Entscheidend is auf’m Platzhirsch des Monats:
Josef Schnusenberg
Anfang März stand bereits der Frühling vor der Tür und irgendwie versinnbildlichte Schalke 04 die Wetterlage zu dieser Jahreszeit beinahe perfekt: Nach dem Coup von Porto, dem Sieg im Elfmeterschießen des Achtelfinales der Königsklasse, herrschte eigentlich eine Wir-haben-uns-alle-lieb-Stimmung wie bei Astrid Lindgren. Doch der zweitgrößte internationale Erfolg der Vereinsgeschichte wurde von Intrigen und Schlammschlachten begleitet, die den Beobachter eher an „Dallas“ und den Ewing-Clan erinnerten. Kevin „Bobby“ Kuranyi verweigerte Mirko Slomka nach seiner Auswechslung den Handschlag. Präsident Josef „J.R.“ Schnusenberg stand da schon längst nicht mehr hinter seinem Trainer.
Die titanische Parade des Manuel Neuer gegen Portos Tarik Sektioui bekam das herzinfarktgefährdete Vereinsoberhaupt gar nicht mehr mit. Zu diesem Zeitpunkt weilte das Nervenbündel bereits schweißgebadet in den Katakomben. Der Marokkaner Sektioui war nach seinem Versagen à la Frank Mill ein Häufchen Elend, Neuer dagegen längst noch nicht satt. Also „parierte“ er seine Mannschaft grandios ins Viertelfinale. Jaja, diese „Macht des Augenblicks“.
Ähnliches wird sich die TSG „1899“ Hoffenheim gedacht haben. Der augenblickliche Lauf der Kraichgauer hält im Prinzip seit der letzten Winterpause an. Sechs Siege in Serie zum Rückrundenstart – wohl oder übel „Mannschaft der Stunde“. Geblinzelt hat die Rangnick-Elf bis heute nicht. Noch vor gut neun Monaten triefte meine zweiteilige Abhandlung des Phänomens Hoffenheim mit dem Titel „Willkommen im Klub“ nur so vor Abneigung. In meiner persönlichen Hass-Rangliste des deutschen Fußballs hat sich die TSG diametral zu ihrem sportlichen Erfolg entwickelt und längst eine Topposition eingebüßt. So kann das gehen. Man muss Hoffenheim auf keinen Fall mögen, aber auch nicht gleich hassen.
Ganz so sicher darf man sich beim FC Bayern München nicht sein. Im Frühjahr 2008 war der Rekordmeister einfach nicht zu stoppen und hechelte mit Schaum vorm Mund dem 21. Titel entgegen. Allein ein 0:2 bei Schlusslicht Cottbus lieferte der Schadenfreude kurzzeitig ihren Nährboden – „Cottbus zu stark für die Bayern“, fand nicht nur der Videotext.
Als „FC Bayern der 2. Liga“ durfte sich zu dieser Zeit die Borussia aus Mönchengladbach rühmen. Im März blieb sie ungeschlagen und holte zehn Punkte aus vier Spielen. Darunter unter anderem in 1:0 gegen Koblenz durch ein Eigentor in letzter Sekunde (vgl. „Bayern-Dusel, der“). Neun Spieltage vor Saisonende war es demnach langsam an der Zeit, auf den möglichen Aufstiegstermin zu schielen. „Der Schuldenberg“ zeigte von nun an die noch einzufahrende Punktezahl an, die mit Sicherheit zur Rückkehr ins Oberhaus genügen würde – Startwert war 23. Das Unheil einer weltweiten Finanzkrise kündigte sich augenscheinlich bereits im März an: Die „US-Immobilienkrise“ und die „schwankende Weltwirtschaft“ tauchten in dem Post auf, der den „Schuldenberg“ der Borussia einführte. Ich nehme diesen Preis, den Wirtschaftsnobelpreis, nicht an.
Abseits des Platzes markierte der März den Beginn einer bis heute andauernden Posse bei der Borussia: Kölner Fans entwendeten die Zahnfahne der Gladbacher Ultras aus einem Lagerraum unter der Nordkurve. Die UMG lösten sich daraufhin auf wie eine beleidigte Leberwurst in der Fleischtheke, was mich dazu bewegte, ein wenig über mein Verhältnis zur Ultra-Szene zu sinnieren. Fazit: Seitdem ich bei einem Spiel der 2. Basketball-Liga Frankreichs mit ansehen musste, wie die einladende Oberweite einer euphorisierten Mutter im Namen einer Ultra-Formation eine wehrlose hydraulische Tröte malträtierte, ist meine Einstellung zu Ultras und Co. nachhaltig gestört. Immerhin gab’s für „Sandkastenmentalität, schwingende Oberweite und schwerwiegende Opfergaben“ den ersten Kommentar in der Geschichte dieses Blogs.
