.


3-2 Borussia Mgladbach vs. Werder Bremen Highlight… - MyVideo

Dienstag, 2. September 2008

Tor 1 oder Tor 2?

Ein Borussen-Solo über 70 Meter, ein doppelter Doppelpass mit Gladbacher Beteiligung, ein bayerischer Kandidat aus dem unteren Unterhaus, ein olympischer Damenbeitrag oder ein Pokal-Wumms aus Leverkusen?
Wer schoss das Tor des Monats August?

Maradona sagt: "Die Nummer 1 macht's!" Wer will da ernsthaft widersprechen?

Nicht von dem Ohrstecker und der Kurzhaarfrisur abschrecken lassen. Wer so heißt, der hat die Plakette ohnehin verdient. Wer solche Tore schießt, der erst recht.

Montag, 1. September 2008

Ball im Korb, Nase im Arsch

Dreirad vom Söhnchen, After Shave im Bad, hohe Stufen am Mannschaftsbus - wir haben alles gesehen und gelesen. Torsten Frings dreht derweil am nächsten Teil von "Fußballer und ihre unfassbar bescheuerten Verletzungen". Klappe die 14721.

Unser Parade-6er und Agressive Leader muss das Länderspiel gegen Liechtenstein absagen. An sich nichts Weltbewegendes. Frings oder Ballack, einer fehlt doch eigentlich immer. Diesmal gleich beide. Wobei ich mich schon ärgern würde, wenn ich beim gelassensten Spiel seit San Marino passen müsste. Die Umstände der Leiden des jungen F. sind jedoch um einiges nennenswerter, als zunächst angenommen.

Skispringer, Handballer und Turner verletzen sich traditionell beim Fußball. Da dies bei Fußballern keine allzu große Hürde darstellen würde, müssen sich die Herren natürlich eine andere Sportart suchen. Frings' Nasenbein machte bei einer Partie Basketball schlapp - beim PR-Termin auf der Insel Spiekeroog. Da sage noch einer, Basketball sei ein körperloses Spiel.