Montag, 22. Dezember 2008

2008x12 - April

Entscheidend is auf'm Platzhirsche des Monats:
Der "Bayern-Dusel" und der "Titelkorridor"

Der April 2008 – in gewisser Weise „FC Bayern-Themenmonat“ auf Entscheidend is auf’m Platz. Ottmar Hitzfeld warf Schiri Michael Weiner vor, „wie beim Frauenfußball“ zu pfeifen. Was mich zu einem kleinen Return in Richtung des scheidenden Herrn H. veranlasste: „Wer ihn nach einem Tor jubeln sieht, als habe er gerade beim Bingo im Seniorentreff abgeräumt, der fragt sich, ob man nicht auch pfeifen darf „wie beim Frauenfußball“, wenn mitunter gejubelt wird wie im Kreise von lauter Mittsiebzigern.“

Derweil bereitete sich Fußball-Deutschland auf einen weiteren meilensteinigen Abgang vor: „King Kahn tritt ab“, womit es im April an der Zeit war für ein kleines Memorandum. „Olli, Du wirst fehlen“, hieß es am Ende mit überraschend viel Wehmut in der Tastatur. Heute, mehr als ein halbes Jahr später, hat es sich für mich irgendwie bewahrheitet. Kahn analysiert an Kerners Seite Fußballspiele. Man möchte ihm andauernd zurufen: „Olli, unter dem Kerner-Kostüm steckt Heiko Herrlich!“. Aber er hört nicht.

Vor lauter Abschiedsvorbereitung gingen die sportlichen Missionen des Rekordmeisters jedoch nicht vollkommen unter. Beim 3:3 in Getafe wurde der geneigte Zuschauer Zeuge des fleischgewordenen Bayern-Dusels. „Die Bayern, die machen noch eins“ – Fußball kann so berechenbar sein, wenn Luca Toni, Oliver Kahn und Franck Ribéry ihre Köpfe, Finger und Füße im Spiel haben. Getafe – anscheinend eine so traumatische Bayern-Erfahrung für mich, dass ich zu dem waghalsigen Schluss kam: „Europacup-Bayern sind gute Bayern“. Zu meiner Entschuldigung: Ich steckte zu dieser Zeit mitten im Abitur, hatte montags Deutsch, mittwochs Englisch hinter mich gebracht, eines der hitzigsten Rheinischen Derbys ever erlebt und war dementsprechend ein nervliches Wrack. Hoffe, die Entschuldigung gilt. Immerhin ist die These vor kurzem auf dieser Seite ja ein für allemal gekippt und ein „Freuverbot“ verhängt worden, wenn der FC Bayern international siegreich ist.

Apropos Abitur: Es war gar nicht so einfach, diesen Haufen bedeutender Intellektueller nicht durcheinander zu werfen. Da können die „Leiden des jungen Werther“ schnell auf die Kappe von Kevin Kuranyi gehen.

In Gladbach war trotz der Fahnenquerelen rund ums rheinische Derby gegen den FC alles im Lot. Nach dem 1:1 in Köln hieß es in Bezug auf den Dusel-Sieg gegen Koblenz eine Woche zuvor zwar noch: „Wie gewonnen, so zerronnen“. Das überragende 3:0 zuhause gegen Fürth machten das jedoch alles im Nu vergessen. „Nie mehr zweite Liga“, hallte es erstmals durch den Borussia-Park. „Einfach göttlich“. In meiner Prä-Aufstiegshysterie schrieb ich sogar: „Es klingt in den Ohren wie Mozart oder Bach. Doch auf die könnte die Musikgeschichte in diesem Moment getrost verzichten, wenn ich für den Rest meines Lebens ‚Nie mehr Zweite Liga‘ singen dürfte.“ So kann es gehen, vielleicht ist es im April 2010 schon wieder so weit.

In Jena gab es kurz darauf zwar nur ein glückliches 2:2. Der Wiederaufstieg schien trotzdem unter Dach und Fach: „Es ist müßig über das wann und wo zu philosophieren. Es wird passieren, davon darf man trotz des schwachen Auftritts in Jena aber weiterhin ausgehen. Das Heimspiel gegen Wehen erscheint dafür geradezu prädestiniert.“ Mein Wille (sollte) geschehe(n).

In Groningen nahm man es derweil etwas zu genau mit dem vielbemühten Motivationsspruch „Das Stadion muss brennen“. Klopapierrollen hatten im Stadion Euroborg Feuer gefangen, weshalb die Partie des Gastgebers gegen Ajax Amsterdam ein Ende fand, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Was nicht nur Trainer Baade zu der Erkenntnis brachte: „Naja, bisschen schwierig, etwas abzubrechen, was noch nicht begonnen hat...“

Überhaupt spielten die Elemente im April verrückt. Feuer in Groningen, sintflutartiger Regen in Nürnberg – irgendwie ging alles daneben. Die Begegnung zwischen dem „Club“ und dem VfL Wolfsburg musste nach 45 Minuten beim Stand von 1:0 abgebrochen werden. Das Nachholspiel neun Tage später an gleicher Stelle endete – na, wie auch sonst – mit 1:0. Diesmal jedoch bei strahlendem Sonnenschein.