Weniger geschichtsträchtig war dagegen die Nominierung Robert Huths fürs Länderspiel gegen die Schweiz (das seltsamerweise in jenem Monat ansonsten keine Erwähnung fand). Eine sich anbahnende Metzelder&Mertesacker-Phobie verleitete mich zu einer fast schon zu hoffnungsvoll geratenen Arie auf die Abwehrqualitäten des Englandlegionärs. Zumal Huth kurz darauf verletzt absagen musste. „The Berlin Wall is back“ – alles unter Vorbehalt.
Unter Vorbehalt schlug ich eines Morgens auch die Zeitung auf. „Matthäus – Feingeist und großer Redner“, fiel es mir prompt in meine verschlafenen Augen. Als dann auf einmal von „Wundererzählungen“ die Rede war, wurde die „Österliche Frühstücksverwirrung“ nur größer. Entwarnung folgte jedoch sogleich: Die Rheinische Post hatte sich anlässlich des Osterfestes den vier Evangelisten aus der Bibel gewidmet. Wenig später unterschrieb Matthäus, Rudi Gutendorfs Erbe, übrigens seinen 458. Vertrag als Trainer – ausgerechnet in Israel. Seit dem Sommer arbeitet er dort am fünften Evangelium und will Maccabi Netanya zum Meistertitel führen.
Wo wir vorhin schon bei Frühlingsgefühlen angelangt waren: In Sevilla ergriff einen Fan deshalb gleich der Übermut. Bei 22 Grad und Sonnenschein schleuderte er aus geschätzten neun Metern eine PET-Flasche auf Bilbaos Keeper Armando. Der Spanier kennt dafür sogar ein eigenes Wort: „Botellazo“ – der Flaschenwurf. Scheint also öfter vorzukommen. Die martialischen Bilder gab’s bei „Un botellazo, por favor“.
Was genau das heißt, hätte Mario Gomez bekanntlich nicht im Wörterbuch nachschlagen müssen. Der spanischstämmige VfB-Stürmer befand sich in den ersten Wochen nach der Winterpause zudem in absoluter Topform, traf wettbewerbsübergreifend 16-mal in 11 Spielen. „Hut ab, Herr Gomez“, hieß es dementsprechend. Nicht mehr als eine Momentaufnahme, wie die EM eindrucksvoll untermauerte. Ausnahmsweise konnte ich mich mit vagen Prognosen halbwegs zurückhalten und fügte nur noch hinzu: „Aber bis dahin [bis zur EM] wächst das Gras noch ein ganzes Stück“. Vermutlich ist es gar zu gut gediehen. Drei Millimeter kürzer und Gomez wäre nach der Vorrunde auf Kurs EM-Torschützenkönig gewesen und würde heute in Barcelona spielen (falls jetzt wirklich jemand den Rasen für seine Abschlussschwäche verantwortlich machen will).
Ende des Monats standen noch einmal die Königsblauen im Mittelpunkt. Ihr wohl genährter Präsident lieferte den Anstoß zu einer kleinen Studie über Gemeinsamkeiten von Vereinsoberhäuptern. Altegoer, Wildmoser, Schnusenberg und Co. ließen es zumindest darauf hinaus laufen, dass man in ihrem Falle „Korpulente Macht“ diagnostizieren könnte. Nur Michael A. Roth tanzte etwas aus der Reihe – aber der ist rein größentechnisch immerhin alles andere als Durchschnitt.
Fast hätte Josef Schnusenberg seinen Titel als Entscheidend is auf’m Platzhirsch des Monats noch an Eke Uzoma vom SC Freiburg abgeben müssen. Der Youngster brachte Co-Trainer Damir Buric nämlich nur mithilfe seines Vornamens an den Rand eines Feldverweises. „Eke, Eke!“, hatte der andauernd von der Außenlinie geschrien. Der Schiedsrichter fühlte sich persönlich angegriffen und forderte Buric auf, nicht pausenlos einen Eckball zu fordern. Nach diesem Vorfall nahmen die Freiburger erst einmal Abstand von einer Verpflichtung des Georgiers Aschloch Erschiesdenvili.
Montag, 22. Dezember 2008
2008x12 – März
Eingestellt von Jannik um 00:06
Labels: Jahresrückblick
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen