Montag, 6. Oktober 2008

Keine Null für Spalte vier

Sieben Spiele sind rum, drei Mannschaften standen schon ganz oben, ein Trainer ist bereits raus. Die Bundesliga zehrt von ihrer Ausgeglichenheit und geizt weder mit Toren noch mit Zuschauern. Über eine Achterbahnfahrt mit ungewissem Ende

Schon der Blick auf eine ganz bestimmte Spalte der Bundesligatabelle spricht Bände: Kein einziges Team ist noch ungeschlagen. Das gab es zuletzt vor acht Jahren. Genau gesagt steht in jener Spalte mit dem v. für „verloren“ bereits seit letzter Woche keine einzige Null mehr, als Wolfsburg und Schalke jeweils die erste Saisonniederlage einstecken mussten. Eine ähnliche Abstinenz weißer Westen war letztmals zum Auftakt der Spielzeit 91/92 zu beobachten. Damals vollbrachten gleich 20 Mannschaften das Kunststück.

Ihre Ausgeglichenheit ist das schlagkrätigste Argument der Bundesliga. Längst erlauben nicht nur Partien mit Beteiligung der Bremer Torfabrik ernsthafte Hoffnungen auf ein Schützenfest. In 14 Spielen, also in 2 von 9, sind mindestens fünf Tore gefallen (4x 3:2, 3x 4:1, 2x 5:2, 2x 3:3, 1x 4:2, 1x 5:1, 1x 5:4 - dennoch war Werder viermal beteiligt). Der Schnitt liegt mit 3,13 Treffern so hoch wie lange nicht mehr. Die Schießbude der Liga heißt kurioserweise an beiden Enden des Platzes Werder Bremen: 19 eigene Treffer sind ebenso Spitze wie 16 Gegentore.

Freilich findet das ganze Spektakel nicht vor leeren Rängen statt. Mit 41 182 Zuschauern im Schnitt ist die Bundesliga in diesem Jahr erneut auf Rekordkurs.

Eine weitere Statistik untermauert eindrucksvoll das Jeder-kann-jeden-schlagen-Prinzip: Auf den ersten fünf Plätzen tummeln sich drei Vereine, die noch nie in der Bundesliga Meister geworden sind. Berücksichtigt man die letzten 45 Jahre, sind es in England dagegen 45 Meisterschaften, in Spanien 32 und in Italien immerhin noch 10. Chelsea, Liverpool, Arsenal und Barcelona, Real, Valencia – bei den Marktführern des europäischen Fußballs stehen die alten Bekannten vorne, während bei uns ein Aufsteiger wie Hoffenheim Rang zwei belegt (na gut, hier können die Engländer mit dem Überraschungsteam Hull City auf der drei noch annähernd mithalten).

Den 1. FC Köln auf Rang 10 trennen nur drei Zähler vom zweiten Platz. Der HSV steht mit drei Punkten Vorsprung derzeit nahezu uneinholbar an der Tabellenspitze – und das, ohne den Charme eines echten Spitzenteams zu versprühen. Wobei vier knappe Siege mit einem Tor Vorsprung, dazu zwei gedrehte und ein egalisierter 0:2-Rückstand durchaus in Indiz von Klasse sind.

Das Beispiel des HSV zeigt, dass man in der Bundesliga derzeit alles nach Belieben drehen und wenden kann – am Ende kommt stets etwas Positives heraus. Schwächelnde Bayern mag der eine mit dem Kommentar versehen, dass wir „weit genug unten angelangt sind, wenn nicht einmal mehr der Rekordmeister zu überzeugen weiß“. Andere werden behaupten, dass die Bundesliga in der Breite so stark besetzt ist, dass selbst der letztes Jahr noch übermächtige FCB vor keiner Krise gefeit ist.

Für den neutralen Beobachter ist es bislang eine Saison zum Zurücklehnen Zungeschnalzen. Jeder halbwegs Infizierte erlebt dagegen Woche für Woche eine Achterbahnfahrt der Gefühle, in der vom Totalschaden bis zur Schwerelosigkeit alles drin ist. Ohne Rücksicht auf Verluste.

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