Derartige Traumbedingungen erwarteten Berti „Rudi Gutendorf II“ Vogts wohl kaum an seinem neuen Arbeitsplatz. Den „Terrier“ verschlug es im April dieses Jahres nach Aserbaidschan. „Berti goes to Baku“ und sorgt für ein Novum: Erstmals können die Länder Deutschland, Kuwait, Schottland, Nigeria und Aserbaidschan problemlos in einem Satz untergebracht werden. Während sich Schlachtenbummler-Kollege Matthäus auch abseits des Platzes der Promiskuität verschrieben hat, herrscht wenigstens in dieser Hinsicht Konstanz in Bertis Leben.

Auch in diesem Monat ging es natürlich nicht ganz ohne die ewigen Leiden von S04. Mirko Slomka musste seinen Hut nehmen, das Duo Büskens-Mulder übernahm vorerst und fegte dank eines Viererpacks von Kevin Kuranyi gleich einmal Energie Cottbus mit 5:0 vom Platz. Schalke wurde am Ende doch noch Dritter, stellte Fred Rutten als neuen Coach vor und es kehrte tatsächlich (erst einmal) Ruhe ein.

Ruhe vor dem Sturm herrschte zu diesem Zeitpunkt noch in Sachen Europameisterschaft. Knapp zwei Monate vor Beginn des Turniers war es dennoch an der Zeit, für ein paar vorausschauende Blicke. Die Sport-Bildliche Stürmeranalyse „Auf Müllers Spuren“ führte zu dem Schluss, dass „das Pendel derzeit also zum Duo Gomez-Klose“ tendiere. Der pendelnde Möchtegern-Bundestrainer sollte Anfang Juni zum EM-Auftakt (fürs Erste) Recht behalten.

Auch eine weitere Prognose ging voll auf. Irgendein verschlafener Vormittag in der Zeit nach den Abiturprüfungen brachte nämlich die sagenhafte Erkenntnis, dass die deutsche Nationalmannschaft all ihre sechs Titel bei großen Turnieren zwischen dem 0. und 13. Längengrad eingefahren hat. Sechs von acht Endspielen in diesem deutschen „Titelkorridor“ wurden gewonnen. Alles, was außerhalb stattfand, ging verloren. „Demnach stehen die Sterne für die EM 2008 nicht allzu gut. Geografische Begebenheiten dürften unsere Elf zwar nicht vom Finaleinzug abhalten. Aber scheitern wird man dann wohl am Endspielort Wien (16°11' O), der einen Tick zu weit im Osten liegt“, lautete die unumgängliche Prognose. Und? Wir erinnern uns: Deutschland gewann in Basel (ungefähr 7° Ost) gegen Portugal und die Schweiz, um dann in Wien den Spaniern haushoch unterlegen zu sein. Kein Unvermögen also, sondern alles Schicksal und geschichtliche Fügung.

Noch weniger fügten sich die Dinge jedoch in persona Bernd Schneider. „Schnix“ musste die EM-Teilnahme endgültig absagen. Inzwischen ist es verdammt ruhig geworden um den „weißen Brasilianer“. Selbst schwammige Wasserstandsmeldungen bezüglich seines Genesungsstandes machen sich rar. Immerhin ist er einen wenig ruhmreichen Titel „posthum“ losgeworden. Seit der EM ist er nicht mehr der Nationalspieler mit den meisten Länderspielen, ohne einen Titel errungen zu haben. Klose (87) und Ballack (89) haben ihn überflügelt. Wird ihn jedoch wenig trösten.

Ein Rekord, auf den man zumindest aus der Sicht des Siegers weitaus mehr halten kann, feierte im April seinen 30. Jahrestag. Am 29. April 1978 verlor Borussia Dortmund mit 0:12 gegen die Namenscousine aus Mönchengladbach, weshalb dieses historische Resultat kurzerhand auf einem T-Shirt im Fanshop des Gewinners gewürdigt wurde. Zur Schau getragen von Soumaila Coulibaly, dessen Gesicht es trotzdem nicht auf diese Seite schaffte. Mittlerweile ist er auch im richtigen Fußballerleben ausgemustert worden.

"Drunter und drüber" ging es zu guter Letzt im Statistik-Dschungel. In Karlsruhe - bei denen, die Anfang des Jahres noch Sechster waren - bemühte man unermüdlich die alte Leier von den 40 Punkten, ohne die in Sachen Klassenerhalt rein gar nichts geht. Anlass genug, einmal genau den "Abstiegskampf in 45 Jahren Bundesliga" zu beleuchten. Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel mussten es übrigens nie die besagten 40 Zähler sein. Erst zweimal in der Bundesliga-Historie stiegen Klubs ab, die ihre Mission scheinbar erfüllt hatten (Hertha '80 und Bochum '90). Von 40 Punkten konnte Arminia Bielefeld zum Ende der Saison 2007/2008 nur träumen. 34 Punkte genügten - Negativrekord seit Einführung der Drei-Punkte-Regel eingestellt.

Auf wiedersehen im Mai!

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