Freitag, 2. Januar 2009

2008x12 - November

Entscheidend is auf’m Platzhirsch des Monats:
Der 30. November


Mahnendes Gedenken an die Reichspogromnacht und Andacht zu Allerheiligen, am Volkstrauertag sowie am Totensonntag – der November ist nicht gerade bekannt dafür, ein Monat der glückseligen Erinnerungen und Feiertage zu sein. Und selbst der Fall der Berliner Mauer scheint nicht für jeden ein Grund zum Feiern zu sein. Gibt man bei Google „Mauer zurück“ als Suchbegriff ein, werden 1.610.000 Suchbegriffe angezeigt. Grundtenor: Jeder fünfte Deutsche wünscht sich die Mauer zurück.

Irgendwie hatte es demnach ganz den Anschein, der Fußball-Mikrokosmos auf dieser bescheidenen Seite hätte sich der tristen Novemberstimmung angepasst. Gladbach gewann zwar erst auswärts in Bielefeld und lieferte beim 2:2-Sieg gegen die Bayern die ekstatischsten Momente der Hinrunde. Doch dann war auch schon wieder Schicht im Schacht. Erst ein impotentes 1:3 „auf Schalke“, eine Woche später dasselbe Resultat. Kann passieren, nicht aber zuhause gegen Cottbus. Und so nahm der November aus Borussensicht letztendlich geradezu apokalyptische Züge an.

Zudem wurde Dietmar Hopp nicht nur ins Sportstudio eingeladen (an für sich schlimm genug), sondern nutzte die Gelegenheit auch noch, um kurz vor Mitternacht im deutschen Fernsehen mit einem Bündel Geldscheinen zu wedeln. Da bricht der geneigte Idealist zusammen. Zwei Wochen später schaffte das Gladbacher Fanprojekt protokollarisch das Ungetüm namens „Humba“ ab. Obwohl – irgendwie gehört das gar nicht an diese Stelle. Hat ja schließlich nicht nur Ernst Neger, sondern die meisten von uns gefreut. Wenn die Borussia weiterhin den Bach runter geht, wird vielleicht sogar damit geliebäugelt, derartige Feier-Choreografien vollständig abzuschaffen. Kann sich ja eh keiner merken, wenn’s nur alle drei Monate angewandt wird.

Werder Bremen schloss sich der allgemeinen Untergangsstimmung ohne mit der Wimper zu zucken an. Das 0:3 zuhause gegen Panathinaikos Athen besiegelte das Champions-League-Aus „so gut wie“ und wurde – weil’s so „schön“ war – 90 Minuten lang im „Live-Ticker“ auf Entscheidend is auf’m Platz dokumentiert.

Während in Bremen und Gladbach eher sportliche Talfahrten die Fahnen auf Halbmast sinken ließen, zog die Volkstrauer „auf Schalke“ berechtigterweise weitere Kreise. Im November trauerte ganz Fußball-Deutschland um Charly Neumann, der mehr war als nur ein lebendes Maskottchen: Schulter zum Ausweinen, Fels in der Brandung, ein echtes „Original“. Mit Charly Neumann ging einer von uns, der in Gelsenkirchen so etwas personifizierte wie die Blume, die ein Pazifist in den Gewehrlauf eines patrouillierenden Soldaten steckt. Er war in jeder Lage ein schlichtender und verbindender Pol. Tschüss, Charly!

Wenn Deutschland dann auch noch gegen England verliert und selbst René Adler anfängt zu menscheln, hat sich ein Monat seinen Trauerflor redlich verdient. In dieser depressiven Grundstimmung kann man sogar einem „rätselhaften Bomber“ aus Österreich wenig Positives abgewinnen. Doch zum Glück sprangen Marc Jankos Landsleute für ihn in die Bresche und verteidigten ihre Sturmhoffnung wie die Löwenmama ihre Jungen. In solch einem Monat darf man übrigens auch mal Nicolas Anelkas Qualitäten preisen.

So, jetzt aber genug Schwarzmalerei. Auf den November folgte immer noch ein Dezember. Sprich, wir haben’s überlebt. Behilflich dabei war unter anderem Simon Rolfes, für den man endlich mal wieder den Stempel mit der Prägung „Musterprofi“ rausholen konnte. Zudem gab es gleich drei Ausflüge in den undurchdringbaren Urwald der Statistiken. Diesmal im Programm: Wer ist der wahre Lukas Podolski und dürfte bei der Mehrzahl seiner Tore geweint und nicht gefeiert haben? Welcher Verein hat die meisten der aktuellen Nationalspieler rausgebracht? Und musste der VfB zwangsläufig so abstürzen, obwohl er in jener Rangliste der besten Ausbildungsvereine die Nase vorn hatte?

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