Entscheidend is auf’m Platzhirsche des Monats: Maik Franz und der Kosovo
Der Mondkalender und ein paar christliche Gepflogenheiten hatten es so gewollt: Karneval fiel auf dasselbe Wochenende wie der Rückrundenstart. Dieser scheinbare Widerspruch, der nur am Zuckerhut und bei den selbsternannten „Karnevalsvereinen“ einen gemeinsamen Nenner in Sachen Fußball findet, war auch beim Spiel Gladbach gegen Lautern zu spüren. Da marschierte der Karnevalsprinz der Stadt vom Niederrhein über den Platz wie Karl der Große. Aus den Boxen hallten „jecke Tön“ und bei eisigen Temperaturen herrschte nicht erst nach Sascha Röslers frühem 1:0 geradezu Rosenmontagsstimmung. In der Nachspielzeit erhielt die karnevalistische Atmosphäre jedoch einen Dämpfer: Lautern traf in doppelter Unterzahl zum Ausgleich und schoss der Gladbacher Tabellenführer- und So-gut-wie-aufgestiegen-Euphorie kräftig vor den Bug. Ein „Weckruf met et Trömmelche“, wie ihn sonst nur „De Räuber“ drauf hätten.
Und weil das Fußballjahr so trist begonnen hatte, folgte gleich eine ausführliche Schau der gescheiterten Talente – eine Reise mit Alexandre Pato ins Jahr 2020, Erinnerungen an Hoffnungsträger wie Sebastian Deisler, die Geschichte vom U20-WM-Torschützenkönig Marcel Witeczek, Stammtischwissen über Michael Zepek und Erdal Kilicaslan, und zuletzt die vagen und wenig nachhaltigen Vorhersagen der Sport-Bild, wer die deutsche Nationalmannschaft im neuen Jahrtausend bereichern würde. Am Schluss stand eine traurige Erkenntnis: „Hochgejubelt“ wurden einige, „tief gefallen“ sind viele.
Ein Motto, das Anfang des Monats Februar auch die Borussia aus Mönchengladbach zu beherzigen schien: In Hoffenheim setzte es die erste Pleite seit 170 Tagen und ich durfte erstmals seit fast einem halben Jahr meine beiden Trikots waschen. Dass Hoffenheims Herbstmeisterschaft das Fußballjahr 2008 beschließen sollte, konnte, wollte und durfte da noch niemand ahnen. Dass der oben erwähnte Erdal Kilicaslan in der 1. Pokalrunde mit dem FC Oberneuland den Zweitligisten TuS Koblenz rauskegeln sollte, ebenso wenig. Dass dies auch noch live und in Farbe im PayTV zu sehen sein sollte, hatten noch weniger Leute auf der Rechnung. Aber: Man sieht sich eben immer zweimal im Leben.
Dachte sich auch Sergio „Kun“ Agüero, dessen Nachname eine neue Sparte namens „Auf gut Deutsch“ eröffnete. Der „Ünglücksrabe mit den guten Omen“ schoss im August den FC Schalke 04 aus der Champions League und belegte die Königsblauen mit einem Fluch, der bis heute anhält. Sicherlich kein gutes Omen.
In diese Reihe – Schalke 04 und der lähmende Misserfolg – passt auch die Nachberichterstattung vom Revierderby gegen Dortmund. BVB-Trainer Thomas Doll redete sich als „Doller Poltergeist“ um Kopf und Kragen. Neben ihm blieb Mirko Slomka nur ein süffisantes Schmunzeln – eine seiner letzten amüsierten Gefühlsregungen für lange Zeit.
Weitaus mehr Grund zur Freude bereitete zu diesem Zeitpunkt das Abschneiden deutscher Mannschaften im Europacup. Nach den Hinspielen in der Zwischenrunde des Uefa-Cups und dem Achtelfinale der Champions League lagen fast alle auf Kurs und hatten „Frohe Ostern im Visier“. Was letztlich nicht für den 1. FC Nürnberg gelten sollte: Erst verlor er das Hinspiel bei Benfica Lissabon nur mit 0:1, stand im Rückspiel dann dank einer 2:0-Führung mit einem Bein in der nächsten Runde – und musste sich sozusagen in letzter Sekunde geschlagen geben. Benficas Doppelschlag in der 89. und 92. war für den „Club“ der Anfang vom Ende.
Ähnlich trüb sah es derweil in Gladbach aus, wo die Tabellenführung nach der ersten Heimniederlage der Saison gegen Mainz 05 am seidenen Faden hing - die Borussia in einer „Midseason-Crisis“. Trotz allem war’s dann doch irgendwie Jammern auf hohem Niveau. Am selben Tag zauberte die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo – weniger aus politischer als aus sportlicher Sicht – Sorgenfalten auf die Stirn eines jeden Fußballfans. Nach Armenien und Aserbaidschan demnächsts Quali-Spiele im Kosovo? Nun ja, trotz allem ein herzliches „Mire se vini, Kosovo!“ – seid willkommen, ihr Kosovaren.
Mitte Februar erschien die Tabelle der Bundesliga in einem durchaus dreigeteilten Licht. Spitze, Mittelfeld, Abstiegskampf – alles wohlgeordnet wie die Äste einer prächtig gewachsenen Nordmanntanne. Was schließlich zu der epischen Frage führte: Wer wird Meister? Der, der alle Spiele gegen die anderen Topteams für sich entscheidet? Oder derjenige, der gegen die „Kleinen“ nie den Kürzeren zieht. Ausgiebige statistische Erhebungen führten letztendlich zu dem Schluss, dass Uli Hoeneß Unrecht hat, wenn er behauptet: „Wir waren uns einig, dass solche Spiele wie in Hannover wichtiger sind als die direkten Duelle gegen die Spitzenmannschaften. Dabei werden Meisterschaften entschieden.“ (via Dreieckeneinelfer via Frankfurter Rundschau) Und wenn man Uli Hoeneß in irgendeine Lügenfalle tappen lässt, ist der Tag sowieso gerettet.
Jene statistische Fleißarbeit beinhaltete übrigens den Karlsruher SC. Ja, obwohl sie den Titel „Die Quintessenz im Meisterkampf“ trug. Denn, wir erinnern uns: Anfang 2008 gehörte der KSC als vielumjubelter Aufsteiger zu den Überraschungen der Saison 07/08. Dass er Ende des Monats nicht mehr aufgrund seines beherzten Auftretens, sondern dank eines gewissen Maik Franz in den Fokus der Öffentlichkeit geriet, versinnbildlich irgendwie den stetigen Verfall des aktuellen Tabellenfünfzehnten. Erwähnter Herr Franz reizte Mario Gomez so sehr, dass der Nationalspieler seinen terrier’esken Gegenspieler vor laufenden Kameras als „Arschloch“ bezeichnete. Sicherlich eine der relevanteren Diffamierungen des Jahres.
Am selben Spieltag hatte Diegos sein Tête-à-Bauch à la Zidane mit Frankfurts Kyrgiakos und Mark van Bommel bettelte bei Lutz Wagner solange um einen Platzverweis, bis er ihn endlich bekam. Und im Hintergrund trällerte John Paul Young unnachgiebig sein „Love is in the Air“.
Sonntag, 21. Dezember 2008
2008x12 - Februar
Eingestellt von Jannik um 00:22
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